DGUV Information 202-101 - Bewegung und Lernen Konzept und Praxis Bewegter Schulen

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Abschnitt 3.9 - 3.9 Eine Bewegte Schule stärkt die unterrichtsbezogene Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer

Das Konzept der Bewegten Schule lässt sich ebenso wenig wie andere pädagogische Konzepte (kooperatives Lernen, Wochenplan und Freiarbeit o. Ä.) im Alleingang realisieren. Ein einzelne Lehrkraft, die "bewegten Unterricht"oder "bewegtes Lernen"praktiziert, wird letztendlich nicht nur am Widerstand der Kolleginnen und Kollegen, sondern auch am "Unverständnis"der Kinder und Jugendlichen scheitern, die nur schwer einsehen können, dass sie in diesem Unterricht "ihre Hintern heben müssen"(Zitat eines Jugendlichen aus einer Hauptschule).

Alle umfassenden Veränderungen in einer Schule und somit auch die Entwicklung im Sinne der Bewegten Schule gelingen nachhaltig nur dann, wenn sie "verstanden"und "gekonnt"werden und wenn sie "Sinn machen«, d. h. als nützlich erlebt werden. Es ist sicher kein Zufall, wenn die drei Komponenten des Kohärenzgefühls auch als Heuristiken für die Entwicklung von Systemen gelten oder als Konstruktionsmerkmale von Aufgaben im Unterricht dienen können - "verstehen"die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, "können"sie sie bewältigen und "macht sie Sinn«? Die Absicherung von Verstehbarkeit, Machbarkeit und Sinnhaftigkeit eines Schulprofils mit dem Schwerpunkt "Bewegung"fördert bei seiner Einführung und Umsetzung zwangsläufig die Kommunikations- und Kooperationsprozesse im Kollegium.

Aber nicht nur diese automatisch verstärkte Kooperation bringt die Schule in Bewegung, sondern auch der Nutzen, wenn von den Erfahrungen und Routinen der Kolleginnen und Kollegen gelernt wird. So werden in den Schulen unterschiedliche Bewegungskulturen entstehen. In der einen Schule eröffnen die Lehrerinnen und Lehrer jeden Unterricht mit einem Bewegungsritual, in einer anderen Schule werden bestimmte bewegte Lernformen (Beispiele s. im kooperativen Lernen) im Unterricht genutzt, eine dritte Schule schafft Bewegungs- und Entspannungsräume für Lehrerinnen und Lehrer, wieder eine andere Schule bietet Bewegungsangebote in den Pausen an. Kulturen lassen sich weder verordnen noch kopieren, sie müssen sich in den Schulen entwickeln.

Eine besondere Rolle kommt dabei der unterrichtsbezogenen Zusammenarbeit zu: Bei aller nachgewiesenen Bedeutung, die die Bewegung für das Lernen und Wohlbefinden hat, nutzt sich der Effekt ab, wenn in jeder Unterrichtsstunde von jeder Kollegin und jedem Kollegen die gleiche Bewegungseinheit eingebaut wird. Natürlich ist dieses Beispiel ein konstruierter Extremfall, der in Ihrer Schule so sicher nicht vorkommen wird. Bewegung in den Unterricht zu bringen, erfordert auf der einen Seite ein brauchbares, variables Repertoire von Bewegungsanlässen, auf der anderen Seite aber auch die notwendigen Absprachen, um Widerstand und Langeweile durch fehlende Koordination zu vermeiden. Ein dritter Aspekt sollte hier nicht außer Acht gelassen werden: Sicher gibt es auch Kolleginnen und Kollegen, die selbst mit innerem Widerstand auf die Forderung reagieren, Kinder in Bewegung zu bringen. Auch diese Kolleginnen und Kollegen müssen wertschätzend und angemessen in die Planung und Entwicklung von Unterricht einbezogen werden, ihnen muss Zeit gelassen werden, etwas auszuprobieren, aber ihnen muss auch der Raum gelassen werden, ihren Unterricht anders zu gestalten ("auch wer sich nicht bewegt, hat seine Beweggründe«).

Eine unterrichtsbezogene Zusammenarbeit fördert die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses für Unterricht, Lernen und Bewegung, aber auch für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie der Kolleginnen und Kollegen (➝ 10).

In der Bewegten Schule sind Lehrerinnen und Lehrer selbst in Bewegung - in Unterrichtsteams, die sich als professionelle Lern- und Arbeitsgemeinschaften verstehen.