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Abschnitt 2.4 - 4 Ermittlung von Expositionen gegenüber Desinfektionsmitteln

Bei der Beurteilung der Belastungen durch chemische Desinfektionsmittel muss das Ausmaß der auftretenden dermalen und inhalativen Exposition berücksichtigt werden. Der Arbeitgeber sollte daher folgende Fragen beantworten können:

  • Welches Desinfektionsmittel (Produkt, Inhaltsstoffe) und welches Desinfektionsverfahren werden bei einer konkreten Desinfektionsaufgabe eingesetzt?

  • Kann es bei der betrachteten Desinfektionstätigkeit zu einem dermalen Kontakt mit dem Desinfektionsmittelkonzentrat oder einer Anwendungslösung kommen?

  • Mit welchen Mengen an hautgefährdender Flüssigkeit wird umgegangen? Handelt es sich um Kubikzentimeter (cm3), Liter (l) oder Kubikmeter (m3)?

  • Handelt es sich um eine längere Tätigkeit oder um eine kurzfristige Tätigkeit? In Deutschland unterscheidet man Tätigkeiten von weniger und mehr als 15 Minuten.

  • Wie oft wird die betrachtete Tätigkeit durchgeführt?

  • Handelt es sich um eine großflächige Benetzung der Haut oder um einen Kontakt durch Spritzer?

  • Welche Körperteile und Hautflächen sind betroffen?

  • In welcher Konzentration wird das Desinfektionsmittel eingesetzt (Dosierung)? Ist die richtige Dosierung sichergestellt?

  • Wie wird die Herstellung einer Anwendungslösung vorgenommen?

  • Sind in dem Konzentrat bzw. der Anwendungslösung flüchtige Substanzen enthalten (bei der Anwendungstemperatur)?

  • Gibt es für die flüchtigen Substanzen einen Arbeitsplatzgrenzwert?

  • Wird ein offenes Desinfektionsverfahren eingesetzt, bei dem Substanzen verdunsten können?

  • Wird ein Desinfektionsverfahren eingesetzt, bei dem Aerosole entstehen können?

  • Befindet sich der Beschäftigte ständig in der Nähe der Desinfektionsmittelquelle oder bewegt er sich relativ frei im Raum?

  • Besitzt der Raum, in dem das Desinfektionsmittel eingesetzt wird, eine technische Lüftung und wie groß (m3/h) ist sie?

  • Besitzt der Raum eine natürliche Lüftung und ist das Ausmaß der Lüftung (m3/h) bekannt?

  • Wie lange hält sich der Beschäftigte (bzw. andere Betroffene) in dem Raum auf?

Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht es, die bei der Desinfektion auftretende Exposition zu beurteilen und gefährdungsadäquate Schutzmaßnahmen zu veranlassen.

Es stehen verschiedene Methoden zur Ermittlung der Höhe der Expositionen zur Verfügung:

  • Eine qualitative Bewertung von Expositionen kann über Experten erfolgen, die die Arbeitsverfahren der Desinfektion und die relevanten Expositionsdeterminanten kennen und schon häufiger Aussagen über die Höhe der Belastung durch Desinfektionsmittel treffen mussten. Diese Experten können z. B. Fachleute des betrieblichen Arbeitsschutzes sein (Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Arbeitshygieniker, Arbeitsmediziner). Aber auch die Hersteller von Desinfektionsmitteln kennen die Anwendungsbedingungen ihrer Produkte und die zu erwartenden Expositionen (s. Sicherheitsdatenblatt bzw. entsprechende Herstellerinformationen).

  • Sind die expositionsrelevanten Rahmenbedingungen (s. obige Fragen) der Desinfektionstätigkeit bekannt, kann überprüft werden, ob schon Aussagen über die Belastungshöhe bei diesen Tätigkeiten publiziert worden sind. Dabei ist es wichtig, auf eine ausreichende Übereinstimmung zwischen der eigenen Tätigkeit und der beschriebenen Tätigkeit in der Publikation zu achten. Hier können insbesondere branchenbezogene Hilfestellungen von Verbänden bzw. Arbeitsschutzinstitutionen hilfreich sein (Beispiel: ).

  • Sofern die ersten beiden Informationsquellen keine ausreichend genauen Aussagen zur Exposition liefern konnten, können eventuell Messungen weiterhelfen. Dies gilt insbesondere für die luftgetragenen Expositionshöhen. Für eine Quantifizierung dermaler Belastungen stehen momentan keine Routineverfahren zur Verfügung, mit den oben erhobenen Informationen gibt es aber die Möglichkeit einer ausreichenden orientierenden Expositionseinschätzung.

  • Die Durchführung von personenbezogenen oder stationären Raumluftmessungen ist oftmals die beste Methode zur Ermittlung von Luftkonzentrationen. Sie liefert die exakteste Aussage über die Luftbelastung zum Zeitpunkt der Messung, zudem sind in einer Reihe von Normen Messungen als Ermittlungsmethode ausdrücklich benannt. Allerdings sind Messungen aufwendig und teuer und man muss bedenken, dass die Aussagefähigkeit einzelner Messungen begrenzt ist, da man immer nur die momentane Expositionssituation messtechnisch bewertet und die möglichen Expositionsschwankungen im Laufe der Tätigkeit (Arbeitstag, Arbeitswoche, Jahreszeit) in der Regel nicht berücksichtigt.

  • Hier kann die Anwendung von Expositionsmodellen helfen. Diese Modelle ermöglichen es, Belastungsszenarien mathematisch zu beschreiben und - in der detailliertesten und damit aufwendigsten Form - die Expositionsschwankungen zu berücksichtigen. Diese Modelle basieren auf messtechnisch erhobenen Daten und Informationen über die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen an einem Arbeitsplatz. Je genauer der betrachtete Arbeitsplatz mit den idealisierten Rahmenbedingungen des gewählten Modells übereinstimmt, umso besser ist die Übereinstimmung der realen Belastung mit der modellhaft ermittelten Exposition.

Die Aufzählung der Methoden lässt erahnen, dass für die kompetente Expositionsermittlung ein spezielles Know-how vorliegen muss und dass somit nicht jede Person eine qualifizierte Expositionsermittlung durchführen kann. Insbesondere die Durchführung von Messungen und die Modellierung verlangen erfahrene und kompetente Fachleute, die einen Arbeitgeber in seinen Arbeitsschutzpflichten unterstützen. Zudem müssen die jeweiligen nationalen Regelungen zur qualifizierten Ermittlung von inhalativen und dermalen Expositionen beachtet werden. In Deutschland sind dies die TRGS 400 bis 402 .