DGUV Information 205-027 - Prävention von und Umgang mit Übergriffen auf Einsatzkräfte der Rettungsdienste und der Feuerwehr

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Abschnitt 3.4 - 3.4 Besondere Einsatzlagen

Im Einsatz von Rettungsdienst und Feuerwehr müssen besondere Einsatzlagen, gegenüber Situationen des Alltags, einer gesonderten Betrachtung unterworfen werden.

Regeleinsätze an sich sind schon von der Begrifflichkeit her schwierig als "regelhaft" einzuordnen. Jeder Notfalleinsatz präsentiert sich aufgrund seiner individuellen Ausprägung als Einzelfall.

Dem gegenüber stellen besondere Einsatzlagen immer eine besondere Herausforderung an die Einsatzführung und die Einsatzkräfte dar. Solche besonderen Einsatzlagen sind beispielsweise Einsätze im Rahmen von Großveranstaltungen (Karnevalsveranstaltungen, Fußballspiele oder große Festveranstaltungen, wie zum Beispiel zum 1. Mai).

Solche Ereignisse treten nicht plötzlich und unerwartet auf, sondern sind "gut" im Vorfeld planbar. Eine Gefährdungsbeurteilung kann und muss im Rahmen der Vorbereitung erfolgen. In der Gefährdungsbeurteilung sind beispielsweise besonders zu berücksichtigen:

  • Art der Veranstaltung (beispielsweise Feier, Demonstration oder Sportveranstaltung mit entsprechender Auswirkung auf die psychische Konstitution der Teilnehmerinnen und Teilnehmer; wenn z. B. bei einem Wettbewerb die "unterlegenen" Fans ihre Aggressivität auslassen bzw. schon im Vorfeld bekannt ist, dass es zu Randalen der Fans untereinander kommt)

  • Teilnehmer- und Teilnehmerinnenkreis (Altersstruktur, Ethnie etc.)

  • Konsumverhalten (Konsum von Alkohol oder anderen Drogen und Substanzen)

  • Parallelität von Gegenveranstaltungen (beispielsweise Gegen-Demonstrationen) und daraus resultierendes Aggressionspotential

Die verantwortlichen Führungskräfte sind aufgefordert, die Einsatzkräfte möglichst frühzeitig auf diese Bedingungen vorzubereiten und Informationen zu verteilen. Auf die besondere Bedeutung einer regelmäßigen Information der Einsatzkräfte über die Gesamtlage wird hingewiesen.

Wenn erkennbar ist, dass Personen auf besondere Gruppen von Einsatzkräften mit Widerstand oder Aggressivität reagieren, sollte im Vorfeld schon eine Handlungsalternative entwickelt und umgesetzt werden.

Einsatzkräfte, insbesondere der Hilfeleistungsorganisationen, sind der Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Anders als Beamte und Beamtinnen der Polizei stellen sie keine Repräsentanten des Staates dar, sondern sind neutrale Hilfspersonen, die zuvorderst die Hilfe für Betroffene oder Unfallopfer im Blick haben. Daher ist zu überdenken, inwieweit die Einsatzmittel und Einsatzkräfte in die Planungen der polizeilichen Kräfte eingebunden werden sollten (z. B. unmittelbare Nähe zu Polizeisammelpunkten etc.).

Schutzmaßnahmen für die Einsatzkräfte sind angesichts der zu erwartenden Gefährdung in ausreichendem Maße zu treffen. Das bedeutet unter Umständen das Bereitstellen von Körper- und Gesichtsschutz. Auf aktive Bewaffnung (Schlagstock, Pfeffersprays etc.) sollte unbedingt verzichtet werden. In Krisensituationen empfiehlt sich eher der Rückzug aus dem gefährdeten Gebiet.

Sind im Vorfeld, insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen (z. B. Karneval), Erfahrungswerte über das Verhalten und die Gefährdung durch Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung vorhanden, müssen diese bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden. So kann es möglicher Weise sinnvoll sein, Fußstreifen auf dem Gelände personell zu verstärken. Aus der Erfahrung heraus müssen diese im Einsatz gegenüber angetrunkenen Gästen mehr verbalen Aufwand (besondere Erläuterungen und Erklärungen der Maßnahmen) betreiben. Gleichfalls können Erfahrungswerte anzeigen, dass bestimmte Gebiete/Orte einer besonderen Beachtung bedürfen bzw. Gebiete von Einsatzkräften eher gemieden werden sollten.

Lassen Einsätze bereits im Vorfeld Konfliktpotential erwarten, kann den helfenden Einsatzkräften eine zusätzliche "Beobachtungsperson" hilfreich sein, welche den Überblick über die Situation behält, um erforderlichenfalls moderieren, erklären und die "Stimmung" erfassen und notfalls warnen zu können.

Im Rahmen der Vorbereitung sollte es Standard sein, bisherige Einsätze qualitativ auszuwerten und in die jeweils aktuelle Planung einzubeziehen. Eine organisationsübergreifende Analyse sollte Standard sein, um alle Faktoren und Erfahrungswerte einbeziehen zu können.

Des Weiteren hat es sich bewährt, dass zwischen der Einsatzleitung der Polizei und der Einsatzleitung der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr der Informationsaustausch gewährleistet ist (z. B. durch Entsendung von Fachberatern und Fachberaterinnen, Verbindungsbeamtinnen und -beamten etc.).