Abschnitt 6 - 6 Fenster
Fenster dienen der natürlichen Belichtung sowie dem Sichtbezug nach außen - in der Regel aber auch der natürlichen Be- und Entlüftung.
Zielsetzung muss es sein, dem zu erwartenden Personenkreis gleiche Bedingungen für die Bedienung und den Ausblick zu schaffen. Grundlage der Planung sind die Anforderungen der Nutzergruppe mit den weitestreichenden Bedürfnissen. Dies können Rollstuhlnutzende, kleinwüchsige Menschen oder auch Kinder sein.
Für eine barrierefreie Gestaltung gelten die nachfolgenden Mindestanforderungen:
Abb. 1 Fenster mit Unterlicht
Allgemeines |
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Im Sinne einer barrierefreien Gestaltung müssen Fenster auch für Personen mit Einschränkungen zugänglich und bedienbar sein. Für Menschen mit motorischen Einschränkungen und Rollstuhlnutzende bedeutet dies, dass sie die Bedienelemente erreichen und die notwendigen Bedienfunktionen ausführen können. Hierzu ist ein ausreichender Bewegungsraum vor dem Fenster erforderlich, die Bedienelemente müssen erreichbar und die Bedienung mit wenig Kraft möglich sein. Alternativ kann die Bedienung kraftbetätigt erfolgen. Für Rollstuhlnutzerinnen und -nutzer sollen Fenster ausreichenden Ausblick über die Brüstungshöhen ermöglichen.
Besonders für Menschen mit kognitiven Einschränkungen soll die Funktion der Bedienelemente intuitiv zu erkennen sein. So soll die Formgebung von Bedienelementen an Fenstern der Logik der Handhabung folgen.
Brüstungen |
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Einen Ausblick in die Umgebung ermöglichen Fenster, deren Brüstungen ab 60 cm über OFF durchsichtig sind. Maßgeblich ist hierbei nicht der massive Teil der Brüstung, sondern Oberkante Rahmen des Fensterflügels (siehe Abbildung 2).
Abb. 2 Sichtbezug nach draußen - unterschiedliche Augenhöhe
Zugänglichkeit |
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Ausschlaggebend sind i. d. R. die Bedürfnisse von Rollstuhlnutzerinnen und -nutzern. Die Bewegungsfläche vor den Bedienelementen von Fenstern müssen daher wie folgt dimensioniert werden:
Es ist eine Bewegungsfläche von mindestens 150 cm × 150 cm notwendig.
Sind keine Wendevorgänge notwendig, z. B. bei seitlicher Anfahrt an die Bedienelemente, ist eine Bewegungsfläche von 120 cm Breite und 150 cm Länge in Anfahrtrichtung erforderlich.
Bedienelemente von Fenstern sind im Abstand von mindestens 50 cm zu festen Bauteilen (z. B. Wand) anzuordnen (siehe Abbildung 3).
Hinweis: Bedienelemente von Fenstern müssen stufenlos erreichbar sein.
Um die Bedienelemente von Fenstern (Fenstergriffe) vom Rollstuhl erreichen zu können, müssen sie in einer Greifhöhe zwischen 85 cm und 105 cm über dem Boden (OFF) liegen. Hierzu ist es erforderlich, den Fenstergriff nicht wie üblich in Mittellage, sondern tiefer am Fensterflügel anzuordnen. Es gibt zudem Fenstersysteme, bei welchen die Fensterbedienung über Griffe am unteren waagerechten Flügelriegel erfolgt - also direkt über der Brüstungsebene (siehe Abbildung 4).
Insbesondere für Menschen mit Sehbehinderung ist zu gewährleisten, dass sie nicht durch in den Raum ragende Fensterflügel gefährdet werden. Für Seheingeschränkte müssen in den Raum hineinragende Fensterflügel kontrastreich gestaltet werden. Für Blinde dürfen Fensterflügel nicht in die Bewegungsfläche zu öffnen sein.
Um Verletzungen zu vermeiden und trotzdem eine ausreichende Lüftung zu garantieren, können alternativ beispielsweise folgende Fenstertypen verwendet werden:
Schiebefenster
Parallelausstellfenster (siehe Abbildung 5)
Kippfenster
Abb. 3 Positionierung von Bedienelementen im Raum
Abb. 4 Fensterbedienung durch den Griff im unteren waagerechten Flügelriegel
Abb. 5 Parallelausstellfenster
Manuelle Bedienung von Fenstern |
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Um Fenster öffnen und schließen zu können, muss ausreichender Bewegungsraum vorhanden sein.
Zur barrierefreien Gestaltung von Fenstern gehört, dass sie mit möglichst geringer Kraft geöffnet und geschlossen werden können.
Dies ist gegeben, sofern zum Öffnen und Schließen von Fenstern eine maximale Bedienkraft von 30 N und ein maximales Moment 5 Nm nicht überschritten wird.
Spezielle Lösungen über zwangsgesteuerte Dreh-Kipp-Scheren helfen, die Fenster mit geringer Kraft zu öffnen und zu schließen. Um das Fenster zu kippen, bedarf es einer 180°-Drehung des Fenstergriffes. Die integrierte Zwangssteuerung übernimmt automatisch das Kippen (siehe Abbildung 6 und 7).
Systeme mit langen Hebelgriffen verbessern die Hebelwirkung und reduzieren das Drehmoment (siehe Abbildung 6). U-förmige Griffausbildung vermindert Verletzungsgefahren.
Neben den klassischen Systemen, die über Drehbewegung die Kraft übertragen, funktionieren andere Modelle über reine Zug- und Schubbedienung. Mit Auf- und Abwärtsbewegung des Hebels können Dreh-Kippfenster über zwei Hebelstellungen mit vereinfachtem Bewegungsablauf bedient werden. Infolge des Verzichts auf eine Drehfunktion wird zudem die Möglichkeit zur Kraftübertragung optimiert.
Die Olive kann zudem entsprechend der Darstellung (siehe Abbildung 8) oder um 180° gedreht montiert werden - je nach Einsatzort. Durch die Formgebung der Olive ist die richtige Bedienung leicht ersichtlich. Auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen wird damit die Nutzung der Fenster einfacher.
Abb. 6 Schere mit integrierter Steuereinheit
Abb. 7 Fensteroliven mit langem U-förmigen Hebelarm
Abb. 8 Fensterbeschlag für reine Zug- und Schubbedienung
Kraftbetätigte Bedienung von Fenstern |
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Für Nutzende mit eingeschränktem Kraftpotential wie auch eingeschränkter Hand-Arm-Motorik sind kraftbetätigte (automatische) Fenster vorzusehen.
Zur automatisierten Fensterbedienung werden verschiedene Systeme angeboten (siehe Abbildung 9). Die Steuerung kann direkt erfolgen oder in die Gebäudeleittechnik eingebaut sein. So sind u. a. folgende Steuerungsfunktionen möglich:
Funk-Fernbedienung
Zeitschaltuhr
Regensensor
Thermostatfühler
Einbruchsmeldung
Diese erlauben das Öffnen und Schließen des Fensters in verschiedenen Varianten, wobei weiterhin die manuelle Bedienung möglich sein kann.
Diese Funktionen gewährleisten eine selbstbestimmte Möglichkeit zum Lüften auch für Menschen mit eingeschränktem Kraftpotential wie auch mit eingeschränkter Hand-Arm-Motorik.
Abb. 9 Kraftbetätigter Antrieb
In den folgenden Angaben finden Sie weitere wertvolle Hinweise zu diesem Themenbereich.
Folgende Kapitel sind zu berücksichtigen:
Teil 2
Kapitel 1 | Planungsgrundlagen - Flächen und Freiräume |
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Kapitel 2.1 | Visuelle Gestaltung |
Kapitel 2.3 | Taktile Gestaltung |
Kapitel 9.1 | Bedienelemente |
Weiterführende Informationen
Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV
Technische Regeln für Arbeitsstätten - Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten - ASR V 3a.2 Landesbauordnungen
DIN 18040-1:2010-10: Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude
DIN EN 13115:2001-11: Fenster - Klassifizierung mechanischer Eigenschaften - Vertikallasten, Verwindung und Bedienkräfte. Deutsche Fassung EN 13115:2001
Die Auflistung ist nicht abschließend und sollte vor Anwendung auf Aktualität geprüft werden.