DGUV Information 202-111 - Mit Schulleitung gesunde, inklusive Schule gestalten Handlungsempfehlungen und Reflexionsimpulse für Schulentwicklungsprozesse

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Abschnitt 2 - 2 Schulleitungen, Inklusion und Gesundheit

Die zentrale Bedeutung der Schulleitung für die Entwicklung ihrer Einzelschule gilt als unbestritten 4. Aus der schulischen Praxis und wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass die Qualität und Wirksamkeit von Reformen im Schulsystem in hohem Maße von den Leistungen der Schulleitungen abhängen 5. Spätestens durch die UN-Behindertenrechtskonvention ist die Ausgestaltung eines inklusiven Schulsystems ein Reformanliegen in allen deutschen Bundesländern geworden 6, in dem auch die Schulleitungen als zentrale Akteursgruppe vor massive Herausforderungen gestellt werden. Ihnen kommt in ihrer zentralen Schnittstellen-Funktion die Aufgabe zu, zwischen den unterschiedlichen Erwartungen inner- und außerschulischer Akteure (Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kollegium, Schulträger, Schulaufsicht und Bildungspolitik) zu vermitteln und davon ausgehend inklusionsorientierte Entwicklungsprozesse an ihrer jeweiligen Schule anzuleiten 7. Nicht zuletzt übernehmen sie dabei mit die Verantwortung für die Bearbeitung beruflicher Belastungen im Kollegium bzw. der Gewährleistung gesundheitsförderlicher Bedingungen an ihren Schulen 8.

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g_bu_1787_as_4.jpgAlso Schulleitung muss auf jeden Fall die Haltung verkörpern, die für Inklusion notwendig ist, sprich, eine Offenheit für Vielfalt, einen gewissen Pragmatismus, der eben sich nicht nur an das Wesen der Schulform, sondern der sich an den Bedürfnissen der konkreten Kinder, die hier sind, orientiert. Das ist vielleicht das ganz Zentrale. Das muss man predigen, aber auch vorleben und verkörpern.
(Schulleitender, Gymnasium)
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Die Voraussetzungen auf der Ebene der Einzelschule erweisen sich dabei für die Schulleitungen als komplex und teilweise problematisch. Neben den einleitend bereits angedeutet herausfordernden Ressourcenlagen erweisen sich die insbesondere von der Bildungspolitik und Schulverwaltung verantworteten Strukturvorgaben des deutschen Schulsystems als teilweise widersprüchlich. Die Aufgaben, Schülerinnen und Schüler entlang standardisierter Leistungserwartungen zu unterrichten, teilweise zu segregieren und zu homogenisieren, lassen sich nicht mit dem Auftrag der Ausgestaltung einer inklusiven Schule vereinbaren. Dies schlägt sich mitunter auch in sich widersprechenden schulrechtlichen Vorgaben nieder 9.

Wussten Sie schon: Viele der hier verwendeten Lieraturangaben finden Sie frei zugänglich im Internet. Die passenden Links finden Sie im Anhang unter "Weiterführende Materialien und Literatur online".

Gleichzeitig zeigen die vielen Beispiele, dass zahlreiche Schulleitungen trotz dieser vermeintlich widrigen Umstände bereits umfassende Maßnahmen an ihren Schulen ergriffen haben, um zunehmend alle Schülerinnen und Schülern ohne Ausnahme an ihren Schulen aufnehmen und ihren Bedürfnissen entsprechend gemeinsam unterrichten zu können 10. Seit den 80er Jahren zeigen Schulen in Deutschland ganz praktisch, dass auch unter den aktuellen Bedingungen große Schritte hin zu einem wertschätzenden Umgang mit der Vielfalt und einem erfolgreichen Lernen aller Schülerinnen und Schüler an einer Schule möglich sind. Auch in unserer bundesweiten Studie berichten uns die Schulleitungen neben allen Schwierigkeiten und berechtigten Zweifeln engagierte und kreative Prozesse, um ihre Schulen zunehmend inklusiv zu gestalten.

Inspiriert durch diese Beispiele und Berichte der Schulleitungen aus der Praxis und auf der Grundlage der theoretischen und empirischen Auseinandersetzungen in unserer Studie 11 wird versucht, Empfehlungen und Reflexionshilfen zusammenzutragen, wie inklusionsorientierte Schulentwicklungsprozesse auf Ebene der Einzelschule durch die Schulleitung‚ und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer (in der Schulleitungsqualifizierung, der Kommune, der Bildungsadministration, etc.) unterstützt werden können.

Die Handreichung versteht sich dabei als Einladung zu einer Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Praxis mit dem Ziel, bestehende Herausforderung zu bewältigen und bereits erzielte Erfolge auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem fortzusetzen. Die Schrift soll die Möglichkeit bieten, den Blick über das eigene System und die eigenen Erfahrungen zu richten und Ideen für die eigene Praxisentwicklung zu entwerfen.

Dabei werden immer wieder drei Perspektiven gewechselt und miteinander verzahnt. Durch die Theorie-Brille wird ein Verständnis der zentralen Begriffe und damit verbundenen Konzepte grundgelegt, durch die Empirie-Brille der Blick auf die aktuellen Forschungsbefunde geworfen und schließlich durch die Praxis-Brille konkrete Möglichkeiten der Umsetzung aus der und für die Praxis berichtet.

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Wissinger 2014

Hundeloh 2012

Mißling & Ückert 2014

Badstieber & Moldenhauer 2016

KMK 2012

Grüter, Schiermeyer-Reichl & Stresse 2017

Lütje-Klose, Streese & Neumann 2017