DGUV Information 213-853 - Nanomaterialien im Labor; Hilfestellungen für den Umgang

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Abschnitt 1 - Einführung

Kleine Strukturen mit besonderen Eigenschaften

Nanotechnologie ist ein wichtiges Gebiet für Forschung und Entwicklung. Hier werden Nanomaterialien hergestellt oder weiter verarbeitet. Nach der Definition der internationalen Normung sind hier die kleinen Ausdehnungen der Strukturen (von ungefähr 1 nm bis ungefähr 100 nm) in Zusammenhang mit den durch die Kleinheit verursachten besonderen Eigenschaften (z. B. die im Verhältnis zur Masse extrem große Oberfläche oder quantenmechanische Effekte) relevant. Von typischen Gefahrstoffen unterscheiden sie sich darin, dass nicht nur die chemische Zusammensetzung von Bedeutung ist, sondern auch die komplexe räumliche Struktur einen wesentlich weiter gehenden Einfluss hat. Ebenfalls wird der Einfluss der typischerweise sehr hohen spezifischen Oberfläche und daraus abgeleitet die mögliche Bildung hochreaktiver Sauerstoffradikale diskutiert.

Arten von Nanomaterialien

Zu den Nanomaterialien zählen die Nanoobjekte, das sind Nanoplättchen und -filme (z. B. Graphen), Nanoröhrchen und -stäbchen (z. B. Kohlenstoffnanoröhrchen) sowie Nanopartikel (z. B. Fullerene oder Metalloxidpartikel). Außerdem zählen zu den Nanomaterialien auch zusammengesetzte Nanomaterialien (Verbundmaterialien), die nanoskalige Strukturen enthalten (z. B. eingebettete Kohlenstoffnanoröhrchen) oder an der Oberfläche tragen (z. B. Chips) (Abbildung 1).

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Abb. 1 Einteilung der Nanomaterialien nach ISO

Die Kenntnisse über die Gefährdungen sind bislang noch lückenhaft. So gibt es Untersuchungen zur Toxikologie, die bei einigen Nanoobjekten negative Auswirkungen auf die Gesundheit möglich erscheinen lassen. Andere Untersuchungen bestätigen dies wiederum nicht. Dass einige Nanoobjekte biologische Strukturen penetrieren können, ist bekannt, ob dies allerdings auch als negative Einwirkung zu werten ist, ist bislang unklar. Einige faserförmige Nanomaterialien zeigen im Tierversuch besorgniserregende Ergebnisse.

Nanomaterial sollen nach Empfehlung der EU-Kommission alle bei Prozessen hergestellten oder anfallenden sowie natürliche Materialien sein, die Nanoobjekte ("Partikel") ungebunden als Agglomerate oder Aggregate in einer Anzahlkonzentration von mindestens 50 % (was einen sehr geringen Gewichtsanteil bedeuten kann) mit einem oder mehreren Außenmaßen zwischen 1 nm und 100 nm enthalten. Bei besonderen Bedenken kann diese Gehaltsgrenze auf 1 % gesenkt werden. Fullerene, Graphenflocken und einwandige Kohlenstoffnanoröhrchen mit einem oder mehreren Außenmaßen unterhalb von 1 nm fallen ebenfalls unter den Begriff der Nanomaterialien. Ist die Anzahlgrößenverteilung nicht bekannt, so gilt das Material als Nanomaterial, wenn es eine spezifische Oberfläche von mindestens 60 m2/cm3 aufweist.

Der Ausschuss für Gefahrstoffe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (AGS) schlägt in der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 527 vor, Nanomaterialien nach dem anzunehmenden Wirkungspotential in vier Gruppen einzuteilen.

I:lösliche Nanomaterialien (Löslichkeit mindestens 100 mg/l Wasser bei Normalbedingungen),
II:biobeständige Nanomaterialien mit spezifischen toxikologischen Eigenschaften,
III:biobeständige Nanomaterialien ohne spezifische toxikologische Eigenschaften (GBS 1) Nanomaterialien),
IV:biobeständige, faserförmige Nanomaterialien.

Der AGS schlägt auch Konzentrationsgrenzen in der Luft am Arbeitsplatz für die Beurteilung vor, die mit den bewährten Schutzmaßnahmen in Laboratorien bei sachgerechter Anwendung einzuhalten sind.

Brand- und Explosionsgefahren

Brennbare Nanoobjekte sind im Gemisch mit Luft zur Explosion fähig, ihre Zündwilligkeit kann sehr viel höher sein als beim grobkörnigeren Stoff (erheblich geringere Mindestzündenergien als bei Stäuben). Eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre kann bereits mit relativ geringen Mengen erzeugt werden, unter ungünstigen Umständen ist hier bereits eine verstaubte Menge von 100 mg (oder sogar weniger) ausreichend. Dabei muss auch an Zündquellen in Apparaturen gedacht werden. Manche Stoffe (z. B. Metalle) neigen bei feiner Verteilung zur Selbstentzündung. Die Reaktivität kann sehr hoch sein, katalytische Effekte sind ebenfalls möglich.

Freisetzung aus gebundenen Strukturen

Nanoobjekte neigen dazu, sich zu größeren Einheiten in Form von Agglomeraten (mit schwächeren bindenden Kräften) oder relativ stark gebundenen Aggregaten zusammenzuschließen (Abbildung 2).

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Abb. 2 Primärpartikel, Agglomerat und Aggregat (schematisch)
Vorsorgeprinzip

Bei der Verarbeitung können aus diesen unter Umständen wieder freie Nanoobjekte entstehen, z. B. durch Mahlen in einer (Hochleistungs-)Mühle. Bei der Verarbeitung von zusammengesetzten Nanomaterialien können unter Umständen ebenfalls wieder Nanoobjekte freigesetzt werden, z. B. beim Entfernen oder durch Zerstören der Matrix (beispielsweise durch Entfernen eines Lösemittels oder durch Schleifen eines Materials mit eingebetteten Nanoobjekten). Nach derzeitigem Kenntnisstand scheinen die dabei entstehenden Nanoobjekte bei den untersuchten Systemen jedoch aus dem zerstörten Material der Matrix gebildet zu werden und nicht von den eingebetteten Nanoobjekten zu stammen.

Die derzeitige Erkenntnislage lässt eine abschließende Beurteilung der Risiken noch nicht zu. Das Vorsorgeprinzip gebietet es daher, für Laborarbeiten pragmatische Lösungen für wirksame Schutzmaßnahmen zu finden. Vorteilhaft ist, dass sich luftgetragene Nanoobjekte wie feine Stäube, aber mehr noch wie Gase und Dämpfe verhalten. Damit können die gängigen Schutzmaßnahmen für solche Zustände der Materie im Labor auch für Nanomaterialien angewendet werden. Derzeit sollten freie oder freiwerdende faserartige Strukturen (Röhrchen, Stäbchen) mit erhöhter Vorsicht behandelt werden.

Granuläre Biopersistente Stäube