8.3.2 Grundlegende Begriffsbestimmungen
Brennbarer Stoff
Brennbarer Stoff ist ein Stoff in Form von Gas, Dampf, Flüssigkeit, Feststoff oder Gemischen davon, der bei Entzündung eine exotherme Reaktion mit Luft eingehen kann.
Normalbetrieb
Normalbetrieb ist der Zustand, in dem die Arbeitsmittel oder Anlagen und deren Einrichtungen innerhalb ihrer Auslegungsparameter benutzt oder betrieben werden.
Bemerkung: Inspektion und Wartung sowie die Freisetzung geringer Mengen brennbarer Stoffe können zum Normalbetrieb gehören, z.B. die geringe Freisetzung von Stoffen
aus Dichtungen, deren Wirkungen auf der Benetzung durch die geförderte Flüssigkeit beruht, oder
bei betriebsüblichen Störungen (z.B. Abrutschen eines Sackes von einer Fülleinrichtung).
Störungen (z.B. Versagen von Dichtungen, von Pumpen oder Flanschen oder die Freisetzung von Stoffen infolge von Unfällen), die z.B. Instandsetzung oder Abschaltung erfordern, werden nicht als Normalbetrieb angesehen.
Explosionsfähiges Gemisch
Explosionsfähiges Gemisch ist ein Gemisch aus brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben, in dem sich ein Verbrennungsvorgang nach erfolgter Entzündung auf das gesamte unverbrannte Gemisch überträgt.
Explosionsfähige Atmosphäre
Explosionsfähige Atmosphäre ist ein Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben unter atmosphärischen Bedingungen, in dem sich ein Verbrennungsvorgang nach erfolgter Entzündung auf das gesamte unverbrannte Gemisch überträgt. Als atmosphärische Bedingungen gelten Gesamtdrücke von 0,8 bar bis 1,1 bar und Gemischtemperaturen von –20 ˚C bis +60 ˚C.
Bemerkung: »Übertragung auf das gesamte unverbrannte Gemisch« ist im Sinne einer selbstständigen Fortpflanzung der Reaktion zu verstehen.
Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre
Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ist eine explosionsfähige Atmosphäre, die in einer solchen Menge (gefahrdrohende Menge) auftritt, dass besondere Schutzmaßnahmen für die Aufrechterhaltung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten oder Dritter erforderlich werden.
Explosion
Explosion im Sinne dieser technischen Regel ist eine plötzliche Oxidationsreaktion mit Anstieg der Temperatur, des Druckes oder beidem gleichzeitig.
Deflagration
Deflagration ist eine Explosion, die sich mit Unterschallgeschwindigkeit fortpflanzt.
8.3.2 Grundlegende Begriffsbestimmungen – Seite 2 – 01.12.2008>>Detonation
Detonation ist eine Explosion, die sich mit Überschallgeschwindigkeit fortpflanzt; sie ist gekennzeichnet durch eine Stoßwelle.
Explosionsbereich
Explosionsbereich ist der Bereich der Konzentration (Stoffmengenanteil) eines brennbaren Stoffes in Luft, in dem eine Explosion auftreten kann.
Selbstentzündung einer Staubschüttung
Selbstentzündung einer Staubschüttung ist die Entzündung von Stäuben, die dadurch hervorgerufen wird, dass die Wärmeproduktionsgeschwindigkeit der Oxidations- oder Zersetzungsreaktion der Stäube größer ist als die Wärmeverlustgeschwindigkeit an die Umgebung.
Hybrides Gemisch
Hybrides Gemisch ist ein Gemisch von Luft mit brennbaren Stoffen in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Beispiele für hybride Gemische sind Gemische aus Methan und Kohlenstaub mit Luft oder Gemische aus Benzindampf und Benzintröpfchen mit Luft.
Explosionsgefährdeter Bereich
Explosionsgefährdeter Bereich ist ein Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann. Ein Bereich, in dem explosionsfähige Atmosphäre nicht in einer solchen Menge zu erwarten ist, dass besondere Schutzmaßnahmen erforderlich werden, gilt nicht als explosionsgefährdeter Bereich.
Zoneneinteilung
Explosionsgefährdete Bereiche werden nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in Zonen unterteilt. Diese Einteilung dient als Grundlage für die Festlegung von Maßnahmen, insbesondere zur Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre.
Zone 0
Zone 0: Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist.
Bemerkung:Der Begriff »häufig« ist im Sinne von »zeitlich überwiegend« zu verwenden.
Zone 1
Zone 1: Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln bilden kann.
Zone 2
Zone 2: Bereich, in dem bei Normalbetrieb eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt.
Bemerkung:Dies ist gleichbedeutend damit, dass gefährliche explosionsfähige Atmosphäre nur selten und auch nur kurzzeitig auftritt.
Zone 20
Zone 20: Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbarem Staub ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden ist.
8.3.2 Grundlegende Begriffsbestimmungen – Seite 3 – 01.12.2013<<>>Bemerkung: Der Begriff »häufig« ist im Sinne von »zeitlich überwiegend« zu verwenden.
Zone 21
Zone 21: Bereich, in dem sich bei Normalbetrieb gelegentlich gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbarem Staub bilden kann.
Zone 22
Zone 22: Bereich, in dem bei Normalbetrieb gefährliche explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbarem Staub normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt.
Bemerkung: Dies ist gleichbedeutend damit, dass gefährliche explosionsfähige Atmosphäre nur selten und auch nur kurzzeitig auftritt.
Schichten, Ablagerungen und Aufhäufungen von brennbarem Staub sind wie jede andere Ursache, die zur Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre führen kann, zu berücksichtigen.
Chemische Explosionen
Definitionsgemäß erfolgt bei diesen Vorgängen die Energiewandlung durch chemische Reaktionen, die in der gasförmigen, flüssigen, festen Phase oder in gemischten Phasen ablaufen können. Eine Zusammenstellung explosionsfähiger Reaktionssysteme ist in Tabelle 1 enthalten. Auf die Explosionen in Flüssiggasphasen wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
Physikalische Explosionen
Bei diesem Explosionstyp wird die Energiewandlung durch schnell ablaufende physikalische Prozesse verursacht. Für Anlagen sind explosionsartige Phasenübergänge vom flüssigen in den gasförmigen Zustand besonders bedeutsam. Beispiele für physikalische Explosionen sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Voraussetzung für eine physikalische Explosion ist die Ausbildung eines thermodynamischen Ungleichgewichtes mit hinreichend großer Überschussenergie. Die Überschussenergie stammt bei den Temperatur-Ungleichgewichten aus dem Wärmeinhalt der wärmeren Komponente. Bei der sogenannten »Dampfexplosion« kommt es infolge Kontaktierung von Metallschmelzen mit Wasser zu dessen spontanem Übergang in die Dampfphase, der mit der Ausbildung einer Stoßwelle verbunden ist.
Bei der Spontanentspannung von unter erhöhtem Dampfdruck stehenden Behältern resultiert nach der Druckentlastung eine überhitzte Flüssigphase, die durch Abführung von Verdampfungswärme in den Gleichgewichtszustand übergeht.
Inkompatible Systeme
Der Ausdruck »Inkompatibel« steht für unverträglich. Es handelt sich um Stoffkombinationen, die gefährliche Reaktionen verursachen können. Dabei sind nach Kontaktierung der inkompatiblen Stoffe folgende gefährdungsverursachende Mechanismen möglich:
explosionsartige Reaktion
Entwicklung explosionsfähiger Gase bzw. Dämpfe
8.3.2 Grundlegende Begriffsbestimmungen – Seite 4 – 01.06.2015<<Spontanfreisetzung unbrennbarer Gase
Selbsterhitzung oder Selbstentzündung
Tab. 1: Übersicht über mögliche chemische Explosionen
Systemzustand | Zusammensetzung | Reaktionstyp | Beispiele |
---|---|---|---|
Homogene Gasphase | Einkomponentensysteme | Zerfall; Polymerisation | Acetylen; |
Zwei- und Mehrkomponentensysteme | Verbrennung; sonstige Reaktionen | Brennbare Gase/Dämpfe mit Luft oder Sauerstoff; Chlor- und Wasserstoff, Schwefelwasserstoff und Stickstoffmonoxid | |
Gasphase und disperse Phase | Zwei- und Mehrkomponentensysteme | Verbrennung; sonstige Reaktionen | Brennbare Stäube und Nebel mit Luftsauerstoff oder Chlor |
Homogene Flüssigphase | Einkomponentensysteme | Zersetzung; Polymerisation | Dinitroaromaten, Peroxide, Ethylenoxid |
Homogen bzw. Homogenisiert | Zweikomponentensysteme | Durchgehende Reaktion, u.U. mit anschließender Zersetzung | Sulfonierungsgemische von Ethylenoxid |
Heterogene Flüssigphase | Zweikomponentensysteme | Inkompatible Systeme | Phosphoroxidchlorid und Wasser |
Feststoffe | Ein- und Mehrkomponentensysteme | Zersetzung; intramolekulare Oxidation | Azodicarbonamid, Pikrinsäure |
Tab. 2: Physikalische Explosionen
System | Ungleichgewicht | Energiefreisetzung |
---|---|---|
Zweiphasensystem von erhitztem Öl und Wasser | Öltemperatur liegt über Siedetemperatur des Wassers | Spontanverdampfung von Wasser nach Überhitzung (Boil over) |
Austritt von tiefkalten oder verflüssigten Gasen in Wasser | Siedetemperatur des Flüssiggases liegt wesentlich unter der Wassertemperatur | Spontanverdampfung des Flüssiggases |
Eintritt von Metall- oder Salzschmelzen in Wasser | Temperatur der Schmelze liegt wesentlich über 500 ˚C | Spontanverdampfung von Wasser nach Feinfragmentierung der Metallschmelze |
Flüssiggas unter erhöhtem Druck nach Spontanentspannung | Temperatur der Flüssigphase liegt nach der Druckentlastung über dem Siedepunkt bei Normaldruck | Spontanverdampfung von Flüssiggas (Boiling Liquid Expanding Vapor Explosion, BLEVE) |