DGUV Information 207-028 - Neubauplanung, Modernisierung und Nutzungsänderung von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Verkehrswege im Gebäude

Verkehrswege sind die für den Personen- und Güterverkehr in der Betriebsstätte erforderlichen Flächen. Dabei ist auch der ruhende Verkehr mit einzubeziehen. Zu den Verkehrswegen zählen auch die Flucht- und Rettungswege.

Verkehrswege müssen so beschaffen und bemessen sein, dass sie sicher begangen und befahren werden können und die Beschäftigten durch den Verkehr nicht gefährdet werden. Dies bedeutet für Verkehrswege insbesondere:

  • sie sind so breit zu dimensionieren, dass der Arbeitsplatz ohne Behinderung sicher erreicht und verlassen werden kann

  • sie müssen notwendige Materialtransporte aufnehmen können

  • sollten möglichst nicht in Sackgassen enden

  • sie müssen frei von hineinragenden Hindernissen sein (z. B. Mauervorsprüngen, Feuerlöscheinrichtungen, Elektroverteilungen, in Verkehrswege öffnende Türen)

  • eine ausreichende Beleuchtung haben

  • mit einem rutsch- und stolpersicheren Belag versehen sein

  • über Orientierungshilfen verfügen (Farbmarkierungen, Hinweise auf Stufen, Richtungspfeile für Rettungswege, Begrenzungslinien)

Hinweise zu allgemeinen Maßnahmen finden sich in folgenden Kapiteln:

  • Rutschhemmung siehe Kapitel 5 "Fußböden"

  • Überkopfverglasungen siehe Kapitel 6 "Verglasungen"

  • Beleuchtungsstärken siehe Kapitel 7 "Beleuchtung"

4.2.1 Fluchtwege und Notausgänge

Flucht- und Rettungswege führen über Flure oder Gänge und müssen i.d.R. nach max. 30 m (Achtung: in den Bauordnungen der Länder möglicherweise abweichende Angaben) entweder ins Freie oder in einen feuerbeständig abgetrennten Bereich, bzw. Treppenraum führen. Ein 2. Rettungsweg darf länger sein.

Rettungswege müssen so breit sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen. Ist eine Fluchtrichtung vorgesehen, bei der eine Begegnung mit anderen Personen mit Behinderung stattfinden kann, ist eine Mindestbreite für Fluchtwege von 1,50 m erforderlich.

Notwendige Treppenräume müssen einen unmittelbaren Ausgang ins Freie haben, der Ausgang ins Freie kann auch über einen feuerhemmend abgetrennten Flur ohne Öffnungen führen.

In Gebäuden mit mehr als einem Vollgeschoss müssen von jedem Aufenthaltsraum unmittelbar zwei voneinander unabhängige und möglichst entgegen gesetzt liegende Rettungswege erreichbar sein.

Allgemein zugängliche Flure müssen in Gebäuden mit mehr als einem Vollgeschoss mindestens feuerhemmend abgetrennt sein, Türen zu diesen Fluren müssen dicht schließen.

Flure, die nur in einer Richtung begehbar sind (Stichflure), dürfen eine Länge von 10 m nicht überschreiten.

Türen im Verlauf von notwendigen Rettungswegen müssen sich jederzeit ohne Hilfsmittel öffnen lassen. Ersatzmaßnahmen sind auf den Einzelfall abzustimmen. So können z. B. Ausgänge in gesicherte Bereiche mit im Brandfall automatisch öffnenden Türen gekoppelt sein.

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Abb. 4.4
Flucht- und Rettungsplan

Vor Türen und Toren im Fluchtweg sind für Personen mit Behinderung, die eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl benutzen, freie Bewegungsflächen sowie eine seitliche Anfahrbarkeit gemäß Abb. 4.5 erforderlich. Bei einer zusätzlichen Einschränkung der Hand-/Arm-Motorik ist zu prüfen, ob bei Wandstärken größer als 0,26 m eine Betätigung des Türdrückers möglich ist. Der Kraftaufwand für Türtaster muss so bemessen sein, dass er von den Menschen mit Behinderung betätigt werden kann. Bei Einschränkungen der visuellen Wahrnehmung ist auf den Kontrast zwischen Wand und Tür sowie zwischen Bedienelement und Türflügel zu achten.

Türen von Notausgängen die ins Freie führen müssen sich nach außen, in Fluchtrichtung, öffnen lassen. Schiebe- und Karusselltüren sind in Flucht- und Rettungswegen nur dann zulässig, wenn sie eine entsprechende Zulassung haben.

Nach der ASR V3a.2 müssen in WfbM, in denen gehbehinderte oder blinde Beschäftigte arbeiten, neben manuell betätigten Karusseltüren eine Drehflügel- oder eine Schiebetür angeordnet sein. Für blinde WfbM-Beschäftigte ist neben kraftbetätigten Karusselltüren eine Drehflügel-oder Schiebetür anzuordnen.

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Abb. 4.5
Zusätzliche Anforderungen an Türen im Verlauf von Flucht- und Rettungswegen

Kraftbetätigte Karusselltüren können von Beschäftigten, die eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl benutzen, genutzt werden, wenn insbesondere folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Geschwindigkeit der Drehbewegung muss den Bedürfnissen dieser Beschäftigten angepasst werden können.

  • Ein automatisches Zurücksetzen der reduzierten Geschwindigkeit darf frühestens nach einer Drehung der Tür um 360° möglich sein.

  • Die Karusselltüren sind baulich so zu dimensionieren, dass sie in gerader Durchfahrt befahren werden können und an jeder Stelle der Durchfahrt eine ausreichend große Bewegungsfläche von 1,30 m Länge × 1,00 m Breite gewährleistet ist.

  • NOT-HALT-Einrichtungen (z. B. Schalter, Taster, Sensoren) müssen erreichbar und bedienbar sein.

  • Die Gestaltung (z. B. Material, Struktur) des Bodenbelages innerhalb dieser Karusselltüren darf die Bewegung eines Rollstuhls oder eines Rollators in der vorgesehenen Richtung nicht beeinflussen.

Häufig zu öffnende Brandschutztüren - insbesondere in Bereichen mit hohem Transportaufkommen - sollten entweder betriebsmäßig offengehalten (über eine im Brandfall auslösende Verriegelungen) oder, dort wo Bereichsabschlüsse notwendig sind, kraftbetätigt ausgeführt sein. Nur so kann das unzulässige Offenstellen dieser Abschlüsse mit Gegenständen, Holzkeilen usw. vermieden werden.

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Abb. 4.6
Sauberlaufzone im Eingangsbereich

4.2.2 Eingangsbereich ins Gebäude

Empfangs- und Auskunftstheken in Eingangsbereichen sollten möglichst geschlossen ausgeführt werden, um das Pfortenpersonal vor Zugluft zu schützen.

Um die Verschleppung von Feuchtigkeit, insbesondere bei Regen, Schnee und Matsch zu vermeiden, ist eine Sauberlaufzone mit Schmutzfangmatte von mindestens 4-6 Schritten, entsprechend ca. 2,5 m Länge vorzusehen (siehe Abbildung 4.6).

4.2.3 Flure und Gänge

Wo mit Materialtransport zu rechnen ist, ergibt sich die Mindestbreite des Verkehrsweges aus den folgenden Faktoren:

  • der größten Breite des Transportmittels oder Ladegutes,

  • des Randzuschlags (Z1) und

  • des Begegnungszuschlags (Z2).

g_bu_1434_as_18.jpgGood Practice
Sicherheitszuschläge (Rand- und Begegnungszuschläge) sind abhängig von der Fahrgeschwindigkeit und der Kombination von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr.

Beispiel:
Für den gemeinsamen Fußgänger- und Fahrzeugverkehr ergibt sich ein Randzuschlag von
2 Z1 = 2 × 0,75 m = 1,50 m und ein Begegnungszuschlag
von Z2 = 0,40 m, also ein Gesamtzuschlag von 1,90 m
zusätzlich zur größten Breite des Transportmittels oder Ladegutes.

Nach ASR V3a.2 Anhang A 1.8, Ziffer 15 darf die Summe aus doppeltem Rand- und einfachem Begegnungszuschlag auch bei einer geringen Anzahl von Verkehrsbegegnungen nicht herabgesetzt werden.

Für Personen, die einen Rollator oder einen Rollstuhl benutzen muss der Randzuschlag Z1 mindestens 0,90 m betragen.

Die Summe (= Sicherheitszuschlag) aus doppeltem Randzuschlag und einfachem Begegnungszuschlag darf auch bei einer geringen Anzahl von Verkehrsbegegnungen nicht herabgesetzt werden

Bei Verwendung von handbedienten Flurförderzeugen darf der Sicherheitszuschlag bis auf 1,10 m herabgesetzt werden, wenn dadurch keine zusätzliche Gefährdung für die Beschäftigten entsteht.

Verkehrswegebreiten unter 2,70 m sind daher nur in Ausnahmefällen zulässig.

Der Randzuschlag Z1 beträgt 0,5 m.

Der Begegnungszuschlag Z2 für Fahrzeugverkehr beträgt 0,4 m.

Die Breite des Transportmittels aT ist abhängig von den verwendeten Transportmitteln und den Behältnissen (Gitterbox, Europalette etc.) und muss individuell ermittelt werden. Eine Europalette ist z. B. 0,80 m breit.

Für sonstige öffentlich zugängliche Flure gilt eine Mindestbreite von 1,50 m.

Gänge zu persönlich zugewiesenen Arbeitsplätzen benötigen eine Breite von mindestens 0,60 m, bei Personen, die einen Rollstuhl oder Rollator benutzen und Gehbehinderten mindestens 0,90 m.

Sonstige allgemein zugängliche Flure sind mindestens 1,0 m breit, beziehungsweise nach Anzahl der Personen auszulegen.

Die nutzbare Breite darf durch Einbauten nicht eingeengt werden.

In Bereichen, in denen schwere Lasten bewegt werden, z. B. im Zentral- und Küchenlagerbereich, in den Anlieferungszonen, im Lager, in der Metall- und Holzwerkstatt, ist auf eine ausreichende Belastbarkeit des Bodens zu achten.

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Abb. 4.7
Ermittlung der Verkehrswegebreiten

Verkehrswege sollen eben und trittsicher sein. Stolperstellen und Höhenunterschiede im Belag von mehr als 4 mm sind zu vermeiden.

Für Beschäftigte, die einen Rollator oder einen Rollstuhl benutzen und für Beschäftigte, die eine Fußhebeschwäche haben, müssen Verkehrswege schwellenlos sein. Sind Schwellen technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 20 mm sein. Der Höhenunterschied ist durch Schrägen anzugleichen.

Soweit möglich sollten Niveauunterschiede über Rampen mit einer Neigung von höchstens 6 % ausgeglichen werden; Schwellen oder Ausgleichsstufen stellen Stolperstellen und Verkehrsbehinderungen dar und sollten möglichst vermieden werden.

g_bu_1434_as_18.jpgGood Practice
Um Verkehrswege im Bereich von Arbeitsgruppen oder an Maschinenarbeitsplätzen auch von nur vorübergehend abgestellten Gegenständen (zum Beispiel Materialpaletten mit Roh- oder Fertigware, Abfallcontainer, Rollstühle und Rollatoren etc.) freihalten zu können, sind ausreichende Stellflächen, zum Beispiel in Form von Nischen, wichtig.

4.2.4 Sicherung gegen Absturz

Arbeitsplätze und Verkehrswege von denen man mehr als 1,00 m abstürzen kann, oder bei denen die Gefahr des Herabstürzens von Gegenständen besteht, müssen mit Umwehrungen versehen sein. Dies gilt auch für Arbeiten auf Dächern z. B. beim Schneeräumen oder Wartungsarbeiten. Hier sind sofern erforderlich Anschlagpunkte für die Personensicherheit vorzusehen. (DGUV Information 212-002 "Schneeräumung auf Dachflächen" und DGUV Information 201-056 "Planungsgrundlagen von Anschlageinrichtungen auf Dächern")

In den Bauordnungen der Länder kann diese Forderung unter Umständen schon bei geringeren Höhendifferenzen bestehen.

An Geländer oder andere Umwehrungen sind folgende Mindestanforderungen zu stellen: sie müssen entweder

  • eine geschlossene Füllung aufweisen, oder

  • mit senkrechten Stäben versehen sein (Füllstabgeländer) oder

  • aus Handlauf, Knieleiste und Fußleiste bestehen (Knieleistengeländer).

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Abb. 4.8
Absturzsicherung an Verkehrswegen und Arbeitsplätzen

Bei Füllstabgeländern mit senkrechten Zwischenstäben darf deren lichter Abstand nicht mehr als 0,18 m betragen. Der Abstand zwischen der Unterkante der Umwehrung bis zur Fußbodenoberkante darf 0,18 m nicht überschreiten.

Bei Knieleistengeländern darf der Abstand zwischen Fuß- und Knieleiste, zwischen Knieleiste und Handlauf oder zwischen zwei Knieleisten nicht größer als 0,50 m sein. Die Fußleisten müssen eine Höhe von mindestens 0,05 m haben und unmittelbar an der Absturzkante angeordnet sein.

Geländer müssen mindestens 1 m hoch sein. Bei Absturzhöhen über 12 m müssen Geländer 1,10 m hoch sein. Von dieser Höhe kann abgewichen werden, wenn durch die Breite der Umwehrung von mehr als 20 cm) (zum Beispiel bei Fensterbrüstungen) ein zusätzlicher Schutz gegeben ist. Sie müssen im Allgemeinen so beschaffen und befestigt sein, dass an ihrer Oberkante eine ausreichende Horizontallast aufgenommen werden kann.

Werden für Umwehrungen Glasflächen eingesetzt, beachte Kapitel 6 "Verglasung".

4.2.5 Rampen

Sofern die Verwendung von Rampen unvermeidbar ist, darf deren Steigung 6 % nicht übersteigen.

Die nutzbare Laufbreite von Rampen darf 120 cm nicht unterschreiten.

Bei einer Rampenlänge von mehr als 600 cm und bei Richtungswechseln sind Zwischenpodeste mit einer nutzbaren Länge von mindestens 150 cm erforderlich.

Rampen und Zwischenpodeste sind beidseitig mit einem 10 cm hohen Radabweiser zu versehen. Die Rampe ist ohne Quergefälle auszubilden.

An Rampe und Zwischenpodest sind beidseitig Handläufe mit 3 bis 4,5 cm Durchmesser in 85 cm bis 90 cm Höhe anzubringen.

Handläufe und Radabweiser müssen 30 cm in den Plattformbereich waagerecht hineinragen.

In der Verlängerung einer Rampe darf keine abwärts führende Treppe angeordnet werden.