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Lentz, Arbeitssicherheitsjournal 2011, 19
DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“

Andrea Lentz

 Lentz: DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ - Arbeitssicherheitsjournal 2011 Heft 1 - 19>>

Die neue DGUV Vor 2 soll die Eigenverantwortung der Unternehmen in Sachen Gesundheits- und Arbeitsschutz stärken. Das zentrale Thema lautet Gefährdungsbeurteilung.

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Seit dem 1.1.2011 gilt die neue Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV Vorschrift 2). Sie löst die alte BGV A2 ab. Die neue DGUV Vorschrift 2 regelt (wie bisher die BGV A2) die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung für Unternehmen. Im Vergleich zur bisherigen Vorschrift werden mit der neuen Regelung jedoch die Vorgaben zur arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung geändert. Anstelle von starren Einsatzzeiten steht nun die individuelle betriebliche Gefährdung im jeweiligen Betrieb im Vordergrund der Regelung.

Die Gefährdungsbeurteilung wird demnach zum Dreh- und Angelpunkt der Betreuungsleistungen zum Gesundheitsschutz und zur Arbeitssicherheit in Betrieben. An ihr orientiert sich die Einsatzzeit für Arbeitsmediziner und FASI.

Im Vorfeld der Einführung der neuen DGUV Vorschrift 2 wurde u.a. Kritik laut, dass der Aufwand für die Ermittlung insbesondere bei der betriebsspezifischen Betreuung unverhältnismäßig hoch sei. Hier sind diejenigen Unternehmen klar im Vorteil, die ihren Pflichten nachgekommen sind und bei denen Gefährdungsbeurteilungen bereits vorliegen.

Die zweite entscheidende Neuerung ist, dass Kleinbetriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern zwischen der Regelbetreuung und einer alternativen Betreuung nach dem Unternehmermodell (Festlegung durch die zuständige BG oder Unfallkasse) wählen können. Voraussetzung für die zweite Möglichkeit ist allerdings, dass der Unternehmer noch aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden ist.

Laut DGUV werden die Aufsichtsdienste der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen die praxisgerechte Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 in den Betrieben, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen nachhaltig unterstützen. Dieses Vorgehen habe auch die Nationale Arbeitsschutzkonferenz (NAK) einstimmig befürwortet. Damit ist laut DGUV gewährleistet, dass Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und die Arbeitsschutzbehörden der Länder dieses Thema einheitlich handhaben.

Betriebsärzte und FASIs rücken näher zusammen

Sowohl Betriebsärzte als auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben wie bisher die Aufgabe, den Unternehmer bei Fragen zu ihren Fachgebieten zu beraten. Ihre jeweilige spezifische Fachkunde ist insbesondere bei der Risikobeurteilung gefragt. Wenn beispielsweise ein neues Arbeitsverfahren im Unternehmen eingeführt werden soll, beurteilt die Fachkraft für Arbeitssicherheit vor allem die sicherheitstechnischen Aspekte der mitarbeitergerechten Arbeitsplatzgestaltung, während sich der Betriebsarzt um die gesundheitlichen Aspekte kümmert. Gemeinsam beraten sie dann den Unternehmer bzw. die verantwortlichen Führungskräfte, welche Maßnahmen aus der Risikobeurteilung abgeleitet werden und wie sie in die Gefährdungsbeurteilung einfließen.

Die DGUV Vorschrift 2 besteht aus sieben Paragrafen sowie Anlagen und Anhängen. Die einzelnen Paragrafen regeln den Geltungsbereich, die Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit, die Anforderungen an die arbeitsmedizinische und die sicherheitstechnische Fachkunde sowie die Berichtspflicht.

Betreuungsarten nach DGUV Vorschrift 2

Den Mittelpunkt der neuen Vorschrift bildet das neue Konzept der Regelbetreuung der Betriebe mit mehr als zehn und bis 50 Beschäftigten. Seit dem 1.1.2011 besteht die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung aus den beiden Teilen Grundbetreuung und betriebsspezifischer Betreuungsteil.

Bei der Aufteilung der Zeiten auf Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist ein Mindestanteil von 20 % der Grundbetreuung, jedoch nicht weniger als 0,2 Std./Jahr pro Beschäftigtem/Beschäftigter, für jeden Leistungserbringer anzusetzen. Die Verteilung von Aufgaben und Einsatzzeiten an den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit obliegt dem Arbeitgeber.

Grundbetreuung

Die Grundbetreuung umfasst alle Unterstützungsleistungen, die sich aus den Arbeitgeberpflichten aus §§ 3, 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes ergeben. Für vergleichbare Betriebe bestehen identische Anforderungen an die Grundbetreuung. Unterschieden werden drei Betreuungsgruppen. Die Zuordnung der Betriebsarten zu der jeweiligen Betreuungsgruppe ergibt sich aus der im Anhang der DGUV Vorschrift 2 befindlichen Auflistung. Die Einstufung der Betriebsarten erfolgt nach in Deutschland geltenden WZ-Codes (Klassifikation der Wirtschaftszweige für statistische Zwecke). Damit soll sichergestellt erden, dass an vergleichbare Betriebe auch gleiche Grundanforderungen gestellt werden.

Zur Gruppe I mit einer hohen Gefährdung gehören beispielsweise die Erdölgewinnung, Forstbetriebe oder Bergbaubetriebe. Chemie- und Maschinenbaubetriebe gehören ebenso wie Druckereien zur Gruppe II mit einer mittleren Gefährdung. Zur Gruppe III mit einer geringen Gefährdung gehören Banken, Versicherungen und Verwaltungen.

Für die Grundbetreuung ist je nach Zuordnung in eine der drei Gruppen folgende Einsatzzeit in Stunden pro Beschäftigtem/Beschäftigter und Jahr erforderlich:

Gruppe I:

2,5 Std./Jahr pro Beschäftigtem

Gruppe II:

1,5 Std./Jahr pro Beschäftigtem

Gruppe III:

0,5 Std./Jahr pro Beschäftigtem

Neben der Gefährdungsbeurteilung gehört zur Grundbetreuung vor allem auch die Unterstützung bei den grundlegenden Maßnahmen der Verhältnis- und der Verhaltensprävention der Arbeitsgestaltung, wobei die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit hier eigenständig tätig werden müssen. Dies bedeutet, dass sie hinsichtlich Arbeitsmitteln, Arbeitsstoffen, Arbeitsumgebung, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsverfahren und Arbeitsorganisation selbst prüfen und beurteilen und ggf. Änderungsmaßnahmen festlegen müssen. Die betriebliche Interessenvertretung hat ein Mitbestimmungsrecht.

Betriebsspezifische Betreuung

Die betriebsspezifische Betreuung ist – aufbauend auf die Grundbetreuung – mehr auf die speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Betriebs ausgerichtet. Sie geht von den jeweiligen betrieblichen Gefährdungen, Situationen und Anlässen aus. Den inhaltlichen Bedarf und den Umfang der betriebsspezifischen Betreuung ermittelt der Arbeitgeber. Da Bedarf und Umfang von vielfältigen Komponenten abhängig sind, sind keine festen Einsatzzeiten vorgeschrieben.

Es ist demnach Aufgabe des Arbeitgebers zu prüfen, welche Aufgaben im Betrieb erforderlich sind und welcher Personalaufwand zur Erfüllung von diesbezüglichen Betreuungsleistungen notwendig ist. Sowohl vom Betriebsarzt als auch von der Fachkraft für Arbeitssicherheit kann sich der Arbeitgeber bei den Planungen unterstützen lassen. Mitbestimmungsrechte bei der Festlegung der betriebsspezifischen Betreuung kommen auch – wie die DGUV Vorschrift 2 explizit hervorhebt – den betrieblichen Interessenvertretungen zu.

Erst nachdem der inhaltliche Bedarf und der Umfang der betriebsspezifischen Betreuung feststehen, kann der jährliche Personalaufwand und die notwendigen Betreuungsleistungen schriftlich vereinbart werden. Bei dieser Vereinbarung muss das Unternehmen eine Aufteilung des Personalaufwands auf den Be-

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triebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit vornehmen.

Die betriebsspezifische Betreuung kann sowohl dauerhafte als auch anlassbezogene Aktivitäten umfassen. Zu den dauerhaften Aktivitäten zählen vor allem Aufgabenfelder aus dem Bereich der Unfall- und Gesundheitsgefahren bzw. Erfordernisse, die sich auf eine menschengerechte Arbeitsgestaltung beziehen. Hier sind vor allem Arbeitsplätze angesprochen, die besondere Risiken aufweisen. Auch die Unterstützung bei der Weiterentwicklung eines Gesundheitsmanagementsystems zählt beispielsweise zum Bereich betriebsspezifische Betreuung.

Zeitlich befristete betriebsspezifische Betreuungsleistungen sind dann erforderlich, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Betrieb nur über eine gewisse Zeit gegeben ist, wie beispielsweise Umbauten oder Umzüge. Führt ein Unternehmen z.B. nur ausnahmsweise im Rahmen eines Auftrags Arbeiten durch, die besondere Schutzmaßnahmen erfordern, zählt dies ebenfalls dazu.

Auch neue Vorschriften oder neue technische Entwicklungen können einen betriebsbezogenen Betreuungsbedarf auslösen. So können z.B. Veränderungen im Gefahrstoffrecht dazu führen, dass Gefährdungsbeurteilungen angepasst werden müssen.

Die Betreuungsleistungen sowie ihre Aufteilung sollten über einen längeren Zeitpunkt (beispielsweise ein Jahr) festgelegt werden. Hinsichtlich der betriebsspezifischen Betreuung sollte der Umfang regelmäßig überprüft werden, sodass auf Änderungen im Betrieb und neue betriebliche Aktivitäten reagiert werden kann.

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit müssen den Arbeitgeber regelmäßig über ihre Tätigkeit und deren Ergebnisse unterrichten. Außerdem ist ihr gesamter Betreuungsaufwand inkl. deren Verteilung von ihnen aufzulisten. Der Bericht sollte Verbesserungsvorschläge für den Arbeitgeber enthalten und über den Stand der Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen informieren.

Die Aufgaben des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit schriftlich bestellen und darüber einen Nachweis führen. Darüber hinaus muss er den Betreuungsaufwand für die Grundbetreuung und die betriebsspezifische Betreuung ermitteln und die daraus resultierenden Personalentscheidungen treffen. Den Anfall und die Notwendigkeit von Betreuungsleistungen muss er regelmäßig überprüfen und ggf. anpassen. Dies sollte hinsichtlich Inhalt und Umfang schriftlich erfolgen. Die betriebliche Interessensvertretung ist bei allen diesbezüglichen Entscheidungen zu beteiligen.

Der Arbeitgeber, die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten in einem permanenten Informationsaustausch stehen. Der Arbeitgeber muss zwar dafür sorgen, dass die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ihre Aufgaben erfüllen, er muss sie aber auch dabei unterstützen.

Die Beschäftigten des Betriebs sind über die gewählte Art der Betreuung durch Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit zu informieren. Ihnen muss auch der jeweilige Ansprechpartner genannt werden. Das gilt insbesondere für Betriebe unter 50 Mitarbeitern, bei denen der Unternehmer zwischen zwei Betreuungsmodellen wählen kann.

Info

Übersicht: Betreuungsmodelle nach DGUV Vorschrift 2

Unternehmensgröße (Mitarbeiter)

Regelbetreuung

Alternative Betreuung

bis einschließlich 10

Ja, Grundbetreuung, anlassbezogene Betreuung

Ja, entsprechend der Regelungen der zuständigen BG oder Unfallkasse

11 bis einschließlich 50

Ja, Grundbetreuung, betriebsspezifische Betreuung

Ja, entsprechend der Regelungen der zuständigen BG oder Unfallkasse

Über 50

Ja, wie bei Unternehmensgröße 11 bis einschl. 50

Nein

Quelle: DGUV

metis