DGUV Information 203-072 - Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und ortsfester Betriebsmittel Fachwissen für Prüfpersonen

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Abschnitt 3.6 - 3.6 Dokumentation der Prüfung

3.6.1
Rechtliche und normative Grundlagen

Die Notwendigkeit, Aufzeichnungen über durchgeführte Prüfungen an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln zu führen, ergibt sich aus verschiedenen rechtlichen Grundlagen:

  • Betriebssicherheitsverordnung, §§ 3, 14

  • Unfallverhütungsvorschriften DGUV Vorschriften 3 und 4 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel", § 5

  • Normen, z. B. VDE 0100-600, VDE 0105-100/A1, VDE 0185-305-3 Beiblatt 3

Neben diesen aufgeführten Rechtsgrundlagen können gegebenenfalls noch weitere spezielle Regelungen zu berücksichtigen sein, z. B. Bauordnungsrecht der Länder (Prüfverordnungen) oder das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG).

3.6.2
Nutzen und Ziele

Die Aufzeichnung der Ergebnisse der Prüfung bedeutet grundsätzlich nicht zwangsläufig die Dokumentation aller Messwerte.

Jedoch sind alle beim Besichtigen, Erproben und Messen ermittelten Informationen sowie die Ergebnisse von Berechnungen vom Prüfer zu bewerten. Diese Bewertung ist das Ergebnis der Prüfung. Das Ergebnis der Prüfung ist einschließlich der für die Bewertung relevanten Messwerte zu dokumentieren.

Für die Bewertung der Fehlerschleifenimpedanz eines Stromkreises reicht es z. B. aus, den ermittelten Widerstandswert der am weitesten von der vorgelagerten Schutzeinrichtung entfernten Messstelle, z. B. Steckvorrichtung, als relevanten Messwert zu dokumentieren.

Bei der Bewertung sollten auch Messwerte, welche die Normanforderungen erfüllen, aber auffällig von den Üblichkeitswerten abweichen, berücksichtigt werden.

Die Dokumentation relevanter Messwerte weist zudem auch die folgenden Vorteile auf:

  • Betreiber von elektrischen Anlagen bzw. Betriebsmitteln können nachweisen, dass sie ihrer Prüfverpflichtung gewissenhaft nachkommen und dass sie die elektrischen Anlagen bzw. Betriebsmittel in ordnungsgemäßen Zustand erhalten.

  • Die Prüfpersonen der elektrischen Anlagen bzw. der elektrischen Betriebsmittel können nachweisen, dass sie geprüft haben und dass ihre Entscheidungen nachvollziehbar sind, insbesondere wenn Abweichungen vom normalen Prüfablauf aufgetreten sind.

  • Durch längerfristiges Aufbewahren der Prüfergebnisse lassen sich Veränderungen des Zustandes der elektrischen Anlage und Betriebsmittel feststellen. Anhand dieser Informationen können Prüffristen bestätigt oder angepasst werden.

  • Die Dokumentation kann Grundlage weitergehender Prüfungen durch Sachverständige sein.

3.6.3
Form, Aufbau und Inhalte

Die Form der Dokumentation ist nicht verbindlich vorgegeben, jedoch deren inhaltliche Mindestanforderungen. Die Dokumentation kann sowohl handschriftlich als auch in elektronischer Form erfolgen und abgelegt werden. Dabei sollte auf eine sichere Aufbewahrung geachtet werden. Die Ergebnisse sind mindestens bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren.

3.6.3.1 Inhalte

Die Dokumentation sollte folgende Inhalte aufweisen:

Allgemeine Angaben

  • Name und Anschrift des Auftraggebers

  • Name und Anschrift des Auftragnehmers und Name der Prüfperson

  • Auflistung der einzelnen Prüfprotokolle (empfehlenswert mit Protokollnummern) für die Dokumentation der Sicht-, Funktions- und messtechnischen Prüfungen

  • Beschreibung des Prüfumfangs, z. B. Bezeichnung des Objekts, der Anlage oder des Gebäude(-teils) sowie Verteiler und Stromkreise

  • Anlagen- bzw. Betriebsmitteldaten (siehe Muster Anhang A)

  • Prüfgrundlagen

  • Anlass der Prüfung

  • Verwendete Mess- und Prüfgeräte

  • Prüfdatum

  • Unterschrift der Prüfperson und des Anlagenbetreibers

Bewertung der Prüfung

Die Bewertung ist der Vergleich zwischen dem sicheren Sollzustand und dem aktuellen Istzustand. Alle bei dem Besichtigen, Erproben und Messen ermittelten Informationen und Messwerte sowie die Ergebnisse von gegebenenfalls durchgeführten Berechnungen müssen von der Prüfperson in die Bewertung mit einbezogen werden.

Diese Bewertung ist das Ergebnis der Prüfung. Das Ergebnis der Prüfung ist einschließlich der für die Bewertung relevanten Messwerte zu dokumentieren.

Es ist sinnvoll, die Bewertung sowie Dokumentation zunächst in mehreren Teilabschnitten (Besichtigen, Erproben und Messen) durchzuführen, die dann für den Betreiber zu einer abschließenden Aussage über den sicherheitstechnischen Gesamtzustand der Anlage bzw. des Betriebsmittels zusammengefasst wird.

Im Zuge der Bewertung von Messungen sind auch Messwerte, welche die Normanforderungen zwar erfüllen, jedoch auffällig von den zu erwartenden Werten (Üblichkeitswerte) abweichen, zu berücksichtigen und mit einer Anmerkung zu dokumentieren.

Das nachfolgende Beispiel soll diese Erfordernis erläutern:

Beispiel:

Zulässiger Grenzwert für den Isolationswiderstand: 1 000 Ω/V = 230 kΩ, gemessener Isolationswiderstand: 1,2 MΩ, Üblichkeitswert: Messbereichsendwert.

Für den Prüfbericht ist die Dokumentation jedes einzelnen gemessenen Wertes innerhalb eines Stromkreises nicht gefordert. Pro Stromkreis ist beispielsweise bei der Fehlerschleifenimpedanz nur die vom vorgeschalteten Schutzorgan, z. B. Sicherung oder Leitungsschutzschalter am weitesten entfernte Messstelle zu dokumentieren.

Weiterhin sollten in der Bewertung auch wichtige Hinweise für den Anlagenbetreiber, z. B. bezüglich unsachgemäßer Errichtung oder nicht erfolgter Nach- bzw. Umrüstung bei Nutzungsänderungen, sowie Aussagen zum Weiterbetrieb berücksichtigt werden.

Nächster Prüftermin, Ergänzende Angaben

Schäden, Verschlechterungen, Fehler, gefährliche Zustände und sonstige relevante Feststellungen der Prüfperson sollten besonders hervorgehoben werden. Können Prüfungen nicht im vollen Umfang durchgeführt werden, müssen im Prüfbericht solche wesentlichen Einschränkungen und deren Begründung festgehalten werden (siehe nachfolgenden Praxistipp).

ccc_3578_as_4.jpgPraxistipp
Wesentliche Einschränkungen, die dokumentiert werden müssen, sind z. B.:
  • im Rahmen der Sichtprüfung nicht zugängliche Brandschottungen

  • Stromkreise, die für die Prüfung nicht außer Betrieb genommen werden können, z. B. bei der Isolationswiderstandsmessung oder Prüfung der Abschaltbedingungen von RCDs

Der Prüfbericht sollte Empfehlungen für Reparaturen und Verbesserungen enthalten. Diese können z. B. das Anpassen der Anlage an den Stand der aktuell gültigen Normen betreffen, soweit dies als angemessen zu bewerten ist oder sich dies aus dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ergibt.

Der Prüfbericht sollte weiterhin alle Informationen über Änderungen oder Erweiterungen unter Angabe der entsprechenden Teile der Anlage enthalten.

3.6.4
Angaben zu den Messgeräten

Angaben zu den verwendeten Messgeräten sind erforderlich um nachweisen zu können, dass:

  • geeignete Messgeräte verwendet wurden und

  • diese sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden.

3.6.5
Erfassung und Bewertung der Messwerte

Insbesondere in umfangreichen elektrischen Anlagen ist es nicht immer sinnvoll, jeden einzelnen Messwert zu dokumentieren. In diesen Fällen obliegt es der Prüfperson zu entscheiden, welche Aussagen für die Bewertung des Prüfobjektes notwendig sind. In vielen Fällen genügt die Dokumentation des jeweils schlechtesten Wertes im überprüften Stromkreis.

ccc_3578_as_42.jpg

Abb. 25
Auszug aus einem Prüfprotokoll mit handschriftlichen Einträgen

Weichen Messwerte auffällig von den sonst üblichen Werten ab, ist zu ermitteln, welche Ursachen zu diesen Abweichungen führen, z. B. sich anbahnende Fehler, Isolationsverschlechterungen aufgrund der Umgebungsbedingungen. Obliegt die Fehlersuche nicht der Prüfperson, hat sie auf die Auffälligkeit hinzuweisen.

3.6.6
Abschließende Bewertung der Anlage/des Betriebsmittels (Ergebnis)

Werden bei der Prüfung Mängel festgestellt, sind diese aufzulisten und entsprechend ihres Gefährdungspotenzials zu bewerten, z. B.

  • Schwerwiegende Mängel: Sicherheitsrelevante Mängel, die unverzüglich behoben werden müssen, da ansonsten Gefahr für Leben, Gesundheit und/oder Sachwerte besteht.

  • Mängel ohne akute Gefahr: Mängel, die bei Nichtbeseitigung zu einer Gefährdung führen können und die demnächst beseitigt werden müssen.

  • Mängel, die im Rahmen der Prüfung bereits entdeckt und behoben wurden: Die Auflistung der Mängel, die bereits im Rahmen der Prüfung beseitigt wurden, ist vorteilhaft, um der Prüfperson bei Folgeprüfungen Hinweise auf mögliche Mängelschwerpunkte zu liefern.

  • Empfehlungen für den Weiterbetrieb und eventuell notwendige Nachrüstungen/Verbesserungen: Die VDE 0105-100/A1 enthält explizit den Hinweis, dass die Prüfperson Empfehlungen für Reparaturen und Verbesserungen geben soll, soweit dies sinnvoll und angemessen ist.

  • Sonstige Informationen und ergänzende Angaben: Kann die Prüfung nicht im vollen Umfang ausgeführt werden, ist hierauf gesondert hinzuweisen und der Grund für die Einschränkung zu benennen. Als ergänzende Angabe zu einem Messbericht kann die Prüfperson beispielsweise darauf hinweisen, dass gemessene Werte auf einen sich anbahnenden Mangel hindeuten, auch wenn der entsprechende Grenzwert noch nicht über- bzw. unterschritten wurde.

Bei der Formulierung der Angaben ist der Adressatenkreis zu berücksichtigen. Ist damit zu rechnen, dass elektrotechnische Laien Betreiber elektrischer Anlagen sind, sollte ein besonderes Augenmerk auf eine allgemein verständliche Darstellung des Sachverhalts gelegt werden.

Liegt ein Mangel vor, der eine Gefahr im Verzug darstellt, muss der Prüfperson die Möglichkeit gegeben werden, unverzüglich entsprechende Maßnahmen einleiten zu können, z. B. durch Außerbetriebnahme des defekten Betriebsmittels oder Teilbereichs der elektrischen Anlage. Als Garant für die Aufrechterhaltung des sicheren Betriebes muss der Anlagenbetreiber diese Befugnisse zwingend einräumen.

Tabelle 13
Beispielkatalog der Kennbuchstaben zur Erläuterung von Mängeln und Empfehlungen

Art der AngabeBeispiele
Schwerwiegende Mängel SFehlender Schutzleiter an einer Steckdose, Gehäuseschäden mit freiliegenden aktiven Teilen, zu hohe Fehlerschleifenimpedanz
Mängel ohne akute Gefahr MNicht vollständige Dokumentation, Verschmutzung, Schleifenimpedanzen nahe dem Grenzwert
Mängel, die bereits behoben wurden BLockere Schraubverbindungen, Wiederbefestigung von Anschlussleitungen
Empfehlungen für den Weiterbetrieb EWartungsvorschläge, Hinweise für die sachgerechte Bedienung und den sicheren Betrieb (z. B. Hinweis auf regelmäßige Betätigung der RCD-Prüftaste), Regelmäßige Durchführung von Netzanalysen und/oder Thermografien
Empfehlungen für Nachrüstungen/Verbesserungen VVerbesserung der Umgebungsbedingungen (z. B. Lüftung), Umstellung von TN-C auf TN-S-Netzsystem
Sonstige Informationen IHinweis auf Nutzungsänderung mit ggf. sicherheitstechnischen Folgen (z. B. notwendiger Austausch einer RCD Typ A gegen Typ B)
Ergänzende Angabe AZukünftig zu erwartende Unterschreitung des Isolationswiderstandsgrenzwertes, Eingeschränkter Prüfumfang aufgrund des laufenden Betriebs

3.6.7
Hinweis zur Anpassung der Gefährdungsbeurteilung - Prüffristen, Prüfumfänge

Gemäß der Betriebssicherheitsverordnung hat der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung zur Ermittlung der Prüfumfänge und -fristen für Betriebsmittel zu aktualisieren, wenn die Prüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ergeben hat, dass die festgelegten Schutzmaßnahmen nicht wirksam oder nicht ausreichend sind. Dies ist sinngemäß auch auf elektrische Anlagen anzuwenden. Bei der Durchführung/Anpassung der Gefährdungsbeurteilung hat sich der Arbeitgeber fachkundig beraten zu lassen, z. B. durch die Prüfperson.

Entsprechende Hinweise in der Prüfdokumentation zum Zustand der elektrischen Anlage helfen dem Arbeitgeber/Anlagenbetreiber Art, Umfang und Fristen erforderlicher wiederkehrender Prüfungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen.