DGUV Regel 102-602 - Branche Kindertageseinrichtung

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Abschnitt 3.12 - 3.12 Kindertageseinrichtungen leiten

Das Management und das Führen von Kindertageseinrichtungen ist die zentrale Aufgabe von Leitungen. In Abstimmung mit den Trägern organisieren sie wesentlich die pädagogische und präventive Qualität der Einrichtungen. Die komplexen Anforderungen der Aufgabe können mit Belastungen für die Sicherheit und Gesundheit der Leitungskräfte verbunden sein. Der konkrete Verantwortungsbereich und die damit verbundenen Anforderungen an Leitungen von Kindertageseinrichtungen unterscheiden sich jedoch regional und trägerspezifisch.

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Abb. 44
Auf sich selbst achten: Die Qualität der Leitung bestimmt Gesundheit und Sicherheit einer Kindertageseinrichtung maßgeblich. Als Vorbild sollte die Leiterin oder der Leiter diese Werte auch persönlich ernst nehmen.

ccc_3684_01.jpgRechtliche Grundlagen
Es sind nur die Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regeln aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere rechtliche Grundlagen.
  • §§ 3, 7 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

  • Anhang "Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Nr. Absatz 1", Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)

  • Anhang Teil 4, Absatz 2, Punkt 1 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

  • §§ 7, 13 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

  • Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)

    • ASR A1.2 "Raumabmessungen und Bewegungsflächen"

    • ASR A3.4 "Beleuchtung"

    • ASR A3.5 "Raumtemperatur"

    • ASR A3.6 "Lüftung"

ccc_3684_02.jpgWeitere Informationen
Es sind nur die Informationen aufgeführt, die den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu diesem Thema gibt es weitere Veröffentlichungen.
  • DGUV Information 215-441 "Büroraumplanung - Hilfen für das systematische Planen und Gestalten von Büros" (bisher BGI 5050)

  • DIN EN 1022:2019-04 "Möbel - Sitzmöbel - Bestimmung der Standsicherheit"

  • DIN EN 1335-1:2002-08 "Büromöbel - Büro-Arbeitsstuhl - Teil 1: Maße, Bestimmung der Maße"

  • AOK Bundesverband/BKK Dachverband/Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung/Verband der Ersatzkassen (Hrsg.) (2005): Führungskräfte sensibilisieren und Gesundheit fördern - Ergebnisse aus dem Projekt "iga.Radar". iga.Report 29. Berlin.

ccc_3684_33.jpgGefährdungen

Einerseits können die Arbeitsbedingungen die Sicherheit und Gesundheit von Leitungskräften gefährden. Andererseits nehmen sie durch ihre Entscheidungen und Handlungen Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und Kinder. Gefährdungen sind unter anderem auf folgende Faktoren zurückzuführen:

  • Unzureichende Qualifizierung und Eignung

  • Unzureichende Kommunikation

  • Zeitdruck, Zeitmangel

  • Unbestimmte Aufgaben- und Anforderungsprofile

  • Rollenkonflikte

  • Unzureichende Transparenz und Information

  • Mehrfachanforderungen

  • Unzureichende Beteiligung und Einbindung

  • Personalmangel

  • Fehlende Unterstützung und Begleitung

  • Unzureichende Arbeitsumgebung und Ausstattung

ccc_3684_34.jpgMaßnahmen

Wertschätzendes Verhalten

Grundlage eines gesunden Miteinanders ist eine wertschätzende Kommunikation. Die Leitungskraft sollte in ihren Teams Raum für unterschiedliche Standpunkte schaffen, die von allen unvoreingenommen gehört und besprochen werden. Wichtig ist, dass die Leitung konstruktives Feedback gibt und dafür sorgt, sich regelmäßig mit ihrem Fachpersonal auszutauschen.

ccc_3684_29.jpg Zudem sollten Sie darauf achten, dass die Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen

  • vereinbarte Regelungen sicher und unterschiedslos anwenden,

  • keine Vieldeutigkeit und keinen Opportunismus zeigen,

  • fair mit allen Einrichtungsmitgliedern umgehen.

Visionen und Ziele

Sie können sowohl die Gesundheit Ihrer Beschäftigen als auch die Qualität Ihrer Kindertageseinrichtungen fördern, wenn Sie gemeinsam mit den Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen Visionen für deren Einrichtungen entwickeln. Sie sollten zudem dafür sorgen, dass die Leitungskräfte auf Grundlage dieser Visionen gemeinsam mit dem Fachpersonal und den Eltern realistische Ziele für ihre Einrichtung entwickeln und umsetzen.

ccc_3684_31.jpg Zu empfehlen ist die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems.

Für Qualifizierung sorgen

Sorgen Sie dafür, dass die Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen für die Aufgaben geeignet und immer ausreichend qualifiziert sind.

Die Qualifizierung sollte auf jeden Fall folgende Fähigkeiten vermitteln und trainieren:

  • Fachkompetenz, das heißt profundes Wissen über Pädagogik, aktuelle Diskurse, neue Anforderungen und wissenschaftliche Erkenntnisse

  • Leitungskompetenz, das heißt Führungs- und Managementwissen und -fähigkeiten

  • Feldkompetenz, das heißt Kenntnis des Arbeitsfeldes Kindertagesbetreuung und der Fachpolitik vor Ort

  • Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen Ansichten, Erkenntnisse und berufsbezogenen Perspektiven

  • Selbstmanagement

Sie sollten auch darauf achten, dass die Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen für eine ausreichende Weiter- und Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte sorgen. Zum einen erfordert die Umsetzung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages eine hohe Expertise in der kindlichen Bildung. Zum anderen dürfen Beschäftigte grundsätzlich nur mit Aufgaben beauftragt werden, für die sie geeignet und ausreichend qualifiziert sind.

Mitwirkung und Einbeziehung initiieren

Die Leitungskräfte Ihrer Kindertageseinrichtungen sollten sowohl Beschäftigte als auch Eltern in die Entwicklung der Einrichtungen einbeziehen. Empfehlenswert ist deshalb,

  • Ressourcen, insbesondere Räume und Zeitkontingente, für Mitwirkungsarbeit zur Verfügung zu stellen,

  • für Regelungen zu sorgen, die die Mitwirkung einfordern,

  • dafür zu sorgen, dass sich alle Beschäftigten und Eltern in der Einrichtung als grundsätzlich Gleichwertige begegnen,

  • darauf zu achten, dass die Aufgaben und Prozesse, die in den Einrichtungen anliegen und stattfinden, bekannt und transparent sind.

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Abb. 45
Partizipation ist eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen, um die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen und Belastungen zu verringern.

Arbeit organisieren

Sie sollten für Klarheit hinsichtlich des Verantwortungsbereiches, der Zuständigkeit und der konkreten Aufgabe der Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen sorgen. Es ist deshalb zu empfehlen, folgende Punkte schriftlich festzulegen:

  • Unterstellungen und Überstellungen

  • Verantwortungs- und Aufgabenbereiche

  • Konkrete Aufgaben, etwa in den Bereichen Führungsverantwortung, Personalentwicklung, Sicherheit und Gesundheit, Organisationsgestaltung

  • Vertretungsregelungen

Die gleiche Klarheit sollte auch für die Arbeit der Beschäftigten bestehen. In Abstimmung beziehungsweise im Einvernehmen mit der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle sollten die Leitungen eine sinnvolle Arbeitsstruktur etablieren. Beispiele hierfür sind:

  • Schriftliche und partizipativ erstellte Dienstplanung

  • Regelmäßige moderierte Teambesprechungen

  • Klare Zuständigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten

  • Transparente Informationswege

ccc_3684_31.jpg Achten Sie darauf, dass Ihre Leitungskräfte die Potenziale ihrer Teams nutzen.

Managementsystem für Sicherheit und Gesundheit etablieren

Eine gute Qualität von Sicherheit und Gesundheit in einer Kindertageseinrichtung erfordert ein entsprechendes Managementsystem. Es hat sich bewährt, gemeinsam mit den Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen

  • alle arbeitsschutzrechtlichen Erfordernisse umzusetzen, zum Beispiel Gefährdungsbeurteilung, Erste-Hilfe-Organisation sowie arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung,

  • das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) einzuführen und zu nutzen,

  • der Sicherheit und Gesundheit förderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, zum Beispiel ausreichend Zeit für Dokumentation und Pausen einräumen sowie ergonomisches Mobiliar zur Verfügung stellen,

  • ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu etablieren,

  • spezifische Programme und Projekte zu Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und der Kinder umzusetzen,

  • Sicherheit und Gesundheit als grundlegende Werte im Einrichtungsalltag und im Einrichtungskonzept zu verankern,

  • Gesundheit und Sicherheit bei allen Entscheidungen im Rahmen der Arbeit einer Kindertageseinrichtung und der Qualitätsentwicklung zu berücksichtigen.

Sicherheit und Gesundheit im Alltag umsetzen

Tragen Sie dafür Sorge, dass Sie gemeinsam mit Ihren Leitungen und Beschäftigten die Präventionsmaßnahmen als Organisationsentwicklung realisieren. Organisationsentwicklung heißt dabei unter anderem,

  • Sicherheit und Gesundheit im Einrichtungskonzept und im Alltag zu verankern,

  • entsprechende materielle und soziale Strukturen zu fördern,

  • Prozesse und Abläufe sicher und gesund zu gestalten,

sodass alle Akteure in Ihrer Einrichtung Sicherheit und Gesundheit in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen berücksichtigen.

Eindeutige Pflichtenübertragung

Als Träger der Einrichtungen können Sie schriftlich präventive Pflichten auf die Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen übertragen. Beschreiben Sie dabei Art und Umfang der Pflichtenübertragung. Dies entbindet Sie jedoch nicht von Ihrer Aufsichts- und Organisationsverantwortung.

ccc_3684_31.jpg Räumen Sie den Leitungen Ihrer Kindertageseinrichtungen die erforderlichen Handlungs- und Entscheidungskompetenzen ein. Die Aufgaben sollten eine Leitungskraft herausfordern, aber nicht überfordern.

Die Einrichtungsleitung hat unabhängig davon bereits aufgrund ihrer Funktion Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit.

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Abb. 46 + 47
Mit Angeboten betrieblicher Gesundheitsförderung stärken Sie das Personal der Kindertageseinrichtungen und binden es zugleich an die Einrichtungen.

Unterstützung geben

Die Arbeit der Einrichtungsleitungen kann effektiv und zugleich entlastend gestaltet werden, wenn sie durch die tragende Organisation wirksam und verlässlich unterstützt wird. Dies kann etwa geschehen durch:

  • Regelmäßigen Kontakt und Informationsaustausch

  • Ausreichende Zeitkontingente für die Leitungstätigkeit

  • Ausreichende Zeitkontingente für die verschiedenen Tätigkeiten der Beschäftigten, zum Beispiel für die sogenannte mittelbare pädagogische Arbeit

  • Ausreichende und ansprechend gestaltete Räumlichkeiten

  • Ausreichend qualifiziertes Personal

  • Supervision, Coaching, Leitungs-Arbeitskreise

  • Unterstützung der Selbstverantwortlichkeit aller Beschäftigten

Fehlerkultur schaffen

Falls in einer Kindertageseinrichtung Fehler passieren, sollten alle Beteiligten möglichst viel aus ihnen lernen können. Eine solche Fehlerkultur fördern Sie in Ihren Kindertageseinrichtungen dadurch, dass

  • es eine gemeinsame Definition gibt, was als Fehler verstanden wird,

  • Fehler nicht tabuisiert werden,

  • es eine konsequente Fehleranalyse gibt,

  • es Diskussion und Klärung der Sachverhalte gibt, jedoch keine Verurteilung oder Beschämung von Personen,

  • es ein transparentes Verfahren zur Beurteilung von Leistungen, Fähigkeiten und dienstlichem Verhalten gibt,

  • unterstützende Hilfe für das Vermeiden von Fehlern in Anspruch genommen werden kann, etwa Beratung, Begleitung und Qualifizierung.

Arbeitsraum der Leitung gestalten

Sorgen Sie dafür, dass der Raum der Einrichtungsleitung

  • eine Größe von 8 m2 bis 10 m2 je Arbeitsplatz einschließlich Möblierung und anteiliger Verkehrsfläche besitzt.

  • Tageslicht erhält und ausreichend ausgeleuchtet werden kann, was durch Fensterflächen erreicht wird, die mindestens 1/10 der Grundfläche des Raumes beträgt. An Fensterflächen, die besonnt werden können, müssen Sonnen- bzw. Blendschutzvorrichtungen vorhanden sein. Bei künstlicher Beleuchtung ist eine Stärke von 500 Lux erforderlich. Störende Blendung oder Reflexionen sind zu vermeiden.

  • über eine ausreichende natürliche Be- und Entlüftung verfügt. Dazu benötigt der Raum eine ausreichend große Fensterfläche (siehe ASR A3.6) oder eine Lüftungsanlage.

  • über eine gesunde zuträgliche Raumtemperatur (siehe ASR A3.5) verfügt und Zugluft vermieden wird. Als Mindestwert sind 20 °C erforderlich.

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Abb. 48
Schreibtischarbeit: Die Leitung einer Kindertageseinrichtung besteht aus vielen organisatorischen Aufgaben, die am gesündesten mit ergonomischem Mobiliar erledigt werden.

Ergonomisch einrichten

Die Leitungskräfte Ihrer Kindertageseinrichtungen brauchen ergonomische Arbeitsstühle, die eine natürliche Haltung und das dynamische Sitzen unterstützen sowie standsicher sind. Die Höhe des Arbeitstisches sollte individuell und leicht anpassbar sein. Idealerweise lässt sich der Tisch elektrisch so verstellen, dass das Arbeiten sowohl im Sitzen als auch im Stehen möglich ist.

Achten Sie bei der Einrichtung von Bildschirmarbeitsplätzen auf diese Punkte:

  • Es ist notwendig, dass die Tastatur vom Bildschirm getrennt und neigbar ist. Sie muss zudem auf der Arbeitsfläche frei angeordnet werden können.

  • Achten Sie darauf, dass die Bildschirme frei aufstellbar, leicht dreh- und neigbar sowie in der Höhe verstellbar sind. Setzen Sie nur reflexionsarme Modelle ein.

  • Bildschirme sollen frontal gegenüber dem Arbeitsstuhl und so aufgestellt sein, dass sie frei von störenden Reflexionen und Blendungen sind. Bringen Sie gegebenenfalls Blendschutz an den Fenstern an.

Die Arbeitsfläche sollte darüber hinaus mindestens 1600 mm x 800 mm groß sein, um ein freies Anordnen von Bildschirm, Tastatur und sonstigen Arbeitsmitteln zu ermöglichen.

ccc_3684_31.jpg Es sollten GS-geprüfte Arbeitsmittel und Büromöbel angeschafft und zur Verfügung gestellt werden.

Arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten

Arbeiten Ihre Leitungskräfte an Bildschirmen, ist eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens erforderlich. Ergibt sich aus dieser Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung, müssen Sie diese ermöglichen. Wenn ein Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen für die Bildschirmarbeit erforderlich sind, müssen Sie die im erforderlichen Umfang entstehenden Kosten für die Bildschirmarbeitsplatzbrille tragen.