Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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8.10.2 Gefährdungsbeurteilung

Für eine erfolgreiche Gefährdungsbeurteilung bei Explosionsgefahr müssen die in Abbildung 1 aufgezeigten Schwerpunkte bearbeitet werden:

  1. 1.

    Ermittlung der Explosionsfähigkeit

  2. 2.

    Zoneneinteilung

  3. 3.

    Ermittlung wirksamer Zündquellen

  4. 4.

    Abschätzung der Auswirkungen einer Explosion

  5. 5.

    Festlegung konstruktiver Explosionsschutzmaßnahmen

Abb. 1: Welche Schwerpunkte sind durch Gefährdungsbeurteilung bei Explosionsgefahr zu bearbeiten?

Dabei kann die Gefährdungsbeurteilung insgesamt als ein iterativer Prozess verstanden werden. Wird beispielsweise bei der Ermittlung der Explosionsfähigkeit festgestellt, dass eine Staubexplosionsfrage gegeben ist, so erfolgt die Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche sowohl im Innern als auch in der Umgebung der Anlage in Zonen. Daraus ergeben sich Maßnahmen zur Vermeidung wirksamer Zündquellen. Nach Abschätzung der Auswirkung einer Explosion aufgrund der Tatsache, dass nicht alle Zündquellen sicher vermieden werden können, werden konstruktive Explosionsschutzmaßnahmen festgelegt. Oftmals sind damit erhebliche Kosten verbunden. Um Aufwendungen zu reduzieren, kann in der nächsten Iteration geprüft werden, ob anstelle des staubenden Produktes beispielsweise schuppenförmige, pastöse oder granulatartige Stoffe eingesetzt werden können. Ist dies nicht möglich, kann in der dritten Iteration auch über Inertisierungsmaßnahmen nachgedacht werden. Das kann zur Folge haben, dass keine Zoneneinteilung mehr erforderlich wird oder diese nur noch in engen Bereichen erfolgen muss, sodass die weiteren Aufwendungen erheblich reduziert werden können (s. Abb. 2 und 3).

Ermittlung der Explosionsfähigkeit

Die Ermittlung der Explosionsfähigkeit von Systemen unter Berücksichtigung der Beeinflussung durch die Prozessbedingungen kann durch Beantwortung der drei in Abbildung 4 dargestellten Fragen geklärt werden.

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Abb. 2: Fallbeispiel für brennbare Stäube nach EX-RL (Dyrba, Praxishandbuch Zoneneinteilung)
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Abb. 3: Fallbeispiel für brennbare Stäube nach EX-RL (Dyrba, Praxishandbuch Zoneneinteilung)

Auf der Basis der TRBS 2152 Teil 2 Punkt 3.2 können Aussagen getroffen werden, ob im Bereich der zu beurteilenden Anlage oder im Innern von Anlagen explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann.

Zur Beantwortung der Frage, welche Mengen explosionsfähiger Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse vorhanden sein oder entstehen können und wo sie auftreten können, kann auf der Basis der TRBS 2152 Teil 1, Punkt 3.3 erfolgen.

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Kann im Bereich der zu beurteilenden Anlage oder im Innern von Apparaturen explosionsfähige Atmosphäre auftreten?
Welche Mengen explosionsfähiger Atmosphäre kann aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse vorhanden sein oder entstehen und wo kann sie auftreten?
Sind die zu erwartenden Mengen explosionsfähiger Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse gefahrdrohend?

Abb. 4: Ermittlung der Explosionsfähigkeit

Entscheidend sind auch die zu erwartenden Mengen explosionsfähiger Atmosphäre aufgrund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse. Im Punkt 3.4 der TRBS 2152 Teil 1 wird ausgesagt, dass mehr als 10 l zusammenhängende explosionsfähige Atmosphäre in geschlossenen Räumen unabhängig von der Raumgröße grundsätzlich als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre angesehen werden muss (s. Abb. 5).

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Abb. 5: Menge explosionsfähiger Atmosphäre aus verdampftem Benzin

Bei vielen brennbaren Stäuben reicht bereits eine gleichmäßig über die gesamte Bodenfläche verteilte Staubablagerung von weniger als 1 mm Schichtdicke aus, um beim Aufwirbeln einen Raum normaler Höhe mit explosionsfähigen Staub-Luft-Gemischen vollständig auszufüllen (s. Kapitel 8.7.4, Abb. 2). Welche Menge explosionsfähiger Atmosphäre im Freien als gefahrdrohend angesehen werden muss, lässt sich nur für den Einzelfall abschätzen.

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Zoneneinteilung

Auch wenn es europäisch einheitliche Zonen durch die Richtlinie 1999/92/EG gibt, treten oftmals starke Abweichungen bei der Einteilung explosionsgefährdender Bereiche in Zonen aufgrund nationaler Besonderheiten auf. Eine wichtige Basis zur Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche in Zonen ist die Beispielsammlung der EX-RL (DGUV Regel 113-001 (ehemals BGR 104)). In den Definitionen zur Zone 0 bzw. 20 sind die Begriffe »ständig über lange Zeiträume« oder »häufig« zu finden. Der Begriff »häufig« ist im Sinne von zeitlich überwiegend zu verwenden, d.h. mit anderen Worten, dass explosionsgefährdete Bereiche der Zone 0 bzw. Zone 20 zuzuordnen sind, wenn mehr als 50 % während der Betriebsdauer einer Anlage über eine Schicht, z.B. zehn Stunden, explosionsfähige Atmosphäre vorherrscht.

Im Hauptpunkt 3 der EX-RL – Beispielsammlung »Brennbare Stäube« werden unter Punkt 3.3 »Fallbeispiele für praxisnahe Varianten« aufgezeigt. Im Praxishandbuch »Zoneneinteilung – Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche in Zonen« wurden neben ausführlichen Beschreibungen zur Zoneneinteilung auch viele grafische Darstellungen erarbeitet, die die EX-RL – Beispielsammlung umsetzen. Der Punkt 3.3.2 beschäftigt sich mit der Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche im Innern von Mühlen. In Abbildung 6 ist beim Mahlen organischer Stoffe mit Korngrößen < 500 μm eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre betriebsmäßig zu erwarten.

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Abb. 6: Fallbeispiel für brennbare Stäube nach EX-RL (Dyrba, Praxishandbuch)

Es erfolgt eine Einteilung des gesamten Innenraumes als Zone 20. Die dargestellte Mühle, z.B. Hammermühle, ist im Fall von Störungen als wirksame Zündquelle anzusehen. Da Zündquellen nicht hinreichend vermieden werden können, sind konstruktive Explosionsschutzmaßnahmen zwingend erforderlich. Dargestellt ist eine Zellenradschleuse als Entkopplungseinrichtung und eine Druckentlastung der Mühle. Eine weitere Entkopplung mittels Zellenradschleuse erfolgt zwischen Mühlenbunker  8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 5 – 01.09.2016<<>>und Produktsilo. Die Gesamtanlage einschließlich Schlauchfilteraufsatz und Rohrleitungen ist druckfest für den zu erwartenden maximalen reduzierten Explosionsdruck ausgelegt.

Durch eine komplette Inertisierung der Gesamtanlage ist eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre immer sicher verhindert (s. Abb. 7).

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Abb. 7: Fallbeispiele für brennbare Stäube nach EX-RL (Dyrba, Praxishandbuch Zoneneinteilung)

Wesentliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Inertisierung ist ihre Sicherstellung, z.B. durch Überwachung der Sauerstoffkonzentration, der Inertgaskonzentration des Gesamtdruckes oder der Mengenströme von Inertgas und brennbarem Stoff. Weiterhin ist eine Alarmschwelle unterhalb der höchstzulässigen Sauerstoffkonzentration festzulegen. Bei Erreichen der Alarmschwelle müssen den Bedingungen des Einzelfalls entsprechend von Hand oder automatisch Schutzmaßnahmen ausgelöst und durchgeführt werden. Die festzulegende Alarmschwelle, die Eigenschaften der Überwachungseinrichtungen, ihre erforderliche Funktionssicherheit und die Reaktionszeiten des Personals und der Anlage sind aufeinander abzustimmen.

Vermeiden wirksamer Zündquellen

Zündquellen werden in ihrer Wirkung häufig unterschätzt oder nicht erkannt. Ihre Wirksamkeit, d.h. die Fähigkeit, explosionsfähige Atmosphäre zu entzünden, hängt unter anderem von der Energie der Zündquelle und von den Eigenschaften der explosionsfähigen Atmosphäre ab. Die für die Praxis wichtigsten Zündquellen sind in Abbildung 8 dargestellt.

Lässt sich die Wahrscheinlichkeit des Wirksamwerdens einer Zündquelle entsprechend der Zulässigkeit nach der Zoneneinteilung des Bereiches, in dem sie sich befindet, nicht abschätzen, ist die Zündquelle als dauern wirksam zu betrachten. Für eine Reihe von Zündquellen sind Grenzwerte angegeben, bei deren Einhaltung eine Zündgefahr ausgeschlossen werden  8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 6 – 01.09.2016<<>>kann. Die in der Gefährdungsbeurteilung festzulegenden Maßnahmen sollen Zündquellen unwirksam machen oder die Wahrscheinlichkeit ihres Wirksamwerdens verringern. Bei der Beurteilung möglicher Zündquellen haben Ablagerungen brennbaren Staubes eine besondere Bedeutung.

Welches sind die in der Praxis wichtigsten Zündquellen?
Von 13 Zündquellenarten sind die folgenden Zündquellen in der Praxis am wichtigsten:

  • Heiße Oberflächen

  • Flammen,

  • Mechanisch erzeugte Funken,

  • Elektrische Anlagen,

  • Statische Elektrizität,

  • Blitzschlag.

Je höher die Zone, umso umfangreicher sind die Schutzmaßnahmen!

Abb. 8: Die wichtigsten Zündquellen in der Praxis

TRBS 2152 Teil 3 Beispiel: Heiße Oberflächen

In der TRBS 2152 Teil 3 sind für alle 13 Zündquellenarten differenziert Ausführungen zu finden. Kommt explosionsfähige Atmosphäre mit heißen Oberflächen, z.B. heißen Rohrleitungen, heißen Kesseln in Berührung, kann es zu einer Entzündung kommen. Grundlage der Bewertung ist die genormte Zündtemperatur der die explosionsfähige Atmosphäre bildenden Stoffe. Neben betriebsmäßig heißen Oberflächen, wie Heizkörpern, Trockenschränken und anderen, können auch mechanische Vorgänge durch Reibung oder Spanabhebung, z.B. Bohren im Bereich der beanspruchten Oberfläche, zu gefährlichen Temperaturen führen. Auch an Arbeitsmitteln, die mechanische Energie in Verlustwärme überführen, d.h. alle Arten von Reibungskupplungen und mechanisch wirkenden Bremsen, z.B. an Fahrzeugen und Zentrifugen, kann es deshalb zu betriebsbedingten heißen Oberflächen kommen. Weiterhin können deshalb drehende Teile in Lagern, Wellendurchführungen, Stopfbuchsen usw. bei ungenügender Schmierung zu Zündquellen werden. Wenn sich Teile in engen Gehäusen drehen, können auch durch Eindringen von Fremdkörpern in den Spalt zwischen drehendem Teil und Gehäuse oder durch Achsverlagerung Reibvorgänge stattfinden, die unter Umständen schon in kurzer Zeit hohe Oberflächentemperaturen hervorrufen. Ziel der unter 5.2.2 bis 5.2.8 in der TRBS 2152 Teil 3 beschriebenen Schutzmaßnahmen ist die Verhinderung der Entzündung explosionsfähiger Atmosphäre durch Wirksamwerden einer heißen Oberfläche als Zündquelle, in Abhängigkeit von der Zone.

Unter Punkt 5.2.2 »Allgemeine Schutzmaßnahmen in allen Zonen« der TRBS 2152 Teil 3 findet man unter anderem folgende Aussagen: In Abhängigkeit von der vorliegenden Zone darf die maximale Oberflächentempera- 8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 7 – 01.09.2016<<>>tur von Anlagenteilen, die im Kontakt mit explosionsfähiger Atmosphäre stehen, einen bestimmten festgelegten Sicherheitsabstand zu der der Temperaturklasse zugehörigen Grenztemperatur nicht unterschreiten. Bei Geräten, Komponenten und Schutzsystemen nach Explosionsschutzprodukteverordnung in Verbindung mit der Richtlinie 2014/34/EU wird die maximale Oberflächentemperatur vom Hersteller bei seiner Zündgefahrenbewertung ermittelt. Wenn Geräte, Komponenten oder Schutzsysteme der Kategorien 1 G bis 3 G mit Temperaturklasse niedrigster zulässiger Zündtemperatur oder einer explosionsfähigen Atmosphäre oder den explosionsfähigen Atmosphären, für die sie geeignet sind, gekennzeichnet sind, sind Sicherheitsabstände bereits berücksichtigt, so dass sie ohne weitere Sicherheitsabstände in den entsprechenden explosionsfähigen Atmosphären eingesetzt werden dürfen. Brennbare Gase und Dämpfe werden nach ihrer Zündtemperatur in Temperaturklassen eingeteilt. Für explosionsfähige Atmosphären aus Stoffen einer Temperaturklasse ist in der Regel der jeweils untere Wert der Zündtemperatur ihrer Temperaturklasse die Grundlage für die Festlegung der maximal zulässigen Oberflächentemperatur.

Zone

Schutzmaßnahme

Zone 0

die maximal zulässige Oberflächentemperatur beträgt 80 % der Zündtemperatur

Zone 1

80 % der Zündtemperatur dürfen nur selten überschritten werden

Zone 2

Zündtemperatur darf erreicht werden

Abb. 9: Zündquelle: heiße Oberfläche

In Zone 0 dürfen sich Oberflächen selbst bei selten auftretenden Betriebsstörungen nicht gefährlich erwärmen (s. Abb. 9). Dazu muss durch wirksame Überwachung und Begrenzung sichergestellt und durch Wirksamkeitskontrollen nachgewiesen sein, dass die Temperaturen der Oberflächen, die mit explosionsfähiger Atmosphäre in Berührung kommen können, 80 % der Zündtemperatur oder des zur Temperaturklasse gehörigen unteren Wertes der Zündtemperatur in ˚C nicht überschreiten. Dabei sind auch Temperaturerhöhungen durch z.B. Wärmestau und chemische Reaktionen zu beachten. Dies gilt beispielsweise als erfüllt, wenn die zulässige Temperatur durch den Sattdampfdruck einer Flüssigkeit, z.B. Dampfheizung, sicher eingehalten ist.

In Zone 1 sind Oberflächentemperaturen so zu begrenzen, dass sie nur selten 80 % der Zündtemperatur überschreiten können. Eine dauerhafte Überschreitung dieses Wertes bis zur Zündtemperatur ist zulässig, wenn die Oberflächentemperatur unter den Betriebsverhältnissen sicher begrenzt bleibt.

In Zone 2 sind Oberflächentemperaturen so zu begrenzen, dass sie die Zündtemperatur nicht ständig oder häufig überschreiten. Störungen, die  8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 8 – 01.09.2016<<>>nicht zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Oberflächentemperatur führen können, brauchen hierbei nicht berücksichtigt zu werden.

Beispiel: Mechanische Zündquellen

Bei der Bewertung mechanisch erzeugter Funken durch Verwendung von Werkzeugen treten auch immer wieder Fragen auf.

Werkzeuge mit einzelnen Funken z.B. Schraubendreher

Werkzeuge mit Funkenregen z.B. Trennschleifer

Funkenerzeugend e Werkzeuge z.B. Schraubendreher, Trennschleifer

In Zone 2 erlaubt

In Zone 1 für C2H2; CS2; H2; H2S; CO; C2H4O nicht erlaubt

In Zone 2 und 1 nicht erlaubt, es sei denn: eine explosionsfähige Atmosphäre liegt nicht vor (Freigabeschein)

In Zone 0 nicht erlaubt

In Zone 22 erlaubt

In Zone 21 erlaubt

In Zone 22 und 21 nicht erlaubt, es sei denn: Arbeitsstelle ist zur Zone abgeschirmt; Staubablagerungen sind entfernt oder feucht gehalten (Freigabeschein)

In Zone 20 nicht erlaubt

Abb. 10: Beispiele (Schraubendreher im Ex-Bereich)

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen solchen, bei deren Einsatz in der Regel nur ein einzelner Funke entstehen kann, z.B. Schraubendreher, Schraubenschlüssel und Schlagschrauber, und solchen, bei denen bei der Bearbeitung des Werkstückes eine Vielzahl von Funken, z.B. bei Stemmarbeiten oder sogar Funkengarben, z.B. beim Einsatz von Trenn- und Schleifgeräten erzeugt werden. In explosionsgefährdeten Bereichen der Zone 1 und 2 können Stahlwerkzeuge verwendet werden, sofern beim Gebrauch keine Funkengarben entstehen. Ein Verwendungsverbot in Zone 1 gilt jedoch für jegliche Art von metallischen Werkzeugen, wenn Explosionsgefahr durch Stoffe der Explosionsgruppe II C, wie Acetylen, Schwefelkohlenstoff und Wasserstoff sowie Schwefelwasserstoff, Kohlenmonoxid und Ethylenoxid, gegeben sein kann, sofern keine besondere Maßnahmen gegen das Entstehen zündwirksamer mechanischer Funken getroffen werden. In explosionsgefährdeten Bereichen der Zone 21 und 22 können Stahlwerkzeuge verwendet werden, sofern keine Funkengarben oder heiße Oberflächen, z.B. beim Bohren, entstehen. Andernfalls ist die Arbeitsstelle gegenüber dem übrigen Bereich der Zone 21 und 22 abzuschirmen und zusätzlich ist eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen. Staubablagerungen sind an der Arbeitsstelle zu entfernen oder die Arbeitsstelle ist so feucht zu halten, dass der Staub weder aufwirbeln kann noch Glimmnester entstehen können. Bei Arbeiten mit Funkenflug, z.B. beim Schleifen oder Brennen in den Zonen 21 und 22 oder deren Umgebung, ist hinsichtlich von Glimmnestern auch der weitere Bereich um die Arbeitsstelle in die genannten Schutzmaßnahmen einzubeziehen. In explosionsgefährdeten Bereichen der Zone 0 oder 20 dürfen keine Ar- 8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 9 – 01.09.2016<<>>beitsmittel verwendet werden, bei deren Einsatz mit dem Auftreten auch von einzelnen Funken gerechnet werden muss.

Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung

Zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen gibt es mehrere Möglichkeiten bzw. Verfahren. Für kleine überschaubare Bereiche können Arbeitsblätter oder Checklisten verwendet werden. Als Betreiber von Anlagen mit explosionsgefährdeten Bereichen bietet sich die systematische Anwendung der Explosionsschutz-Regeln an. Für Hersteller von Geräten und Schutzsystemen zum Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen bzw. von Bereichen, in denen explosionsfähige Atmosphäre nicht auszuschließen ist, kann die Basisnorm des Explosionsschutzes die DIN EN 1127-1 in Anwendung gebracht werden. Für komplexe Anlagen bietet sich im Einzelfall auch die Anwendung spezieller Methoden an.

Für Arbeitsblätter und Checklisten sind an dieser Stelle verschiedene Hilfsmittel aufgeführt. So gibt es beispielsweise berufsgenossenschaftliche Informationen, die sich mit der Gefährdungsbeurteilung beschäftigen. In dem Merkblatt A 016 der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie »Gefährdungsbeurteilung – Sieben Schritte zum Ziel« sind im Anhang 1 Arbeitsblätter zur Gefährdungsbeurteilung aufgeführt. In dem Merkblatt A 017 der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie »Gefährdungsbeurteilung – Gefährdungskatalog« werden für elf Gefährdungs- und Belastungsfaktoren kleine anschauliche Fragenkataloge angeboten. Im Abschnitt 7.2 werden Gefahren durch explosionsfähige Atmosphäre behandelt. Im nicht verbindlichen Leitfaden für bewährte Verfahren im Hinblick auf die Durchführung der Richtlinie 1999/92/EG über Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet werden können, sind im Abschnitt A 3 »Musterformulare und Checklisten« enthalten, so auch ein Musterformular A 3.1 »Checkliste Explosionsschutz im Inneren von Apparaten« und A 3.2 »Checkliste Explosionsschutz in der Umgebung von Apparaten«.

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Tab. 1: Explosionsschutz im Inneren von Apparaten

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Tab 2: Explosionsschutz in der Umgebung von Apparaten

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Das Merkblatt A 016 der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie »Gefährdungsbeurteilung – Sieben Schritte zum Ziel« bildet für kleine und mittlere Unternehmen eine geeignete Grundlage zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und kann in seiner Systematik für verschiedene Gefährdungsarten genutzt werden. In den Anhängen wird unmittelbares Arbeitsmaterial geliefert. Die in Abbildung 11 dargestellte Tabelle basiert auf dem Arbeitsblatt 3 zur Gefährdungsbeurteilung.

 8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 15 – 01.09.2016<<>>

Nr.

Mögliche Gefährdungen/Belastungen

Risiko

Maßnahmen

Realisierung

Wirksamkeit

gering
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mittel
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hoch
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bis wann

verantwortlich

wirksam

wann

6

Ex-Gefahr bei Metallentfettung durch Lösemittel

X

Austausch brennbarer Lösemittel durch Ester; Beratung erforderlich

III.
Quartal des laufenden Jahres

IT

offen

offen

Abb. 11: Merkblatt (A 016 der BGRCI, Auszug)

Im vorliegenden Fall muss im Unternehmen die Metallentfettung durch Fallbeispiel geführt werden. Durch Verwendung von brennbaren Lösemitteln, deren Flammpunkt unter 21˚C liegt, besteht im unmittelbaren Arbeitsbereich der Metallentfettung Explosionsgefahr. Recherchen haben ergeben, dass es durchaus möglich ist, die brennbaren Lösemittel durch geeignete Ester auszutauschen. Inwieweit jedoch im speziellen Anwendungsfall die Ester das gleiche Entfettungsergebnis bringen wie die verwendeten Lösemittel, kann zurzeit nicht gesagt werden, so dass zusätzlicher Beratungsbedarf erforderlich ist. Es wird angestrebt, die Realisierung innerhalb der nächsten drei Monate durchzuführen, da ansonsten technische Explosionsschutzmaßnahmen in diesem Bereich zwingend erforderlich sind. Die Realisierung der Prüfung soll durch den ingenieurtechnischen Bereich erfolgen. Ob die Substitution dann wirklich erfolgreich ist und ab wann sie umgesetzt werden kann, ist jedoch noch offen.

Für die Gefährdungsbeurteilung wichtige Eigenschaften werden in Abbildung 12 dargestellt.

Testbenzine leicht entzündbar

Testbenzine entzündbar

Testbenzine

HBS*

Pflanzenölester

Flammpunkt [˚C]

< 23

≥ 23 ≤ 60

> 60 ≤ 100

> 100

> 100

Dampfdruck [mbar] bei 20˚C (ca.-Angaben)

10 – 600

10 – 15

1 – 5

0,1 – 1

> 0,1

Nach CLP

leicht entzündbar Kategorie 2

entzündbar Kategorie 3

entfällt

entfällt

entfällt

Luftgrenzwert [mg/m3]

bis 1.500

bis 1.500

bis 1.500

bis 1.500

keiner

* Hochsiedende Kohlenwasserstoffgemische

Abb. 12: Kohlenwasserstoffe und Pflanzenölester, physikalische Eigenschaften, Grenzwerte

Man erkennt, dass der Flammpunkt von Pflanzenölestern größer als 100˚C ist und dass damit beim normalen Umgang, Versprühen und Verspritzen ausgeschlossen, keine Explosionsgefahr besteht. Auch der Dampfdruck von Pflanzenölestern ist sehr gering. Rund 38.000 t flüchtiger organischer Verbindungen wurden alleine 1998 in Deutschland bei der Metallentfettung in die Luft abgegeben. Die Dämpfe dieser Lösemittel gefährden sowohl die Gesundheit der Arbeitnehmer, belasten die Umwelt  8.10.2 Gefährdungsbeurteilung – Seite 16 – 01.09.2016<<und besitzen nicht unerhebliche Brand- und Explosionsgefahren. Fettsäureester auf pflanzlicher Basis werden durch Reaktion eines Pflanzenöls mit einem industriell oder biologisch erzeugten Alkohol hergestellt. In vielen Bereichen der Instandsetzung von Maschinen, Wartung und Produktion fallen Reinigungsaufgaben an. Sollen vor allem fettige Verschmutzungen (Bitumen oder Konservierungsstoffe) entfernt werden, bieten sich Ester als Reinigungsmittel und Ersatz für übliche Kaltreiniger an. Beim manuellen Reinigen und Entfetten werden aus den Estern keine Emissionen in die Umgebungsluft frei. In vielen Betrieben unterschiedlicher Branchen, wie Maschinen- und Kraftwerksbau, Automobilbauzulieferer, Schiffswerften, Stahlwerke, Eisenbahn, Feinmechanik und Elektroindustrie sowie Ausbildungsstätten werden die Esteröle in den betriebsinternen Schlossereien und Werkstätten eingesetzt.

Von verschiedenen Einrichtungen, z.B. Betrieben, Berufsgenossenschaften und Verbänden wurden Hilfsmittel für die Beurteilung der Explosionsgefahr erarbeitet. Auf der Basis der Explosionsschutz-Regeln wurde ein geeignetes Industriebeispiel speziell für den Explosionsschutz auf der Basis der EX-RL in Form einer Checkliste von der Wacker Chemie GmbH, Burghausen erarbeitet. Diese Checklisten befassen sich mit den Schwerpunkten, Vermeiden oder Einschränken gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre sowohl im Innern von Apparaturen als auch in der Umgebung. Im Teil B »Vermeiden wirksamer Zündquellen« werden in Verbindung mit der entsprechenden TRBS alle 13 Zündquellenarten abgefragt und im Teil C wird auch auf den konstruktiven Explosionsschutz eingegangen. Diese Checkliste stellt dann die Basis für die Erstellung des Explosionsschutzdokuments dar (siehe www.exinfo.de, ID-Nummer #2BK8).

Für komplexe Anlagen und Prozesse ist die Anwendung spezieller Methoden erforderlich, so z.B. für die Sicherheitsanalyse nach Störfallverordnung. In der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsgesetzes werden Anforderungen formuliert, in denen Sicherheitsanalysen für derartige Anlagen genügen müssen. Liegt keine Störfallanlage vor, kann man sich am Anhang II »Mindestangaben im Sicherheitsbericht« und Anhang III »Grundsätze für das Konzept zur Verhinderung von Störfällen und das Sicherheitsmanagementsystems orientieren. Mit Einführung der Störfallverordnung erhielten die Methoden der Risikoermittlung eine erhöhte Bedeutung mit der Einführung der Pflicht zur Sicherheitsanalyse.

In der Praxis werden z.B. folgende Risikoermittlungsverfahren eingesetzt:

  • PAAG-(HAZOP-)Verfahren

  • Ausfalleffektanalyse nach DIN EN 60812

  • Ereignisablaufanalyse nach DIN 25419

  • Fehlzustandsbaumanalyse nach DIN EN 61025

  • Verfahren zur Analyse der Zuverlässigkeit – Ereignisbaumanalyse nach DIN IEC 62502; VDE 0050-3.

Auf der Basis der Gefährdungsbeurteilung kann dann das Explosionsschutzdokument erstellt werden.