DGUV Information 207-025 - Prävention von Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege Eine Handlungshilfe für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen

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Abschnitt 5.1 - 5.1 Dokumentation und institutionelles Handeln

Alle Arten von Übergriffen und Androhungen müssen dokumentiert werden, beispielsweise in einem Formular des Verbandbuchs.

Ein schwerer Übergriff hat meist eine längere Vorgeschichte, die an sich steigernden Grenzverletzungen abzulesen ist. Vorfälle in einer Pflege- oder Betreuungseinrichtung werden aus diesem Grund auch in die Klientenakten eingetragen.

Die Dokumentation hilft bei der Gefährdungsbeurteilung, der Festlegung von Präventionsmaßnahmen und der Entwicklung von Nachsorgemaßnahmen.

Sie dient auch der rechtlichen Absicherung beteiligter Personen - das ist besonders wichtig, wenn auch Klienten und Klientinnen verletzt worden sind.

Gleichzeitig erleichtert die Dokumentation die Bearbeitung des Versicherungsfalls durch die Unfallversicherung. Denn auch bei zunächst als Kleinigkeit erscheinenden Zwischenfällen lassen sich dadurch bei später auftretenden Symptomen Zusammenhänge herstellen.

Schon die Androhung von Gewalt kann traumatisch sein, wenn sie glaubhaft wirkt. Auch solches Verhalten sollte in jeder Einrichtung Konsequenzen haben und als ein Beinahe-Unfall dokumentiert werden.

Meldung als Arbeitsunfall

Jeder Gewaltvorfall ist versicherungsrechtlich ein Arbeitsunfall, wenn er einen körperlichen Schaden oder eine seelische Verletzung verursacht. Bei mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit muss der Betrieb den Gewaltvorfall als Arbeitsunfall an die zuständige Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft melden.

Die Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften empfehlen, ein Gewaltereignis auch dann per Unfallanzeige zu melden, wenn keine unmittelbare Arbeitsunfähigkeit vorliegt, sie aber vermuten, dass der oder die Betroffene Unterstützung bei der Verarbeitung des Erlebnisses benötigen könnte. Nur so erfährt der Unfallversicherungsträger von dem Vorfall und kann Hilfen anbieten. Denn häufig wird unterschätzt, dass durch ein solches Ereignis - auch wenn es keine sichtbaren Verletzungen hinterlassen hat - eine psychische Traumatisierung stattgefunden haben kann. Der gesundheitliche Schaden wird dann erst später offensichtlich und die Arbeitsunfähigkeit tritt verzögert ein.

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Beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass auch Beschäftigte, die das Ereignis lediglich beobachtet haben, in Mitleidenschaft gezogen oder psychisch traumatisiert worden sein können und eventuell ebenfalls Unterstützung benötigen.

Die Unfallversicherung koordiniert alle erforderlichen Maßnahmen zur Akutversorgung, Rehabilitation und Wiedereingliederung.

Nach Eingang einer Unfallanzeige mit einem Hinweis auf psychische Verletzung beziehungsweise Traumatisierung nimmt die Unfallversicherung mit dem Betroffenen Kontakt auf und bietet Unterstützung an. Für die Frühintervention und Behandlung von psychischen Gesundheitsstörungen steht der DGUV ein bundesweites Netzwerk mit über 550 qualifizierten Psychotherapeuten und -therapeutinnen zur Verfügung.

Dieses Psychotherapeutenverfahren dient der zügigen psychologisch-therapeutischen Intervention nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten. Damit soll einer Entstehung und Chronifizierung von psychischen Gesundheitsschäden frühzeitig entgegengewirkt werden. Deshalb starten innerhalb von ein bis zwei Wochen nach Eingang der Meldung beim Unfallversicherungsträger bis zu fünf probatorische Sitzungen. Diese dienen der Krisen- oder Frühintervention sowie einer Unfall- und Trauma-Anamnese.

Zudem wird der Bedarf weiterer psychotherapeutischer Maßnahmen geprüft. In diesen ersten Behandlungsterminen können die jeweiligen Betroffenen und Therapeuten und Therapeutinnen auch herausfinden, ob eine tragfähige Zusammenarbeit möglich und damit eine weiterführende Psychotherapie (Traumatherapie) erfolgversprechend ist.

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Die Meldung eines Arbeitsunfalls ist zeitlich unbefristet nach dem Ereignis möglich.

Strafanzeige und Sanktionen

Ihre Einrichtung ist kein rechtsfreier Raum. Bei gewalttätigen Übergriffen handelt es sich auch um eine Straftat. Folgerichtig sollte von den Geschädigten erwogen werden, Strafanzeige gegen den Täter oder die Täterin zu stellen.

Sie müssen Klienten und Klientinnen nicht vor den Instanzen schützen. Es gibt dafür geschulte Beamte und Beamtinnen. Die Entscheidung zur Schuldfähigkeit können Sie der Ermittlungsbehörde oder einem Gericht überlassen.

Sie schützen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn Sie einen Vorfall anzeigen und damit polizeilich aktenkundig machen. Die Betroffenen fühlen sich durch diese institutionelle Reaktion geschützt und entlastet. Auch für deren Angehörige ist ein solches Vorgehen eine große Hilfe und eine vertrauenserhaltende Maßnahme.

Dieses Vorgehen hilft, beiden Seiten bewusst zu machen, dass innerhalb der Einrichtung keine Sonderrechte gelten. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, dass offen und professionell mit Gewalterfahrungen umgegangen wird, anstatt diese zu verharmlosen, zu vertuschen oder gar zur Normalität zu erklären.