DGUV Vorschrift 2 BG RCI - Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit - Unfallverhütungsvorschrift

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Anlage 3c - Alternative bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung (für die Branchen Lederindustrie, Papierherstellung und Ausrüstung sowie Zucker)

(zu § 2 Abs. 4)

1 Allgemeines

Bei der Anwendung der alternativen bedarfsorientierten betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung wird der Unternehmer zu Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb informiert und für die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen motiviert.

Die alternative bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung besteht aus Motivations- und Informationsmaßnahmen, Fortbildungsmaßnahmen und der Inanspruchnahme der bedarfsorientierten Betreuung.

Die Beschäftigten werden über die Art der praktizierten betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung informiert und wissen, welcher Betriebsarzt und welche Fachkraft für Arbeitssicherheit anzusprechen ist.

Diese alternative Betreuung kann in Anspruch genommen werden, wenn:

  • für Betriebe der Gefahrtarifstellen10 1 und 6 die Zahl der Beschäftigten nicht mehr als 20,

  • für die übrigen Betriebe die Zahl der Beschäftigten nicht mehr als

    • 30 (Gefahrtarifstellen 3, 5, 7 und 8),

    • 50 (Gefahrtarifstelle 4)

beträgt.

Teilnahmeberechtigt an den Qualifizierungsmaßnahmen sind der Unternehmer sowie die nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 4 des Arbeitsschutzgesetzes verantwortlichen Personen, wenn diesen die Pflichten hinsichtlich des Arbeitsschutzes übertragen worden sind und gewährleistet ist, dass sie Entscheidungsgewalt hinsichtlich des Bedarfs an externer Betreuung haben.

2 Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen

2.1 Motivations- und Informationsmaßnahmen

Die Motivations- und Informationsmaßnahmen umfassen:

BetriebsartMotivation und branchenneutrale Information des UnternehmersBranchenspezifische Information des Unternehmers
Gefahrtarifstelle 1Präsenzphase mit Wirksamkeitskontrolle
(Umfang: mindestens 8 Lehreinheiten à 45 Minuten)
Selbstlernphase mit Wirksamkeitskontrolle
(Umfang: mindestens 20 Lehreinheiten à 45 Minuten)
Alle übrigen GefahrtarifstellenPräsenzphase mit Wirksamkeitskontrolle
(Umfang: mindestens 6 Lehreinheiten à 45 Minuten)

Die Federführung für die Motivations- und Informationsmaßnahmen liegt bei der Berufsgenossenschaft. Sie kann andere Institutionen mit der Durchführung beauftragen. Gleichwertige Motivations- und Informationsmaßnahmen anderer Unfallversicherungsträger können von der Berufsgenossenschaft anerkannt werden. Motivations- und Informationsmaßnahmen sind nach Veranlassung durch die Berufsgenossenschaft innerhalb von 2 Jahren zu absolvieren.

2.2 Inhalte der Motivations- und Informationsmaßnahmen

Inhalte der Motivations- und Informationsmaßnahmen bei der alternativen bedarfsorientierten Betreuung sind insbesondere:

  • Wirtschaftliche Aspekte von Sicherheit und Gesundheitsschutz,

  • Organisation von und Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz (Arbeits- und Gesundheitsschutz als Führungsaufgabe und Unternehmensziel),

  • Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes,

  • Identifizierung branchenspezifischer Gefährdungspotenziale (Gefährdungen, Arbeitsunfallgeschehen, Berufskrankheitengeschehen, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren),

  • Vorgehensweise bei der Durchführung der betriebsbezogenen Gefährdungsbeurteilung,

  • Handlungsfelder des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit in Verbindung mit Verfahren zur Feststellung des betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Beratungsbedarfs, sowie

  • Anlässe zur Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen.

2.3 Ergänzende Motivations- und Informationsmaßnahmen zur Inanspruchnahme betriebsärztlicher Betreuung nach § 6 Abs. 4

In diesen ergänzenden spezifischen Motivations- und Informationsmaßnahmen werden insbesondere folgende Themen behandelt:

  • Branchenspezifische arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren,

  • Schutzmaßnahmen zur Abwehr arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren,

  • Handlungsfelder des Betriebsarztes,

  • Kriterien für die Inanspruchnahme bedarfsgerechter betriebsärztlicher Betreuung,

  • Beratungs- und Untersuchungsbedarf des Betriebsarztes.

Der Umfang dieser ergänzenden spezifischen Informations- und Motivationsmaßnahmen entspricht vier Lehreinheiten à 45 Minuten.

2.4 Fortbildungsmaßnahmen

Im Anschluss an die Motivations- und Informationsmaßnahmen nimmt der Unternehmer im Abstand von höchstens 5 Jahren an von der Berufsgenossenschaft durchgeführten oder anerkannten Fortbildungsmaßnahmen teil. Im Rahmen der Fortbildung wird der Kenntnisstand der Unternehmer aktualisiert. Der Umfang der Fortbildungsmaßnahmen beträgt für Betriebe der Gefahrtarifstelle 1 mindestens vier Lehreinheiten à 45 Minuten.

2.5 Kosten der Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen

Der Vorstand entscheidet jährlich, in welchem Umfang die Kosten für die Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen von der Berufsgenossenschaft übernommen werden. Alle übrigen Kosten sind vom Unternehmer zu tragen.

3 Bedarfsorientierte Betreuung

Nach dem Abschluss der Motivations- und Informationsmaßnahmen kann der Unternehmer über die Notwendigkeit und das Ausmaß einer externen Betreuung selbst entscheiden. Eine sachgerechte bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung im Betrieb erfolgt auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung, die erforderlichenfalls unter Einschaltung von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit mit branchenspezifischen Kenntnissen durchgeführt wird.

Darüber hinaus ist der Unternehmer verpflichtet, sich bei besonderen Anlässen qualifiziert in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes durch einen Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit mit branchenbezogener Fachkunde betreuen zu lassen. Besondere Anlässe für eine Betreuung durch den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit können unter anderem sein die

  • Planung, Errichtung und Änderung von Betriebsanlagen,

  • Einführung neuer Arbeitsmittel, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial zur Folge haben,

  • grundlegende Änderung von Arbeitsverfahren,

  • Einführung neuer Arbeitsverfahren,

  • Gestaltung neuer Arbeitsplätze und -abläufe,

  • Einführung neuer Arbeitsstoffe bzw. Gefahrstoffe, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial zur Folge haben,

  • Untersuchung von Unfällen und Berufskrankheiten,

  • Beratung der Beschäftigten über besondere Unfall- und Gesundheitsgefahren bei der Arbeit,

  • Erstellung von Notfall- und Alarmplänen sowie

  • Durchführung von notwendigen Sanierungsarbeiten mit Asbest.

Ein weiterer Anlass für das Tätigwerden einer Fachkraft für Arbeitssicherheit kann unter anderem sein die

  • Durchführung sicherheitstechnischer Überprüfungen und Beurteilungen von Anlagen, Arbeitssystemen und Arbeitsverfahren.

Weitere Anlässe für das Tätigwerden eines Betriebsarztes können unter anderem sein

  • eine grundlegende Umgestaltung von Arbeitszeit-, Pausen- und Schichtsystemen,

  • die Erforderlichkeit der Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Beurteilungen und Beratungen,

  • Suchterkrankungen, die ein gefährdungsfreies Arbeiten beeinträchtigen,

  • Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung behinderter Menschen und der (Wieder-)Eingliederung von Rehabilitanden,

  • die Häufung gesundheitlicher Probleme.

Anlassbezogene Beratungen zu spezifischen Fachthemen können im Einzelfall auch durch Personen mit spezieller anlassbezogener Fachkunde erbracht werden, die nicht über eine Qualifikation als Betriebsarzt bzw. Fachkraft für Arbeitssicherheit verfügen. Dies kann beispielsweise für Beratungen im Zusammenhang mit Lärmminderungs-, Brandschutz- und Lüftungsmaßnahmen zutreffen.

4 Schriftliche Nachweise

Im Betrieb sind die nachfolgend aufgeführten schriftlichen Nachweise zur Einsichtnahme durch die zuständigen Aufsichtsorgane vorzuhalten:

  • Teilnahmenachweis an den Maßnahmen zur Motivation, Information sowie der Fortbildung,

  • aktuelle Unterlagen über die im Betrieb durchgeführte Gefährdungsbeurteilung,

  • die Berichte nach § 5 dieser Unfallverhütungsvorschrift.

Erfüllt der Unternehmer seine Verpflichtungen im Rahmen der alternativen bedarfsorientierten Betreuungsform nicht, unterliegt er mit seinem Betrieb der Regelbetreuung nach § 2 Abs. 2 oder 3 dieser Unfallverhütungsvorschrift.

Gemäß § 61 der Satzung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie gelten die am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Gefahrtarife der jeweiligen Partner im bisherigen Zuständigkeitsbereich der zum 01.01.2010 fusionierten Berufsgenossenschaften fort, solange kein gemeinsamer Gefahrtarif beschlossen wurde. Der Gefahrtarif der ehemaligen Lederindustrie-Berufsgenossenschaft ist als Anhang 5 beigefügt.