Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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8.16.2 Ermittlung der Anforderungen an Ex-Vorrichtsungen

Grundsätze

In der Gefährdungsbeurteilung zum Explosionsschutz nach § 6 GefStoffY werden Maßnahmen entsprechend TRBS 2152 Teile 2 bis 4 zur Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und Zündquellenvermeidung und zur Auswirkungsbegrenzung festgelegt. Das erforderliche Maß an Sicherheit der Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre und der Zündquellenvermeidung wird durch Reduzierungsstufen ausgedrückt.

Die Umsetzung der technischen Maßnahmen zum Explosionsschutz ist als Ex-Vorrichtung definiert. Ex-Vorrichtungen können MSR-Einrichtungen beinhalten.

Die Zuverlässigkeit der Ex-Vorrichtung als Gesamtheit muss der geforderten Reduzierungsstufe entsprechen. Zur Bewertung der Ex-Vorrichtung kann diese in Funktionseinheiten unterteilt werden.

Die Zuverlässigkeit der Funktionseinheiten wird mit Hilfe von Klassifizierungsstufen beschrieben und ermöglicht die Auswahl geeigneter Geräte und Verbindungsvorrichtungen.

Aus der Kombination der Klassifizierungsstufen einzelner Funktionseinheiten ergibt sich die Klassifizierungsstufe für die Ex-Vorrichtung, welche der geforderten Reduzierungsstufe entsprechen muss.

Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung (Abb. 1) gibt vor, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Wahrscheinlichkeit für das zeitgleiche Auftreten von

  • gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre (Zoneneinteilung) und

  • wirksamen Zündquellen (Zündquellenvermeidung)

ausreichend sicher zu reduzieren oder um

  • die Auswirkungen von Explosionen auf ein unbedenkliches Maß zu verringern.

Maßnahmen gegen Explosionen sind als ausreichend sicher zu bewerten, wenn entweder das Explosionsereignis als sehr selten einzustufen ist oder wenn die Auswirkungen einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß reduziert werden.

Maßnahmen können sein:

  • Installation von geeigneten Geräten und Schutzsystemen gemäß der Richtlinie 2014/34/EU

  • Zonenreduzierung und Zündquellenvermeidung durch Ex-Vorrichtungen

  • Begrenzung der Explosionsauswirkungen durch Ex-Vorrichtungen

  • Organisatorische Maßnahmen in Ergänzung einer technischen Maßnahme

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Abb. 1: Vorgehensweise der Gefährdungsbeurteilung
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Die Wirksamkeit der in TRBS 2152 Teile 2 bis 4 genannten Maßnahmen wird vorausgesetzt. Eine Maßnahme ist wirksam, wenn die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten sicherheitstechnischen Parameter im Wirkbereich der Maßnahme eingehalten werden. Eine geeignete konstruktive Ausführung der technischen Maßnahmen zum Explosionsschutz wird vorausgesetzt.

Der Arbeitgeber hat die Betriebszustände der Anlage, für welche eine Ex-Vorrichtung vorgesehen wird, sowie die Grenzen einer Ex-Vorrichtung (räumlich und funktional) festzulegen. Dabei sind alle Aspekte, die die funktionale Sicherheit, die zuverlässige Funktion und die Wirksamkeit der Ex-Vorrichtung betreffen, zu berücksichtigen.

Die Beurteilung der zuverlässigen Funktion der Ex-Vorrichtung muss die bestimmungsgemäße Verwendung und den zu erwartenden Fehlgebrauch (Fehlbedienung) mit einschließen. Der Arbeitgeber hat dabei auch Veränderungen gegenüber den sicherheitsrelevanten Festlegungen, die ein Hersteller getroffen hat, zu berücksichtigen. Zur Beurteilung der zuverlässigen Funktion der MSR-Einrichtung sind die einschlägigen Regeln zu beachten.

Die notwendige Zuverlässigkeit einer Ex-Vorrichtung zur Zonenreduzierung und Zündquellenvermeidung ist abhängig von der Zoneneinteilung und der Zündquellenwahrscheinlichkeit. Dieser Abhängigkeit wird eine Wertigkeit zugeordnet und diese durch sogenannte Reduzierungsstufen dargestellt (siehe Tabelle 1).

Tab. 1: Einfluss der Zoneneinteilung und Zündquellenwahrscheinlichkeit auf die erforderliche Anzahl von Reduzierungsstufen

Zone

Zone 1/20

Zone 0/21

Zone 2/22

Keine Zone

Zündquelle

Anzahl erforderlicher Reduzierungsstufen

Zündquelle im Normalbetrieb (betriebsmäßig) vorhanden

3

2

1

Zündquelle im vorhersehbaren Fehlerfall oder bei gelegentlichen Betriebsstörungen vorhanden

2

1

Zündquelle im seltenen Fehlerfall oder bei seltenen Betriebsstörungen vorhanden

1

Zündquelle im sehr seltenen Fehlerfall vorhanden

Bewertung der Ex-Vorrichtung

Eine Ex-Vorrichtung besteht aus einer oder mehreren Ex-Einrichtungen und ggf. deren Überwachung. Eine Ex-Einrichtung führt die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegte Sicherheitsfunktion zum Explosionsschutz aus. Sie ist eine technische Maßnahme, die durch organisatorische Maßnahmen ergänzt werden kann. In der Gefährdungsbeurteilung ist festzulegen, ob eine Überwachung der Ex-Einrichtung erforderlich ist.

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Der qualitative Zusammenhang zwischen der Zuverlässigkeit einer Ex-Vorrichtung und deren Ausfallwahrscheinlichkeit ist wie folgt definiert.

Ein Ausfall ist vorhersehbar, wenn mit dem Ausfall der Ex-Vorrichtungen üblicherweise zu rechnen ist. Vorhersehbare Ausfälle können auftreten und dürfen nicht häufig vorkommen.

Ein Ausfall ist selten, wenn ein vorhersehbarer Fehler nicht zu einem Ausfall der von der Ex-Vorrichtung ausgeführten Sicherheitsfunktion führt. Ein Ausfall gilt als vorhersehbar, wenn er in der Praxis zu erwarten ist, z.B. ein verschleißbedingter Ausfall eines Ventilators oder ein Ausfall einer Lüftung durch verstopfte Filter.

Ein Ausfall ist sehr selten, wenn weder ein seltener noch ein vorhersehbarer Fehler zu einem Ausfall der von der Ex-Vorrichtung ausgeführten Sicherheitsfunktion führt. Ein Fehler gilt als selten, wenn z.B. zwei voneinander unabhängige vorhersehbare Fehler, die nur in Kombination miteinander die Funktion beeinträchtigen, gemeinsam auftreten. Die Zuverlässigkeit ist in diesem Fall dauerhaft sichergestellt. Ein Ausfall ist nach Maßgabe der technischen Vernunft nicht zu erwarten.

Für die Bewertung der Ex-Vorrichtung kann diese in Funktionseinheiten unterteilt werden. Die Bewertung der Ex-Vorrichtung erfolgt dann nach den in 8.16.3 festgelegten Bewertungsmaßstäben. Ohne Unterteilung der Ex-Vorrichtung in Funktionseinheiten kann für diese lediglich ein vorhersehbares Ausfallverhalten angenommen werden.

Die Tabelle 2 beschreibt den Zusammenhang zwischen der Zuverlässigkeit der Ex-Vorrichtung und der erreichbaren Reduzierungsstufen qualitativ.

Tab. 2: Erzielbare Anzahl von Reduzierungsstufen für Ex-Vorrichtungen (Wertigkeit der Ex-Vorrichtung)

Zuverlässigkeit der Ex-Vorrichtung

Dauerhaft sichergestellt

Hoch

Ausreichend

Zugehöriges Ausfallverhalten der Ex-Vorrichtung

sehr selten

selten

vorhersehbar

Erzielbare Anzahl von Reduzierungsstufen der Ex-Vorrichtung

3

2

1

Die Bewertung des Ausfallverhaltens von Funktionseinheiten der MSR-Einrichtungen wird üblicherweise durch den Hersteller nach den einschlägigen Herstellungsnormen vorgenommen, sodass in der Regel keine pauschale Bewertung erfolgt. Wird bei MSR-Einrichtungen ein vorhersehbares Ausfallverhalten pauschal unterstellt, kann Tabelle 3 verwendet werden.

Nicht-MSR-Einrichtungen als Bestandteil der Ex-Vorrichtung werden analog den qualitativen Beschreibungen des Ausfallverhaltens beurteilt und nach Tabelle 3 einer Klassifizierungsstufe zugeordnet.

 8.16.2 Ermittlung der Anforderungen an Ex-Vorrichtsungen – Seite 5 – 01.06.2016<<>>

Tab. 3: Erzielbare Klassifizierungsstufe von MSR- und Nicht-MSR-Einrichtungen (eine Nicht-MSR-Einrichtung besteht aus Funktionseinheiten, die in einer Ex-Einrichtung nicht einer MSR-Einrichtung zugeordnet werden kann. Sie kann z.B. eine Stromversorgung, ein Lüfter oder eine Klappe sein.)

Zuverlässigkeit von Funktionseinheiten für MSR/Nicht-MSR-Einrichtungen

Dauerhaft sichergestellt

Hoch

Ausreichend

Zugehöriges Ausfallverhalten von Funktionseinheiten für MSR-Einrichtungen

Siehe 8.16.5

Siehe 8.16.5

vorhersehbar oder 8.16.5

Zugehöriges Ausfallverhalten von Funktionseinheiten für Nicht-MSR-Einrichtungen

sehr selten

selten

vorhersehbar

Erzielbare Klassifizierungsstufe

K3

K2

K1

Nachdem das Ausfallverhalten der Funktionseinheiten von MSR- und Nicht-MSR-Einrichtungen bewertet wurde und diese in Klassifizierungsstufen eingeordnet wurden, ist die Architektur der Ex-Vorrichtung zu bestimmen. Die Architektur kann beispielsweise graphisch durch ein Blockdiagramm dargestellt werden. Unter Berücksichtigung der Architektur kann nach Bewertungsgrundsätzen gemäß 8.16.5 die Klassifizierungsstufe der Ex-Vorrichtung als Ganzes bestimmt werden.

Wenn die geforderte Zuverlässigkeit der Ex-Vorrichtung durch die Ex-Einrichtung alleine nicht erreicht wird, kann diese durch eine weitere Ex-Einrichtung oder durch eine Überwachung ergänzt werden.

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