
Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Metallindustrie (bisher: BGI 805)
Abschnitt 5.5 – Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereiches der BioStoffV
Ob eine Tätigkeit in den Anwendungsbereich der BioStoffV fällt, ergibt sich im Rahmen der Beurteilung der arbeitsbedingten Gefährdungen nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
Maßgebend ist die Ausrichtung der beruflichen Tätigkeit. Umfasst die berufliche Aufgabe Tätigkeiten, bei deren Ausübung es zu einem Kontakt zu biologischen Arbeitsstoffen kommen kann, wird eine Tätigkeit im Sinne der BioStoffV ausgeübt.
Das passive Ausgesetztsein gegenüber biologischen Arbeitsstoffen unterliegt nicht der BioStoffV; hier sind andere Arbeitsschutzbestimmungen anzuwenden.
Eine Tätigkeit im Sinne der BioStoffV führt z.B. ein Sanitärinstallateur aus, der bei Reparaturarbeiten Kontakt zu Fäkalien hat, nicht jedoch ein Bauleiter, der in den Tropen den Neubau einer Abwasseranlage überwacht. Zwar besteht auch in letzterem Fall eine erhöhte Infektionsgefährdung, diese leitet sich jedoch nicht aus der Tätigkeit (Bauüberwachung), sondern aus dem Aufenthaltsort (Tropen) her.
Auch bei Aufenthalt in schimmelpilzbelasteten Büroräumen handelt es sich um ein passives Ausgesetztsein; hier ist das Arbeitsstättenrecht anzuwenden.
5.5.1
Auslandsaufenthalte
Beruflich bedingte Auslandsaufenthalte in Endemiegebieten fallen nicht unter den Geltungsbereich der BioStoffV.
Arbeitsaufenthalte im Ausland stehen häufig unter erschwerten klimatischen und hygienischen Bedingungen (z.B. Tropenaufenthalte). Neben ungewohnter Hitze, Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung können dies auch schlechte sanitäre Zustände, mangelnde Trinkwasser- und Nahrungsqualität und das vermehrte Vorkommen von Krankheitserregern sein.
Ist mit derartigen besonderen gesundheitlichen Belastungen durch Klima, Lebens- und Tätigkeitsverhältnisse zu rechnen, muss nach der Unfallverhütungsvorschrift "Arbeitsmedizinische Vorsorge" (BGV A4) vor einem solchen Auslandsaufenthalt von einem Arzt mit besonderen Fachkenntnissen (Facharzt für Tropenmedizin) eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung durchgeführt werden.
Hierbei ist der berufsgenossenschaftliche Grundsatz G 35 "Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen klimatischen und gesundheitlichen Belastungen", einschließlich der dazugehörigen Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge (bisher BGI 504-35), zu beachten.
Arbeitsaufenthalte in den USA, Australien und Europa bedürfen im Allgemeinen keiner speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorge.
Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung ist der Beschäftigte individuell über
mögliche Gefährdungen durch Krankheitserreger am späteren beruflichen Einsatzort und bei der ausgeübten Tätigkeit,
die Übertragungswege der vorkommenden Krankheitserreger
und
Krankheitszeichen
sowie
die ärztliche Versorgung am vorgesehenen Tätigkeitsort
aufzuklären.
Weiterhin sollte der untersuchende Arzt Hinweise zu vorbeugenden Verhaltensund Hygienemaßnahmen geben und unter Berücksichtigung des individuellen Gesundheitszustandes der untersuchten Person Empfehlungen hinsichtlich einer vorbeugenden Medikamenteneinnahme oder Schutzimpfung aussprechen.
Weitere Informationen sind beispielsweise in der BG-Information "Empfehlungen zur Hepatitis-A-Prophylaxe" (BGI 586) und in den Empfehlungen der "Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG)" zum Thema Reiseimpfungen und zur Malariavorbeugung enthalten und sollten im Zuge des Beratungsgespräches den Beschäftigten ausgehändigt werden.
Zusätzliche Hinweise zu Versicherungs- und Gesundheitsfragen bei Arbeitsaufenthalten im Ausland sowie weitere Hinweise auf vorbeugende Maßnahmen sind im Merkblatt "Gesetzliche Unfallversicherung bei Entsendung ins Ausland" enthalten.
Bei Arbeitsaufenthalten von insgesamt mehr als drei Monaten pro Jahr muss vor der ersten Ausreise stets eine Erstuntersuchung vorgenommen werden. Bei besonderen Bedingungen, z.B. bei hoher Infektionsgefahr, besonderer körperlicher Belastung, ständig wechselndem Einsatzort, schlechten hygienischen Verhältnissen, mangelnde ärztliche Versorgung u.Ä., ist ungeachtet der Dauer des Arbeitsaufenthaltes eine ärztliche Untersuchung erforderlich.
Nach Beendigung eines länger dauernden Auslandsaufenthaltes (über ein Jahr) sind besondere Rückkehruntersuchungen vorzunehmen, ansonsten regelmäßige Nachuntersuchungen in einem Zeitraum von 24 bis 36 Monaten nach der Erstuntersuchung.
Kosten für im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung verordnete Schutzimpfungen oder Medikamente (z.B. Malaria-Prophylaxe) hat der Unternehmer zu tragen, soweit nicht ausnahmsweise die gesetzliche Krankenversicherung satzungsgemäß für Schutzimpfungen eintritt.
Erkrankungen, die auf einen beruflich bedingten Auslandsaufenthalt in Endemiegebieten zurückzuführen sind, können als Berufskrankheit anerkannt werden.
5.5.2
Waschräume
Aufgrund des hohen Wasser- und Nährstoffangebots besiedeln Mikroorganismen feuchte Räume besonders schnell. Beispiele für ständig feuchte Bereiche sind u.a. betriebliche Duschräume.
Im Gegensatz zu den weiter unter behandelten Feuchteschäden durch bautechnische Mängel ist die hohe Feuchtigkeit in diesen Fällen nicht zu vermeiden. Tätigkeiten, die auf die Räume selbst ausgerichtet sind, z.B. Reinigungs- oder Sanierungsarbeiten (vgl. Abschnitt 5.3.5), fallen in den Regelungsbereich der BioStoffV.
Bei allen anderen Tätigkeiten in derartigen Räumen (z.B. Waschen, Duschen) handelt es sich um ein passives Ausgesetztsein gegenüber Mikroorganismen, das durch das Arbeitsstättenrecht abgedeckt wird und nicht unter die BioStoffV fällt.
Voraussetzung für eine leichte Reinigung sind glatte (und dennoch rutschhemmende) Fußböden und Wände ohne Poren. So dürfen z.B. in Waschräumen keine Holzroste verwendet werden. Durch eine ausreichende Lüftung soll die Feuchtigkeit möglichst schnell abgeführt werden.
Durch regelmäßige Reinigung und Desinfektion muss eine mikrobielle Kontamination in Waschräumen verhindert werden.
5.5.3
Aufenthalt in klimatisierten Räumen
Der Aufenthalt in klimatisierten Räumen kann technisch erforderlich sein (z.B. in Rechenzentren oder bei der Papierverarbeitung) oder dem Wohlbefinden der Beschäftigten dienen (z.B. in Büroräumen).
Bei schlecht gewarteten und mikrobiell besiedelten Klimaanlagen können einerseits durch Zerfallsprodukte von bestimmten Bakterien (Endotoxine) grippeähnliche Symptome (so genanntes "Befeuchter-Fieber" oder ODTS) auftreten.
Andererseits können allergische Erkrankungen (z.B. durch Schimmelpilzsporen) ausgelöst werden, die als allergisches Asthma oder als so genannte "Befeuchterlunge" (exogen allergische Alveolitis) bei entsprechender Ausprägung sogar als Berufskrankheit (Nr. 4201) anerkannt werden können.
Erkrankungen durch Legionellen im Zusammenhang mit Klimaanlagen sind aus der Berufskrankheiten-Dokumentation nicht bekannt.
Die BioStoffV regelt ausschließlich "aktive", d.h. gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen. Beim Aufenthalt in Räumen handelt es sich aber um ein rein passives Ausgesetztsein, das nicht der Tätigkeitsdefinition der BioStoffV entspricht. Gesetzliche Grundlage ist in diesem Fall daher nicht die BioStoffV, sondern die Arbeitsstättenverordnung mit den entsprechenden Arbeitsstättenrichtlinien.
Für den Arbeitsplatz wird hierin eine "ausreichend gesundheitlich zuträgliche" Atemluft gefordert. Die Qualität sollte somit im Wesentlichen der Außenluft entsprechen (Arbeitsstättenrichtlinie 5). Bezogen auf den Keimgehalt bedeutet dies, dass keine absolute Keimfreiheit der Zuluft erforderlich ist und aufgrund jahreszeitlicher Schwankungen auch mit einem unterschiedlichen Keimgehalt der Außenluft und somit auch der Luft im Innenraum zu rechnen ist.
Darüber hinaus fordert die Arbeitstättenverordnung, dass Ablagerungen und Verunreinigungen in raumlufttechnischen Anlagen, die zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung durch die Raumluft führen können, umgehend beseitigt werden müssen.
Über raumlufttechnische Anlagen erfolgt eine Aufbereitung der Zuluft: Neben der Temperierung wird die Luft in aller Regel gefiltert und befeuchtet. Sowohl bezüglich der Wartung und Pflege der Filtersysteme als auch bei der Luftbefeuchtung müssen besondere hygienische Maßnahmen beachtet werden, um die raumlufttechnische Anlage nicht durch eine Verkeimung zu einer Emissionsquelle für Mikroorganismen oder deren Zerfallsprodukte zu machen.
Zu den hygienischen Maßnahmen gehört dabei neben einem regelmäßigen sachkundigen Filterwechsel vor allem die Überwachung des Befeuchterwassers (siehe Abschnitt 5.3.4). Hygienische Anforderungen an raumlufttechnische Anlagen, einschließlich der Anforderungen an die Sachkunde, regelt die Richtlinie VDI 6022.
Weitere Informationen enthält der Ordner "Informationen zur Luftbefeuchtung", Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung.
5.5.4
Aufenthalt in Räumen mit bautechnischen Mängeln (z.B. Feuchteschäden)
Der Aufenthalt in Räumen, deren Wände, Einbauten oder Teppichböden mit Schimmelpilzen befallen sind, wird von den Betroffenen häufig als Ursache für gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schleimhautreizungen und Atemwegsbeschwerden, gesehen.
Die unter verschiedenen medizinischen Begriffen, wie "sick-building-Syndrom", zusammengefassten Krankheitsbilder sind in ihren Ursachen noch nicht vollständig aufgeklärt.
Bekannt ist derzeit aber, dass sie durch die Kombination meist einer Vielzahl unterschiedlicher Noxen in zumeist sehr niedrigen Konzentrationen (beispielsweise aus einem Teppichkleber oder einem Lack noch längere Zeit ausdünstende Lösemittel) hervorgerufen werden können.
Auch Schimmelpilzbefall in Innenräumen wird mit diesen Beschwerden in Zusammenhang gebracht.
Weitere Hinweise hierzu enthält der BGIA-Report "Innenraum-Arbeitsplätze - Vorgehensempfehlungen für die Ermittlungen zum Arbeitsumfeld".
Der Aufenthalt in einem Raum stellt keine Tätigkeit im Sinne der BioStoffV dar, da es sich um ein passives Ausgesetztsein handelt. Die BioStoffV ist in diesen Bereichen nicht anwendbar, sondern das Arbeitsstättenrecht muss angewendet werden.
Dennoch sollen aufgrund der Häufigkeit solcher Probleme hier einige Anregungen zur Lösung gegeben werden: Schimmelpilzbefall tritt in Räumen nur an Stellen mit hoher Feuchtigkeit auf. Dies kann an Außenwänden bei Kältebrücken durch die Kondensation von Wasserdampf aus der wärmeren Raumluft oder bei offensichtlicher oder verborgener Durchfeuchtung durch Undichtigkeiten von Wasser-, Abwasser- oder Heizungsleitungen oder durch Erdfeuchte entstehen.
Schimmelpilzbefall ist meist schon mit dem bloßen Auge in Form von schwarzen, grünen oder andersfarbigen, pelzigen Punkten oder Flecken bis hin zu rasenförmigem Bewuchs zu erkennen (Bild 5-19).

Bild 5-19: Bautechnisch bedingter Feuchteschaden mit Schimmelpilzbefall
Schimmelpilzbefall in Räumen zeigt entweder einen baulichen Mangel, wie etwa einen Feuchteschaden oder aber eine falsche Nutzung (z.B. mangelnde Lüftung) an. Bei sachgemäßer Nutzung und baulich einwandfreien Verhältnissen kann kein Schimmelbefall auftreten.
Schimmelpilzbefall als solcher ist daher immer - ohne dass differenzierte mikrobiologische Untersuchungen nötig wären - ein Anzeiger dafür, dass Maßnahmen erfolgen müssen: Lässt sich eine Ursache für einen Feuchteschaden (z.B. eine undichte Dachrinne oder eine fehlende Feuchtesperre) ausmachen, müssen diese baulichen Mängel beseitigt werden.
Lassen sich keine baulichen Mängel feststellen, kann nach der Sanierung der befallenen Stellen ein verändertes Lüftungsverhalten (ggf. eine technische Lüftung) oder eine angepasste Nutzung einen erneuten Schimmelpilzbefall verhindern.
Häufig werden auch - vor allem in feuchten Kellern - weiße Ausblühungen beobachtet. Hierbei handelt es sich meist nicht um Schimmelpilzbefall, sondern um anorganische Ausblühungen von Salzen (z.B. Salpeter oder Natriumsulfat), die aus dem Mauerwerk herausgewaschen werden und durch Verdunsten des Wassers kristallieren.
Eine biologische Gefährdung ist in diesem Fall nicht zwangsläufig zu unterstellen; jedoch zeigen auch Ausblühungen bauliche Mängel an, die abgestellt werden müssen, da ansonsten ein Schimmelpilzbefall folgen bzw. auch ohne diesen die Bausubstanz langfristig geschädigt werden kann.
Um die Trocknung und dauerhafte Trockenhaltung einer durchfeuchteten Wand zu gewährleisten, sollte an der befallenen Wand unter Schutzmaßnahmen (Atemschutz P2 bzw. P3, Schutzbrille, Schutzkleidung) die zumeist bestehende Wandfarbe (Lack oder Dispersionsfarbe) entfernt werden, da diese nicht dampfdurchlässig ist. Gegebenenfalls muss zusätzlich sogar der befallene Putz entfernt werden.
Die Trocknung und Trockenhaltung sind die wichtigsten und wirkungsvollsten Maßnahmen, um einem erneuten Schimmelbefall vorzubeugen. So genannte "Sanierungsputze" können die Notwendigkeit einer umfassenden Sanierungsmaßnahme (Einbringen einer horizontalen und vertikalen Feuchtesperre) allenfalls zeitlich verschieben, jedoch nicht vermeiden.
Von der Verwendung spezieller Wandfarben "zur Schimmelsanierung" ist dringend abzuraten, da deren fungizide Bestandteile über längere Zeit in die Raumluft ausgasen und ihrerseits atemwegsgefährdend sind. Der Putz sollte anschließend möglichst mit einer dampfdurchlässigen Farbe gestrichen werden. Konkrete Hinweise auf Gefährdungen und Schutzmaßnahmen enthält die Handlungsanleitung "Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung" der BG-Bau.