
Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen (bisher: BGR/GUV-R 139)
Abschnitt 3.3 – 3.3 Bereitstellung
Nachfolgend werden die bis zum Einsatz einer Personen-Notsignal-Anlage erforderlichen Schritte erläutert.
3.3.1
Gefährdungsermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen
3.3.1.1
Allgemeines
Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz hat der Unternehmer die mit der Alleinarbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln und die Arbeitsbedingungen zu beurteilen. Auf Grund der Beurteilung sind geeignete Maßnahmen vorzusehen und nach § 6 Arbeitsschutzgesetz zu dokumentieren.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sind ganzheitlich unter Einbeziehung der physischen und psychischen Belastungen zu betrachten. Es werden alle relevanten Gefährdungsfaktoren ermittelt. Diese können der Tabelle 1 "Mögliche Gefährdungsfaktoren" der Regel "Grundsätze der Prävention" (BGR/GUV-R A1, Abschnitt 2.2.1) entnommen werden. Siehe auch Anhänge 1 bis 3.
Nach der Gefährdungsermittlung ist es erforderlich, für den Einzelarbeitsplatz eine gesonderte Risikobeurteilung durchzuführen. Die Beurteilung erfolgt anhand der in Tabelle 2 aufgeführten Gefährdungsstufen sowie der Notfallwahrscheinlichkeit (Tabelle 3) und der Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen (Tabelle 4). Für die Gefährdungsstufen "Kritische Gefährdung" und "Erhöhte Gefährdung" sind zusätzliche Randbedingungen zu berücksichtigen, die aus den Tabellen 2 und 3 entnommen werden können.
Bei der Gefährdungsermittlung und bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen sollten vom Unternehmer die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt, die Personalvertretung, der Sicherheitsbeauftragte und die betroffenen Mitarbeiter hinzugezogen werden. Es wird empfohlen, den zuständigen Unfallversicherungsträger einzubeziehen.
1. | 1.1 | 1.2 | 1.3 | 1.4 | 1.5 | 1.6 | 1.7 | 1.8 | 1.9 |
Mechanische Gefährdung | Ungeschützt bewegte Maschinenteile | Teile mit gefährlichen Oberflächen | Bewegte Transportmittel, bewegte Arbeitsmittel | Unkontrolliert bewegte Teile | Sturz auf der Ebene, Ausrutschen, Stolpern, Umknicken, Fehltreten | Absturz | |||
2. | 2.1 | 2.2 | 2.3 | 2.4 | 2.5 | 2.6 | 2.7 | 2.8 | 2.9 |
Elektrische Gefährdung | Gefährliche Körperströme | Lichtbögen | |||||||
3. | 3.1 | 3.2 | 3.3 | 3.4 | 3.5 | 3.6 | 3.7 | 3.8 | 3.9 |
Gefahrstoffe | Gase | Dämpfe | Aerosole | Flüssigkeiten | Feststoffe | Durchgehende Reaktionen | |||
4. | 4.1 | 4.2 | 4.3 | 4.4 | 4.5 | 4.6 | 4.7 | 4.8 | 4.9 |
Biologische Gefährdung | Infektionsgefahr durch Mikroorganismen und Viren | Gentechnisch veränderte Organismen | Allergene u. toxische Stoffe von Mikroorganismen, Kleinstlebewesen,... | ||||||
5. | 5.1 | 5.2 | 5.3 | 5.4 | 5.5 | 5.6 | 5.7 | 5.8 | 5.9 |
Brand- und Explosions- gefährdung | Brandgefährdung durch Feststoffe, Flüssigkeiten, Gase | Explosionsfähige Atmosphäre | Explosivstoffe | Elektrostatische Aufladung | |||||
6. | 6.1 | 6.2 | 6.3 | 6.4 | 6.5 | 6.6 | 6.7 | 6.8 | 6.9 |
Thermische Gefährdung | Kontakt mit heißen Medien | Kontakt mit kalten Medien | |||||||
7. | 7.1 | 7.2 | 7.3 | 7.4 | 7.5 | 7.6 | 7.7 | 7.8 | 7.9 |
Gefährdung durch spez. physikal. Einwirkungen | Lärm | Ultraschall | Ganzkörper- schwingungen | Hand-Arm- Schwingungen | Nicht- ionisierende Strahlung | Ionisierende Strahlung | Elektro- magnetische Felder | Arbeiten in Über- oder Unterdruck | |
8. | 8.1 | 8.2 | 8.3 | 8.4 | 8.5 | 8.6 | 8.7 | 8.8 | 8.9 |
Gefährdung/ Belastung durch Arbeitsumge- bungsbedingungen | Klima | Beleuchtung | Raumbedarf/ Verkehrswege | ||||||
9. | 9.1 | 9.2 | 9.3 | 9.4 | 9.5 | 9.6 | 9.7 | 9.8 | 9.9 |
Physische Belastung/ Arbeitsschwere | Schwere dynamische Arbeit | Einseitige dynamische Arbeit | Haltungsarbeit/ Haltearbeit | Kombination aus statischer und dynamischer Arbeit | |||||
10. | 10.1 | 10.2 | 10.3 | 10.4 | 10.5 | 10.6 | 10.7 | 10.8 | 10.9 |
Wahrnehmung und Handhabbarkeit | Informations- aufnahme | Wahrneh- mungsumfang | Erschwerte Handhabbarkeit von Arbeitsmitteln | ||||||
11. | 11.1 | 11.2 | 11.3 | 11.4 | 11.5 | 11.6 | 11.7 | 11.8 | 11.9 |
Sonstige Gefährdungen/ Belastungen | Persönliche Schutzausrüstung (PSA) | Hautbelastung | durch Menschen | durch Tiere | durch Pflanzen und pflanzliche Produkte | ||||
12. | 12.1 | 12.2 | 12.3 | 12.4 | 12.5 | 12.6 | 12.7 | 12.8 | 12.9 |
Psychische Belastungen | Arbeitstätigkeit | Arbeits- organisation | Soziale Bedingungen | ||||||
13. | 13.1 | 13.2 | 13.3 | 13.4 | 13.5 | 13.6 | 13.7 | 13.8 | 13.9 |
Organisation | Arbeitsablauf | Arbeitszeit | Qualifikation | Unterweisung | Verantwortung Si-Beauftragte | zu wenig Ersthelfer Jugendliche/Mütter | zu wenig Betriebsanweisung |
Tabelle 1: Liste der möglichen Gefährdungsfaktoren

Tabelle 2: Einteilung nach Gefährdungsstufen; Festlegung der Gefährdungsziffer
3.3.1.2
Wahrscheinlichkeit eines Notfalls
Hier wird bewertet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Notfall überhaupt konkret auftreten kann (siehe Tabelle 3; sie wird hierin als "Notfallwahrscheinlichkeit" mit "NW" bezeichnet).
Hinweis: Bei mehr als einem Gefährdungsfaktor der Tabelle 1 oder bei einer bestimmten Tätigkeit ist die Bewertungsziffer NW um mindestens 1 zu erhöhen. Kommen zwei oder mehr Gefährdungsfaktoren zusommen, ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Notfalls höher einzustufen ist.

Tabelle 3: Wahrscheinlichkeit eines Notfalls
3.3.1.3
Einleitung von Hilfsmaßnahmen
Für eine abschließende Beurteilung des Risikos bei gefährlichen Einzelarbeitsplätzen ist die Zeit zwischen dem Auslösen des Personen-Alarms und dem Beginn von Hilfsmaßnahmen am Ort des Geschehens mit zu berücksichtigen.

Tabelle 4: Bewertung der Zeit bis zum Beginn von Hilsmaßnahmen am Einzelarbeitsplatz
Um im Alarmfall die in der Tabelle 4 genannten Zeiten einhalten zu können, müssen betriebsbezogene organisatorische Maßnahmen bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen gewährleistet sein (z. B. Erstversorgung).
In Anhang 2 dieser Regel ist zur Orientierung eine diesbezügliche Vorgehensweise in Form eines Ablaufschemas beschrieben.
Beträgt die Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen mehr als 15 Minuten, ist die Effektivität der Rettungskette nicht gewährleistet. In solchen Fällen dürfen Personen-Notsignal-Anlagen nicht eingesetzt werden.
3.3.1.4
Risikobeurteilung
Bereits durch die Einteilung in die Gefährdungsstufen ergeben sich in Abhängigkeit der Einstufung folgende Konsequenzen:
Gefährdungsstufe gering:
Bei einer geringen Gefährdung ist eine Überwachung von Einzelarbeitsplätzen grundsätzlich nicht erforderlich.
Gefährdungsstufe erhöht:
Bei einer erhöhten Gefährdung ist eine Überwachung des Einzelarbeitsplatzes, z.B. durch Kontrollgänge oder Kontrollanrufe, erforderlich, wenn die Notfallwahrscheinlichkeit (nach Tabelle 3) nicht höher als mäßig einzustufen ist.
Ist die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls als hoch einzustufen, wird eine ständige Überwachung erforderlich, wie sie bei kritischen Gefährdungen vorgeschrieben ist.
Gefährdungsstufe kritisch:
Bei einer kritischen Gefährdung ist eine ständige Überwachung erforderlich z.B. durch:
Eine zweite Person,
Personen-Notsignal-Anlage,
Video-Einrichtung im Dauerbetrieb.
Alleinarbeit ist nicht zulässig, wenn beim Vorliegen einer kritischen Gefährdung die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls (nach Tabelle 3) als hoch eingestuft werden muss.
Zur abschließenden Beurteilung des Risikos (R) werden die Bewertungsziffern aus den Tabellen 2 bis 4 wie folgt verknüpft:
R = (GZ + EV) × NW
Der Wertebereich kann somit zwischen R = (1+0) × 1 = 1 und dem Maximalwert R = (10+2) × 10 = 120 liegen.
Die Risikobeurteilung bereitet die zu treffende Entscheidung vor, ob das vorhandene Risiko akzeptabel oder nicht akzeptabel ist.
Für ein akzeptables Risiko darf R einen Wert von 30 nicht überschreiten.
Bei Überschreitung dieses Wertes (nicht akzeptables Risiko, Gefahrfall) sind zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu treffen, so dass sich die Gefährdungsziffer oder die Notfallwahrscheinlichkeit zuverlässig verringern.
Sind Maßnahmen zur Risikominimierung nicht möglich und ist R > 30, ist eine Alleinarbeit nicht zulässig!
Gefährdungen, die durch vorsätzliche Handlungen verursacht werden, können durch die Formel zur Risikobeurteilung nicht erfasst werden. Eine Hilfestellung für die Entscheidungsfindung liefert das Ablaufschema im Anhang 1.
Die Reaktionszeiten für das Personen-Notsignal-Gerät müssen gefährdungsabhängig eingestellt werden (siehe Tabelle 6).
Hinweis: Ergibt die Einstufung der Gefährdung, dass der Einsatz einer Personen-Notsignal-Anlage nicht erforderlich wird, dann gibt die Information "Notrufmöglichkeiten für allein arbeitende Personen" (BGI/GUV-I 5032) weitere Hinweise für Alarmierungsmöglichkeiten an Einzelarbeitsplätzen.
3.3.2
Personen-Notsignal-Anlagen
Personen-Notsignal-Anlagen sind so beschaffen, dass bei Personen- und Technischen Alarmen die Identität der allein Arbeitenden durch die Nummer der auslösenden Personen-Notsignal-Geräte in der Personen-Notsignal-Empfangszentrale bestimmt werden kann. Voraussetzung für das Auslösen eines Personen-Alarms ist, dass eine Verbindung zwischen dem Personen-Notsignal-Gerät und der Personen-Notsignal-Empfangszentrale besteht. Deshalb sind Personen-Notsignal-Anlagen mit einer Überwachungseinrichtung ausgerüstet, mit der die Übertragung der Sendesignale zwischen den Personen-Notsignal-Geräten und der Personen-Notsignal-Empfangszentrale regelmäßig automatisch geprüft wird. Ein Ausfall der Übertragung der Sendesignale wird optisch und akustisch in der Personen-Notsignal-Empfangszentrale angezeigt (Technischer Alarm).
Um eine stets einwandfreie Funktionsfähigkeit aller Alarm-Auslösearten sicherzustellen, sind Personen-Notsignal-Anlagen mit einer Einrichtung ausgerüstet, durch die bei jedem neuen Einsatz, sowie nach 24 Stunden Betriebszeit eines Personen-Notsignal-Gerätes, ein Test aller aktiven Alarmauslösearten bis hin zu den Meldeeinrichtungen in der Personen-Notsignal-Empfangszentrale durch Betätigung erforderlich wird. Ohne erfolgreich durchgeführten Test wird vom jeweiligen Personen-Notsignal-Gerät keine Betriebsbereitschaft signalisiert.
Die Personen-Notsignal-Empfangszentrale verfügt über eine Schnittstelle für den Anschluss eines externen Protokolldruckers oder einer anderen Aufzeichnungseinrichtung um Personen- und Technische Alarme aufzeichnen zu können.
Ebenfalls ist die Personen-Notsignal-Empfangszentrale (PNEZ) bzw. Personen-Notsignal-Empfangszentrale mit der Möglichkeit der Sprachkommunikation (PNEZ-S) mit einervom Netz unabhängigen Notstromversorgung ausgerüstet, die die Funktion der Personen-Notsignal-Anlage zwischen 10 Minuten (PNEZ-S) und 30 Minuten (PNEZ) bei Netzausfall sicherstellt.
Geräte- und Prüfanforderungen für Personen-Notsignal-Anlagen sind in der Vornorm DIN V VDE V 0825-1 "Überwachungsanlagen; Drahtlose Personen-Notsignal-Anlagen für gefährliche Alleinarbeiten; Teil 1: Geräte- und Prüfanforderungen" geregelt.
3.3.3
Personen-Notsignal-Geräte
Personen-Notsignal-Geräte sind neben der Grundfunktion mit unterschiedlichen Zusatzfunktionen erhältlich (Tabelle 5).
Grundfunktion | Zusatzfunktion | Vorteile | Nachteile |
Im Alarmfall Übertragung des Notsignals an PNEZ | keine | einfacher Aufbau, leichte Bedienung, kein Verwechseln der Bedienelemente | keine Kommunikation mit der PNEZ möglich |
Empfang von Textnachrichten (Paging) | Information der Träger möglich | kein Sprechkontakt mit der PNEZ | |
Sprechfunk | Kommunikation des Trägers mit der PNEZ möglich | Absetzen des Notsignals kann sich geringfügig verzögern |
Tabelle 5: Übersicht über mögliche Funktionen von Personen-Notsignal-Geräten
Mit jedem Personen-Notsignal-Gerät kann ein willensabhängiger Alarm, durch Drücken der Notsignaltaste und zusätzlich ein oder mehrere willensunabhängige Alarmfunktionen über unterschiedliche Sensoren ausgelöst werden. Durch Auswahl von verschiedenen willensunabhängigen Alarmfunktionen lässt sich das Personen-Notsignal-Gerät genau auf die jeweilige Gefährdung abstimmen.
Vor Auslösung des willensunabhängigen Personen-Alarms wird in der Regel vom Personen-Notsignal-Gerät ein Voralarm gegeben, der vom Träger des Personen-Notsignal-Gerätes innerhalb von maximal 15 Sekunden rückgesetzt werden kann.
Die höchstzulässigen Reaktionszeiten bis zur Auslösung von Personen-Alarm sind in der Tabelle 6 festgelegt.
Personen-Notsignal-Geräte sind so beschaffen, dass Einstellungen nur durch autorisiertes Personal verändert werden können.
Um sicherzustellen, dass nicht benutzte Personen-Notsignal-Geräte aufgeladen werden, ist für jedes Gerät eine eigene Ladevorrichtung erforderlich.
Personen-Notsignal-Geräte sind bauartbedingt während des bestimmungsgemäßen Einsatzes nicht abschaltbar. Ein Technischer Alarm kann nur vermieden werden, wenn die nicht benutzten Personen-Notsignal-Geräte in der Ladevorrichtung aufbewahrt werden. Für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen müssen Personen-Notsignal-Geräte der Explosionsschutzverordnung -11. ProdSV entsprechen.