DGUV Information 202-090 - Klasse(n) - Räume für Schulen Empfehlungen für gesundheits- und lernfördernde Klassenzimmer

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Abschnitt 3 - Raumgröße und flexible Raumnutzung

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Ausgangslage

Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte verbringen in der Schule etwa 70 bis 80 Prozent ihrer Zeit in den Klassenräumen. Deshalb ist es wichtig, dass hier ausreichend Platz zur Verfügung steht. Verbindliche Kennzahlen zum Platz- und/oder Luftraumbedarf für allgemeine Unterrichtsräume sind allerdings in den landesspezifischen Schulgesetzen, Schulbauverordnungen oder Schulbaurichtlinien nur an sehr wenigen Stellen zu finden. So hat Bayern eine Schulbauverordnung herausgegeben, die mindestens 2 m2 Grundfläche und 6 m3 Luftraum pro Schülerin und Schüler als Planungsgröße festlegt. Eine weitere Differenzierung z. B. nach Altersstufen, speziellen Fachräumen oder pädagogischen Konzepten findet sich nicht. Die einschlägige Fachliteratur verwendet für den Schulbau seit vielen Jahren ebenfalls einen Planungswert von 2 m2 pro Schülerin und Schüler bei einer lichten Raumhöhe von 3 m.

Mehr Freiraum im Klassenzimmer

Die Orientierung an diesen Werten sagt nicht aus, wie viel Freiraum den Schülern und Schülerinnen in ihrem Klassenzimmer zur Verfügung steht, denn Grundflächenmaß und Raumvolumen sind inklusive aller Stellflächen für das Einrichtungsmobiliar gerechnet. Erst der darüber hinausgehende freie Raum im Klassenzimmer ist letztlich ein Qualitätsfaktor für die "Gute gesunde Schule" und entscheidend hinsichtlich konzeptioneller Nutzung und gestalterischer Vielfalt.

Entsprechend sollte der freie Raum auch als grundlegender Qualitätsmaßstab bei der Frage, welches Inventar im Klassenraum tatsächlich benötigt wird, herangezogen werden. Tische, Stühle und Tafelsysteme sind sicher unverzichtbar. Bereits die Ausstattung mit weiterem Mobiliar, wie z. B. Schränken, Regalen oder Garderoben, ist allerdings sorgsam zu überlegen. Vielleicht kann ganz darauf verzichtet oder diese können außerhalb platziert werden. Selbstverständlich müssen dafür an anderer Stelle Kapazitäten bereit stehen, um z. B. Garderoben oder Schülerschränke einrichten zu können. Das wiederum erfordert eine geschickte Nutzung aller möglichen Grundflächenressourcen in Fluren, Nischen und Nebenräumen, natürlich unter Einhaltung der notwendigen Brandschutzanforderungen.

Platzgewinn durch andere Schultischgeometrie

Auch bei dem üblichen Tisch- und Stuhlmobiliar sind Veränderungen möglich, die mehr freies Platzangebot schaffen und so zu lernförderlichen Raumbedingungen führen. Die heute üblichen Schüler-Doppeltische (Maße 120 x 50 cm bzw. 120 x 60 cm) nehmen bei einer Klassengröße von 30 Schülerinnen und Schülern eine Grundfläche von 9 bis 11 m2 ein. Sind die Tische in Reihen angeordnet, werden einschließlich der Stühle sogar 25 bis 27 m2 benötigt (Abb. 3).

Durch die Verwendung von dreieckigen oder trapezförmigen Tischen können Sitzgruppen für 4 oder 6 Schülerinnen und Schüler zusammengestellt werden. Dadurch werden etwa 3 bis 4 m2 weniger Grundfläche beansprucht und eine deutlich flexiblere Positionierung von Sitzgruppen im Raum ermöglicht (Abb. 4 und 5). Sind die Tische mit Rollen ausgestattet, können schnell und unkompliziert neue Raumkonzeptionen geschaffen werden. Auch fahrbare Regale, Schränke und Medienpulte lassen sich leicht im Klassenraum verschieben, um Platz für andere Lehr- und Lernformen (z. B. Gruppenarbeit) zu erhalten (Abb. 6 und 7).

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Abb. 3

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Abb. 4

Flexibilität der Mediensysteme

In einem solchen Umfeld verändert sich auch die zentrale Position der Schultafel in ihrer traditionellen Funktion für den Frontalunterricht zugunsten anderer Unterrichtselemente. So können z. B. die gesamten Wandflächen eines Klassenraums über schienengeführte Systeme multifunktional eingebunden und genutzt werden (Abb. 5).

Auch der künftige Einsatz multimedialer und interaktiver Systeme (z. B. "Active-boards") wird den bisherigen Ausstattungsstandard bei Schultafeln maßgeblich verändern. Dadurch erweitern sich die Bewegungsspielräume und ermöglichen aufgrund der variablen Medienangebote ganz unterschiedliche Lernstile und Sozialformen. So kann der klassische Unterrichtsraum zum Ausgangspunkt einer gesundheitsförderlichen Lernumgebung im Sinne einer guten und gesunden Schule werden.

Raumgewinn durch flexible "Lernlandschaften"

Für die Innenraumgestaltung mit flexiblem Mobiliar und Tafelsystemen spricht nicht nur die konzeptionelle Ausrichtung als multifunktionale "Lernlandschaft". Auch die vorhandene Fläche kann geschickter genutzt werden und schafft im Zusammenspiel mit den neuen Gestaltungselementen mehr Bewegungsraum. Obwohl die eigentliche Grundfläche unverändert bleibt, erscheint das Klassenzimmer größer.

Dieses Ausstattungskonzept ist nicht nur für Schulbauten mit neuen Unterrichtsräumen geeignet, sondern eröffnet auch für die raumgestalterische und raumgewinnende Sanierung älterer Klassenzimmer ganz neue Perspektiven, die sich in aller Regel ohne aufwändige bauliche Maßnahmen realisieren lassen.

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Abb. 5

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Abb. 6

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Abb. 7

ccc_3635_17.jpgInformation
Räume flexibler nutzen und gestalten - die "Fraktale Schule"

Ausgehend vom Konzept der "Fraktalen Schule" werden bei der baulichen Planung vor allem Unterrichtsformen berücksichtigt, die bewegtes und lebendiges Lernen sowie gemeinsames Arbeiten in kleinen Gruppen ermöglichen. Die bisher vorherrschende rechteckige Raumstruktur von Klassenzimmern wird von konzentrischen bzw. wabenformähnlichen Räumen mit Lernnischen abgelöst (Abb. 8). Durch die Gestaltung mit Fensterelementen bietet jede dieser "Lerneinheiten" eine hohe Transparenz und Offenheit. Gleichzeitig ermöglicht diese Anordnung - unter anderem in akustischer Hinsicht - ungestörte Kommunikation in der Gruppe.
Die großzügige Gestaltung der Lernräume erlaubt Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeiten ebenso wie Kreisgespräche und multimediale Präsentationen. Die Möglichkeit zum schnellen und unkomplizierten Wechsel zwischen den Unterrichtsmethoden ist einer der großen Vorteile dieser flexiblen Schulraumgestaltung.
Neben der alternativen Gestaltung der Lernräume bietet die fraktale Schule zusätzlich unterschiedliche Multifunktionszonen an. Neben Selbstlernzentren mit Medienecken, Foren für Vorträge oder Vorführungen wird auch ein ansprechend gestalteter Teamraum mit Transparenz und Rückzugsnischen für die Lehrkräfte in die Schularchitektur integriert.
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Abb. 8

Ein 2007 realisierte Neubauprojekt dient bereits als Vorbild für erste Altumbauten. Für Pläne und Abbildungen siehe: www.fraktale-schule.de.

Unverzichtbare Ausgangsvoraussetzungen

Bei aller Vielfalt an Möglichkeiten zur Raumgestaltung müssen grundlegende Bedingungen für Raumgröße und Luftraum erfüllt sein. Die in der Fachliteratur und in Verordnungen genannten Richtwerte von 2 m2 Grundfläche und 6 m3 Luftraum pro Schüler und Schülerin stellen eine solide Basis für den allgemeinen Unterrichtsraum dar. Die Klassenstärke sollte also im Verhältnis zur Raumgröße stehen und sicherstellen, dass pro Schülerin und Schüler eine Fläche von mindestens 2 m2 zur Verfügung steht. Da bei diesen Werten die "freie" Platzreserve relativ bescheiden ausfällt, empfiehlt die gesetzliche Schülerunfallversicherung, jedem Schüler und jeder Schülerin eine Grundfläche von 2,5 m2 zuzubilligen.

ccc_3635_18.jpgKleiner Maßnahmenkatalog
  1. 1.

    Ist der Mindeststandard von 2 m2 Grundfläche und 6 m3 Luftraum pro Schülerin und Schüler in Ihrem Klassenraum gegeben?

  2. 2.

    Welche Klassenraumfläche nehmen

    1. a.

      Tische und Stühle für die Schülerinnen und Schüler,

    2. b.

      Schränke, Regale etc.,

    3. c.

      Lehrertisch,

    4. d.

      Tafel, Kartenständer u. a.

    ein?

  3. 3.

    Prüfen Sie, ob Platzreserven für die unter 2 a-d genannten Flächen geschaffen werden können!

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