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Matthes, Arbeitssicherheitsjournal 2010, 19
Produktsicherheit: Der Teufel steckt im Detail

Guido Matthes

 Matthes: Produktsicherheit: Der Teufel steckt im Detail - Arbeitssicherheitsjournal 2010 Heft 2 - 19>>

Schärfere Sicherheitsbestimmungen und Richtlinien haben zu einer strengeren Haftung der Hersteller geführt. Aber was ist im „Fall der Fälle“? Muss der Hersteller immer haften? Oder gibt es Mittel und Wege sich gegen (unvorhergesehene) Schadensfälle zu rüsten? Produzentenhaftung, ProdHaftG und GPSG sind hier Begriffe, die auch ein Sicherheitsingenieur kennen sollte.

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Gesetzliche Grundlagen für sichere Produkte gibt es einige. Die daraus resultierenden Verpflichtungen sollte man kennen und sich täglich fragen, ob die eigenen Produkte „sicher“ sind. Im Schadensfall ist es zu spät!

In diesem Zusammenhang sind für Sicherheitsfachkräfte u.a. wichtig:

1. Deliktische Produzentenhaftung nach § 823 BGB

Sie ist eine verschuldensabhängige Haftung des Herstellers für Schäden, die durch ein fehlerhaftes, von ihm in Verkehr gebrachtes Produkt verursacht werden. D.h., der Hersteller haftet, wenn ein Verschulden vorliegt, weil er seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist.

2. Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ProdHaftG)

Es regelt die Haftung des Herstellers für Schäden, die aus der Benutzung seiner Produkte resultieren. Danach ist ein Hersteller schadenersatzpflichtig, wenn jemand oder etwas durch das Produkt gefährdet wurde.

3. Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)

Es fasst das GSG und das ProdSG zusammen und setzt die Richtlinie 2001/95/EG in nationales Recht um. Ziel des GPSG ist es, die Sicherheit von Produkten zu erhöhen – verantwortlich dafür sind sowohl Hersteller als auch Händler. Eine Grundlage dieser Gesetze ist

4. Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG

Sie erläutert Vorgaben für Sicherheitsanforderungen an Produkten, Geräten und Maschinen.

Das ProdHaftG im Einzelnen

Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) regelt die Haftung des Herstellers für Schäden, die aus der Benutzung seiner Produkte resultieren. Die Ansprüche nach diesem Gesetz entstehen unabhängig davon, ob zwischen Hersteller und Anwender ein Vertrag geschlossen wurde. Das ProdHaftG ist zwingendes Recht und lässt sich vertraglich nicht abändern oder ausschließen. Ein Hersteller haftet, wenn folgende Fehler vorliegen: Konstruktions-, Instruktions- oder Fabrikationsfehler.

Zu beachten ist dabei Folgendes: Der Hersteller haftet auch, wenn er den Fehler nicht zu vertreten hat. Nach dem Produkthaftungsgesetz muss Schadenersatz geleistet werden, sobald ein Schaden an einer Person oder an einer Sache infolge eines fehlerhaften Produkts entsteht. Somit ist die Produkthaftung eine klare Gefährdungshaftung, d.h. der Hersteller wird schadenersatzpflichtig, wenn jemand oder etwas durch das Produkt gefährdet wurde.

Ein Unternehmen kann sich vor Produkthaftungsansprüchen schützen, indem es möglichen Fehlern vorbeugt und sie so vermeidet. Ein Qualitätsmanagementsystem kann hier helfen, dessen Sinn und Zweck das Aufspüren von Fehlern und deren Quellen ist. Denn es gilt ja: Nicht der Geschädigte hat Fehler zu beweisen, sondern der Hersteller muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Kann er das nicht darlegen, gilt der Fehler als vom Hersteller verschuldet. Durch die „verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung“ (s.o.) haftet der Hersteller auch, wenn ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann (s. § 1, 2 und 4 ProdHaftG). Hersteller im Sinne des ProdHaftG sollten entsprechend ihrem Haftungsrisiko für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen. Hier kann eine Produkthaftpflichtversicherung sinnvoll sein.

Beweislast und Haftungsumfang

Die Beweislast für das Vorliegen eines Fehlers und dessen Ursächlichkeit für den entstandenen Schaden liegt zwar beim Geschädigten. Da es sich beim ProdHaftG aber um ein Verbraucherschutzgesetz handelt, sieht es für ihn Beweislasterleichterungen vor. Aber auch der Hersteller kann Beweise für das Vorliegen einer Haftungsbefreiung oder -minderung vorbringen, die es im Einzelfall zu entscheiden gilt (s. § 1 Abs. 2 u. 3, § 6 ProdHaftG).

Das ProdHaftG sieht unterschiedliche Haftungsumfänge vor: Sachschäden, Körperverletzung, Tötung und Schmerzensgeld. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und die Haftung des Herstellers erlischt zehn Jahre nach Inverkehrbringen des Produktes. Bei Geräten, die aus vielen Teilprodukten von unterschiedlichen Herstellern zusammengesetzt werden, unterscheidet § 4 zwischen den Herstellern des End- oder Teilprodukts, dem Quasihersteller und/oder dem Importeur.

2001/95/EG genauer betrachtet

Die Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die allgemeine Produktsicherheit enthält eine allgemeine Sicherheitsanforderung für alle Produkte, die in Verkehr gebracht werden und für die Verbraucher bestimmt sind oder voraussichtlich von ihnen benutzt werden.

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Ein Produkt gilt als sicher, wenn es den speziellen Gemeinschaftsvorschriften über die Sicherheit dieses Produktes bzw. – bei fehlenden Gemeinschaftsvorschriften – den speziellen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Produkt vermarktet wird, entspricht. Außerdem ist ein Produkt als sicher zu betrachten, wenn es einer europäischen Norm entspricht, die gemäß dem in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren erarbeitet wurde.

Die Hersteller dürfen nur solche Produkte vermarkten, die der allgemeinen Sicherheitsanforderung entsprechen. Ferner müssen sie dem Verbraucher einschlägige Informationen erteilen, damit er die Gefahren, die von einem Produkt ausgehen und nicht unmittelbar erkennbar sind, beurteilen kann. Die 2001/95/EG findet unbeschadet der Richtlinie 85/374/EWG über die Haftung für fehlerhafte Produkte Anwendung.

Das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) fasst die bestehenden Regelungen des Gerätesicherheitsgesetzes (GSG) und des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) zusammen. Es setzt die Vorschriften 2001/95/EG in nationales Recht um. Ziel des GPSG ist es, die Sicherheit von Produkten zu erhöhen – verantwortlich dafür sind sowohl Hersteller als auch Händler.

GPSG hinterfragt

Das GPSG gilt für das Inverkehrbringen und Ausstellen von technischen Arbeitsmitteln. Dazu gehören im Sinne des GPSG auch Zubehörteile, z.B. Werkzeugaufsätze für Roboteranlagen und alle sogenannten Arbeitseinrichtungen, Maschinen und Geräte, die ausschließlich bei der Arbeit genutzt werden, zudem Zubehörteile und Schutz- sowie Sicherheitseinrichtungen.

Der Hersteller hat dafür Sorge zu tragen, dass der Anwender die erforderlichen Produktinformationen erhält, insbesondere die Bedienungsanleitung. Wird aber nur ein Warnhinweis angebraucht, entbindet das nicht von der Verpflichtung, die Vorgaben des GPSG zu beachten. Weiterhin regelt das GPSG noch die Pflichten der Identifikation und der Produktbeobachtung. Im „Falle eines Falles“ hat der Hersteller die Behörde unverzüglich zu unterrichten, wenn von einem Produkt eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit von Personen ausgeht. Hierzu stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und. Arbeitsmedizin (BAuA) auf ihrem Portal www.rueckrufe.de ein Formular zur Verfügung, über das Hersteller die Aufsichtsbehörden informieren können.

Verantwortliche in Unternehmen sollten sich ihrer Pflichten und Aufgaben nach ProdHaftG, § 823 BGB und GPSG dringend bewusst sein.

Denn wer nicht weiß, worauf man ihn im Fall der Fälle festnageln kann, der kann auch keine unternehmensinterne Konzeption aufstellen, wie diverse Risiken vorher zu vermeiden sind. „Naturgemäß gibt es eben nicht nur eine Zwiebelhaut, sondern fünf bis acht. Sprich: Auch wer meint, er kenne eigentlich seine produkthaftungsrechtlichen Pflichten ganz gut, wird im konkreten Schadensfall oftmals baff erstaunt sein, wie stark der Teufel im (juristischen und/oder technischen) Detail steckt, auf das vorher keiner geachtet hat“, mahnt Prof. Dr. Thomas Klindt, Partner bei der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz und Professor für europäisches Produktsicherheitsrecht an der Universität Kassel.

Auf einen Blick

Produzentenhaftung gegen Produkthaftung

Allgemein lässt sich sagen, dass sich die Produzentenhaftung am Fehlverhalten des Produzenten orientiert und das Produkthaftungsgesetz beim Produktfehler ansetzt. D.h., bei der Produzentenhaftung wird vorausgesetzt, dass der Schaden dem Hersteller zugeordnet werden kann. Die Haftung knüpft hierbei an die Verletzung bestimmter Verkehrssicherungspflichten an.

Bei der Produkthaftung steht die Haftung des Herstellers für Folgeschäden aus der Benutzung seiner Produkte im Vordergrund. Dies gilt für Personen- und Sachschäden und zwar, wenn der „bestimmungsgemäße Verbraucher“ einen Schaden infolge eines Produktfehlers erleidet. Die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz basiert auf einer sogenannten „Gefährdungshaftung“. Danach tritt die Haftung für einen Schaden unabhängig vom Verschulden ein; allein der Umstand fehlerhafter Herstellung ist ausschlaggebend.

Recht

Die Pflicht zur Selbstanzeige …

… erhöht die Produktsicherheit. Unternehmen können innerhalb der EU vor eigenen Produkten warnen, von denen Gefahren für Verbraucher ausgehen. Dafür gibt es eine Internetseite, auf der man seiner Pflicht zur Selbstanzeige bei den nationalen Behörden aller Mitgliedstaaten nachkommen kann (https://webgate.ec.europa.eu/gpsd-ba/).

„Das erleichtert die sogenannte Selbstanschwärzung“, erklärt Prof. Dr. Thomas Klindt, Partner bei der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz und Professor für europäisches Produktsicherheitsrecht an der Universität Kassel. Damit sei allerdings die Erwartung der Behörden verbunden, dass Unternehmen künftig fristgerecht auf gefährliche Produkte hinweisen. „Insbesondere Mittelständler ohne große Rechtsabteilung sollten sich die Internetadresse merken, weil sie auf der EU-Hauptseite nur schwer zu finden ist“, rät der Anwalt. Denn, so erfreulich die zentrale Seite sei, sie habe auch einen Nachteil: „Es gibt keine Ausrede mehr.“

metis