DGUV Information 202-107 - Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser

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Abschnitt 4.1 - 4.1 Niveaustufe Wassergewöhnung

Schülerinnen und Schüler besitzen zu Beginn des Schwimmunterrichts sehr unterschiedliche Wassererfahrungen (Berührungs-, Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen mit, am und im Wasser). Selbst elementare Bewegungsfertigkeiten an Land (mit dem Ball Prellen, Dribbeln, Fangen, Werfen; Balancieren, Rollen, Seitlaufen und Springen bzw. auch Hüpfen und Gehen) sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. In ihrer Anwendung im Wasser erfahren die Schülerinnen und Schüler eine völlig andere Dimension. Im Wasser ist alles anders und besonders!

4.1.1
Ziele der Wassergewöhnung

Ziel der Wassergewöhnung ist die Wahrnehmung der spezifischen Bedingungen und die Gewöhnung an diese Bedingungen. Die Eigenschaften des Wassers (Temperatur, Dichte und Druck) und die Wirkungen des Wassers (Kraft, Auftrieb, Widerstand) im Flach- und / oder vorzugsweise im Tiefwasser zu beachten.
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Abb. 8
Empfehlungen für Unterrichtsanteile der vier Niveaustufen im Lehr- und Lernprozess

Die Begegnung mit Wasser bewirkt komplexe Sinneswahrnehmungen (taktil, vestibulär, visuell, gustatorisch, olfaktorisch, akustisch, kinästhetisch) auf die besonderen Reize und Bedingungen. Angemessene Reaktionen und Erfahrungen bei Beibehaltung der kindlichen Freude am Aufenthalt und der Bewegung im Wasser tragen wesentlich zur Gewöhnung und damit zur Förderung des Unterrichtsgeschehens bei. Die Vermittlung der Wassergewöhnung erfordert von den Schwimmlehrkräften eine besondere Aufmerksamkeit. Es handelt sich hier um eine Wechselwirkung unterschiedlicher Wahrnehmungen spezifischer Eigenschaften des Wassers und entsprechender Wirkungen. Dazu gehören:

  • Ermöglichung und Beibehaltung der Angstfreiheit vor dem Medium Wasser.

  • Schaffung von Vertrautheit zum Aufenthalt und der Freude an der Bewegung im Wasser.

  • Wassererfahrungen zur Überwindung des Lidschlussreflexes.

  • Sammeln vielfältiger Erfahrungen im Umgang mit den Widerstandsbedingungen und dem Umgebungsdruck im Wasser.

  • Auftrieb erleben, Wasserwiderstand kennenlernen und den Umgebungsdruck des Wassers erfahren.

  • Die Steuerungsfunktion der Kopfstellung (Kopfstellreflex) nutzen.

Mit der Abbildung 9 werden Aspekte der Wassergewöhnung als ein Bedingungsgefüge unterschiedlicher Wahrnehmungen und spezifischer Eigenschaften des Wassers und entsprechender Wirkungen dargestellt.

4.1.2
Übungen zur Entwicklung der Wassergewöhnung

Unbedingt zu beachten ist in diesen anfänglichen Situationen der Wassergewöhnung, dass jede Einflussnahme auf den unmittelbaren und individuell kindlichen Wahrnehmungsprozess sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen und auch zu ängstlichem Verhalten führen kann.

Für viele Schülerinnen und Schüler hat die Wassergewöhnung bereits vor Beginn des Schwimmunterrichts mehr oder weniger nachhaltig stattgefunden. Sie erfordert eine Weiterführung und bei erkennbar ängstlichem Verhalten eine frühzeitige, individuelle und fürsorgliche Einflussnahme.

Angst bzw. Furcht gilt als eine der Basisemotionen. Ängste lösen Reaktionen aus und die können vielfältig sein.

Ängste sind im Schwimmunterricht dann problematisch, wenn sie sich manifestieren und die Freude am Bewegen im Wasser einschränken.

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Abb. 9
Aspekte der Wassergewöhnung

Im Rahmen der Wassergewöhnung stehen folgende Inhalte und Maßnahmen (vgl. Abb. 9 und 10) zur Angstverminderung im Mittelpunkt:

  • Sinnes- und Körperwahrnehmung des Mediums Wasser mit seinen speziellen physikalischen Eigenschaften und Wirkungen,

  • Wassererfahrungen zur Überwindung des Lidschlussreflexes (fließen des Wassers über den Kopf und die Augen, z. B. Duschen),

  • Sammeln von Bewegungserfahrungen beim Umgang mit dem Widerstand des Wassers mit teilweise oder ganz eingetauchtem Körper,

  • Überwindung evtl. vorhandener Angst, erleben des freudbetonten Aufenthalts bei spielerischen Übungen im Wasser,

  • Gewöhnung an die horizontale Lage im Wasser unter den veränderten Bedingungen der Schwerkraft,

  • problemloser Umgang mit dem höheren Umgebungsdruck des Wassers mit dem eigenen, auch untergetauchten, Körper.

Mit vielfältigen Maßnahmen, Spielen und Bewegungsaufgaben (Duschen, Spritzen, Gehen, Hüpfen, Springen, Hangeln, Schweben) im Flach- beziehungs- und / oder vorzugsweise im Tiefwasser sollten ausreichende Gelegenheiten geschaffen werden, das Wasser mit seinen Eigenschaften und Wirkungen zu erkunden, zu erleben und zu erfahren. Der Fantasie der Schwimmlehrkräfte sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Sinngebungen und Sinneswahrnehmungen sollten ein aufgeschlossenes und freudvolles Verhältnis zum Aufenthalt im Wasser vermitteln und hinreichende Voraussetzungen für die zielgerichtete Weiterführung (Vermittlung der Grundfertigkeiten) des Unterrichts ermöglichen.

Die Wassergewöhnung bildet das Fundament für die Entwicklung des sicheren Schwimmens. Wird der Lehr- und Lernprozess auf dieser Stufe bei der Aneignung von Voraussetzungen gestört oder behindert, werden weitere Fortschritte deutlich erschwert. Oftmals wird bereits hier die lebenslange freudbetonte Auseinandersetzung mit dem Medium Wasser dauerhaft eingeschränkt.

Informationen, methodische Empfehlungen und Illustrationen zu ausgewählten Inhalten (u. a.):
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft (2019)
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Abb. 10
Wahrnehmung von Reizen bei der Wassergewöhnung

4.1.3
Methodische Hinweise zur Wassergewöhnung

Die mit den Inhalten der Wassergewöhnung verbundenen notwendigen Kenntnisse über die Eigenschaften und Wirkungen des Wassers, über hygienische Maßnahmen und Abläufe vor, während und nach dem Schwimmunterricht sollten immanenter Bestandteil des Lehrens sein und zu Gewohnheiten und aktiver Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler beitragen.

Der moderne Schwimmunterricht verknüpft bereits bei der Wassergewöhnung motorisches, kognitives und soziales Lernen. Für die Schülerinnen und Schüler steht dabei das kindgemäße Erleben folgender drei Aspekte im Mittelpunkt:

  1. 1.

    Spezifische Eigenschaften und Wirkungen des Wassers (Auftrieb und Widerstand) erfahren und verarbeiten.

  2. 2.

    Richtiges Verhalten am und im Wasser (Unfallprophylaxe).

  3. 3.

    Angstfreiheit durch Spaß und Freude am Aufenthalt und der Bewegung im Wasser.

Wiederholungen in kindgemäßen, spielerischen Ausdrucksformen, insbesondere zu den Baderegeln, oder Bewegungsdemonstrationen unterstützen den Aneignungsprozess. Erste wichtige Regeln zum Verhalten am und im Wasser sollten schon am Beginn des Schwimmunterrichts in entwicklungsgemäßer Sprache vermittelt werden und von den Schülerinnen und Schülern wiedergegeben werden können. Bewegungsaufgaben zu variieren, zu wiederholen und zu erweitern, unterstützen den individuellen Lernprozess.

4.1.4
Kontrollverfahren zur Entwicklung der Wassergewöhnung

Es wird empfohlen, sich gleich zu Beginn des Schwimmunterrichts eine Übersicht über das Ausgangsniveau des Schwimmen Können der Schülerinnen und Schüler zu verschaffen und zu dokumentieren.

Einzige Kontrollmöglichkeit in diesem ersten Abschnitt ist die subjektive Erfassung und Einschätzung der Befindlichkeiten der Schülerinnen und Schüler durch die Schwimmlehrkräfte. (Vgl. auch Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft, 2019)