DGUV Information 202-072 - Seilgärten in Kindertageseinrichtungen und Schulen

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Abschnitt 2 - Besuch und Nutzung von Hochseilgärten im Rahmen von schulischen Veranstaltungen

Pädagogische und methodische Überlegungen

Vor dem Besuch eines Hochseilgartens ist von der Schulleiterin oder dem Schulleiter zu klären, ob dies im Rahmen der landesspezifischen schulrechtlichen Vorgaben möglich ist.

Die Nutzung von Hochseilgärten im Schulsport sollte nicht nur ein isoliertes Angebot mit "Event-Charakter" darstellen, sondern vielmehr eingebettet werden in die Unterrichtsgestaltung nach den Richtlinien und Lehrplänen mit ihren erlebnispädagogischen Intentionen. Damit wird der Besuch eines Hochseilgartens zu einem Teil oder Höhepunkt einer langfristig angelegten Unterrichtsplanung unter didaktischen und methodischen Überlegungen.

Die methodische Aufbereitung von Lerninhalten ist - wie für den Sportunterricht allgemein - auch in der Erlebnispädagogik von besonderer Wichtigkeit, da hier durch eine Überforderung Ängste unterstützt oder sogar auf- und ausgebaut werden können. Es sind daher besondere Prinzipien zu berücksichtigen, die eine unterstützende und fördernde Wirkung bei der Nutzung von Seilgartenelementen haben können.

Unter anderem sind dies:

  • Der Prozess des Erlebens steht im Mittelpunkt.

  • Die Entscheidungsfreiheit und Zwanglosigkeit für alle beteiligten Kinder und Jugendlichen müssen möglich sein.

  • Die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten soll gefördert und gefordert werden.

  • Das Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen Beteiligten soll gefördert werden.

  • Es sollten Elemente ausgewählt werden, die von allen zu bewältigen sind.

  • Methodische Grundsätze sollten berücksichtigt werden (vom Leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten, etc.).

  • Gruppendruck ist zu vermeiden und die positive Unterstützung durch die Gruppe soll gefördert werden.

  • Der Einsatz und die Auswahl der Seilgartenelemente sollte auch vor dem Hintergrund der Übertragbarkeit auf Alltags- oder Lebenssituationen getroffen werden.

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Ein Schwerpunkt erlebnispädagogischer Arbeit in Seilgärten im Rahmen des Schulsports liegt auf der Entwicklung von Sozial- und Selbstkompetenz. Neben den allgemeinen Zielsetzungen für den Schulsport bildet die Förderung von Verantwortung füreinander eine wichtige pädagogische Zielsetzung im Rahmen solcher Angebote.

Voraussetzungen bei Schülerinnen und Schülern

Über das geplante Programm und die ggf. damit verbundenen Anforderungen sind die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern vorab zu informieren. Da die körperlichen und psychischen Anforderungen bei der Bewältigung von Seilgartenelementen sehr hoch sein können, müssen vor dem Besuch von Hochseilgärten Informationen zu eventuellen körperlichen Einschränkungen (z. B. Verletzungen oder Erkrankungen) von den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern eingeholt werden.

Die personenbezogenen Daten müssen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vertraulich behandelt werden.

Aufgaben von Lehrkräften

Die Nutzung kommerzieller Hochseilgärten erfordert eine intensive Vorbereitung durch die unterrichtenden Lehrkräfte, da sich die Rahmenbedingungen dieses außerschulischen Lernorts grundsätzlich von denen der schulischen Sportstätte unterscheiden (z. B. viele Gruppen auf engem Raum, Unübersichtlichkeit des Geländes, Ablenkung durch die natürliche Umgebung, erschwerte Kommunikation durch größere Entfernung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern).

Im Gegensatz zu Niedrigseilgärten ist die Nutzung eines Hochseilgartens deshalb ausschließlich unter Anleitung und Beaufsichtigung durch speziell geschultes sowie fachkundiges Personal möglich und zulässig.

Auch wenn fachkundiges Personal die Lerngruppe übernimmt, ist die Lehrkraft für diese schulische Veranstaltung im schulrechtlichen Sinne, insbesondere für die Aufsicht, gesamtverantwortlich. Sie hat sich in der Vorbereitung über die örtlichen Gegebenheiten, den organisatorischen und inhaltlichen Ablauf, die Qualifikation des betreuenden Personals und die Sicherheitseinrichtungen und -verfahren zu informieren.

Des Weiteren sind für die inhaltliche Umsetzung und Organisation folgende Fragestellungen wichtig:

  • Welche Zielsetzung unterstützen die einzelnen Seilgartenelemente?

  • Wie viele Personen können an wie vielen Elementen gleichzeitig oder parallel beschäftigt werden?

  • Wie liegen die Verhältnisse zwischen Aktivität und passiver Teilnahme?

  • Wie sind die Verantwortlichkeiten durch die Art der jeweiligen Sicherungssysteme verteilt?

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Soll die Lehrkraft in sicherheitstechnische Aufgaben mit eingebunden werden, so muss sicher gestellt sein, dass sie eine entsprechende Einweisung von geschultem Personal erhält und diese Aufgaben erfüllen kann. Sie muss die aktive, präventive und kontinuierliche Aufsicht über ihre Lerngruppe übernehmen und den Trainer und den Prozess unterstützen, z. B. durch organisatorische und erzieherischer Maßnahmen.

Mit dem Seilgartenbetreiber bzw. dem Betreuungspersonal ist insbesondere die Art der Beaufsichtigung über die Lerngruppe abzuklären - insbesondere an den Stellen im Seilgarten, an denen die Selbstsicherungen von den Schülerinnen und Schülern selbsttätig aus- und umgehängt werden müssen, um ein neues Aktionselement zu erreichen (vgl. Abschnitt "Sicherungssysteme in Hochseilgärten").

Auswahl des Anbieters

Bei der Nutzung von Seilgärten im Rahmen von Schulausflügen, Kursprogrammen oder zur Einbettung in den Unterricht hat die verantwortliche Lehrkraft im Vorfeld zu überprüfen, ob das zu besuchende Objekt den gängigen Standards oder Normen entspricht. Hierzu sollte sie sich vom Betreiber bestätigen lassen, dass der ausgewählte Seilgarten nach aktuellen Standards und Normen gebaut wurde, betrieben wird und eine regelmäßige Prüfung nachgewiesen ist.

Betreiber von Seilgärten sind nach der Übergabe der erstellten Anlage durch den Erbauer für den ordnungsgemäßen Betrieb und die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ihres Seilgartens verantwortlich und haftbar. Die hierfür notwendigen Aufgaben und Pflichten sind abhängig von der Konstruktion und Lage der Anlage. Bestimmte Maßnahmen gelten jedoch für alle Seilgärten. Diese Aufgaben und Maßnahmen werden auch als Aufsichts- und Sorgfaltspflichten bezeichnet. Der Betreiber muss klar regeln, welche Personen welche Art der Verantwortung zu welchem Zeitpunkt haben und wie diese wahrgenommen wird.

Folgende Punkte sind mit dem Betreiber abzuklären:

  • Durchführung einer pädagogischen Gefährdungsbeurteilung

  • Einsatz von geschultem Personal

  • Betrieb nach gängigen Standards und Normen.

  • Durchführung von Sicht- und Funktionsprüfungen sowie wiederkehrenden Prüfungen der gesamten Anlage inkl. des Sicherungsmaterials

  • Sicht- und Funktionsprüfung der Sicherungsmaterialien vor jeder Nutzung

  • Sicherstellen des ordnungsgemäßen Einsatzes und Gebrauchs der verwendeten Sicherungssysteme

  • Vermeidung einer unbefugten Nutzung durch Dritte

  • Information bereitzustellen, wie die Betreuenden des Seilgartens zu erkennen sind.

  • Bereitstellung eines Notfallplans (u. a. Erste-Hilfe-Maßnahmen, Rettungsverfahren, Übungen)

  • Führen eines Betriebshandbuches

Bestehen nach Einholen dieser Informationen Zweifel an der Seriosität des Anbieters, die nicht ausgeräumt werden können, sollte die verantwortliche Lehrkraft das Angebot ablehnen und sich um Alternativen bemühen. Zudem sollten Haftungsausschlüsse seitens des Betreibers von der Schule nicht unterzeichnet werden.

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