DGUV Information 215-112 - Barrierefreie Arbeitsgestaltung Teil 2: Grundsätzliche Anforderungen

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Abschnitt 3.2 - 3.2 Gehwege und Verkehrsflächen im Außenbereich

Gehwege stellen die Verbindung von Gebäuden mit dem öffentlichen Verkehrsraum und mit privaten Verkehrsflächen wie z. B. Parkplätzen sicher. Die Zugänglichkeit von Gebäuden hängt maßgeblich davon ab, dass Gehwege allgemein nutzbar sind. Außenliegende Verkehrsflächen auf privaten Grundstücken stellen auch Vorplätze oder Innenhöfe dar. Diese dienen in der Regel als Aufenthalts- und Ruhezonen für die Gebäudenutzer und -besucher.

Zielsetzung barrierefreien Planens muss es sein, die eigenständige und leichte Nutzbarkeit von Gehwegen und Verkehrsflächen für den zu erwartenden Personenkreis zu gewährleisten. Hierzu ist der Gruppe mit den weitestreichenden Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

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Abb. 1 Leicht wahrnehmbarer Gehweg

Allgemeines

Maßgebliche Voraussetzungen für die Nutzung von Gehwegen und Verkehrsflächen sind deren Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit. Für Menschen mit Sehbehinderung oder mit kognitiver Einschränkung setzt dies eine kontrastreiche Gestaltung von Gehwegen und Verkehrsflächen gegenüber der angrenzenden Umgebung voraus. Gleichzeitig wird hierdurch für alle ortsunkundigen Personen wie z. B. Besucher, Kunden oder Lieferanten die Orientierung erleichtert.

Zur allgemeinen Nutzbarkeit von Gehwegen und Verkehrsflächen ist eine eigenständige und leichte Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass die Erreichbarkeit von Gehwegen oder Verkehrsflächen weder durch dauerhafte bauliche noch durch temporäre, etwa witterungsbedingte Hindernisse erschwert oder verhindert werden darf.

Orientierung

Menschen können nur wahrnehmbare Gehwege und Verkehrsflächen bewusst nutzen.

Die barrierefreie Gestaltung soll eine selbstverständliche Auffindbarkeit für alle zu erwartenden Nutzerinnen und Nutzer sicherstellen. Bei Gehwegen gilt dies sowohl für die Orientierung zum Gebäude hin als auch vom Gebäude weg in Richtung des öffentlichen Verkehrsraumes.

Insbesondere für Menschen mit sensorischer oder kognitiver Einschränkung bestehen erhöhte Anforderungen an eine leichte Wahrnehmbarkeit von Gehwegen und Verkehrsflächen. Diesen Bedürfnissen kann Rechnung getragen werden durch:

  • visuell und taktil kontrastreiche Gestaltung gegenüber angrenzenden Bereichen wie z. B. dem öffentlichen Verkehrsraum

  • die bauliche Gestaltung an Übergangsbereichen, etwa zum öffentlichen Verkehrsraum hin (siehe Abbildung 2)

  • die Einbindung in ein übergeordnetes Leitsystem z. B. in Form einer Beschilderung

Gehwege und Verkehrsflächen müssen für alle Nutzer erkennbar sein. Den daraus folgenden Bedürfnissen von blinden und sehbehinderten Menschen kann bei der Gestaltung von Gehwegen und Verkehrsflächen beispielsweise Rechnung getragen werden durch:

  • übersichtlichen Verlauf von Gehwegen

  • ausreichende, gleichmäßige und blendfreie Beleuchtung

  • visuell, taktil oder akustisch kontrastreich gestaltete Bodenbeläge und Begrenzungen (siehe Abbildung 3)

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Abb. 2 Übergangsbereich zum öffentlichen Verkehrsraum

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Abb. 3 Taktil und visuell kontrastreiche Begrenzung

Um eine zweifelsfreie Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit von Gehwegen und Verkehrsflächen zu gewährleisten, ist bei der Gestaltung die konsequente Umsetzung des Zwei-Sinne-Prinzips erforderlich.

Hierfür bieten sich Bodenbeläge an, die

  • taktil durch unterschiedliche Oberflächenstrukturen

  • visuell durch differenzierte Farbgebung

  • akustisch durch unterschiedliche Klangeigenschaften

als Leitlinie erfassbar sind.

Gehwegbegrenzungen in Form von Rasenkantensteinen oder Bordsteinen sind mit einer Höhe von mindestens 3 cm auszuführen. Grenzt der Bordstein den Gehweg zu einer Fahrbahn ab, so sind 6 cm Höhe erforderlich.

Erreichbarkeit

Damit Gehwege und Verkehrsflächen für sämtliche Nutzer erreichbar sind, sind sowohl dauerhafte als auch temporäre Hindernisse zu beseitigen. Eine uneingeschränkte Erreichbarkeit erfordert für Menschen mit eingeschränkter Mobilität wie auch für Beschäftigte mit Transportmitteln die stufen- und schwellenlose Anbindung an angrenzende Bereiche wie den öffentlichen Verkehrsraum.

Auch temporäre Hindernisse wie z. B. unzureichend beleuchtete und unübersichtliche Bereiche sind auszuschließen. Diese stellen für eine Vielzahl von Personen unpassierbare Angsträume dar, die die Erreichbarkeit weiterführender Gehwege oder Verkehrsflächen deutlich erschweren oder verhindern.

Große Gehweglängen sind zu vermeiden, da dies insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und Körperkraft eine Barriere darstellt. Bei unvermeidbar großen Weglängen sind im Wegeverlauf barrierefrei erreichbare und nutzbare Ruhezonen vorzusehen.

Gehwege

Die Nutzbarkeit von Gehwegen hängt maßgeblich von einem ausreichend großen Flächenangebot ab. Bei der Ermittlung der erforderlichen Flächen sind die Personen mit den weitestreichenden Bedürfnissen zu berücksichtigen.

Dies können Menschen mit Rollstuhl oder Gehhilfen sein. Den räumlichen Bedürfnissen dieser Personengruppen wird man gerecht, wenn insbesondere:

  • für die Begegnung von Personen mit Rollstuhlnutzerinnen oder -nutzern die Breite von Gehwegen mindestens 150 cm beträgt und nach höchstens 15 m Länge eine Fläche von mindestens 180 cm x 180 cm vorhanden ist

  • Gehwege bis 6 m Länge ohne Richtungsänderung eine Wegbreite von mindestens 120 cm aufweisen, soweit am Anfang und Ende eine Wendemöglichkeit gegeben ist und die dafür zur Verfügung stehende Fläche mindestens 150 cm x 150 cm beträgt

  • Gehwege durchgängig mit einer Breite von mindestens 180 cm ausgeführt werden, wenn regelmäßig mit der Begegnung zweier Rollstuhlnutzer zu rechnen ist

Für Gehwege und Verkehrsflächen im öffentlichen Verkehrsraum gehen die Anforderungen über die benannten Maße teilweise hinaus.

Vielfach übersteigt die für andere Personen erforderliche Gehwegbreite die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. So kann der Platzbedarf für Transporte durch Beschäftigte, Lieferanten oder Gäste höher liegen.

Die lichte Höhe über der nutzbaren Gehwegbreite darf 2,25 m nicht unterschreiten.

Bei der Gestaltung von Gehwegen ist für den Einzelfall zu prüfen, inwieweit die vorgenannten Mindestmaße den individuellen Nutzungsanforderungen gerecht werden.

Dabei sind z. B.

  • die maximale Anzahl der zeitgleich zu erwartenden Nutzer

  • die Häufigkeit der Begegnung mit größeren Personengruppen

zu berücksichtigen.

Im Ergebnis können Abmessungen oberhalb der genannten Mindestmaße erforderlich sein.

Niveauunterschiede

Unvermeidbare geringe Niveauunterschiede sind entweder durch topographische Gestaltung (Beseitigung von Höhenunterschieden) oder mit Rampen zu überbrücken.

Die Längsneigung von Gehwegen und Verkehrsflächen ist im Allgemeinen auf 3 % zu beschränken. Sie darf bis zu 6 % betragen, wenn in Abständen von höchstens 10 m Zwischenpodeste mit einem Längsgefälle von höchstens 3 % angeordnet werden. Diese sollten eine Länge von mindestens 150 cm haben. Bei einem Längsgefälle von mehr als 3 % sollten Handläufe vorgesehen werden, die für Menschen mit eingeschränkter Kraft eine Erleichterung darstellen.

Insbesondere für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Transportwagen ist eine Querneigung zu vermeiden. Ist sie unabänderlich, darf sie 2,5 % nicht überschreiten. Soweit zugleich eine Längsneigung besteht, sollte die Querneigung maximal 2 % betragen.

Bodenbeläge

Entscheidenden Einfluss auf die Nutzbarkeit von Gehwegen und Verkehrsflächen haben die verwendeten Bodenbeläge z. B. durch ihre

  • Ebenheit, Rutschhemmung und Festigkeit

  • Blendungseigenschaften

  • witterungs- und verschleißbedingte Veränderung von Eigenschaften

Die barrierefreie Gestaltung von Bodenbelägen wird in einem gesonderten Fachinfoblatt behandelt.

Einbauten und Ausstattungselemente

Gehwege müssen frei von Einbauten und Ausstattungselementen wie z. B. Sitzbänken sein.

Bei nicht vermeidbaren Einbauten in Verkehrsflächen für den Geh- und Fahrverkehr ist die Wahrnehmbarkeit für alle Personen sicherzustellen. Dies kann erfolgen durch:

  • visuell kontrastierende Gestaltung für Menschen mit Sehbehinderung (siehe Abbildung 4)

  • durch rechtzeitig taktil erfassbare Einbauten für blinde Menschen (siehe Abbildung 5)

Poller, die in der nutzbaren Gehwegbreite angeordnet sind, müssen eine Höhe von mindestens 0,90 m aufweisen und kontrastreich gekennzeichnet sein.

Die lichte Breite zwischen Hindernissen an unvermeidbaren Engstellen muss mindestens 0,90 m betragen.

Werden zur Personenführung Umlaufschranken verwendet, sollte die Mindestdurchgangsbreite zwischen ihnen mindestens 1,50 m betragen.

Wie zwischen allen Hindernissen in der nutzbaren Gehwegbreite muss die lichte Breite im Eingang und Ausgang von Umlaufschranken, der Durchgang von Rahmensperren sowie zwischen Pollern mindestens 0,90 m betragen. Eine rechtzeitige und sichere Ertastbarkeit von Umlaufschranken und Rahmensperren ist sicherzustellen.

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Abb. 4 Visuell kontrastreiche Einbauten

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Abb. 5 Taktil erfassbare Einbauten

Aufenthalts- und Ruhebereiche

Weiträumige Verkehrsflächen wie z. B. Vorplätze können insbesondere die Orientierung von Menschen mit sensorischer Einschränkung erschweren.

Dementsprechend muss auch für diese Personengruppe die Abgrenzung zwischen Aufenthaltsflächen und Bewegungsflächen für den Geh- und Fahrverkehr einfach wahrnehmbar sein.

Hierzu ist das Zwei-Sinne-Prinzip anzuwenden: Für unterschiedlich genutzte Flächen sollen zueinander visuell, taktil und akustisch kontrastreiche Bodenbeläge eingesetzt werden (siehe Abbildung 6).

Um Konflikte mit dem Fußgängerverkehr zu vermeiden, sind Einschränkungen des Aufenthaltsbereichs sitzender Personen zu vermeiden. Im Übergangsbereich zu Verkehrsflächen für den fußläufigen Verkehr sind hierzu Sicherheitsstreifen mit einer Breite von mindestens 60 cm anzuordnen. Diese sind von Ausstattungselementen wie z. B. Sitzbänken freizuhalten (siehe Abbildung 7).

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Abb. 6 Visuell und taktil kontrastreiche Bodenbeläge

Der Einsatz von Aufkantungen zur Unterteilung größerer Verkehrsflächen ist aufgrund der damit verbundenen Stolpergefährdung nicht geeignet.

Angrenzende Verkehrsflächen für den Kraftfahrzeugverkehr sind mit einem deutlich erhöhten Gefährdungspotential für Fußgängerinnen und Fußgänger verbunden. Den entsprechend höheren Anforderungen an die Wahrnehmbarkeit der Abgrenzung kann durch:

  • Sicherheitsabstände von mindestens 50 cm

  • visuell kontrastreiche Borde mit einer Höhe von mindestens 6 cm

entsprochen werden.

Liegen die Verkehrswege für Fußgänger wie auch Kraftfahrzeuge auf gleichem Niveau, ist zwischen ihnen zusätzlich zum Sicherheitsabstand ein mindestens 30 cm breiter Trennstreifen vorzusehen. Sie müssen visuell als auch taktil gut wahrnehmbar sein.

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Abb. 7 Sicherheitsstreifen

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Abb. 8 Ebene Verkehrsfläche

Stark strukturierte Bodenbeläge wie z. B. Natursteinpflaster schränken für verschiedene Personengruppen die sichere und komfortable Nutzbarkeit ein. Hierzu zählen neben Rollstuhl- und Rollatornutzern auch Lieferanten mit Handkarren.

Sind größere Verkehrsflächen mit stark strukturierten Oberflächen etwa aus Gründen der Denkmalpflege nicht vermeidbar, ist mindestens die Hauptwegeführung in ebenem Material vorzusehen (siehe Abbildung 8).

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In den folgenden Angaben finden Sie weitere wertvolle Hinweise zu diesem Themenbereich.

Folgende Kapitel sind zu berücksichtigen:

Teil 2

Kapitel 2.1Visuelle Gestaltung
Kapitel 2.3Taktile Gestaltung
Kapitel 3.3Bodenbeläge im Außenbereich
Kapitel 3.4Leitsysteme im Außenbereich
Kapitel 3.5PKW-Stellplätze
Kapitel 3.6Zugangs- und Eingangsbereiche
Kapitel 4.3Rampen

Weiterführende Informationen

Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV
Technische Regeln für Arbeitsstätten - Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten - ASR V 3a.2 Landesbauordnungen
DIN 18040-1:2010-10: Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude
DIN 18040-3:2014-12: Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum
DIN 32975:2009-12: Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung
DIN 32984:2011-10: Bodenindikatoren im öffentlichen Raum
Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen - H BVA
(Ausgabe 2011)
Barrierefrei - und jeder weiß, wo es lang geht! Gefahrenabsicherung, Orientierung und Komforterhöhung durch Kontraste (Ausgabe 2012) Pro Retina Deutschland e. V.

Die Auflistung ist nicht abschließend und sollte vor Anwendung auf Aktualität geprüft werden.

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