TRGS 611 - TR Gefahrstoffe 611

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Abschnitt 2 TRGS 611 - Begriffsbestimmungen und Erläuterungen

(1) Kühlschmierstoffe im Sinne dieser TRGS sind die vom Hersteller, Einführer oder Inverkehrbringer gelieferten wassermischbaren Kühlschmierstoffe (Kühlschmierstoff-Konzentrate) und die vom Anwender bei der spanenden Fertigung und der Umformung von Werkstücken eingesetzten wassergemischten Kühlschmierstoffe (Kühlschmieremulsionen und -lösungen).

(2) N-Nitrosamine sind organische Stickstoffverbindungen, die unter bestimmten Reaktionsbedingungen aus nitrosierenden Agenzien und nitrosierbaren sekundären Aminen entstehen können [4-9].

(3) N-Nitrosamine im Sinne dieser TRGS sind die in Nummer 1 Abs. 1 der TRGS 552 genannten krebserzeugenden N-Nitrosamine der Kategorie 1 und 2 und andere derartige krebserzeugende N-Nitrosamine, die sich beim Einsatz wassergemischter Kühlschmierstoffe bilden können.

(4) Aufgrund der derzeit vorliegenden Erkenntnisse kann davon ausgegangen werden, dass im Wesentlichen die Bildung folgender in der TRGS 552 genannter krebserzeugender N-Nitrosamine der Kategorie 2 beim Einsatz bestimmter wassergemischter Kühlschmierstoffe unter bestimmten Umständen möglich ist:

-N-Nitroso-diethanolamin
(2,2 '-(Nitros oimino)
bisethanol)CAS-Nr. 1116 -54 -7,
-N-Nitroso-morpholinCAS-Nr. 59-89-2.

(5) Die vorliegenden Ergebnisse und Publikationen zeigen deutlich, dass N-Nitroso-diethanolamin (NDELA) mit Abstand das in diesem Zusammenhang am häufigsten auftretende N-Nitrosamin ist [5,6,10-13]. N-Nitroso-diethanolamin (NDELA) wird daher als Leitsubstanz im Sinne dieser TRGS angesehen.

(6) Diese TRGS gilt nicht für nicht krebserzeugende N-Nitrosamine. Als nicht krebserzeugende N-Nitrosamine im Sinne dieser TRGS sind die in Nummer 1 Abs. 2 der TRGS 552 aufgeführten N-Nitrosamine, u. a. N-Nitroso-dicyclohexylamin (Dicyclohexylnitrosamin, CAS-Nr. 947-92-2), sowie andere N-Nitrosamine, bei denen sich in Prüfungen ein Hinweis auf eine krebserzeugende Wirkung nicht ergeben hat, anzusehen.

(7) Erbgutverändernde N-Nitrosamine der Kategorie 3 sind keine N-Nitrosamine im Sinne der TRGS 611 (siehe auch Nummer 1 Abs. 3 der TRGS 552). Grundsätzlich sind krebserzeugende und erbgutverändernde Stoffe der Kategorie 3 aufgrund des EU-Gefahrstoffrechts [14] und der Gefahrstoffverordnung (siehe insbesondere §§ 7-11) anders zu bewerten als krebserzeugende und erbgutverändernde Stoffe der Kategorien 1 und 2. Sollte die Gefährdungsbeurteilung ein Risiko des Entstehens oder Freisetzens eines erbgutverändernden N-Nitrosamins der Kategorie 3 ergeben, sind in der Regel die Maßnahmen der Schutzstufe 2 gemäß § 9 GefStoffV zu befolgen. (Zur Zeit ist N-Nitroso-dicyclohexylamin (Dicyclohexylnitrosamin) als erbgutverändernd Kategorie 3 eingestuft [15]. Es sind zur Zeit keine N-Nitrosamine als krebserzeugend Kategorie 3 eingestuft.)

(8) Sekundäre Amine im Sinne dieser TRGS sind diejenigen sekundären Amine, die unter den üblichen Bedingungen des Einsatzes wassergemischter Kühlschmierstoffe krebserzeugende N-Nitrosamine der Kategorie 1 oder 2 bilden. Solche nitrosierbaren sekundären Amine sind insbesondere

-Diethanolamin
(2,2'-Iminodiethanol)CAS-Nr. 111-42-2,
-MorpholinCAS-Nr. 110-91-8.

(9) Verkappte sekundäre Amine im Sinne dieser TRGS sind bestimmte stickstoff-haltige Verbindungen, die nitrosierbare sekundäre Amine gemäß Abs. 8, z. B. durch Hydrolyse oder infolge thermischer Zersetzung oder infolge anderer chemischer Reaktionen, im Zuge ihrer Verwendung in wassermischbaren Kühlschmierstoffen bzw. ihres Einsatzes in wassergemischten Kühlschmierstoffen unter üblichen Verwendungs- bzw. Einsatzbedingungen in signifikantem Ausmaß freisetzen, z. B.

  • bestimmte Fettsäurealkanolamide (Korrosionsinhibitoren), die aus einer Fettsäure und einem sekundären Alkanolamin hergestellt werden

  • Bismorpholinomethan (4,4'-Methylen-bis-morpholin), CAS-Nr. 5625-90-1

Als signifikant ist die Freisetzung eines sekundären Amins dann anzusehen, wenn bei der resultierenden Bildung des entsprechenden krebserzeugenden N-Nitrosamins der Kategorie 1 oder 2 der Stand der Technik in der Luft in Arbeitsbereichen (0,2 [Mü]g/m3 -siehe Nummer 5.4 Abs. 4 dieser TRGS und Nummer 4.3 der TRGS 552) nicht eingehalten oder die Konzentrationsgrenze in Zubereitungen (d.h. im wassermischbaren oder wassergemischten Kühlschmierstoff) gemäß TRGS 905 (1 bzw. 5 mg/kg) [15] überschritten wird. Derartige verkappte sekundäre Amine sind im Zuge dieser TRGS wie sekundäre Amine gemäß Absatz 8 zu behandeln.

(10) Sekundäre Amine, die nachweislich nicht oder nur sehr schwer nitrosierbar sind oder deren Nitrosierung nicht zu krebserzeugenden N-Nitrosaminen der Kategorie 1 oder 2 führt, z. B. Dicyclohexylamin (siehe Absätze 6 und 7, CAS-Nr. 101-83-7), sind keine sekundären Amine im Sinne dieser TRGS.

(11) Relevante nitrosierende Agenzien bzw. deren Vorstufen (aus denen leicht nitrosierende Agenzien entstehen) sind u. a. [4-7]:

  • bestimmte Oxide des Stickstoffs (N2O3 und N2O4 als direkte nitrosierende Agenzien sowie NO und NO2 als Vorstufen),

  • Nitrosylhalogenide (z. B. NOCl, NOBr),

  • organische Nitro- und Nitrosoverbindungen,

  • salpetrige Säure (HNO2) und deren Reaktionsformen,

  • Nitrite, z. B. Natriumnitrit (NaNO2, CAS-Nr. 7632-00-0) und Kaliumnitrit (KNO2, CAS-Nr. 7758-09-0),

(Nitrit entsteht in wassergemischten Kühlschmierstoffen im Falle mikrobiellen Befalls häufig durch bakterielle Reduktion von Nitrat; darüber hinaus kann es z. B. aus Härtereien oder Korrosionsschutzmitteln eingeschleppt werden).

(12) Folgende Faktoren begünstigen die Bildung von N-Nitrosaminen [4-9]:

  • hohe Konzentrationen der Reaktionspartner (nitrosierendes Agenz und nitrosierbares sekundäres Amin) in flüssigen und festen Systemen,

  • hoher Dampfdruck flüchtiger Reaktionspartner bzw. hoher Partialdruck gasförmiger Reaktionspartner bei Gasphasenreaktionen,

  • hohe Prozess- bzw. Anwendungstemperaturen,

  • die Anwesenheit von Katalysatoren (z. B. Formaldehyd, Thioharnstoff und einzelne Thiole, Halogenid- und Pseudohalogenid-Ionen, einzelne Metallionen),

  • Anwendungen mit Aerosolbildung.

(13) In wässrigen Systemen spielt der pH-Wert eine erhebliche Rolle. Niedrige pH-Werte begünstigen die Bildung von N-Nitrosaminen; der optimale pH-Wert-Bereich für die N-Nitrosamin-Bildung liegt meist zwischen 2 und 5 [4-7]. Gleichwohl können unter bestimmten Reaktionsbedingungen N-Nitrosamine auch beim Einsatz wassergemischter Kühlschmierstoffe im alkalischen Milieu bis zu einem pH-Wert von ca. 9,5 gebildet werden, wenn auch mit geringer Ausbeute.

(14) Die Bildung von N-Nitrosaminen kann verhindert oder reduziert werden durch [4-9,16-19]

  1. 1.

    Abwesenheit oder sehr niedrige Konzentrationen der Reaktionspartner (nitrosierende Agenzien und nitrosierbare sekundäre Amine) einschließlich ihrer Vorstufen, vorzugsweise erreichbar durch Einsatz von Ersatzstoffen, die keine Reaktionspartner der N-Nitrosamin-Bildung sind (siehe auch Nummer 4.2 Abs. 3),

  2. 2.

    Reaktionsbedingungen, die für eine Bildung von N-Nitrosaminen ungünstig sind, z. B.

    • niedrige Temperaturen,

    • Vermeidung von Aerosolbildung,

    • hoher pH-Wert (in wässrigen Systemen),

    • Vermeidung der mikrobiellen Bildung von Nitrit (in wässrigen Systemen), z. B. durch präventive Konservierung von wassergemischten Kühlschmierstoffen,

  3. 3.

    Abwesenheit von Katalysatoren (siehe oben),

  4. 4.

    Anwesenheit von Inhibitoren (z. B. primäre Amine und primäre Alkanolamine, Ascorbinsäure und Ascorbinsäure-Derivate, Sulfamate, p-Aminobenzoesäure, Alkansulfonamide, [alpha]-Tocopherol und [alpha]-Tocopherol-Derivate, einzelne Phenole); als besonders geeignete Inhibitoren in wässrigen Systemen haben sich eine Reihe primärer Amine und primärer Alkanolamine erwiesen.

  5. 5.

    UV-Licht.