DGUV Information 203-092 - Arbeitssicherheit beim Betrieb von Gasanlagen Handlungshilfe zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung

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Abschnitt 13.3 - 13.3 Zündgefahren durch elektrostatische Aufladungen und Schutzmaßnahmen

Im Folgenden werden zur Beurteilung und Vermeidung von Zündgefahren aufgrund elektrostatischer Aufladungen in explosionsgefährdeten Bereichen von Gasanlagen ausgewählte Schutzmaßnahmen beschrieben (siehe auch TRGS 727).

Beschäftigte, die in explosionsgefährdeten Bereichen von Gasanlagen tätig sind oder im Rahmen von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten g.e.A. ausgesetzt sein können, dürfen nicht gefährlich elektrostatisch aufgeladen werden (vgl. TRBS 1112 Teil 1).

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Abb. 32
Elektrostatischer Entladungsfunken

Elektrostatische Aufladungen von Personen können z. B. durch das Gehen mit isolierendem Schuhwerk auf herkömmlichen Kunststoffböden (Teppichböden, PVC-Belag etc.) hervorgerufen werden. Das Aufladen von Betriebsmitteln und Anlagenteilen kann z. B. durch ausströmendes, staubhaltiges Gas verursacht werden oder durch stark ladungserzeugende Vorgänge wie z. B. beim Umpumpen von Öl oder Staubsaugen. Auch das Entfernen von Kunststoffverpackungen (z. B. der Filterpatronen) kann gefährliche elektrostatische Aufladungen verursachen.

13.3.1
Maßnahmen zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen von Personen

Begehbare Aufstellungsräume von Gasanlagen, die einer EX-Zone zugeordnet sind, müssen zum Schutz hier tätiger Beschäftigter mit ableitfähigen Fußböden ausgerüstet sein. Hierzu zählen auch begehbare Schachtabdeckungen aus Riffelblech.

Gefährliche elektrostatische Aufladungen von Personen lassen sich nur vermeiden, wenn diese auch ableitfähiges Schuhwerk (siehe Kapitel 5.3) tragen.

Elektrostatisch ableitfähig ist ein Fußboden, dessen Ableitwiderstand den Wert von 108 Ohm nicht überschreitet. Die Überprüfung des Widerstandswertes wird bei Gasanlagen mit dem in DIN EN 1081 beschriebenen Messverfahren durchgeführt.

Nach dem einschlägigen Regelwerk (z. B. DVGW G 491 (A)) ist bei Gasanlagen ein ableitfähiger Fußboden für explosionsgefährdete Bereiche aller Zonen (auch für Zone 2) erforderlich.

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Abb. 33
Aufstellungsraum einer GDRM-Anlage mit ableitfähigem Fußboden

13.3.2
Prüfung der Ableitfähigkeit/Messmethode/Dokumentation für Fußböden

Die DIN EN 1081 beschreibt ein Messverfahren zur Bestimmung des Erdableitwiderstandes (Verfahren B) von verlegten Bodenbelägen (elastische Bodenbeläge). Vergleichsmessungen mit anderen Messverfahren (DIN EN 61 340-2) haben gezeigt, dass die Messung nach DIN EN 1081 die praktischen Gegebenheiten, insbesondere bei rauen und unebenen Oberflächen, am besten erfasst. Zur Messung wird hierbei eine Dreifußelektrode verwendet, bestehend aus einer dreiseitigen Aluminiumplatte mit aufgeklebter, isolierender Trittfläche und drei angeschraubten zylindrischen Gummifüßen im Abstand von 180 mm zueinander auf der Unterseite. Die Gummifüße bestehen aus einem leitfähigen Gummi (elektrischer Widerstand kleiner 103 Ohm) und definierter Härte. Durch Aufbringen einer Gewichtskraft von mindestens 300 N (ca. 30 kg) auf die Dreifußelektrode wird ein ausreichender Kontakt mit dem Bodenbelag erreicht. Die Messung erfolgt trocken. Zu empfehlen ist, dass bei neu erstellten Böden die Messung auf der gesamten Bodenfläche, unterteilt in Messabschnitte von einem Quadratmeter, durchgeführt wird, um damit herstellungsbedingte Mängel des Bodens zu erfassen.

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Abb. 34
Dreipunkt-Elektrode und Messgerät

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Abb. 35
Durchführung der Fußbodenmessung

Zur Überprüfung, ob sich der Widerstand des Bodens im Laufe der Zeit ändert, sind angemessene Prüfintervalle festzulegen. Der Ableitwiderstand des Bodens oder des Bodenbelages kann nur mit Hilfe einer Widerstandsmessung überprüft werden. Die Intervalle für die wiederkehrenden Prüfungen orientieren sich an den betrieblichen Gegebenheiten (Empfehlung für Prüfintervalle von Fußböden in GDRM-Anlagen oder Verdichteranlagen: drei Jahre). Die Messungen sind mit geeigneten Widerstandsmessgeräten durchzuführen. Ermittelt wird der Widerstand zwischen

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Abb. 36
Beispiel Messprotokoll für einen ableitfähigen Fußboden

Elektrode und einem definierten Erdpunkt. Die Prüfung ist durch eine zur Prüfung befähigte Person gemäß § 2 Abs. 6 BetrSichV durchzuführen und zu dokumentieren.

Der Prüfbericht sollte mindestens folgende Angaben enthalten:

  • Beschreibung und Identifizierung des Bodenwerkstoffes

  • Verlegedatum des Bodens

  • Maßstäbliche Zeichnung des Raumes mit

  • Eintragung der Messstellen

  • Dokumentation aller gemessenen Widerstandswerte (Messergebnisse)

  • Temperaturbedingungen und relative Luftfeuchte während der Messung

  • Verwendetes Messgerät

  • Messspannung

  • Messdatum

  • Name des Prüfers

  • Abweichungen, die die Messwerte beeinflussen können (z. B. schadhafte oder verunreinigte Bodenbereiche, defekte Erdungspunkte)

  • Beurteilung der Messergebnisse

Ableitfähige Fußböden sind vor Inbetriebnahme und wiederkehrend zu prüfen (zur Prüfung befähigte Person). Empfehlung: Prüffrist maximal drei Jahre.

Hinweis: Bei aufgeständerten Plattensystem-Fußböden wird zusätzlich eine Kontrolle (mindestens Sichtkontrolle) bzw. Prüfung der Systeme auf ordnungsgemäßen Zustand empfohlen (das Ergebnis ist zu dokumentieren). Alterung, Feuchtigkeitseinflüsse oder mechanische Beanspruchungen können die Standsicherheit beeinflussen.

13.3.3
Ausführungsvarianten für Fußböden

Nachfolgend sind einige Beispiele für Fußbodenbeläge in Gasanlagen mit ausreichender Ableitfähigkeit aufgeführt: ableitfähige Kunststoffplatten (Doppelböden), ableitfähige Gummi-Matten, Keramikfliesen, Betonwerksteinplatten (Terrazzo-Platten), Asphaltplatten mit leitfähiger Beschichtung, Betonboden, Beton-Estrich mit leitfähiger Beschichtung. Bei Auswahl eines geeigneten Bodenbelages sind neben einer ausreichenden Ableitfähigkeit ggf. auch Anforderungen nach Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und hinsichtlich des Brandschutzes (z. B. schwer entflammbar) erforderlich.

Tabelle 3:
Beispiele für ableitfähige Bodensysteme mit speziellen Anforderungen

Geeignetes ableitfähiges BodensystemZusätzliche Anforderungen
Anlagenteil/RaumtypMehrschichtige BeschichtungssystemeSpezialbetonBetonbodenBetonwerksteinplattenKautschuk, PVCKeramikflisenBeständigkeit gegen Flüssigkeiten ***Flüssigkeitsschicht nach HWG
Verdichterhalle mit ÖltankXXX
Verdichterhalle ohne ÖltankXX
GDRM-RaumXXX
Begehbare EinhausungXX
Odorierraum *XXXXX
Gasflaschenlager für brennbare GaseXX
Batterieraum **XXXXX
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Abb. 37
Beispiel Erdungsanschluss für ableitfähigen Fußboden

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Abb. 38
Beispiel für Fußboden WHG-Aufbau, ableitfähig, rutschhemmend
1 - Grundierung
2 - Kratz- und Lunkerspachtelung
3 - WHG-Schicht
4 - Leitschicht
5 - Rutschhemmende Deckschicht
6 - Deckversiegelung

Für die Auswahl eines geeigneten Bodensystems mit zusätzlichen Anforderungen kann Tabelle 3 herangezogen werden. Das Bodensystem muss an die Hauptpotentialausgleichsschiene angeschlossen sein. Die jeweilige Ausführung richtet sich dabei nach dem eingebauten Bodensystem.

Beispiele verschiedener Fußbodenarten

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Abb. 39
Fußboden in einer Gas-Verdichterhalle (WHG-Aufbau, ableitfähig, rutschhemmend)

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Abb. 40
Betonwerkstein-Platten in einer GDRM-Anlage

13.3.4
Weitere Anforderungen

Neben der elektrostatischen Ableitfähigkeit ist die Rutschsicherheit eine wichtige Eigenschaft des Fußbodenaufbaus. Deshalb ist darauf zu achten, dass die Fußbodenoberfläche einer Bewertungsgruppe der Rutschgefahr größer/gleich R 10 (siehe auch DGUV Regel 108-003) zugeordnet werden kann. Bei ableitfähigen Beschichtungssystemen kann durch Einstreuung eines geeigneten leitfähigen Materials (z. B. Siliciumcarbid) mit anschließender Deckversiegelung eine ausreichende Rauigkeit erreicht werden).

In der Regel ist bei Betonestrich oder Betonwerkstein-Platten (Terrazzo) eine ausreichende Rutschsicherheit gegeben.

Verschmutzungen, z. B. durch Farb- oder Ölreste, sind zu vermeiden. Durch Auftragen von Fußbodenpflegemitteln darf der Ableitwiderstand ebenfalls nicht erhöht werden (beim Hersteller des Bodens sind entsprechende Informationen zu geeigneten Fußbodenpflegemitteln einzuholen). Für neu errichtete Böden wird empfohlen, einen Grenzwert von 106 Ohm nicht zu überschreiten, da sich durch Alterung und die zuvor angeführten Einflüsse die Widerstandswerte erhöhen können.

Bei aufgeständerten Plattensystem-Fußböden ist die Standsicherheit regelmäßig zu überprüfen. Alterung, Feuchtigkeitseinflüsse oder mechanische Beanspruchungen können die Standsicherheit beeinflussen.

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Abb. 41
Messumformerraum mit aufgeständertem Plattensystem-Fußboden (ableitfähig)

13.3.5
Mobile Einrichtungen und Arbeitsmittel

Zur Vermeidung gefährlicher Aufladungen in explosionsgefährdeten Bereichen sind Gegenstände oder Einrichtungen aus leitfähigem oder ableitfähigem Material zu erden: z. B. Fässer, Kannen, Karren, Sauger. Der Ableitwiderstand darf gegenüber Erde nicht mehr als 106 Ohm betragen. Ihre Erdung kann über einen eigenen Erdungsanschluss erfolgen.

Gerüste, Treppen, Stufen, Leitern müssen so beschaffen sein und gehandhabt werden, dass sie nicht nur selbst, sondern auch auf ihnen arbeitende Beschäftigte den Kontakt zur Erde beibehalten (z. B. können zur Erreichung der Ableitfähigkeit nicht ableitfähige Rollen bzw. Leiterfüße durch ableitfähige ersetzt werden). Hierzu kann alternativ auch die Einbindung in den Potentialausgleich z. B. über eine Erdungszange erfolgen.

Im Aufstellungsraum gelagerte Formteile und Metallschränke sind zu erden.

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Abb. 42
Erdung einer mobilen Einrichtung (Stehleiter)

13.3.6
Prüfungen zum Explosionsschutz

Nach §§ 15 und 16 BetrSichV sind Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen (Überwachungsbedürftige Anlagen) vor Inbetriebnahme und wiederkehrend durch eine zur Prüfung befähigte Personen oder durch eine ZÜS (Zugelassene Überwachungsstelle) prüfen zu lassen. Energieanlagen (Ausnahme Erdgastankstelle im öffentlichen Bereich) können hinsichtlich der Explosionsgefährdungen auch durch zur Prüfung befähigter Personen geprüft werden.

Prüfungen vor Inbetriebnahme und wiederkehrend:

  • Prüfung der Explosionssicherheit (Prüffrist 6 Jahre)

  • Prüfung von Geräten, Schutzsystemen, Sicherheits-, Kontroll- und Regeleinrichtungen im Sinne der ATEX Herstellerrichtlinie 2014/34/EU als Bestandteil einer Anlage in explosionsgefährdeten Bereichen mit ihren Verbindungseinrichtungen und ihren Wechselwirkungen mit anderen Anlagenteilen (Prüffrist 3 Jahre)

  • Prüfung von Lüftungsanlagen, Gaswarn- und Inertisierungseinrichtungen (Prüffrist 1 Jahr)

Weitere Prüfungen zum Explosionsschutz betreffen z. B. auch: Gas dichte Wanddurchführungen (Empfehlung Prüffrist: maximal 3 Jahre), Ableitfähigkeit des Fußbodens (vgl. Kap. 13.3), Blitzschutzanlage (Empfehlung für GDRM-Anlagen vgl. DVGW Information Gas Nr. 17).

Anforderungen an die zur Prüfung befähigten Personen werden im Anhang 2, Abschnitt 3 der BetrSichV beschrieben. Die Qualifikationsanforderungen an die zur Prüfung befähigten Personen richten sich nach der jeweiligen Prüfaufgabe. Die richtige Auswahl des Prüfpersonals ist insbesondere bei der Vergabe von Prüfaufträgen zu berücksichtigen.

Über das Ergebnis der Prüfungen sind Aufzeichnungen (durch zur Prüfung befähigte Person) oder Prüfbescheinigungen (Prüfung durch ZÜS) anzufertigen (vgl. Kap. 11 Prüfungen).

Aufzeichnungen und Prüfbescheinigungen sind während der gesamten Verwendungsdauer am Betriebsort (z. B. Dienstort Anlagenverantwortliche bzw. Anlagenverantwortlicher) der Anlage aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Sie können auch in elektronischer Form aufbewahrt werden.

flüssigkeitsdicht: Anforderungen nach DVGW G 280-1 (A)

Anforderungen an Ableitfähigkeit siehe auch DIN EN 50272-2

z. B. Batteriesäure, Odoriermittel