DGUV Information 202-098 - Impulse für die Förderung der Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Gestaltung des Veränderungsvorhabens: Wie lassen sich Engagement und Motivation fördern?

Da bereits an verschiedenen Stellen in diesem Handbuch Hinweise zur Gestaltung von Projekten zur Förderung der Lehrergesundheit und Schulqualität gegeben werden (vgl. Kapitel 3, 5,7), sollen hier nur die wichtigsten Gelingensbedingungen skizziert werden.

Die folgende Abbildung verdeutlicht, welche Qualitäten der Projektgestaltung und -steuerung Einfluss auf die Erfolgszuversicht und somit auch auf das Engagement im Projekt nehmen.

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Abbildung 4.5: Einfluss von Merkmalen der Prozessgestaltung auf das Engagement der Lehrkräfte

Statistische Analysen belegen, dass das Engagement der Lehrkräfte in unseren Projekten unmittelbar von der Erfolgszuversicht abhängt: Je zuversichtlicher die Lehrkräfte sind, dass das Projekt einen Gewinn für sie selbst und ihre Schule erzielt, umso stärker engagieren sie sich.

Daneben nehmen Merkmale der Gestaltung des Schulentwicklungsprozesses direkt oder indirekt - vermittelt über die Erfolgszuversicht - Einfluss auf das Engagement im Projekt:

Partizipation und Gruppen als Wandelmedium

Die Möglichkeit zur Mitgestaltung und Beeinflussung von Veränderungsvorhaben fördert Engagement und mindert Widerstände (z. B. Cunningham, Woodward, Shannon, MacIntosh, Lendrum, Rosenblom & Brown, 2002). Menschen wollen nicht Spielball anderer sein, sondern Situationen als kontrollierbar und gestaltbar erleben. Das bedeutet, dass dem Kollegium Einflussmöglichkeiten bei der Formulierung von Zielen, der Entwicklung von Maßnahmen und deren Umsetzung eingeräumt werden sollten. Hierfür spricht auch, dass die Lehrkräfte Expertinnen und Experten ihrer Schule sind. Sie kennen deren spezifische Bedingungen, wissen um die Entstehungsgeschichte von Problemen und sind daher eher in der Lage, passende und erfolgversprechende Lösungen zu entwickeln, als dies Außenstehende könnten.

Um eine dauerhafte Veränderung von Verhalten und Einstellungen zu erreichen, hat sich das gemeinsame Arbeiten in Gruppen an selbst gewählten Problemen als hilfreich erwiesen. Gruppen sind ein Wandelmedium: Soziale Kontrolle, öffentliche Verpflichtung und wechselseitige Unterstützung tragen dazu bei, dass Hindernisse und Krisen eher überwunden werden und Veränderungsanstrengungen verstetigt werden. Hierbei sollte den Gruppen weitgehende Handlungsspielräume bei der Entwicklung und Umsetzung gesundheits- und qualitätsförderlicher Maßnahmen gegeben werden. Zusammen mit anderen ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen, führt zu einer emotionalen Bindung an das Projekt. Etwas selbst Entwickeltes wird stärker verteidigt und mit mehr Elan vorangetrieben. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt besteht darin, dass Lehrkräfte erkennen können, dass gemeinsames Arbeiten an Problemen fruchtbar und befriedigend sein kann. Dies kann zu einer Stärkung von Kooperation und sozialer Unterstützung in den Schulen führen.

Information zu den Zielen, Maßnahmen und Fortschritten des Projekts

Eine Grundbedingung für die Mitgestaltung ist das Informiertsein. Nur wenn die betroffenen Personen ausreichend über die Ziele und die geplanten Maßnahmen informiert sind, können sie sich mit diesen auseinandersetzen und sich beteiligen. Erst das Wissen über die Ziele und Inhalte des Veränderungsvorhabens ermöglicht eine Identifikation mit einem Projekt: Von der Sinnhaftigkeit und der Wirksamkeit eines Veränderungsvorhabens kann nur derjenige überzeugt sein, der weiß, welche Ziele wie erreicht werden sollen (Elving, 2005). Auch die fortlaufende Kommunikation während eines Schulentwicklungsprozesses ist von entscheidender Bedeutung: Das Berichten über die Projektaktivitäten und erzielte Erfolge stärkt die Erfolgszuversicht und somit die Motivation der im Projekt Aktiven und kann auch andere Lehrkräfte animieren, sich an dem Veränderungsvorhaben zu beteiligen.

Stellenwert des Projekts in der Schule und Unterstützung durch die Schulleitung

Ein einzelnes Schulentwicklungsprojekt steht zumeist in Konkurrenz mit anderen Projekten und den alltäglichen Arbeitsaufgaben. Daher ist die Gefahr - gerade bei langfristigen Entwicklungsvorhaben - groß, dass sie von anderen dringlichen Aufgaben verdrängt werden. Um dem entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass das Projekt eine hohe Priorität besitzt und diese immer wieder verdeutlicht wird. Es muss klar sein, dass das Projekt nicht nur das Privatvergnügen einiger weniger ist, sondern von essenzieller Bedeutung für die Entwicklung der Schule ist. Die Projektverantwortlichen sollten einen klaren Auftrag der Schulgemeinschaft haben, damit deutlich wird, dass ihr Engagement dem Wohlergehen der Schule dient und sie nicht nur ihre Privatinteressen befriedigen.

Von entscheidender Bedeutung ist die Unterstützung des Projekts durch die Schulleitung. Die Schulleitung muss die Wichtigkeit des Projekts und seine strategische Bedeutung immer wieder hervorheben und das Engagement der Projektaktiven würdigen. So kann zum einen die Motivation der Projektaktiven gestärkt und zum anderen einer schleichenden Entwertung des Projekts durch skeptische Dritte entgegengewirkt werden. Hier bietet es sich z. B. an, in Schulkonferenzen einen festen Tagesordnungspunkt zum Stand des Projektes vorzusehen.

Anerkennung und Würdigung des Engagements der Projektaktiven

Ein umfassendes Projekt zur Förderung der Lehrergesundheit und Schulqualität ist auf das freiwillige Engagement vieler angewiesen. Eine wichtige Motivationsquelle für ein solches Engagement ist die Würdigung und Anerkennung durch das Kollegium und die Schulleitung. Zu erfahren, dass die eigenen Anstrengungen gesehen und als wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Schule gewürdigt werden, ist eine wichtige Gratifikation für die Projektaktiven. Fehlt diese Anerkennung und Würdigung, wird Motivation untergraben.

Auswahl von Themen mit hoher Dringlichkeit und Wichtigkeit

In unseren Projekten lässt sich immer wieder beobachten, dass Kollegien bei der Auswahl der Themen für die Projektgruppen nicht die laut Diagnose wichtigsten und brennenden Problembereiche berücksichtigen. Beispielsweise kann in der fragebogengestützten Diagnose und in Vorgesprächen das Führungsverhalten der Schulleitung als wichtiges Problemfeld identifiziert werden, aber dann keine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Handlungsfelder für das Schulentwicklungsprojekt finden. Es zeigt sich immer wieder, dass vor bestimmten Themen zurückgeschreckt wird, weil diese als zu konfliktbeladen und als wenig erfolgsträchtig erachtet werden. Stattdessen wird auf vermeintlich leichter zu lösende und weniger konfliktreiche Handlungsfelder ausgewichen. Eigene empirische Analysen zeigen, dass dies dazu führen kann, dass in der Folge die Erfolgschancen und die Wirksamkeit des Projekts in Zweifel gezogen werden, da drängende Probleme der Schule nicht bearbeitet werden. Dadurch schwindet der Nutzen des Projekts und somit auch Motivation und Engagement (Nieskens & Schumacher, 2010).

Daher sollte bei der Auswahl der Handlungsfelder des Projekts darauf geachtet werden, dass die dringenden und schwerwiegenden Probleme Berücksichtigung finden. Hier hat es sich als hilfreich erwiesen, wenn im Steuerkreis eine Einigung über die wichtigsten Handlungsfelder erzielt wird und diese im Kollegium vorgestellt und begründet werden, bevor die Schulgemeinschaft eine Auswahl trifft. Zudem sollte für soziale Problemfelder, die ein großes Konfliktpotential bieten, wie z. B. das Führungshandeln der Schulleitung oder Dauerfehden im Kollegium, von Anfang an eine professionelle externe Begleitung und Beratung hinzugezogen werden. Hierdurch kann die Zuversicht gestärkt werden, konstruktive Lösungen zu finden, ohne dass alte Konflikte immer wieder aufbrechen oder neue entstehen.

Qualität der Steuerung des Projekts

Das Aufgabenprofil der Steuergruppe, die alle Projektaktivitäten lenken und koordinieren soll, ist anspruchsvoll und vielfältig. Dazu gehören:

  • die Koordination der Aktivitäten der verschiedenen Projektgruppen,

  • das kontinuierliche Informieren über Ziele, Inhalte und Erfolge des Projekts,

  • die Zuweisung von Ressourcen, die Entscheidung über die Realisierung von Vorschlägen der Projektgruppen,

  • die Überwachung der Projektfortschritte, die Identifikation und Beseitigung von Hindernissen ...

Die Qualität des Projektmanagements der Steuergruppe hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Effizienz und Wirksamkeit des Projekts. Kommt die Schulgemeinschaft zu dem Eindruck, dass Ressourcen effizient und gewinnbringend eingesetzt werden, stärkt dies die Erfolgszuversicht und somit auch die Motivation für ein Engagement im Projekt.

In der nachfolgenden Abbildung wird wiedergegeben, wie die Lehrkräfte zur Halbzeit des Projekts "Gemeinsam gesunde Schule entwickeln" dessen Gestaltung beurteilen. Hierbei wird wiederum zwischen den Schulen mit letztlich erfolgreichem Projektverlauf und Schulen mit weniger erfolgreichem Projektverlauf unterschieden. Alle dargestellten Unterschiede sind signifikant.

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Abbildung 4.6: Vergleich zwischen Schulen mit erfolgreichem und weniger erfolgreichem Projektverlauf hinsichtlich der Bewertung der Projektgestaltung (Zwischenbefragung zur Halbzeit des Projekts)

Die Gegenüberstellung der Schulen mit einem erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projektverlauf offenbart, dass die Lehrkräfte die Gestaltung des Projekts bereits zur Halbzeit sehr unterschiedlich beurteilt haben. Zunächst fällt auf, dass die Lehrkräfte der erfolgreichen Schulen angeben, sich in stärkerem Maße im Projekt zu engagieren. Weitere Analysen zeigen, dass sich in erfolgreichen Schulen 65% der Lehrkräfte in Projektgruppen mitgearbeitet haben, in den weniger erfolgreichen Schulen liegt der Prozentsatz bei 48%. Bei der Betrachtung der Bewertungen der Gestaltungsmerkmale des Projekts wird deutlich, dass in den Schulen mit erfolgreichem Projektverlauf die Partizipationsmöglichkeiten, der Informationsstand zum Projekt, der Stellenwert des Projekts in der Schule und die Anerkennung und Würdigung des Engagements der Projektaktiven positiver beurteilt werden. Ebenso sind die Lehrkräfte mit der Arbeit des Steuerkreises zufriedener. Auch der Aussage, dass die vordringlichsten Probleme der Schule im Projekt bearbeitet werden, stimmen die Lehrkräfte der erfolgreichen Schulen in stärkerem Maße zu.