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Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen)

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 687 – 01.12.2016>>

1. Einleitung mit Beispielen

Bei der Prüfung von BS-Nachweisen oder Konzepten ist immer wieder festzustellen, dass im Zuge der Planungen die BS-Planer und Architekten nur baurechtliche Aspekte berücksichtigen. Die besonderen Gefahren, welche sich aus den Nutzungen ergeben, oder die Berücksichtigung anderer Rechtsgebiete werden schon bei den allgemeinen Angaben der Brandschutzplanungen ausgeschlossen. Diese Aussage trifft in besonderem Maße auf Industriegebäude oder im Gewerbebau zu.

Die Berücksichtigung der Nutzung selbst bzw. die besonderen Gefahren, welche sich aus der geplanten Nutzung ergeben, werden dem späteren Betreiber überlassen. Das trifft auch dann zu, wenn die spätere Nutzung schon bekannt ist.

Wenn der Betreiber vor Inbetriebnahme die obligatorische Gefährdungsbeurteilung durchführt, stellen sich oft Schwachstellen oder Abweichungen von einzuhaltenden Vorschriften des Arbeitsschutz- oder des Gefahrstoffrechtes heraus, welche zusätzliche Maßnahmen des baulichen, anlagentechnischen oder betrieblichen Brandschutzes und teilweise auch zusätzliche Anforderungen an den abwehrenden Brandschutz erforderlich machen.

Unabhängig von den gewerblich/industriell genutzten Gebäuden trifft diese Verfahrensweise auch in anderen Nutzungen zu, vor allem im Krankenhausneu- und -umbau. Die Brandschutzplaner wenden die in einigen Bundesländern eingeführten Brandschutzkonzepte vollständig (Sonderbauvorschriften) an, ohne die besonderen Gefahren auch nur ansatzweise zu berücksichtigen (z.B. die BbgKPBauV, im Zusammenhang mit der Landesbauordnung, den eingeführten Technischen Baubestimmungen und den Verordnungen über technische Anlagen). Neben den krankenhaustypischen bzw. besonderen Bereichen wie Operationsbereiche, Kreißsäle, Intensivstationen werden Forschungsbereiche, Bereiche mit ABCDE-Gefahren wie Labore, Lager für Medikamente, medizinische bzw. andere Druckgase, Röntgenstationen usw. entweder erst gar nicht in den Brandschutzplanungen erwähnt oder den Betreibern aufgetragen, selbst erforderliche Sicherheitsmaßnahmen festzulegen.

Die nachfolgenden konkreten Beispiele sollen diese Problematik darstellen. Diese sind keine Einzelfälle, sondern eine Auswahl. In den Beispielen wird darauf verzichtet, alle erforderlichen und kostspieligen Umbauten aufzuzeigen, welche nach Übernahme des Betreibers erforderlich werden.

Beispiel 1: Neubau eines Laborgebäudes

Ein Laborgebäude (Gebäudeklasse 3) wird nach Landesbauordnung geplant, von der Behörde geprüft und errichtet. Der Brandschutzplaner  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 688 – 01.12.2016<<>>berücksichtigt die Laborräume oder Räume mit ggf. besonderer Nutzung durch feuerbeständige Einhausung (Tür T 30) und sieht vorsorglich zwei bauliche Rettungswege vor, da es sich um einen Sonderbau handelt.

Nach Übergabe bzw. vor Nutzungsaufnahme wurde bei Erstellung der Gefährdungsbeurteilung vom Betreiber festgestellt, dass für die teilweise als BIO II und BIO III einzustufenden Labore bzw. Laborbereiche zusätzliche bauliche, anlagentechnische und gebäudetechnische Maßnahmen erforderlich sind. Das genehmigte BS-Konzept ist zu überarbeiten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z.B. erhöhte Anforderungen an die tragenden und raumabschließenden Bauteile des gesamten Gebäudes (feuerbeständig), die Anzahl der Ausgänge aus den Laborräumen (Fluchtwege), die Feuerwiderstandsfähigkeit und Rauchdichtigkeit der Laborzugangstüren (teilweise T 90 RS bzw. Schleuse mit zweimal T 30 RS und jeweils Sichtfenster), die Baustoffanforderungen der Verkleidungen von Wänden, Decken und Böden der Labore, die Feuerwiderstandsfähigkeit der Belichtungsöffnungen ins Freie (öffenbare Fenster sind ab BIO III nicht zulässig), die Lüftungs- bzw. Absauganlagen sowie die Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Sicherheitsbeleuchtung, Sicherheitsstromversorgung, Blitzschutzvorkehrungen und an die Rückhaltung von Gefahrstoffen, Abwasser und Löschwasser. Außerdem ist eine geeignete Löschanlage zu installieren.

Die zusätzlichen betrieblich/organisatorischen Maßnahmen, wie die Bestellung eines Brandschutzbeauftragten, die Erstellung einer Brandschutzordnung, die Kennzeichnung der Gefahrenbereiche, die Ausstattung mit geeigneten Handfeuerlöschern, die Zugangsregelung bzw. die Verhinderung des Zutritts von Unbefugten und das Vorhalten von Informationen über biologische Arbeitsstoffe bzw. Gefahrstoffe, lassen sich in der Regel nachträglich ohne besonderen Aufwand sicherstellen.

Gleiches gilt für die zusätzlichen Anforderungen des abwehrenden Brand- und Gefahrenschutzes. Zu nennen sind: Erstellen eines Feuerwehrplanes, Organisation eines Lotsendienstes, Beratung der Einsatzkräfte durch fach- und ortskundige Betriebsangehörige und Vorhalten von geeignetem Desinfektionsmittel für die Einsatzkräfte.

Es ist aber leicht nachvollziehbar, dass der erforderliche Umbau des Neubaus vor der ersten Nutzung so nicht geplant war und vermeidbare Kosten verursachte.

Beispiel 2: Neubau einer Wertstoffsammelstelle

Die Brandschutzplanung wurde bei einer Brandschutzdienststelle vorgestellt. Der BS-Nachweis sollte sich weitgehend nur auf die baurechtlichen Anforderungen beziehen. Lediglich die feuerbeständige Einhausung von Gefahrstoffen wurde berücksichtigt.

Im Laufe der Besprechung wurden die Gefährdungen, welche sich aus der bekannten Nutzung ergeben, herausgearbeitet. Zu nennen sind beispielsweise: Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 689 – 01.12.2016<<>>

  • Nähe einer Hochspannungsleitung (Einwirkung auf die Leitungstrasse bzw. Gefahren für die Einsatzkräfte im Brandfall)

  • Lagerung brennbarer Flüssigkeiten (besondere Brandgefahren und Explosionsgefahren für Mitarbeiter, Kunden und Einsatzkräfte)

  • Lagerung von giftigen und teilweise wassergefährdenden Abfällen wie Feststoffen und Flüssigkeiten (Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter, Kunden und Einsatzkräfte, Gefahren für das Grund- bzw. Oberflächenwasser einschließlich der Kanalisation)

  • Lagerung von Druckgasbehältern mit brennbarem, nichtbrennbarem und teilweise giftigem Inhalt (Druckgefäßzerknall mit Auswirkungen für Mitarbeiter, Kunden, Einsatzkräfte)

Auf die »normalen« Gefahren, welche mit der Nutzung von gewerblich genutzten Gebäuden im Zusammenhang stehen, und die daraufhin erforderlichen Maßnahmen wird hier nicht weiter eingegangen.

Festzuhalten ist, dass nicht nur Baurecht, sondern zusätzlich arbeitsschutzrechtliche, gefahrstoffrechtliche, wasserrechtliche Belange betroffen sind, was die Erweiterung der Schutzziele auf diese Bereiche erfordert. Die Schutzzielnachweisführung ist Inhalt der BS-Planung.

Beispiel 3: Neubau Tankstelle

Ein Shopgebäude einer Tankstelle wird in einem Baugenehmigungsverfahren geplant, ohne die direkt benachbarte und teilweise unterhalb der Shopüberdachung liegende Tankanlage, mit Zapfsäulen und Treibstofflagerung, zu berücksichtigen. Der BS-Nachweisersteller fühlt sich für die Tankanlage nicht zuständig. Gleiches gilt für die Bauaufsichtsbehörde. Wenn dieses Gebäude (Gebäudeklasse 3) nicht als Sonderbau eingestuft wird, gibt es eine Baugenehmigung, ohne dass der Brandschutz geprüft werden muss.

Die Tankanlage wird nach Betriebssicherheitsverordnung geplant, beispielsweise vom TÜV geprüft und von der Gewerbeaufsicht genehmigt, ohne die benachbarte Shopnutzung zu berücksichtigen, da die Gewerbeaufsicht nicht für das Shopgebäude zuständig ist.

Die in einer Tankstelle möglichen Brand- oder Explosionsgefahren können nicht über unterschiedliche Rechtsgebiete separiert werden. Die gegenseitige Gefährdung ist vorhanden und deshalb für die zusammenhängende Nutzung zu berücksichtigen. Diese Aufgabe ist im BS-Nachweis/Konzept und für den Einzelfall sicherzustellen.

Beispielsweise sind die Rettungswege aus dem Shop so zu planen, dass einer nicht über den Tankbereich geführt wird. Auch bei der Auslegung der elektrischen Anlage (Ex-Schutz) und den Blitzschutz sind für Shopbereiche die benachbarten Gefahren zu berücksichtigen.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 690 – 01.12.2016<<>>

Beispiel 4: Neubau einer Recyclinganlage

Die geplante Recyclinganlage besteht aus einem Bürotrakt, einer Lagerhalle von ca. 1.800 m2 mit Sortierbereich und dem Freigelände von ca. 10.000 m2, auf dem große Mengen von Papier- und Kunststoffballen gelagert werden sollen. In der Nachbarschaft (30 m Entfernung) befindet sich ein Tanklager für Treibstoffe, welches die erweiterten Pflichten der Störfallverordnung erfüllen muss.

Der BS-Nachweis betrachtet nur die Halle und das Bürogebäude. Von der Nachweiserstellerin wird vorgebracht, dass BS-Nachweise nach BauVorlV nur für Gebäude zu führen sind und nicht für Freilager.

Beispielsweise wird die Löschwasserversorgung mit 1.600 l/min festgelegt, was den Anforderungen der IndBauRL für die Hallengröße entspricht, ohne die enormen Brandlasten im Freilager zu berücksichtigen. Die zusätzlichen Anforderungen aus der eingeführten Kunststofflagerrichtlinie wurden nicht berücksichtigt, da diese nicht in einem Gebäude gelagert werden. Die Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB), in der beispielsweise die Abstände von brennbarer Lagerung im Freien zu Grundstücksgrenzen von anderen brennbaren Lagerungen und von Gebäuden geregelt werden, war nicht bekannt.

Die ggf. zu berücksichtigende Nachbarschaft und die sich dadurch ergebenden zusätzlichen Anforderungen wurden nicht akzeptiert, da

»jeder für sein Grundstück verantwortlich ist und die Nachbarprobleme nicht in den BS-Nachweis gehören«.

Vor Errichtung einer neuen Recyclinganlage ist als Erstes zu prüfen, ob der Standort überhaupt für die Stationierung geeignet ist. Das gilt vor allem, wenn in der Nachbarschaft von störfallrelevanten Anlagen gebaut werden soll (siehe auch § 50 BImschG).

Sollte die Genehmigungsfähigkeit vorgenannter Recyclinganlage an diesem Standort möglich sein, sind im Zuge einer Gefährdungsbeurteilung ggf. zusätzliche Maßnahmen zu berücksichtigen, welche den sicheren Betrieb gewährleisten (Einhaltung der bauaufsichtlichen Schutzziele, einschließlich der Schutzziele des Arbeitsschutz-, Umweltschutz- und Störfallrechtes).

Es können Maßnahmen des baulichen, anlagentechnischen und betrieblichen Brandschutzes zur Anwendung kommen. Im vorliegenden Fall sind ebenfalls abwehrende BS- und auch Maßnahmen des Katastrophenschutzes erforderlich (erweiterte Pflichten der Störfallverordnung).

Beispiel 4b: Recyclinganlage neben Eisenbahnkesselentladung für Treibstoff

In unmittelbarer Nachbarschaft der Eisenbahnkesselwagenentladung des vorgenannten Tanklagers aus Beispiel 4 besteht bereits eine genehmigte Recyclinganlage mit Freilagerungen. Zwischen den beiden Grundstücken  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 691 – 01.12.2016<<>>befindet sich eine Brandwand. Allerdings wurde die Möglichkeit der Brandübertragung über Flugfeuer, zwischen den brennbaren Lagerungen und den Eisenbahnkesselwagen (Entfernung von weniger als 10 m), nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wird auf die bei Entladung teilweise offenen Eisenbahnkesselwagen hingewiesen.

Auf dem Dach einer an der Grundstücksgrenze zum Bahngelände liegenden Lagerhalle wurde nachträglich eine PV-Anlage installiert (grundsätzlich genehmigungsfrei). Die Abmessungen der Halle bzw. der PV-Anlage beträgt ca. 150 × 40 m. Die Halle selbst wurde ohne Brandabschnittsunterteilungen genehmig (vollflächige Löschanlage). Das Lagergut ist im Wesentlichen gepresstes, teilweise loses Papier. Das Dach besteht aus 0,6 mm dickem Wellblech, also ohne jeglichen Feuerwiderstand.

Für diese bestehende Recyclinganlage einschließlich der vorgenannten Papierlagerhalle stellt sich die Frage nach dem Bestandsschutz. Schon durch die obligatorischen Gefährdungsbeurteilungen müsste diese Gefahr erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen vorgesehen werden. Bestandsschutz kennt das Arbeitsschutzrecht, das Gefahrstoffrecht und erst recht das Störfallrecht nicht. Wenn es um die Abstellung von erkannten Gefahren geht, ist das zu erreichende Sicherheitsniveau vom vertretbaren Risiko abhängig.

Beispiel 5: Neubau eines Flüssiggastanks

Es wurde eine Produktionshalle im Baugenehmigungsverfahren geplant, geprüft und genehmigt. Der BS-Nachweis berücksichtigte allerdings nicht die im gleichen Zeitraum von einem anderen Planer und in unmittelbarer Nähe dieser Halle geplante Flüssiggasanlage. Diese Anlage wurde im Zuge eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens geprüft, ohne das benachbarte Gebäude zu berücksichtigen.

Aus brandschutztechnischer Sicht war die Produktionshalle, allein auf Grund der gegenseitigen Beeinflussung bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes, als Sonderbau einzustufen. Der Brandschutznachweis der Produktionshalle musste überarbeitet werden. Neben der eigentlichen Nutzung der Produktionshalle ist auch die gegenseitige Beeinflussungsmöglichkeit, zwischen der Halle und der Flüssiggasanlage, in diesem BS-Nachweis zu berücksichtigen. Beide Genehmigungsverfahren mussten »nachgebessert werden«.

Beispiel:

Beispiel 6: Neubau Ärztehaus

Im Keller werden mehrere Lagerräume für brennbare Flüssigkeiten, Druckgasbehälter und andere Gefahrstoffe vorgesehen. In den Obergeschossen werden Multifunktionsräume geplant (ggf. Nutzung als Labore, Röntgenräume, Kernspinanlagen oder Zahntechnikerwerkstätten). Vom BS-Nachweisersteller werden nur die baurechtlich erforderlichen Maßnahmen berücksichtigt. Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 692 – 01.12.2016<<>>

Die zusätzlichen Maßnahmen, welche sich auf Grund der besonderen Nutzung ergeben (z.B. Arbeitsschutzrecht), werden den späteren Nutzern überlassen.

Das Lager für brennbare Flüssigkeiten benötigt beispielsweise folgende zusätzliche Maßnahmen (auf der Grundlage der TRbF 20, TRGS 510): Festlegung von EX-Schutzzonen, Auslegung der elektrischen Anlage in diesen EX-Schutzzonen, Vorsehen einer Zwangsentlüftung in Abhängigkeit von der Lagerart, Anforderungen an die Baustoffe der Lagerbegrenzung, keine Zulässigkeit von Bodenöffnungen, Vorsehen von Auffangbehältnissen für die Gefahrstoffe, Verhinderung des Zutrittes von Unbefugten, Kennzeichnung, Vorhalten von geeigneten Feuerlöschern, in Abhängigkeit von der Lagermenge, Vorsehen von Brand- oder Gasmeldeanlagen.

Beispiel 7: Neubau einer Brotfabrik

Im BS-Nachweis werden die Produktionsgebäude nach Industriebaurichtlinie geplant, ohne die Gefahren der direkt benachbarten Mehlsilos bzw. die Staubexplosionsgefahr in einigen Produktionsräumen und eine direkt oberhalb des Betriebsgeländes verlaufende Hochspannungsleitung zu berücksichtigen.

Auch hier sind weit reichende Änderungen erforderlich. Nur in Bezug auf die Hochspannungsleitung ist zu berücksichtigen, dass die Luft über dem Brandherd durch den hohen Rußanteil ionisiert wird. Dadurch kann es zu einem Spannungsüberschlag zwischen der Hochspannungsleitung und den Einsatzkräften kommen, und das auch bei Einhaltung der vorgegebenen Schutzabstände. Bei entsprechender Erhitzung ist die Ausdehnung und bzw. das Durchhängen der Leitungen zu berücksichtigen, was bis zum Reißen der Leitungen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Einsatzkräfte, führen kann.

Beispiel 8: Neubau einer Brauerei

Im BS-Nachweis werden die Produktionsgebäude nach Industriebaurichtlinie geplant, ohne die Gefahren der Malzannahme oder Malzsilos, bei denen Staubexplosionsgefahr besteht, zu berücksichtigen. Auch die Kälteanlage der Brauerei bzw. die vom Kältemittel ausgehende Gefahr wurde nicht berücksichtigt.

Nach Einzug ist vom Nutzer auf Grund der Gefährdungsbeurteilung beispielsweise die Staubexplosionsgefahr zu berücksichtigen, was zusätzliche bauliche, anlagentechnische und betriebliche Maßnahmen erforderlich macht. Auch die Vorkehrungen für die Einsatzkräfte sind entsprechend den EX-Gefahren zu erweitern. Gleiches gilt sinngemäß auch für die Kälteanlage, da das Kältemittel giftig ist (Ammoniak). Der genehmigte BS-Nachweis ist kurz nach Nutzungsaufnahme nicht mehr aktuell.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 693 – 01.12.2016<<>>

Beispiel 9: Umnutzung einer bestehenden Halle in ein Gefahrstofflager

Die Lagerhalle wurde nach Mieterwechsel/Nutzungsänderung umgeplant, um alle Anforderungen der Industriebaurichtlinie einzuhalten. Die zusätzlichen Anforderungen aus der Nutzung, welche sich auf Grund der unterschiedlichen Gefahrstoffe bzw. Verpackungsarten ergeben (Druckgasgefäße, brennbare Flüssigkeiten oder giftige bzw. sehr giftige Stoffe), wurden im BS-Nachweis nicht ausreichend gewürdigt.

Vor Nutzungsbeginn mussten allein in Abhängigkeit von den Anforderungen an die Zusammenlagerung (TRbF 20, TRG 280, TRGS 514, TRGS 515, alle mittlerweile weitgehend ersetzt durch die TRGS 510) die einzelnen Lagerbereiche feuerbeständig voneinander getrennt werden. Diese Maßnahme erforderte neben den baulichen Veränderungen die kostspielige Neukonzeption der Lüftungsanlage. Gleiches galt auch für die bestehende Lösch-, Rauch- und Wärmeabzugsanlage.

Beispiel 10: Rettungswegführung aus einem Industriegebäude

Eine ca. 10.000 m2 große Halle mit abgetrennten Räumen in der Halle wurde nach IndBauRL geplant. Die abgetrennten Aufenthaltsräume erhielten entsprechend ihrer Größe entweder einen oder zwei Ausgänge in die Halle (Ziffer 5.5.2 IndBauRL).

Nach Genehmigung, Bau und Übernahme wurde bei der obligatorischen Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass auf Grund der Nutzung einiger der abgetrennten Räume als Aufenthaltsräume diese als gefangene Räume einzustufen waren.

Auf Grund dieser Tatsache mussten zusätzliche Maßnahmen zur Rettungswegsicherung der Aufenthaltsräume vorgesehen werden. Im vorliegenden Fall wurden Verglasungen eingebaut, sodass eine Sichtverbindung zur Halle möglich war. Zusätzlich wurde noch eine Brandmeldeanlage im gesamten Hallenbereich installiert mit Internalarmierung der betroffenen Aufenthaltsräume. Hätte man eine BMA bei der Auslegung der Halle von Anfang an berücksichtigt, wäre eine kostengünstigere Bauweise möglich (allerdings mit Aufschaltung zur Feuerwehr).

Beispiel 11: »Führung des zweiten Rettungsweges«

Es wurde ein Callcenter mit mehreren Bürobereichen, jeweils unter 400 m2, geplant, genehmigt und erstellt. Die Rettungswegsituation entsprach mit einem Zugang zum Treppenraum und einer Anleiterstelle den baurechtlichen Vorschriften.

Vom Arbeitgeber wurde bei der Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass die ca. 95 Mitarbeiter je Nutzungseinheit keinen sicheren zweiten Rettungsweg haben. Es musste nachträglich eine Außentreppe angebaut werden, da die Rettung von 95 Personen über Leitern der Feuerwehr nicht in einer vertretbaren Zeit möglich ist.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 694 – 01.12.2016<<>>

Allgemeingültige Beispiele

Beispiel 12: Rettungsweglängen, -breiten und Kennzeichnung der Rettungswege

Als oft zutreffendes Problem ist die unterschiedliche Rettungsweglänge bzw. Fluchtweglänge nach Baurecht bzw. Industriebaurichtlinie und nach Arbeitsschutzrecht zu nennen.

Z.B.: EX-Bereich, Fluchtweg bis zu 20 m zum nächsten Ausgang aus diesem Raum, bei Lagerung von Sprengstoffen nur 10 m

Demgegenüber nach IndBauRL bis zu 75 m Entfernung zum Ausgang ins Freie, in einen Treppenraum oder in einen anderen Brandabschnitt (Lauflänge kann zusätzlich durch Faktor 1,5 erweitert werden).

Die unterschiedlichen Anforderungen an Türbreiten in Rettungswegen hängen nicht nur von den Anforderungen der Landesbauordnung oder den zutreffenden Sonderbauverordnungen, sondern auch von der Anwendung des Arbeitsschutzrechtes oder deren Technischen Regeln ab (nach ASR A 2.3 von 0,875 bis 2,4 m, abhängig von der Anzahl der Personen im Einzugsgebiet).

Auch die ASR A 1.3 enthält Vorgaben, vor allem in Bezug auf die Kennzeichnung, welche in Arbeitsstätten vom Betreiber zusätzlich zum Baurecht umzusetzen sind.

Beispiel 13: »Gefangene Räume«

Nach den baurechtlichen Vorschriften müssen abgetrennte Räume erst ab einer vorgegebenen Größe der Nutzungseinheiten an das Rettungswegsystem angeschlossen werden (notwendige Flure, Treppenräume, Ausgänge ins Freie). Innerhalb von Nutzungseinheiten bis 200 m2 (bzw. 400 m2 bei Büronutzung) sind gefangene Räume grundsätzlich zulässig, da Flure nicht erforderlich sind (Art. 34 BayBO).

Nach der Industriebaurichtlinie müssen für Produktions- oder Lagerräume ab 200 m2 zwei Ausgänge vorgesehen werden (siehe Beispiel weiter oben). Diese Ausgänge, auch wenn nur einer erforderlich ist, dürfen in denselben Luftraum einer Halle führen.

Auch die offiziellen Erläuterungen lassen keinen Zweifel daran, dass in Industriebauten gefangene Räume zulässig sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in den modernen Brandschutzordnungen, Sonderbauvorschriften oder Richtlinien generell Vorschriften herausgenommen werden, welche für sich heraus gelten. Das trifft im vorliegenden Fall für Treppenraum- und Fluranforderungen zu.

Außerdem gelten für alle Arbeitsstätten die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen an Arbeitsstätten (neben dem Arbeitsschutzgesetz im vorlie- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 695 – 01.12.2016<<>>genden Fall die Arbeitsstättenverordnung und als Technische Regel die Arbeitsstättenrichtlinien z.B. die ASR 1.3 und 2.3).

Ob die konkrete Nutzung von Nutzungseinheiten oder Räume gefangene Aufenthaltsräume zulässt, kann erst im Zuge der regelmäßig zu wiederholenden Gefährdungsbeurteilungen festgestellt werden. Für gefangene Aufenthaltsräume sind in der Regel Maßnahmen vorzusehen, um die Sicherung der Rettungswege zu gewährleisten.

Beispiel 14: »Störfallrelevante Anlagen«

Antragsunterlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bzw. von störfallrelevanten Anlagen oder Betriebsbereichen, müssen auf Grund der »Konzentrationswirkung« neben dem Brandschutz alle betroffenen Rechtsgebiete abdecken. Das bedeutet, der Brandschutz ist nur eines von mehreren zu prüfenden und einzuhaltenden Fachgebieten, was sich auf den Umfang dieser Antragsunterlagen auswirkt.

Aus unterschiedlichen Gründen werden von den Erstellern der Antragsunterlagen die brandschutztechnischen bzw. die baurechtlichen Belange nicht oder nur unzureichend abgedeckt. Das liegt unter anderem daran, dass die Planer nicht auf allen Gebieten kompetent sein können, andererseits wird von den Planern darauf hingewiesen, dass die für den Brandschutz erforderlichen Unterlagen in den Antragsunterlagen enthalten sind, nur verteilt in den jeweiligen Fachkapiteln.

Ein Brandschutznachweis oder Brandschutzkonzept wird aus diesen Gründen entweder erst gar nicht mitgeliefert und wenn doch, dann wird nur die bauliche Hülle betrachtet ohne die besondere Nutzung oder die sich daraus ergebenden Gefahren. Auch Hinweise auf entsprechende Passagen, in denen andere brandschutzrelevante Themen behandelt werden, fehlen oft in den Genehmigungsunterlagen. In diesem Zusammenhang sind z.B. Angaben über die Löschwasserrückhaltung, Lagerung und Rückhaltung von Gefahrstoffen und Explosionsgefahren zu nennen.

Festzuhalten ist, dass im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren das Baugenehmigungsverfahren integriert wird. Das bedeutet, die Bauvorlagen sind zu erstellen und müssen vollständig sein. Dazu gehört auch der vollständige und aussagefähige Brandschutznachweis bzw. das Brandschutzkonzept, bei dem auch die besonderen Gefahren berücksichtigt sind, soweit diese im Zusammenhang mit den Brandgefahren zur Wirkung kommen können.

Zusammenfassung zu den Beispielen

In allen vorgenannten konkreten Beispielen müssen, nach Übernahme oder auf Grund der mit Nutzungsaufnahme durchzuführenden Gefährdungsbeurteilungen, vom späteren Betreiber zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden. Kostenintensiv sind vor allem:

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 696 – 01.12.2016<<>>
  • bauliche Nachrüstungen (z.B. Lage der explosionsgefährdeten Räume an der Außenwand mit Druckentlastungsmöglichkeiten über Fenster oder leichte Dächer, Verkürzung der Flucht- bzw. Rettungswege),

  • gebäudetechnische Nachrüstungen (z.B. entsprechende Auslegung der Lüftungs- oder elektrischen Anlage in Explosions- oder anderen Gefahrenbereichen) und

  • anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen (z.B. Vorsehen von Lösch- oder Gefahrenmeldeanlagen),

  • fallweise auch zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung des abwehrenden Brandschutzes.

Betriebliche Maßnahmen reichen in den meisten Fällen nicht aus, um die nicht berücksichtigten Gefahren aus der Nutzung vollständig zu kompensieren.

Auch bei den allgemeinen Beispielen können sich auf Grund der zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung zusätzliche kostenintensive Anforderungen und Änderungen ergeben.

Die genehmigten Brandschutznachweise oder Konzepte werden spätestens nach Gebäudeabnahme und Nutzungsbeginn abgelegt und dienen nicht als Grundlage für die spätere Nutzung, nicht einmal für die obligatorischen Gefährdungsbeurteilungen.

Die Möglichkeiten der Instrumente BS-Nachweis/Konzept und Gefährdungsbeurteilung werden nicht genutzt. Außerdem fehlt die erforderliche Verzahnung dieser Instrumente.

2. Instrument Gefährdungsbeurteilung

2.1 Schutzziele aus dem Arbeitsschutzrecht

Vor Einführung des ArbSchG /5/im Jahr 1996 und der in den Folgejahren überarbeiteten Verordnungen im Arbeits- und Sicherheitsrecht gab es das Instrument der Gefährdungsbeurteilung nicht als offizielle Anforderung. Die bis dahin bestehenden relativ starren Vorschriften (z.B. Arbeitssicherheitsgesetz aus dem Jahr 1973) wurden von den Behörden und parallel dazu von den Unfallversicherungsträgern durchgesetzt.

Auf Grund der immer fortschreitenden Deregulierung ziehen sich die Behörden immer weiter zurück und überlassen den Betreibern (Arbeitgebern) die Aufgabe, die erforderlichen Maßnahmen für den Einzelfall zu planen. Im Gegensatz zur vorherigen Verfahrensweise stellt sich nicht mehr die Frage »Welche Vorschriften gelten für meinen Betrieb?«, sondern »Welche Gefahren liegen vor und welche Maßnahmen sind erforderlich, um diese abzustellen?«. Diese Herangehensweise ist für das Instrument Gefährdungsbeurteilung gesetzlich verankert. Auch für die Erstellung von Brandschutzkonzepten ist diese möglich.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 697 – 01.12.2016<<>>

Diese grundlegende Umstellung basiert auf der Auswertung wissenschaftlicher Forschungen, welche zur Erkenntnis kamen, dass sichere und gesundheitsgerechte Arbeitssysteme nicht durch Kontrolle geschaffen werden können, sondern nur durch Gestaltung. Dabei ist der Mensch das Maß der Dinge, das bedeutet, bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen steht er im Mittelpunkt. Die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen ergibt sich aus den Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes.

Bei der grundsätzlichen Verantwortlichkeit hat sich nicht viel geändert. Das gilt auch nach Umstellung des Systems auf mehr Eigenverantwortung der Betreiber bei der Planung des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung und das für den konkreten Einzelfall. Das bedeutet, auch vor Einführung des jetzt gültigen Arbeitsschutzgesetzes war der Arbeitgeber für die Einhaltung der zutreffenden Vorschriften verantwortlich.

Mit dem Ziel der Deregulierung zog sich der Gesetzgeber ein Stück weit aus dem Arbeits- und Sicherheitsrecht zurück. Die neuen Rechtsvorschriften enthalten fast ausnahmslos Schutzziele bzw. Aufgaben und verzichten weitgehend auf konkrete Vorgaben. Es werden lediglich in den erlassenen Technischen Regeln Möglichkeiten für die Schutzzielerreichung vorgeschlagen. Das bedeutet, bei Einhaltung der zutreffenden Technischen Regeln oder den dort beispielhaft genannten Maßnahmen gilt die so genannte »Vermutungswirkung«. Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass die vorgegebenen Schutzziele erreicht sind, wenn die zutreffenden Technischen Regeln umgesetzt werden. Dazu gehört aber auch die Einhaltung aller Randbedingungen.

Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, erlangt die Gefährdungsbeurteilung eine höhere Bedeutung. Der Arbeitgeber muss dann die Schutzzielerreichung allein auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nachweisen (vergleichbar mit einem nicht vorgegebenen Brandschutzkonzept für nicht geregelte Sonderbauten).

Auf Grund der unterschiedlichen und sich im Nutzungszeitraum immer ändernden Randbedingungen ist die Schutzzielerreichung im Arbeitsschutz- bzw. Sicherheitsrecht grundsätzlich immer nachzuweisen und das in selbst festzulegenden Abständen. Dadurch wird eine mögliche Lücke zwischen den sich ändernden Anforderungen im Einzelfall und den starren Vorgaben aus den Technischen Regeln geschlossen.

Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Schutzziele in Bezug auf den Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz bzw. die Sicherheit der Gebäudenutzer und Arbeitnehmer ergeben sich im Nutzungszeitraum aus dem ArbSchG bzw. auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen (ArbStättV, BetrSichV, GefStoffV, BioStoffV usw.). In anderen Rechtsgebieten, welche besondere Gefährdungen bzw. den »Umgang mit diesen Gefährdungen« regeln, sind ähnliche Schutzzielvorgaben umzusetzen. Auch die BayBO verpflichtet den Nutzer baulicher Anlagen, die bei Genehmigung festgelegten Brandschutzvorkehrungen und damit die baurechtlichen Schutzziele dauerhaft sicherzustellen.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 698 – 01.12.2016<<>>

Nach Arbeitsschutzgesetz ergibt sich folgendes Schutzziel:

»Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern.« (§ 1 Abs. 1 ArbSchG)

»Der Arbeitgeber ist verpflichtet, … eine Verbesserung von Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.« (§ 3 ArbSchG)

»Die Arbeit ist so zu gestalten, dass Gefährdungen für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibenden Gefährdungen möglichst gering gehalten werden.« (§ 4 Abs. 1 ArbSchG)

Schutzziele der Arbeitsstättenverordnung:

»Diese Verordnung dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten.« (§ 1 Abs. 1 ArbStättV)

»Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten … so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgehen.« (§ 3 Abs. 1 ArbStättV)

Schutzziele der Betriebssicherheitsverordnung:

»Der Arbeitgeber hat die nach den allgemeinen Grundsätzen des § 4 des Arbeitsschutzgesetzes erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit den Beschäftigten nur Arbeitsmittel bereitgestellt werden, die für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet sind und bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung Sicherheits- und Gesundheitsschutz gewährleistet sind. Ist es nicht möglich, dem gemäß Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten im vollem Umfang zu gewährleisten, hat der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Gefährdung so gering wie möglich zu halten.« (§ 4 Abs. 1 BetrSichV)

Schutzziele der Gefahrstoffverordnung:

»Der Arbeitgeber hat festzustellen, ob die verwendeten Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse bei Tätigkeiten, auch unter Berücksichtigung der verwendeten Arbeitsmittel, Verfahren und der Arbeitsumgebung sowie ihrer möglichen Wechselwirkungen, zu Brand- oder Explosionsgefahren führen können.« (§ 7 Abs. 3 GefStoffV)

»Gefahrstoffe sind so aufzubewahren oder zu lagern, dass sie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden.« (§ 8 Abs. 6 GefStoffV)

Die Schutzziele der Biostoffverordnung, der Strahlenschutzverordnung und aller weiteren Verordnungen aus dem Arbeits- bzw. »Sicherheitsrecht« gehen in dieselbe Richtung. Die Umsetzung dieser vom Gesetzgeber vor- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 699 – 01.12.2016<<>>gegebenen Schutzziele ist mit dem Instrument Gefährdungsbeurteilung auf Grundlage von § 5 ArbSchG sicherzustellen. Die Nachweisführung über Gefährdungsbeurteilungen wird in allen vorgenannten Verordnungen konkretisiert.

Wie bereits erwähnt, sind in den Technischen Regeln Möglichkeiten oder Vorschläge zur Schutzzielerreichung aufgezeigt.

Als Beispiel nachfolgend die Vorgaben der Fluchtweglängen aus der ASR A 2.3:

»Die Fluchtweglänge muss möglich kurz sein und darf

  1. a)

    für Räume, ausgenommen Räume nach b) bis f) bis zu 35 m

  2. b)

    brandgefährdete Räume mit selbstständigen Feuerlöscheinrichtungen bis zu 35 m

  3. c)

    brandgefährdete Räume ohne selbstständige Feuerlöscheinrichtungen bis zu 25 m

  4. d)

    giftstoffgefährdete Räume bis zu 20 m

  5. e)

    explosionsgefährdete Räume, ausgenommen Räume nach f) bis zu 20 m

  6. f)

    explosivstoffgefährdete Räume bis zu 10 m betragen.

Die tatsächliche Lauflänge darf jedoch nicht mehr als das 1,5-Fache der Fluchtweglänge betragen. Sofern es sich bei einem Fluchtweg nach a), b) oder c) auch um einen Rettungsweg handelt und das Bauordnungsrecht der Länder für diesen Weg eine von Satz 1 abweichende längere Weglänge zulässt, können beim Einrichten und Betreiben des Fluchtweges die Maßgaben des Bauordnungsrechtes angewandt werden.« (Ziffer 5, Abs. 2 ASR A 2.3)

Hier werden die quantitativen Unterschiede zwischen den Anforderungen aus dem Baurecht und dem Arbeitsschutzrecht sehr deutlich (von 30 bis 75 m nach IndBauRL oder 10 bis 35 m nach ASR 2.3).

Wie bereits erwähnt, müssen die Vorgaben aus den Technischen Regeln des Arbeitsschutzrechtes nicht zwingend eingehalten werden. Nachfolgend beispielsweise die vom Gesetzgeber in der ArbStättV vorgegebene Möglichkeit, von Technischen Regeln abzuweichen:

Der Arbeitgeber hat die … Regeln für Arbeitsstätten zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der … genannten Regeln ist davon auszugehen, dass die in der Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber die Regeln nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen. (§ 3 Abs. 1 ArbStättV)

Allerdings können die sehr unterschiedlichen Längen der Flucht- oder Rettungswege, für z.B. giftstoff-, explosions- oder explosivstoffgefährdete Räume, nicht einfach ignoriert werden, auch nicht mit Hilfe von entsprechend begründeten Gefährdungsbeurteilungen. Wenn die entspre- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 700 – 01.12.2016<<>>chend der späteren Nutzung erforderlichen Rettungsweglängen bei der Planung und Erstellung der Gebäude nicht bereits berücksichtigt wurden, sind ggf. Umbaumaßnahmen noch vor Inbetriebnahme erforderlich. Ggf. kann die gleiche Sicherheit der Arbeitnehmer durch anlagentechnische Maßnahmen erreicht werden.

Zur Vollständigkeit ist noch zu erwähnen, dass auch im Arbeitsschutzrecht, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Schutzzielen, der Arbeitgeber »private Schutzziele« vorgeben kann. Zur Erreichung dieser zusätzlichen Schutzziele sind entsprechend abgestimmte Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Gefährdungsbeurteilungen können ein höheres Sicherheitsniveau als das vom Gesetzgeber vorgegebene anstreben.

2.2 Gefährdungsbeurteilung Grundlagen

2.2.1 Allgemeines

Das Leben steckt voller Gefährdungen. Das trifft nicht nur für die Arbeitsprozesse zu, sondern auch für alle privaten Bereiche (Autofahren, Sport, Haushalt, Reisen usw.). Nicht alle Bereiche sind reglementiert.

Das Instrument »Gefährdungsbeurteilung« ist für den weit gegriffenen gewerblichen Bereich zur Verpflichtung erhoben worden, um eine systematische Bewertung vorzunehmen. Das Ziel ist, alle möglichen Gefährdungen zu erfassen, zu bewerten und für den Einzelfall die optimalen Abwehrmaßnahmen festzulegen, und das in Abhängigkeit von den zutreffenden Schutzzielen.

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung, der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. (§ 5 ArbSchG)

Außerdem sind auch die Zeiträume und andere Randbedingungen festzulegen, nach denen diese Gefährdungsbeurteilungen zu wiederholen sind, um die Arbeitnehmer auf Dauer und damit bei den sich oft ändernden Arbeitsbedingungen zu schützen.

Hier ist klarzustellen, dass Gefährdungsbeurteilungen nicht nur in Betrieben oder im Gewerbe, sondern überall dort zwingend durchzuführen sind, wo Arbeitnehmer beschäftigt werden, also im gesamten Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes. Dazu gehören beispielsweise auch Schulen, Kindergärten, Versammlungsstätten, Universitäten, Gaststätten, Hotels und Büronutzungen.

Für einzelne Bereiche oder gefährliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel vor Beginn von Schweißarbeiten oder ähnlichen thermischen Verfahren, vor  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 701 – 01.12.2016<<>>Arbeiten in Gruben oder engen Räumen bzw. Behältern oder Abbrucharbeiten von gefährlichen Anlagenteilen, gab es schon vor Einführung des jetzt gültigen Arbeitsschutzgesetzes ähnliche Anforderungen (z.B. aus VVB, VDS 2038). Diese Aussage galt auch für den anderen Teil Deutschlands, zumindest für Schweißarbeiten (TGL 30270), für das Befahren von Behältern und engen Räumen (TGL 30047) und für das Verhüten von Bränden und Explosionen (TGL 30042).

Wie bei der Gefährdungsbeurteilung war (und ist) bei vorgenannten »gefährlichen Tätigkeiten« auch die Abgrenzung des gefährdeten Bereiches verpflichtend. Dazu gehören auch die Ermittlung bzw. Bewertung der Gefährdungen, das Festlegen von Schutzzielen, der erforderlichen Maßnahmen und die Prüfung der Wirksamkeit. Dieser Vorgang musste schon immer täglich wiederholt und auch dokumentiert werden (z.B. bei Schweißarbeiten, außer für feste Schweißarbeitsplätze). Ähnliche Vorgaben gab es auch schon länger im Zusammenhang mit dem Explosionsschutz.

Für andere Tätigkeiten wie Fliegen, Fallschirmspringen, Klettern oder Tauchen waren ebenfalls schon länger »Gefährdungsbeurteilungen« obligatorisch, welche nicht nur auf den gewerblichen Bereich beschränkt, sondern auch bei entsprechenden Freizeitaktivitäten durchzuführen waren und noch sind.

Die Gefährdungen im »regelungsbedürftigen« gewerblichen Bereich können in unterschiedliche Gefährdungsarten unterteilt werden (§ 5 Abs. 3 ArbSchG und TRBS 1111). Nach dem Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung, Gruber-Mierdel, wurde diese Unterteilung noch erweitert.

Gefährdungsarten:

  • Mechanische Gefährdungen

  • Elektrische Gefährdungen

  • Gefährdungen durch Gefahrstoffe

  • Biologische Gefährdungen

  • Brand- und Explosionsgefährdungen

  • Thermische Gefährdungen

  • Gefahren durch spezielle physikalische Einwirkungen

  • Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen

  • Physische Belastungen bzw. Arbeitsschwere

  • Gefährdungen durch verringerte Wahrnehmung und Probleme bei der Handhabbarkeit

  • Psychische Belastungen

  • Gefährdungen durch mangelnde Organisation des Arbeitsprozesses

  • Sonstige Gefährdungen

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 702 – 01.12.2016<<>>

In der Regel treten immer mehrere Gefährdungsarten gemeinsam auf. Deshalb ist eine klare Trennung der festzulegenden Maßnahmen nicht möglich.

In den letzten Jahren nehmen die Gefährdungen durch psychische Belastungen drastisch zu, so dass die daraus folgenden Krankheitsbilder bald die Nummer 1 der berufsbedingten Erkrankungen sind. Gleiches ist als Hauptgrund für die Frühverrentung zu erwarten (gilt beim pädagogischen Personal jetzt schon).

Nach dem Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Gegenmaßnahmen zu treffen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls an die sich ändernden Bedingungen anzupassen. Dabei hat er die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Hierzu ist eine gezielte und systematische Ermittlung und Bewertung der einzelnen Gefährdungen vorzunehmen und diese in geeigneter Weise zusammenzufassen.

Die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung wurde in weiteren Rechtsvorschriften konkretisiert (z.B. Arbeitsstättenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Gefahrstoffverordnung, Biostoffverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, Lastenhandhabungsverordnung). Die berufsgenossenschaftliche Vorschrift BGV A 1 »Grundsätze und Prävention« (seit 2014 DGUV Vorschrift 1) verlangt ebenfalls im § 3 die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung. Auch auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der Störfallverordnung werden ähnliche, allerdings weitergehende Anforderungen gestellt.

Das Instrument »Gefährdungsbeurteilung« erleichtert bzw. ermöglicht dem Arbeitgeber die Erfüllung seiner Pflicht zur regelmäßigen Unterweisung der Beschäftigten über die Gefahren, die getroffenen Schutzmaßnahmen und das erforderliche Verhalten. Im Zuge der Belehrungen sind nicht nur Vorschriften vorzulesen, sondern die im konkreten Fall vorliegenden Gefahren und die daraufhin festgelegten Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung sind zu thematisieren. Bei diesen Belehrungen können auch von den Mitarbeitern noch Schwachstellen erkannt und ggf. Mängel der Gefährdungsbeurteilung behoben werden.

Um dem Ziel der Gefährdungsbeurteilung gerecht zu werden, ist diese für jede ausgeübte Tätigkeit, jeden Arbeitsplatz bzw. Arbeitsbereich erforderlich. Bei gleichartigen Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen sind Zusammenfassungen möglich. Auf Grund der vielfältigen Gefährdungen sollte die Gefährdungsbeurteilung systematisch unter Einbeziehung aller möglichen Gefährdungsarten vorgenommen werden. Das bedeutet, es gibt nur eine Gefährdungsbeurteilung (keine eigene für die Brandgefahr).

Die Verantwortung für die Erstellung und Dokumentation liegt zwar beim Betreiber, welcher diese Aufgabe auf geeignete Personen übertragen kann. Das können betriebliche Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte, Sicherheitsbeauftragte, Angehörige des Betriebs- oder Personalrates und Beschäftigte sein. Dazu gehört auch, dass den Mitarbei- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 703 – 01.12.2016<<>>tern für diese Aufgaben die erforderliche Zeit und Mittel zur Verfügung zu stellen sind. Der Arbeitgeber kann auch externe Fachkräfte mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beauftragen, kann sich aber nicht aus diesem Prozess ausklinken. Das gilt auch für die zuständigen Führungskräfte.

In jedem Fall bleiben den Arbeitgebern drei zentrale Pflichten in Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung und der Sicherstellung des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes. Das sind die Pflichten der Organisation, die sorgfältige Auswahl geeigneter Personen und die Überwachung. Das bedeutet, die Organisationsverantwortung, die Auswahlverantwortung und die Aufsichtsverantwortung verbleiben beim Arbeitgeber.

Für die Arbeitgeber besteht die Dokumentationspflicht. Mindestanforderungen an die Dokumentation sind das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen und die Wirksamkeitsprüfungen mit den ggf. daraufhin eingeleiteten Maßnahmen.

In Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten gelten geringere Anforderungen in Bezug auf die Dokumentationspflicht. Allerdings gelten die Vergünstigungen für besonders gefährdete Bereiche, wie beispielsweise in Bereichen mit Explosionsgefahr oder Bereichen, in denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, nur zum Teil. Für diese Bereiche ist in jedem Fall ein Explosionsschutzdokument oder das Gefahrstoffverzeichnis zu erstellen.

Auf Grundlage der vorgenannten Verordnungen wurden und werden Technische Regeln erlassen, welche Hilfestellung für die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen geben (TRBS 1111, TRGS 400, TRBA 500). Wie bereits dargelegt, werden in den zutreffenden Technischen Regeln Vorschläge für die festzulegenden Maßnahmen aufgezeigt.

Die einzelnen Unfallversicherungsträger geben sehr gut ausgearbeitete Informationsschriften und Handlungsanweisungen zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen heraus.

2.2.2 Arbeitsschritte der Gefährdungsbeurteilung

Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ergeben sich folgende Schritte:

  • Abgrenzung des Geltungsbereiches

  • Ermittlung der Gefährdungen

  • Bewertung der Gefährdungen (Risikoeinschätzung)

  • Schutzziele festlegen

  • Maßnahmen auswählen und umsetzen

  • Dokumentation

  • Wirksamkeit prüfen

  • Fortschreiben des Verfahrens

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 704 – 01.12.2016<<>>

Auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de) und der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (http:/osha.europa.eu) und vielen weiteren Quellen werden teilweise andere bzw. ausführliche Arbeitsschritte für die Gefährdungsbeurteilung vorgegeben.

Festzustellen ist, dass alle vorgegebenen Arbeitsschritte vom Grundsatz in die gleiche Richtung führen. Wichtig ist zu erkennen, dass es sich bei der Gefährdungsbeurteilung nicht um einen starren oder einmaligen Prozess handelt, sondern dass die sich bei der Arbeit ständig ändernden Randbedingungen, die Feststellungen von Schwachstellen durch die Mitarbeiter und die Erfahrungen in vergleichbaren Bereichen, z.B. von Wettbewerbern, Berücksichtigung finden müssen. Das ist auch der große Vorteil gegenüber der konventionellen Verfahrensweise, Vorgabe starrer Regeln in Gesetzen und Verordnungen und gelegentlicher Kontrolle von außen.

Zeitversetzt zu den neuen Erkenntnissen werden die zutreffenden gesetzlichen Grundlagen, die Technischen Regeln und die Unfallverhütungsvorschriften, einschließlich der berufsgenossenschaftlichen Regeln oder Informationen, dem Erfahrungsstand angepasst. Die Planung der Sicherheit kann mit dem Instrument Gefährdungsbeurteilung schneller auf die sich ändernden Randbedingungen reagieren, was ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber der althergebrachten Verfahrensweise ist.

Bestandsschutz, wie im Baurecht obligatorisch, kann für einmal durch den Betreiber festgelegte Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht in Anspruch genommen werden.

2.2.3 Berücksichtigung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen

Grundsätzlich sind immer die baulichen Gegebenheiten bei der Beurteilung der Gefährdungen zu Grunde zu legen. Entsprechende Vorgaben sind aus dem Baurecht zu entnehmen.

Das Baurecht regelt in der Regel das Bauen. Im Nutzungszeitraum sind eben zusätzliche Gefährdungen und die jeweils zutreffenden Vorgaben zu berücksichtigen (vereinfacht ausgedrückt gilt für den Nutzungszeitraum das »Nutzungsrecht«). Hier gilt immer die Arbeitsstätten Verordnung vor allem für den Betrieb der baulichen Anlage.

Die Berücksichtigung der Arbeitsmittel (Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen), von denen Gefahren ausgehen können, ist entscheidend bei der Sicherung des Arbeits-, Gesundheits- und Brandschutzes.

Die Betriebssicherheitsverordnung bzw. die Mindestanforderung des Anhanges 2 ist beim Einsatz von Arbeitsmitteln einzuhalten. Wichtige Handlungshilfen können aus den zutreffenden Technischen Regeln Betriebssicherheit entnommen werden. Bis zur vollständigen Ablösung gelten in Teilbereichen noch die alten Technischen Regeln. Weitere Informationsquellen in Bezug auf die Sicherheit von Arbeitsmitteln sind die berufsgenossenschaftlichen Regeln, Informationen und Grundsätze.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 705 – 01.12.2016<<>>

Zur Sicherstellung vorgenannter Anforderungen an die Arbeitsmittel bzw. um der besonderen Gefahr zu begegnen, werden regelmäßige Prüfungen dieser Arbeitsmittel und insbesondere der Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen vorgeschrieben.

Wenn mehrere Maschinen zu einer Anlage zusammengefügt werden, muss vom Hersteller eine Risikoanalyse für diese Anlage erstellt, dem Betreiber übergeben und von diesem vorgehalten werden. Die Einhaltung der aus der Risikoanalyse hervorgegangenen Sicherheitsanweisungen des Herstellers ist in jedem Fall erforderlich. Ggf. sind die von der Anlage ausgehenden Restgefahren mit der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung zu eliminieren.

Im Zuge der Deregulierung wurden die Fristfestlegung und die Verantwortung für die Prüfungen von Arbeitsmitteln dem Betreiber auferlegt (BetrSichV). Das bedeutet, er muss die Umsetzung der Prüfpflichten und den Prüfumfang auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung selbst festlegen. Um eine Mindestsicherheit zu gewährleisten, sind für besonders gefährliche Arbeitsmittel (überwachungsbedürftige Anlagen oder Anlagen in EX-Bereichen) Höchstfristen festgelegt, welche nicht überschritten werden dürfen. Für diese Anlagen ergibt sich der Prüfumfang aus Herstellerangaben und aus den zutreffenden Technischen Regeln.

Für bestimmte Arbeitsmittel hat der Gesetzgeber die Prüfung durch befähigte Personen oder durch zugelassene Überwachungsstellen vorgeschrieben.

Für alle Arbeitsmittel gilt, dass die Prüfungen vor der Inbetriebnahme, nach jeder wesentlichen Änderung, umgehend nach Schadensfällen (Unfällen, Bränden), bei Verdacht auf Mängel und den vom Betreiber festzulegenden Fristen durchzuführen sind.

Gleiches gilt auch für die Erstellung oder Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung.

Das bedeutet, die Gefährdungsbeurteilung ist durchzuführen

  • als Grundlage der Planung oder Beschaffung von Arbeitsmitteln,

  • als Erstbeurteilung vor Inbetriebnahme,

  • bei jeder Änderung, welche den Sicherheits- und Gesundheitsschutz gefährden kann,

  • in regelmäßigen Abständen (vom Betreiber festzulegen in Abhängigkeit von der Beanspruchung und der möglichen Gefährdung),

  • bei Änderungen des Standes der Technik bzw. des Standes der Sicherheitstechnik (wenn diese Neuerungen den zu beurteilenden Bereich betreffen) und

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 706 – 01.12.2016<<>>
  • nach Havarien, Unfällen, Beinaheunfällen, Bränden, Explosionen, Berufskrankheiten und anderen arbeitsbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen (auch bei Mitbewerbern oder in Auswertung entsprechender Meldungen der Medien).

Beim Umgang mit Gefahrstoffen oder dem Betreiben von Gefahrstofflägern ist ähnlich vorzugehen. Auf der Grundlage der Gefahrstoffverordnung bzw. der durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung sind Gefahrstoffkataster anzufertigen. Auf Grund der Gefahrstoffkataster ist die Lagerung zu planen und zu überwachen bzw. auszuschließen, dass z.B. durch Alterung der Gefahrstoffe, der Gebinde oder nicht zulässiger Zusammenlagerung zusätzliche Gefährdungen entstehen.

Die Lagerungen von Gefahrstoffen und vor allem die sich daraus ergebenden Gefährdungen sind in geeigneter Form für die Einsatzkräfte zu dokumentieren (Feuerwehreinsatzplan, Sicherheitsdatenblätter oder besser eine Einsatzakte für die Feuerwehr).

2.2.4 Explosionsgefährdete Bereiche

Arbeitsmittel in explosionsgefährdeten Bereichen müssen besondere Anforderungen erfüllen. Gerade in solchen Bereichen hat der Arbeitgeber auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zu ergreifen, welche die Sicherheit der Beschäftigten und der Nachbarschaft gewährleisten.

Die Gefährdungsbeurteilung muss in explosionsgefährdeten Bereichen folgende Fragen beantworten:

  • Kann im zu beurteilenden Bereich oder in der zu beurteilenden Anlage bzw. im Inneren von Apparaturen explosionsfähige Atmosphäre auftreten?

  • Können explosionsfähige Atmosphären auf Grund der örtlichen oder betrieblichen Verhältnisse vorhanden sein oder entstehen und wo können sie auftreten?

  • Sind die explosionsfähigen Atmosphären auf Grund der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse gefahrdrohend? Nur in diesem Fall ist eine Zoneneinteilung erforderlich.

In der Regel ist schon bei weniger als 10 Liter explosionsfähigem Volumen von Gasen, Dämpfen oder Nebeln in Räumen eine gefahrdrohende EX-Atmosphäre vorhanden.

In Räumen kleiner 100 m3ist auch ein kleineres Volumen der EX-Atmosphäre gefahrdrohend (ca. ab 10 % des Raumvolumens).

Zum Beispiel führt ein Rest von einem Teelöffel Benzin in einem leeren 200-Liter-Benzinfass zu einer gefahrdrohenden Menge bzw. besteht in diesem technisch leeren Fass Explosionsgefahr.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 707 – 01.12.2016<<>>

Staubexplosionsgefahr ist immer gefahrdrohend, da diese Gefahr nicht gemessen werden kann. Eine Staubschicht brennbarer Stäube von 1 mm Dicke auf dem Fußboden kann bei Aufwirbelung den gesamten Raum mit einer staubexplosionsfähigen Atmosphäre füllen.

Eine gefahrdrohende Menge im Freien ist im Einzelfall abzuwägen.

  • Welche wirksamen Zündquellen sind vorhanden?

  • Mit welchen Auswirkungen von Explosionen ist zu rechnen?

In explosionsgefährdeten Bereichen sind auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung die daraus abzuleitenden Sicherheitsmaßnahmen in einem Explosionsschutzdokument darzustellen.

Mit dem Explosionsschutzdokument ist nachzuweisen:

  • dass die Explosionsgefahr ermittelt und bewertet worden ist,

  • in welchen Bereichen eine Explosionsgefahr auftreten kann, differenziert nach der Art der explosionsfähigen Atmosphäre und deren Auftrittswahrscheinlichkeit (Einteilung in Zonen),

  • mit welchen Maßnahmen eine Gefährdung vermieden bzw. auftretenden Gefährdungen begegnet werden soll,

  • nach welchen Kriterien Arbeitsmittel für explosionsgefährdete Bereiche auszuwählen sind und

  • welche betrieblich/organisatorischen Maßnahmen erforderlich sind.

Dabei werden die zu ergreifenden Explosionsschutzmaßnahmen in drei Gruppen unterteilt, welche in dieser Reihenfolge festzulegen sind. In der Regel werden die Explosionsschutzmaßnahmen kombiniert.

Explosionsschutzmaßnahmen werden folgendermaßen eingeteilt:

  1. a)

    Primärer Explosionsschutz (Verhinderung der Entstehung einer EX-Atmosphäre)

    • Ersatz des brennbaren Stoffes (Substitution)

    • Begrenzung der Konzentration (z.B. Unterschreitung des Flammpunktes einer brennbaren Flüssigkeit)

    • Verringerung des Sauerstoffgehaltes (z.B. Dauerinertisierung)

    • Grundsätzliche Verhinderung einer Explosion (z.B. Arbeiten unter Vakuum)

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 708 – 01.12.2016<<>>
  2. b)

    Sekundärer Explosionsschutz (Verhinderung der Zündung)

    • Einteilung in EX-Zonen (siehe auch BGR 104)

    • Auswahl der Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren unter Berücksichtigung der Zündgefahren in den EX-Zonen mit dem Ziel der Zündvermeidung

    • Gleiches gilt für andere Zündquellen wie elektrische Betriebsmittel

    • Eingrenzung der Zündgefahren durch bauliche Begrenzung der EX-Bereiche

  3. c)

    Tertiärer/Konstruktiver Explosionsschutz (Begrenzung der Auswirkung einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß)

    • Explosionsdruckfeste und explosionsstoßdruckfeste Bauweise der Behälter und Anlagen, in denen EX-Gefahr besteht

    • Explosionsdruckentlastung durch Klappen, Berstscheiben und Ableitung in sichere Bereiche

    • Explosionsunterdrückung durch schnelles Einbringen von geeignetem Löschmittel

    • Explosionsschutztechnische Entkopplung von Anlagenteilen

Das Explosionsschutzdokument muss in der Regel beinhalten:

  • Gefährdungsbeurteilung einschließlich der getroffenen bzw. durchgeführten Maßnahmen (baulich, anlagentechnisch, betrieblich/organisatorisch, abwehrend)

  • Zoneneinteilung (soweit die Entstehung einer EX-Atmosphäre nicht verhindert werden kann)

  • Angaben/Inhalte zur Unterweisung

  • Angaben zu Instandhaltungsmaßnahmen

  • Angaben zu Koordination von sicherheitstechnischen Maßnahmen

Als Anlagen zum Explosionsschutzdokument sind z.B. folgende Dokumente erforderlich:

  • Reinigungspläne (zur Minimierung der Staubablagerung)

  • Prüfnachweise für Apparate

  • Arbeitsanweisungen

  • Unterweisungsnachweise

  • Arbeitsfreigaben (Befahrerlaubnisscheine, Schweiß- oder Heißerlaubnisscheine)

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 709 – 01.12.2016<<>>
  • Sicherheitsdatenblätter mit physikalisch-chemischen Eigenschaften wie z.B. Brenn- und Explosionskenngrößen brennbarer Stäube, Flammpunkt brennbarer Flüssigkeiten

  • Planunterlagen (Gebäudepläne, Aufstellungspläne, Lüftungspläne)

  • Verwendbarkeitsnachweise, Übereinstimmungsnachweise, Herstellererklärungen, EG-Konformitätserklärungen

2.2.5 Basisregelungen zur Sicherung des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes

Unabhängig von den Ergebnissen einer Gefährdungsbeurteilung und den sich dadurch ergebenden Maßnahmen gibt es eine Reihe von Basisregelungen, welche nahezu immer zutreffen und umzusetzen sind. Rechtlich gesehen basieren diese Forderungen aus dem Arbeitsschutzgesetz und aus der Unfallverhütungsvorschrift der gewerblichen Berufsgenossenschaften.

Unternehmerpflichten

  • Organisation des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes im Betrieb

  • klare schriftliche Regelung der Verantwortlichkeiten und Aufgabenverteilung

  • Beachtung der Auswahlverantwortung und Aufgabenübertragung an Mitarbeiter einschließlich der Überprüfungsverantwortung

  • Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb

  • Erstellung von Notfallplänen

  • Koordination von Fremdarbeitern in Bezug auf gegenseitige Gefährdung

  • Stillsetzung schadhafter Anlagen, Einziehung schadhafter Arbeitsmittel oder Instandsetzung

  • Schutz vor Wetterauswirkungen bei Arbeiten im Freien

  • Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung und Regelung der bestimmungsgemäßen Verwendung

  • klar formulierte, ständig verfügbare Arbeitsanweisungen

  • Durchführung regelmäßiger Unterweisungen mit Nachweisführung

Mitarbeiterpflichten

  • Unterstützung der Arbeitgeber bei den Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Beachtung der Ge- und Verbote

  • Erkennbar gegen Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz gerichtete Anweisungen dürfen nicht befolgt werden

  • Arbeitsaufnahme nur in einem Zustand, der sich oder andere nicht gefährdet (Alkohol, Drogen, Medikamente)

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 710 – 01.12.2016<<>>
  • Meldung von Mängeln der Arbeitsmittel oder Arbeitsstätten an den Vorgesetzten oder sofortige Mängelbeseitigung bzw. Außerbetriebnahme

  • Bestimmungsgemäße Verwendung der Arbeitsmittel und deren Schutzeinrichtungen im Rahmen der übertragenen Arbeitsaufgabe

  • Benutzung und bestimmungsgemäßer Gebrauch der persönlichen Schutzausrüstung

Alle Mitarbeiter sind … »verpflichtet nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisungen des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen« (§ 15 ArbSchG).

3. Gefährdungsbeurteilung mit dem Schwerpunkt Brand- und vergleichbarer Gefährdung

3.1 Einführung

Nach Angaben der Berufsgenossenschaften ereignen sich jährlich ca. 3.500 Arbeitsunfälle deutschlandweit, deren Ursachen auf Brände und Explosionen zurückzuführen sind. Daraus lässt sich ableiten, dass Brandschutz auch Arbeitsschutz ist.

Die Grundlage des Brandschutzes und wie festgestellt auch des Arbeitsschutzes wird im baurechtlichen Genehmigungsverfahren bzw. mit dem Instrument BS-Nachweis/Konzept festgelegt. Die Abwendung von Brandgefahren kann aber nicht allein mit den festgelegten Maßnahmen aus vorgenannten Brandschutzplanungen erreicht werden. Die Ergebnisse von Feuerbeschauen oder vergleichbaren behördlichen Prüfungen im Nutzungszeitraum bestätigen diese Feststellung.

Auf Grund der Arbeitgeberverpflichtung, alle erforderlichen Maßnahmen einzusetzen, um den Schutz der Beschäftigten sicherzustellen (§ 4 ArbSchG), lässt sich die Erforderlichkeit einer regelmäßigen Überprüfungspflicht der baulichen, anlagentechnischen, betrieblichen und abwehrenden Brandschutzvorkehrungen ableiten.

Das bedeutet, die Brandschutzvorkehrungen aus der Baugenehmigung bzw. die genehmigten Brandschutzplanungen sind regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Diese Brandschutzplanungen sind somit auch Grundlage der Gefährdungsbeurteilungen im Nutzungszeitraum.

Die Gefährdungsbeurteilung muss immer alle möglichen Gefahren oder Gefährdungen berücksichtigen. Brand- und vergleichbare Gefahren oder deren mögliche Auswirkungen können niemals ausgeschlossen werden. Das trifft in besonderem Maße zu, wenn Gefahrstoffe im Produktionsprozess als Ausgangs-, Zwischen- oder Endprodukt vorkommen bzw. solche Stoffe gelagert oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes entstehen können.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 711 – 01.12.2016<<>>

Nachfolgend soll nur am Beispiel der Brand- und vergleichbaren Gefährdung, auch wegen der gegenseitigen Wechselwirkung mit dem Brandschutzkonzept, die Vorgehensweise bei einer Gefährdungsbeurteilung betrachtet werden.

Die Brandgefährdung kann nur beurteilt werden, wenn alle zu berücksichtigenden Aspekte Berücksichtigung finden:

  • Bauliche Gegebenheiten (einschließlich aller Festlegungen aus den Brandschutzplanungen)

  • Arbeits- und Verfahrensbedingungen

  • Arbeitsmittel

  • Überwachungsbedürftige Anlagen

  • Verwendete Stoffe

  • Arbeitsumgebung

  • Mögliche Wechselwirkungen untereinander

  • Berücksichtigung von benachbarten Anlagen oder Gebäuden

Wie zuvor dargelegt ist der Brand- und Explosionsschutz naturgemäß sehr eng mit dem Gesundheits- und Arbeitsschutz verbunden. Das zeigt sich in der Tatsache, dass bei der Abstellung von Brand- oder EX-Gefahren immer der Gesundheits- und Arbeitsschutz verbessert wird.

3.2 Variantenauswahl

Die Wahl, nach welcher Variante die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird, ist vor allem vom Arbeitssystem bzw. der Arbeitsorganisation und von den Arbeitnehmern abhängig.

Es ergeben sich folgende Varianten:

  • Arbeitsbereichsbezogene Gefährdungsbeurteilung

  • Tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung

  • Berufsgruppenbezogene Gefährdungsbeurteilung

  • Personenbezogene Gefährdungsbeurteilung

Festzuhalten ist, dass es immer nur eine Gefährdungsbeurteilung geben kann, nur die Art/Variante, wie an die Gefährdungsbeurteilung herangegangen wird, ist abhängig von den vorgefundenen Bedingungen; Kombinationen sind möglich.

Die arbeitsbereichs- oder tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung ist empfehlenswert für Unternehmen mit ortsfesten Arbeitsplätzen und Arbeitsmitteln.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 712 – 01.12.2016<<>>

Die berufsgruppen- und personenbezogene Gefährdungsbeurteilung kommt eher für Unternehmen zur Anwendung, deren Beschäftigte keine oder wenig ortsfeste Arbeitsplätze haben.

Die personenbezogenen Gefährdungsbeurteilungen bieten sich besonders für Tätigkeiten an, welche beispielsweise von schutzbedürftigen Beschäftigten ausgeführt werden oder von denen besondere Gefahren ausgehen.

Die arbeitsbereichs- in Verbindung mit der tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung ist in Bezug auf die Beurteilung der Brandgefahren vorzuziehen, da die Brandgefahr, die Auswirkung von Brandrauch oder die Ausbreitung von Gefahrstoffen im Brandfall nie nur einzelne Personen betreffen, sondern mindestens innerhalb brandschutztechnisch abgegrenzter Bereiche zur Wirkung kommen können.

Ggf. sind zusätzliche Beurteilungen der Gefahren, einschließlich Sicherheitsmaßnahmen für einzelne Personen-, Tätigkeits- oder Berufsgruppen, innerhalb der Gefährdungsbeurteilung erforderlich (z.B. Schweißer, um die Brandentstehungsmöglichkeiten zu minimieren).

3.3 Abgrenzung des Arbeitssystems bzw. des Geltungsbereiches

Es muss der zu betrachtende Geltungsbereich festgelegt werden, wie beispielsweise eine Tätigkeit (Schweißarbeiten), eine Maschine (Druckmaschine), eine Anlage (Chemieanlage), eine Arbeitsstätte, ein Arbeitsbereich, eine Nutzungseinheit, ein Brandabschnitt, einzelne Gebäude oder gesamte Standorte, für den die Gefährdungsbeurteilung gilt.

In der Regel sind in einem zu betrachtenden Bereich auch mehrere Arbeitsplätze, Maschinen und Anlagen oder Nutzungseinheiten vorhanden, welche zusammengefasst werden können. Voraussetzung für die Zusammenfassung ist allerdings, dass diese in Bezug auf die Gefährdungen vergleichbar sind.

Unregelmäßig anfallende Tätigkeiten und Betriebszustände, wie z.B. In- oder Außerbetriebnahme der Betriebsanlagen oder sicherheitstechnischen Anlagen (Lüftungs-, Gefahrenmelde-, Lösch-, Sauerstoffreduzierungsanlagen), Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes, Bedienungsfehler, Wartung oder Instandhaltung, müssen stets getrennt beurteilt werden, da hier im Allgemeinen spezielle, auf die unregelmäßig anfallende Tätigkeit oder Störungen bezogene Maßnahmen festgelegt werden müssen.

Bei der Gefährdungsbeurteilung der Brandgefahr und der möglichen Auswirkung von Gefahrstoffen sollten die zu beurteilenden Bereiche so weit gefasst werden, dass diese durch brandschutztechnisch wirksame Bauteile getrennt sind und jeweils von anderen Nutzungseinheiten unabhängige Rettungswege besitzen. In der Regel ergeben sich an die Nutzungseinheiten diese Forderungen schon aus den baurechtlichen Vorschriften und den genehmigten BS-Nachweisen/Konzepten oder der brandschutztechnischen Infrastruktur.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 713 – 01.12.2016<<>>

Innerhalb dieser Nutzungseinheiten bzw. »Brandschutzbereichen« sind (wenn erforderlich) zusätzlich die Maschinen und Anlagen, die Tätigkeiten, die Berufsgruppen, die angewandten Verfahren, die eingesetzten Arbeitsstoffe (vor allem Gefahrstoffe) und die verwendeten Arbeitsmittel zu berücksichtigen.

Ggf. müssen oder können besondere Abgrenzungen der Geltungsbereiche festgelegt werden, vor allem, wenn unterschiedliche Nutzer, Nutzungen oder Brandgefahren ohne brandschutztechnisch wirksame Trennungen zu berücksichtigen sind (Praxis, Werkstatt, Büro, Lager mit mehreren Nutzern).

Die Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Nachbarnutzungen ist auch oft zu berücksichtigen. Das trifft immer zu, wenn es sich um störfallrelevante Anlagen/Betriebsbereiche oder vergleichbare Nutzungen handelt. Eine Ausgrenzung in den Brandschutzplanungen ist in vorgenannten Fällen nicht möglich, auch nicht, wenn die baurechtlichen Abstände oder Trennungen vorhanden sind. In solchen Fällen ist bei der Brandschutzplanung die Genehmigungsfähigkeit der Baumaßnahme zu prüfen.

Festzuhalten ist hier, dass für eine brandschutztechnisch saubere Abgrenzung der zu untersuchenden Bereiche die vorhandenen Genehmigungsunterlagen erforderlich sind (vorhandene BS-Konzepte). Sollten keine solchen Grundlagen vorhanden sein bzw. bei fehlender Berücksichtigung der vorhandenen Gefährdungen, muss die gegenseitige Beeinflussung im neuen Brandschutzkonzept nachvollzogen werden. Als Grundlage der Beurteilung der Brandgefahr empfiehlt sich, auch nachträglich ein BS-Nachweis/Konzept fertigen zu lassen.

3.4 Ermittlung der Brand- oder vergleichbaren Gefährdungen

Hier stellen sich beispielsweise folgende Fragen:

Wird mit brennbaren Stoffen oder Gefahrstoffen umgegangen oder können solche Stoffe bei Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes entstehen bzw. freigesetzt werden? Es sind auch die Gefährdungen durch die einzelnen Tätigkeiten zu überprüfen (z.B. Brandentstehungsgefahren durch Schweißarbeiten oder ähnliche Verfahren).

Die Faktoren, welche die Brandgefährdung begünstigen, sind festzuhalten. Dazu gehören beispielsweise physikalische und chemische Kenngrößen der brennbaren Stoffe, Menge, Lagerart, Verpackung, Umgebungsbedingungen, Zusammenlagerungen usw. Neben den stoffbezogenen und von der Lagerart abhängigen Gefährdungen sind noch die Auslöser gefahrdrohender Zustände wie z.B. Zündquellen zu ermitteln.

Gefährdungen können durch direkte Methoden wie Messungen, Betriebsbegehungen, Befragung der Beschäftigten oder durch indirekte Methoden wie Auswertung von Unfällen, Bränden, Verpuffungen, entsprechende Literatur, Sicherheitsdatenblätter o.Ä. ermittelt werden.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 714 – 01.12.2016<<>>

Alle festgestellten Gefährdungen oder Mängel sind festzuhalten. Sind keine Gefährdungen vorhanden oder sind alle zutreffenden Anforderungen eingehalten, ist die Beurteilung der Brandgefahr abgeschlossen. Eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist trotzdem erforderlich.

Sind Gefährdungen z.B. durch Gefahrstoffe nicht eindeutig bestimmbar, ist eine Feinanalyse (Gefahrstoffanalyse) durch Spezialisten durchzuführen. Dazu können spezielle Analyseverfahren zur Anwendung kommen.

Eine Gefahrstoff-, Brand- und Rauchausbreitung kann, z.B. durch Mängel im Abschottungsprinzip, in benachbarte Bereiche über die zu betrachtenden Nutzungseinheiten hinaus oder in die Rettungswege begünstigt werden. Als Schwachstellen kommen undichte Wände oder Decken, offen stehende Rauchschutz- oder Feuerschutztüren, defekte Brandschutzklappen in der Lüftungsanlage in Frage, um nur einige Beispiele zu nennen.

Daraus ergibt sich, dass auch Mängel der brandschutztechnischen Infrastruktur als Gefährdungen zu betrachten sind. Zum Erkennen solcher gefahrerhöhender Mängel sind die Genehmigungsunterlagen einschließlich der genehmigten Brandschutzplanungen erforderlich.

Im Zuge der Gefährdungsbeurteilung ist aus vorgenannten Gründen zu ermitteln, ob die baurechtlichen bzw. gebäudetechnischen Anforderungen eingehalten werden oder nach längerer Nutzungszeit ihre Aufgabe noch erfüllen.

Die betrieblichen Gefahrenquellen, wie beispielsweise gelagerte Druckgasbehälter, Bereiche in denen mit radioaktiven oder biologischen Arbeitsstoffen umgegangen wird, sind im besonderen Maße zu berücksichtigen. Es stellt sich die Frage nach der wirksamen baulichen Trennung zwischen Lager- bzw. Produktionsbereichen und Rettungswegen.

Die vorhandenen, in den BS-Planungen festgelegten Anforderungen, wie Explosionsschutzdokumente, Gefahrstoffkataster, Brandschutzordnungen, Gefahrenabwehrpläne, festgelegte Sammelstellen, Flächen für die Feuerwehr, Löschanlagen, Gefahrenmeldeanlagen oder Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, sind bei der Gefahrenermittlung hilfreich bzw. später Grundlage der Maßnahmenfestlegungen.

Auch die Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung zwischen dem zu betrachtenden Bereich und entfernteren Nachbarnutzungen ist ggf. zu berücksichtigen. Das trifft immer zu, wenn es sich bei diesen Nachbarn um störfallrelevante Anlagen oder vergleichbare Nutzungen handelt. Ausgrenzungen in den Brandschutzplanungen sind in vorgenannten Fällen nicht möglich, auch nicht, wenn die baurechtlichen Abstände oder Trennungen vorhanden sind.

3.5 Schutzziele festlegen

Die Grundlage für das Bauen sind die baurechtlichen Vorschriften bzw. die Erreichung der in den Bauordnungen festgelegten Schutzziele. Im  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 715 – 01.12.2016<<>>Nutzungszeitraum sind ggf. die besondere Nutzungen und zusätzliche Gefährdungen zu betrachten. In Analogie zum Baurecht ist die Umsetzung der arbeitsschutzrechtlichen Schutzziele Voraussetzung für den sicheren Betrieb. Die Schutzziele des Baurechtes und des Arbeitsschutzrechtes sind während der gesamten Nutzungszeit umzusetzen. Das im Baugenehmigungsverfahren festgelegte Brandschutzniveau ist zu sichern, auch wenn zusätzliche Gefährdungen zu berücksichtigen sind (Art. 3 und 12 BayBO, § 4 ArbSchG).

Dazu kommen je nach Nutzung oder möglichen Gefahren weitere Schutzziele, wie Umweltschutz, Katastrophenschutz, Nachbarschaftsschutz, Sicherung der Produktion oder andere »private Schutzziele«.

Ein Beispiel für die Schutzzielfestlegung ist die Begrenzung von Emissionen oder Immissionen von Gefahrstoffen im Arbeitsbereich oder in der Nachbarschaft. Weiterhin ist das rechtzeitige Erkennen von gefährlichen Betriebszuständen zu nennen. Die Möglichkeit, noch Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die sichere Flucht bzw. Rettungsmöglichkeit für die Mitarbeiter und die Möglichkeit für die Einsatzkräfte, Schäden gering zu halten oder zu begrenzen, sind Grundvoraussetzung.

Aus den Aussagen ergibt sich die Vergleichbarkeit der Schutzziele, egal ob es sich um baurechtliche oder arbeitsschutzrechtliche Schutzziele handelt. Deshalb kann die dauerhafte Sicherung der Schutzzielerreichung nur funktionieren, wenn beide Rechtsgebiete oder die genannten Instrumente nicht parallel, sondern im Zusammenhang betrachtet werden.

3.6 Bewerten der Gefährdungen (Risikobeurteilung)

Das Risiko ist definiert aus dem Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadensausmaßes. Damit ergibt sich, dass risikominimierende Maßnahmen sowohl an der Eintrittswahrscheinlichkeit, als auch an den Auswirkungen ansetzen müssen.

Jede festgestellte Gefahr oder jeder Mangel ist zu bewerten, um später die nicht vertretbaren Gefährdungen abzustellen.

Die Bewertung kann mittels unterschiedlicher Methoden durchgeführt werden:

3.6.1 Methoden der Risikobeurteilung:

  • Vergleich mit normierten Anforderungen aus dem Arbeitsschutzrecht, dem Gefahrstoffrecht, dem Baurecht oder anderen zutreffenden Rechtsgebieten bzw. den zutreffenden Technischen Regeln

  • Vergleich mit bewährten sicheren Lösungen und Maßnahmen

  • Anwendung spezieller Methoden der Risikobeurteilung

  • Anwendung ingenieurmäßiger Methoden

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 716 – 01.12.2016<<>>

Liegen keine normierten Anforderungen vor, so muss bei der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden, ob das vorhandene Risiko oder das Restrisiko, ggf. nach Vorsehen von Maßnahmen, vertretbar ist. Diese Entscheidung hat ggf. weitreichende Auswirkungen. Dazu sind tiefgehende Kenntnisse der Prozesse, Verfahren, Arbeitsweisen im Betrieb, der sicherheitstechnischen Kennzahlen, der gehandhabten Stoffe/Gefahrstoffe und der vorhandenen sicherheitstechnischen oder brandschutztechnischen Infrastruktur erforderlich.

Auch die Möglichkeiten des abwehrenden Brandschutzes bzw. der Gefahrenabwehrmaßnahmen müssen eingeschätzt werden können. Außerdem gehören auch tiefer gehende Kenntnisse der zutreffenden Arbeits- und Brandschutzvorschriften dazu.

Von Gefahrstoffen gehen naturgemäß Gefahren aus, welche auf Grund vierfältiger Randbedingungen nicht eindeutig im Vorhinein zu beurteilen bzw. geeignete Gegenmaßnahmen schwer planbar sind. Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Diese Aussage wird für Gefahrstofflager trefflich bestätigt (aus Lagerung gefährlicher Stoffe, 9. neu überarbeitete Auflage von Gerd Jürgens, Erich Schmidt Verlag):

»Das mögliche Schadensausmaß ist abhängig von der Menge des Lagergutes, den gefährlichen Eigenschaften der gelagerten Stoffe, der Zahl von Menschen und Tieren, Pflanzen usw., die sich innerhalb der Umgebung des Gefahrstofflagers befinden und vom Schadenereignis betroffen sind. Menge und Eigenschaften des Lagergutes bestimmen das Gefahrenpotential des Lagers. Die realen Auswirkungen eines Schadenereignisses hängen davon ab, welche (Teil-)Menge des Lagergutes freigesetzt wird, in Brand gerät oder explodiert, welche Witterungsbedingungen herrschen, wie die Umgebung beschaffen ist und wie schnell Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Die vom Lager ausgehenden Gefahren sind Messlatte für den Umfang der erforderlichen Schutzmaßnahmen.«

Wie dargelegt bleibt beim Umgang mit Gefahrstoffen immer ein Restrisiko. Diese Aussage trifft grundsätzlich auch für andere Gefahren zu. Das gilt auch bei der Brandgefahr in anderen Bereichen.

Um die Auswirkungen der immer möglichen Störungen, Havarien, Gefahrstoffaustritte, Brände und Explosionen so weit wie möglich einzugrenzen, wird auf die Wichtigkeit der dauerhaften Umsetzung der baurechtlichen Anforderungen verwiesen, welche als Grundschutz zu verstehen sind. Dieser Grundschutz ist durch die im Nutzungszeitraum regelmäßigen Gefährdungsbeurteilungen festgelegten zusätzlichen Schutzmaßnahmen zu vervollständigen bzw. ist die Schutzzielerreichung zu überprüfen.

3.6.2 Häufige Brandschutzmängel

Nachfolgend werden ausgewählte Mängel in bestehenden Gewerbebauten dargelegt, welche zu Gefährdungen führen. Hierbei wird nicht zwischen Anforderungen aus dem Baurecht oder dem Arbeitsschutzrecht unterschie- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 717 – 01.12.2016<<>>den, da Abhilfemaßnahmen nach beiden Rechtsgebieten erforderlich bzw. in beiden Instrumenten (BS-Nachweis/Konzept oder Gefährdungsbeurteilung) festgelegt werden können und müssen:

Mängel im Baulichen Brandschutz

  • Überschreitung der zulässigen Rettungsweglängen

  • Übergroße Hallen ohne brandschutztechnisch wirksame Unterteilung bzw. ohne Kompensation

  • Fehlende Trennwände zwischen unterschiedlich genutzten Bereichen, wie Gefahrstofflager und Produktion oder Gefahrstofflagerungen unterschiedlicher Gefährdungsklassen

  • Zu geringer Abstand zu benachbarten gefährlichen Anlagen

  • Fehlende oder zu geringe Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile einschließlich der Bauteile des Dachtragwerks

  • Übergroße Dachflächen mit brennbarer Bedachung ohne Begrenzung oder Unterteilung in zulässige Flächen

  • Abgetrennte ggf. im Nutzungszeitraum neu geschaffene Aufenthaltsräume ohne Anschluss an das Rettungswegsystem

  • Fehlende oder unzureichend ausgebildete Treppenräume, ungeschützte Öffnungen in den Treppenraumwänden oder Lagerungen in den Treppenräumen

  • Defekte, aufgekeilte oder fehlende Brandschutz- oder Rauchschutztüren

  • Altersschwäche der Bauteile (Schrumpfung der Baustoffe, Schotts defekt oder nicht mehr auf dem Stand der Technik)

Mängel im Anlagentechnischen Brandschutz

  • Fehlende oder unwirksame Rauch- und Wärmeabzugsanlagen

  • Fehlender oder unzureichender Sprinklerschutz

  • Ungeeignete Löschanlagen bzw. ungeeignetes Löschmittel auf Grund von Nutzungsänderungen

  • Fehlende oder nicht gewartete Brandmeldeanlage bzw. keine Aufschaltung zur Feuerwehr

  • Fehlende EX-Schutzauslegung der elektrischen Anlage in EX-Bereichen

  • Überlastung der elektrischen Anlage, bzw. Überalterung der Leitungsanlagen

Mängel im Betrieblich/Organisatorischen Brandschutz

  • Fehlende Freihaltung der Hauptgänge oder Rettungswege

  • Lagerung von brennbaren Gasen im Bereich von Kellerabgängen, Gullys, anderen tiefer liegender Bereichen oder in der Nähe von Brandlasten

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 718 – 01.12.2016<<>>
  • Verschlossene oder verstellte Ausgänge

  • Keine Rettungswegbeschilderung

  • Fehlende Beschilderung von Gefahrenbereichen

  • Fehlende Belehrung der Mitarbeiter über besondere Gefahren, Festlegungen der Gefahrenabwehrmaßnahmen, Funktion und Wirksamkeit dieser Maßnahmen

  • Unzureichende Durchführung bzw. Organisation von Wartungsmaßnahmen und Reparaturmaßnahmen der sicherheitstechnischen Anlagen oder Sonderbauteile

  • Kein BS-Beauftragter bestellt

  • Keine Festlegung von Sammelplätzen

  • Keine Fortschreibung des genehmigten BS-Konzeptes bzw. Genehmigungen nach Nutzungsänderungen

  • Überschreitung der im BS-Konzept festgelegten Brandlasten (Auslegungsgrundlage nach Ziffer 7 IndBauRL)

  • Feuerlöscher sind nicht geeignet für die vorliegenden Brandgefahren oder nicht geprüft

  • Unzureichende Regelungen in Bezug auf die Wartung der sicherheitstechnischen Anlagen und Gebäudetechnik

  • Fehlende Gefährdungsbeurteilung vor allem der Brand- und EX-Gefahren

  • Fehlendes EX-Schutzdokument

  • Fehlende Schutzmaßnahmen vor Zugriff von Unbefugten/Brandstiftung

Mängel im Abwehrenden Brandschutz

  • Fehlende oder nicht aktuelle Einsatzunterlagen (z.B. Feuerwehrpläne)

  • Fehlende Zufahrten, Zugänge, ungesicherte Zugänglichkeit (Schließung), verstellte Flächen für die Feuerwehr, keine Feuerwehrumfahrtmöglichkeiten

  • Ungenügende Löschwasser- oder Löschmittelversorgung

  • Kein Lotsendienst oder keine Regelung für die Beratung der Einsatzkräfte durch fach- und ortskundige Betriebsangehörige

  • Große Hallen-, Raum- oder Gebäudetiefen ohne die Möglichkeit, den Löschangriff von mehreren Seiten vorzutragen

  • Fehlende Rückhaltung von Gefahrstoffen

  • Fehlende oder ungenügende Löschwasserrückhalteeinrichtungen

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 719 – 01.12.2016<<>>

Mängel im Brandschutz haben folgende Gründe:

  • Fehlendes Verantwortungsbewusstsein, mangelndes Interesse der Zuständigen

  • Betriebsblindheit

  • Unkenntnis über das vorliegende BS-Konzept

  • Unkenntnis des Genehmigungsstandes (schleichende Änderungen der baulichen Situation oder auch durch mehrere Nutzungsänderungen innerhalb der letzten Jahre)

  • Fehlende Gefährdungsbeurteilungen für die Brand- bzw. vergleichbare Gefährdungen

  • Ungenügende Organisation des betrieblichen Brandschutzes

Es ist schon fast die Regel, dass Gebäude nicht mehr entsprechend der genehmigten Situation betrieben werden. Das kann zum einen daran liegen, dass die baurechtlichen Anforderungen nicht oder nicht mehr eingehalten werden, zum anderen, dass durch Änderung im Betriebsablauf zusätzliche Gefahren die Sicherheitsmaßnahmen des genehmigten BS-Konzeptes unterlaufen.

An dieser Stelle wird deshalb nochmals auf die Möglichkeit der Anfertigung bzw. die Fortschreibung von BS-Nachweisen/Konzepten hingewiesen, in dem die Abweichungen vom Genehmigungsstand bzw. von baurechtlichen Vorschriften festgestellt und bewertet werden können. Dazu gehört auch die wiederkehrende Prüfung, ob die aus dem Baurecht oder anderen Rechtsgebieten vorgegebenen Anforderungen oder Kompensationsmaßnahmen noch vorhanden oder wirksam sind.

Abweichungen von baurechtlichen und anderen vergleichbaren Vorschriften können in diesem Nachweis festgehalten bzw. die Vertretbarkeit unter Berücksichtigung geeigneter Kompensationsmaßnahmen nachgewiesen werden. Abweichungen von baurechtlichen Anforderungen müssen im Übrigen bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde beantragt werden, wenn diese nicht durch Bestandsschutz gedeckt sind.

Außerdem ist zu beachten, dass nicht genehmigte Änderungen die Gebäude zu Schwarzbauten werden lassen, mit allen Verantwortlichkeiten und Regressansprüchen.

Die Gefährdungsbeurteilung kann ohne die Berücksichtigung der vorhandenen Brandschutzmaßnahmen aus den genehmigten BS-Planungen die angestrebte Schutzzielerreichung nicht nachweisen.

3.7 Maßnahmen auswählen und durchführen

Bei der Auswahl der Maßnahmen zur Schutzzielerreichung ist die folgende Reihenfolge immer einzuhalten.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 720 – 01.12.2016<<>>

Im Arbeitsschutz heißt das Maßnahmehierarchie (oder auch Umsetzung des TOP-Prinzips):

  • Vermeidung der Gefahr (Substitutionsprinzip)

  • Vorsehen von baulichen oder technischen Sicherheitsmaßnahmen (T)

  • Vorsehen von organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen (O)

  • Verwenden persönlicher Schutzausrüstungen (P)

  • Verhaltensbezogene Sicherheitsmaßnahmen

Erst wenn die zuerst genannten Maßnahmengruppen nicht möglich sind oder nicht den erhofften Erfolg sicherstellen, kommt die nächste Maßnahmengruppe in Betracht. In der Regel sind auch Kombinationen möglich, wobei dabei immer die Schutzzielerreichung im Vordergrund steht.

Bestehende Gewerbebauten müssen mit den baurechtlich erforderlichen Anforderungen verglichen werden. Bei Feststellung von Mängeln im vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz sollte eine Prioritätenliste, in Abhängigkeit des Gefährdungsgrades und auf Grundlage des vorhandenen oder eines neu zu erstellenden BS-Nachweises/Konzeptes, erstellt werden. Diese Aufgabe übersteigt in der Regel die Fähigkeiten der Arbeitgeber oder der Betreiber, so dass erfahrene Brandschutzplaner beauftragt werden sollten.

Die Erstellung von BS-Ordnungen, Gefahrenabwehrplänen, Alarmierungsplänen bzw. die Organisation des betrieblichen Brandschutzes kann auf Grund von den sich laufend ändernden Nutzungsbedingungen und den damit einhergehenden Brandgefährdungen erforderlich werden. Das trifft auch zu, wenn diese Forderungen nicht bereits Inhalt der Genehmigung der Genehmigungsplanung sind.

In jedem Fall sind die Mitarbeiter über alle Gefährdungen und die getroffenen Gegenmaßnahmen in geeigneter Weise zu unterrichten. Grundlage für diese Belehrungen sind neben dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, den Gefahrstoffdatenblättern und den ggf. zu erstellenden Betriebsanweisungen für den Umgang mit Gefahrstoffen auch die Brandschutzordnung bzw. auch Teile aus dem BS-Nachweis/Konzept.

Letzteres ist erforderlich, um die brandschutztechnische Infrastruktur und die Rettungswege zu erläutern.

Ausgewählte Mitarbeiter bekommen Aufgaben zur Sicherung des Brandschutzes zugewiesen. Gegebenenfalls müssen, in Abhängigkeit des Gefahrenpotentials, auf Grund von rechtlichen Anforderungen oder auf Grund der Gefährdungsbeurteilung bzw. der BS-Planungen zusätzliche Funktionsstellen geschaffen werden. Zu nennen sind z.B. Brandschutzbeauftragte, Räumungshelfer, Sammelplatzverantwortliche, Lotsen, fach- und ortskundige Betriebsangehörige zur Unterstützung der Einsatzkräfte, Störfallbeauftragte, Umweltschutzbeauftragte, Sicherheitsingenieure, Betriebsärzte o.Ä.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 721 – 01.12.2016<<>>

Auf Grundlage der Gefährdungen bzw. der Gefährdungsbeurteilung ist die vorhandene brandschutztechnische Infrastruktur zu überprüfen, der erforderliche Genehmigungsstand ist wieder herzustellen. Wenn erforderlich, sind die vorhandenen Brandschutzmaßnahmen zu erweitern. Veränderungen der Brandschutzvorkehrungen erfordern auch die Anpassung der Brandschutzplanungen (Fortschreibung der BS-Nachweise/Konzepte).

Wenn auf Grund von Änderungen neue baurechtliche Genehmigungen erforderlich sind, müssen komplette Bauvorlagen erstellt und diese bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eingereicht werden. Gegebenenfalls sind auch andere Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren erforderlich.

3.8 Wirksamkeitskontrolle

Die Wirksamkeit bzw. die Schutzzielerreichung der auf Grund der Gefährdungsbeurteilung getroffenen Maßnahmen ist vor Inbetriebnahme oder Aufnahme der Nutzung und wiederkehrend durchzuführen (§ 4 ArbSchG). Gleiches gilt auch für die Schutzzielerreichung und die nach Baurecht festgelegten Maßnahmen (Art. 3 und 12 BayBO).

Diese Kontrollen können folgendermaßen unterteilt werden:

  • Durchführungskontrolle (wer, was, bis wann)

  • Wirkungskontrolle (Ziel erreicht)

  • Erhaltungskontrolle (bleibt der Zustand bestehen)

Für anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen, z.B. Lüftungs- und Absaugeinrichtungen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Feuerlösch- und Brandmeldeanlagen, sind die Überprüfungsintervalle in den Verwendbarkeitsnachweisen, Herstellervorgaben und in der Sicherheitsanlagenprüfverordnung festgelegt (Baurecht). Die Überprüfung dieser Vorgaben ist im Zuge der Wirksamkeitskontrolle sicherzustellen.

Die betrieblich/organisatorischen Maßnahmen, unabhängig davon ob diese aus den Brandschutzplanungen oder aus der Gefährdungsbeurteilung resultieren, sind regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Das kann beispielsweise durch Evakuierungsübungen, Löschübungen oder ähnliche Maßnahmen geschehen.

Die Wirksamkeit der persönlichen Schutzausrüstungen und die verhaltensbezogenen Schutzmaßnahmen sind nicht zuletzt abhängig vom Verständnis der einzelnen Mitarbeiter. Hier kommt den Führungskräften vor Ort eine wichtige Belehrungs- und Kontrollaufgabe zu. Dazu gehört auch die Vorbildfunktion beim Nutzen dieser Sicherheitsmaßnahmen. Die Wartung und der regelmäßige Austausch sind obligatorisch.

Die Brandschutzplanungen aus dem genehmigten BS-Nachweis/Konzept müssen regelmäßig auf den Prüfstand. Dafür ist nach Übergabe der Gebäude nicht mehr der Brandschutzplaner, sondern der Betreiber bzw. der  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 722 – 01.12.2016<<>>Arbeitgeber verantwortlich. Die Durchführung dieser Prüfungen kann ggf. auch vom Brandschutzbeauftragten, von anderen geeigneten Mitarbeitern oder auch von externen Anbietern durchgeführt werden.

Die Überprüfung der Wirksamkeit der Gefahrenabwehrmaßnahmen aus dem BS-Nachweis/Konzept und aus der Gefährdungsbeurteilung ist nach Auffassung des Verfassers zur gleichen Zeit und von den gleichen Mitarbeitern durchführen zu lassen, da sonst die vergleichbaren Schutzziele (Baurecht und Arbeitsschutzrecht) nicht erreicht werden können.

3.9 Dokumentation

Die Schritte der Gefährdungsbeurteilung sind in geeigneter Form zu dokumentieren. Dazu gehören immer die erkannten Gefahren, die Risikobeurteilung und die daraufhin in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maßnahmen.

Die Wirksamkeitsprüfung der festgelegten Maßnahmen und auch die Prüfergebnisse der technischen Schutzmaßnahmen sind ebenfalls zu dokumentieren und dauerhaft aufzubewahren. Dasselbe trifft auch für die Festlegung der Prüfintervalle und die Prüfergebnisse der überwachungsbedürftigen Anlagen zu.

Anforderungen an die Dokumentation über die Prüfung der Wirksamkeit von Brandschutzmaßnahmen aus dem Baugenehmigungsverfahren lassen sich aus den rechtlichen Vorgaben nur indirekt ableiten. Ein entsprechender Nachweis ist aber sinnvoll, da im Schadensfall dieser z.B. gegenüber dem Staatsanwalt und der Versicherung zu führen ist.

Bei der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sind Erleichterungen für Betriebe mit nicht mehr als zehn Beschäftigten vorgesehen. Das trifft nicht für die Prüfung bzw. die Dokumentation der Prüfungen von sicherheitstechnischen und überwachungsbedürftigen Anlagen zu. Gleiches gilt für gefährliche Nutzungen, z.B. wenn Explosionsgefahren zu berücksichtigen sind. Solche Gefährdungsbeurteilungen sind, unabhängig von der Mitarbeiterzahl, immer zu dokumentieren.

Die Mindestangaben zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung können auch der TRGS 400 und der TRBS 1111 entnommen werden.

Die Genehmigungsunterlagen, wenn vorhanden der BS-Nachweis, die BS-Ordnung, Arbeits- und Brandschutzbelehrungen, Prüfprotokolle von sicherheitstechnischen Anlagen, die Verwendbarkeitsnachweise für die Bauprodukte oder ähnliche Unterlagen sollten in einer Brandschutzakte so aufbewahrt werden, dass sie jederzeit zugänglich sind und auch nach einem möglichen Brand oder Unfall sofort griffbereit sind. Es bietet sich geradezu an, die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ebenfalls in dieser Brandschutzakte abzulegen.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 723 – 01.12.2016<<>>

3.10 Fortschreibung des Verfahrens

Die Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger Prozess, sondern muss regelmäßig wiederholt werden. Die Zeitabstände dafür sind nicht vorgegeben, sie sind in Abhängigkeit der Gefährdungen bzw. möglichen Auswirkungen im Einzelfall festzulegen. Die Verantwortung liegt auch hier beim Arbeitgeber.

In jedem Fall sind Änderungen der Arbeitsmittel, des Arbeitsablaufes der Organisation und nicht zuletzt bauliche Änderungen Grund für die Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung. Auch Unfälle, Beinaheunfälle oder auch geänderte Vorschriften müssen eine sofortige Überprüfung und ggf. Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung nach sich ziehen. Diese Aussagen gelten nach Auffassung des Verfassers auch für die Fortschreibung der Brandschutzplanungen.

Festzuhalten ist, dass die Gefährdungsbeurteilung nicht als statischer Ansatz, sondern als dynamisches Werkzeug verstanden werden muss, mit dem die Arbeitsschutzrisiken, welche oft auch Brandschutzrisiken sind, systematisch gesteuert werden können.

Diese Vorgehensweise führt zu einer langfristigen Steigerung des betrieblichen Arbeits- und Brandschutzniveaus sowie zu einer Verbesserung des Betriebsergebnisses.

Beispiel »Auswahl von Feuerlöschern«

Am Beispiel der Auswahl von Feuerlöschern soll dargestellt werden, dass die reine Übernahme oder Erfüllung von Technischen Regeln die Schutzzielerreichung nicht in jedem Fall sicherstellen kann.

Es wird keine Gefährdungsbeurteilung »Feuerlöscherauswahl« durchgeführt, da es immer nur eine Gefährdungsbeurteilung mit dem Ergebnis von erforderlichen Maßnahmen geben kann. Die Installierung von Feuerlöschern ist eine der Maßnahmen, welche auf Grund der Beurteilung der Brandgefahr erforderlich ist.

Auf der Grundlage der ASR 13/1.2 und der BGR 133 sind Arbeitsstätten mit Feuerlöschern entsprechend der Brandgefährdung auszustatten. Die Feuerlöscher müssen dem Stand der Technik, dass bedeutet der Normenreihe DIN EN 3, entsprechen.

Bei diesem Beispiel wurden bewusst die alten Technischen Regeln zu Grunde gelegt, welche mittlerweile durch die ASR A 2.2 abgelöst sind. Auf Grund der neuen Vorgaben haben sich die nachfolgenden »Schwachpunkte« etwas relativiert, treffen allerdings noch zu.

Beim dargelegten Beispiel werden die Löscherbezeichnungen aus der DIN 14406 verwendet. Es wird darauf hingewiesen, dass die DIN EN 3 andere Bezeichnungen hat, aber die hier dargestellte Problematik sich mit den alten Bezeichnungen aus der DIN 14406 besser erklären lässt.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 724 – 01.12.2016<<>>

Am Beispiel einer eingeschossigen Kindereinrichtung mit einer Fläche von ca. 400 m2 kommen die vorgenannten Technischen Regeln zu dem Ergebnis, dass 36 Löschmitteleinheiten erforderlich sind (mittlere Brandgefahr). Zu erwähnen ist, dass die Belegung der Einrichtung mit zwei Gruppen von insgesamt 40 Kindern und vier Betreuern mit anderen Einrichtungen dieser Größe vergleichbar ist.

Ein Wasserlöscher mit 6 kg Füllgewicht (W 6) hat nach DIN 14406 2 Löschmitteleinheiten. Wasserlöscher (W 10) oder Schaumlöscher (S 10) mit je 10 kg Löschmittel haben 4 Löschmitteleinheiten.

Damit ergeben sich für die Kindereinrichtung 18 Wasserlöscher W 6, 9 Wasserlöscher (W 10), 9 Schaumlöscher (S 10) oder 3 Pulverlöscher mit 12 kg Löschmittelinhalt (PG 12). Selbst wenn man »geringe Brandgefährdung« unterstellt, sind in der Kindereinrichtung noch 50 % der vorgenannten Löschmitteleinheiten und die entsprechende Anzahl an Feuerlöschern erforderlich.

Die besonderen Bedingungen des Einzelfalles werden in den Vorgaben nicht ausreichend berücksichtigt. Das Vorhalten von Löschern ist deshalb immer auf der Grundlage der konkreten Gefahr bzw. auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung zu planen.

Grundsätzlich stellen sich bei dieser Gefährdungsbeurteilung folgende Fragen:

  • Welche Löscher sind für die vorzufindenden Brandgefahren erforderlich?

  • Wie viel Löscher werden benötigt?

  • An welchen Stellen sollen die Löscher vorgehalten werden?

  • In welcher Höhe sollen die Feuerlöscher befestigt werden?

  • Wie werden die Löscher gekennzeichnet oder müssen sie gekennzeichnet werden?

  • Wie schwer können die Löscher sein, damit diese von den Mitarbeitern ohne Gefahr zur Brandstelle getragen und dort auch ohne Eigengefahr benutzt werden können?

  • Wer soll die Löscher bedienen oder wie viel Mitarbeiter können für das Löschen »freigestellt« werden?

  • Welche Brände können durch die Mitarbeiter überhaupt gelöscht werden?

  • Wie lange reicht der Löschmittelinhalt?

  • Wie lange sollen die Mitarbeiter löschen (bis das Feuer aus ist, bis sie keine Luft mehr oder eine Rauchvergiftung haben?)

  • Was passiert, wenn ein Pulverlöscher in Räumen mit Kindern, in Verkaufsstätten, Krankenzimmern oder in einer genutzten Versamm- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 725 – 01.12.2016<<>>lungsstätte ausgelöst wird, oder besser, was passiert, wenn mehrere zur gleichen Zeit ausgelöst werden?

  • Ab wann und mit wem wird die Evakuierung begonnen, vor oder nach Beginn der Löscharbeiten bzw. was ist erfolgversprechender: Löschen oder Evakuieren?

  • Ergeben sich durch das Löschmittel selbst weitere Gefährdungen (Kohlendioxid giftig, Pulver erzeugt Panik)

  • usw.

Die Auslegung bzw. die Festlegung der Feuerlöscheranzahl erfolgt bei Anwendung der vorgenannten Technischen Regeln im Wesentlichen:

  • auf Grundlage des Löschvermögens der Löscher (ein genormtes Brandobjekt mit einer bestimmten Löschmittelmenge zu löschen)

  • in Abhängigkeit der Brandgefährdung und unter Berücksichtigung der Brandklasse (Eignung des Löschmediums für das Brandgut)

Durch Einführung der Hilfsgröße Löschmitteleinheit können die verschiedenen Feuerlöschbauarten in eine bestimmte Leistungsfähigkeit eingeordnet werden.

Bei dieser Ausstattungsregel wird das wichtigste Element, die »Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters«, nicht berücksichtigt (ausgedrückt in Zeit, wie lange der Mitarbeiter in einem verrauchten Raum den Löscher bedienen kann, ohne Schaden zu nehmen). Diese Problematik ist nur in Freilagern oder hohen Industriehallen von untergeordneter Bedeutung.

Vorgenannte Aussagen treffen im Besonderen auf Einrichtungen zu, welche von hilfsbedürftigen Nutzergruppen genutzt werden, oder wenn nicht entsprechend geschulte und ausgerüstete Mitarbeiter löschen müssen.

Bei dem gewählten Beispiel stellt sich die Frage:

»Können mehrere Erzieherinnen im Kindergarten im Brandfall für Löscharbeiten freigestellt werden?«

Für die Evakuierung ist in der Regel fast das gesamte Personal erforderlich. Gelöscht werden können nur Entstehungsbrände.

Wenn nach ca. 10 Sekunden das Feuer nicht gelöscht ist (Löschzeit eines Wasserlöschers W 6), besteht für die Mitarbeiter u.U. Lebensgefahr. Zu nennen ist die Einwirkung von Rauchgasen und ggf. die gesundheitsschädigende Wirkung von Löschmitteln, was bei allen Bränden in geschlossenen Räumen von schweren Gesundheitsschäden bis zum Tod führen kann. Wenn mit einem Löscher der Löscherfolg nicht zu erwarten ist, muss die Eigensicherheit oder die Evakuierung Vorrang haben.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 726 – 01.12.2016<<>>

In anderen Nutzungen kann sich ein völlig anderes Ergebnis bei der Feuerlöscherauswahl ergeben (Anzahl, Gewicht, Feuerlöschmittel, mögliche Löschzeit).

Beispielsweise trifft das in einer halboffenen Papierlagerhalle zu, bei der der Rauch gut abzieht und die Löschmaßnahmen von den Mitarbeitern mit dem Wind im Rücken und von außen durchgeführt werden können. Hier empfehlen sich Wandhydranten mit hoher Durchflussmenge. Die Löschzeit spielt dann keine Rolle. Auch in hohen Industriehallen mit ausreichend dimensionierten Rauchabzügen kann die mögliche Löschzeit länger sein als z.B. in Tiefgaragen mit niedriger Decke und im Brandfall ggf. nicht mehr erreichbare Rettungswege (sehr schnelle Verrauchung).

Diese Aussagen machen deutlich, dass auch für diesen Teil der Gefährdungsbeurteilung die brandschutztechnische Infrastruktur bekannt sein muss. Das bedeutet, die Brandschutznachweise/Konzepte sind als Grundlage der Gefährdungsbeurteilung erforderlich.

Das betrachtete Beispiel zu Ausstattung von Arbeitsstätten mit Feuerlöschern zeigt eindeutig, dass die Löscher nicht in einer Technischen Regel, sondern im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Randbedingungen festzulegen sind. Grundlage dieser Festlegung muss immer die Gefährdungsbeurteilung sein bzw. ist die Auslegung Teil der auf Grund der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maßnahmen. Letztgenannte Aussage gilt sinngemäß für alle anderen Teile der Gefährdungsbeurteilung.

Meinung anderer Verbände zur Ausstattung mit Feuerlöschern

Die Ausstattung von baulichen Anlagen mit Feuerlöschern muss nach Auffassung des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren nicht nach BGR 133 oder der ASR A 2.2 erfolgen, da sich in der Praxis herausgestellt hat, dass diese Ansätze deutlich überzogen sind (www.agbf.de).

4. Risikobetrachtung als Grundlage von BS-Konzepten

Nachfolgend wird dargestellt, dass jedes BS-Konzept, egal ob es vom Gesetzgeber vorgegeben ist oder selbst für den Einzelfall entwickelt werden muss, immer auf einer Risikobetrachtung begründet ist. Die darauf aufbauenden Festlegungen oder Anforderungen ergeben sich in Abhängigkeit von der Nutzung, den sich daraus ergebenden Gefährdungen und den Schutzzielen (Vorgehensweise vergleichbar mit einer Gefährdungsbeurteilung).

Im Zusammenhang mit der im Planungszeitraum noch durchzuführenden Risikobetrachtung kann folgende Unterteilung vorgenommen werden:

  • Wohngebäude und Gebäude mit vergleichbarer Nutzung (Standardgebäude, vorgegebenes Standardbrandschutzkonzept)

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 727 – 01.12.2016<<>>
  • Geregelte Sonderbauten (auch noch Standardgebäude mit Standardbrandschutzkonzept)

  • Nicht geregelte Sonderbauten (ohne Standardbrandschutzkonzept)

  • Sondernutzungen im gewerblichen Bereich mit Standardbrandschutz-/ Sicherheitskonzepten (technisches Regelwerk aus anderen Rechtsvorschriften)

  • Geregelte Sonderbauten mit zusätzlichen Gefahren (teilweise Anwendung der Vorgaben)

4.1 Risikobetrachtung für Gebäude normaler Nutzung

Für Wohngebäude, Bürogebäude und Gebäude vergleichbarer Nutzung, dazu gehören beispielsweise auch kleinere Geschäfte oder Werkstätten unterhalb der Sonderbaueinstufung (Art. 2 Abs. 4 BayBO), wurden die Risiken bereits bei der Erarbeitung des vorgegebenen Brandschutzkonzeptes berücksichtigt. Brandschutzkonzepte für diese Gebäudearten sind die jeweiligen Landesbauordnungen, in Verbindung mit den Verordnungen für Technische Anlagen, den eingeführten Technischen Baubestimmungen und den Anforderungen an Bauprodukte und Bauarten.

Die Landesbauordnungen sind abschließend geregelt. Die Anforderungen sind in Abhängigkeit von der Gebäudeklasse abgestuft. In der Regel sind keine zusätzlichen Maßnahmen mehr erforderlich. Das trifft zumindest dann zu, wenn keine Abweichungen vorliegen. Abweichungen sind durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Die Grundlage der zu treffenden Kompensation ist wieder eine Risikobetrachtung bzw. Gefährdungsbeurteilung.

Die Risikobetrachtung oder Beurteilung begrenzter zusätzlicher Gefahren endet i.d.R. mit dem Erkennen dieser, da entsprechende Anforderungen in den Standardbrandschutzkonzepten bereits berücksichtigt wurden. Einzelne abgegrenzte Risikopotentiale, wie z.B. Räume mit erhöhter Brandgefahr, werden durch entsprechende Anforderungen an Wände, Decken und Türen kompensiert bzw. werden »gekapselt« (siehe Anforderungen an Wände und Decken in der jeweiligen Landesbauordnung).

Das Vieraugenprinzip bzw. eine Prüfung der Umsetzung dieser Anforderungen im Baugenehmigungsverfahren ist auf Grund der genauen Vorgaben und der dadurch geringen Anforderungen an den Planer in der Regel nur für Gebäudeklasse 5 vorgesehen (Ausnahme beantragte Abweichungen).

4.2 Risikobetrachtung für geregelte Sonderbauten

Die Landesbauordnungen listen alle Sonderbauten auf. Gewerbegebäude sind unter folgenden Bedingungen Sonderbauten (siehe Art. 2 Abs. 4 BayBO):

  • Geschossflächen ab 1.600 m2

  • Hochregallager ab 7,5 m Lagerguthöhe

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 728 – 01.12.2016<<>>
  • Lagerung oder Umgang mit Stoffen, bei denen eine EX- oder erhöhte Brandgefahr nicht auszuschließen ist

  • Vergleichbare Gefahren

Sonderbauten, für die im jeweiligen Bundesland Sonderbauverordnungen oder Sonderbaurichtlinien eingeführt sind, können als geregelte Sonderbauten bezeichnet werden. Für die geregelten Sonderbauten liegen vorgegebene Standardbrandschutzkonzepte vor, welche sich immer aus den Anforderungen der Bauordnung (gestaffelt nach Gebäudeklassen), den eingeführten technischen Baubestimmungen, den Anforderungen für Bauprodukte und Bauarten, den Verordnungen für Technische Anlagen und den Zusatzanforderungen aus der Sonderbauverordnung ergeben. Teilweise werden die nach den Landesbauordnungen gestaffelten Anforderungen aufgehoben.

Vom Gesetzgeber wurden in den Sonderbauverordnungen die zusätzlichen Gefahren bereits berücksichtigt. Zum Beispiel sind diese abhängig von der Nutzergruppe (ggf. Einschränkungen der Nutzer), der Nutzerzahl, Größe der Gebäude oder von anderen Randbedingungen.

Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung der besonderen Gefahren auf Grundlage einer Risikoanalyse und in Abhängigkeit von dem baurechtlich erforderlichen Schutzziel zusätzliche Maßnahmen festgelegt. In Einzelfällen mussten die Schutzziele konkretisiert werden. Deshalb ist eine zusätzliche Risikoanalyse oder Gefährdungsbeurteilung für geregelte Sonderbauten nicht erforderlich. Diese Standardbrandschutzkonzepte sind abschließend, soweit von denen nicht abgewichen wird.

Beispielsweise werden bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften Maßnahmen aus dem Arbeitsschutzrecht und anderen Rechtsgebieten berücksichtigt bzw. in diese baurechtlichen Vorschriften übernommen, da bei der Umsetzung von »reinen baurechtlichen Vorschriften« nicht alle Brandgefahren abgestellt werden, welche durch die geplanten Nutzungen möglich sind. Aus diesem Grund arbeiten bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften auch Vertreter des Arbeitsministeriums, der Unfallversicherungsträger und auch Mitarbeiter anderer Behörden aus anderen betroffenen Rechtsgebieten mit.

Beispiele für ins Baurecht aufgenommene arbeitsschutzrechtliche Anforderungen bei der Erstellung der Sonderbauverordnung für Krankenhäuser in Brandenburg (BbgKPBauV) mit dem Ziel, die Schutzzielerreichung in Abhängigkeit der besonderen Nutzungen sicherzustellen:

  • Erstellung einer Brandschutzordnung

  • Bestellung von Brandschutzbeauftragten

  • Bereithalten von Löschgeräten und Löschdecken

  • Beschilderung von Rettungswegen

  • Aufstellung von Flucht- und Rettungswegplänen

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 729 – 01.12.2016<<>>
  • Freihalten von Rettungswegen

  • Kennzeichnung von Räumen mit Gefahrstoffen entsprechend der GefStoffV

  • Sicherheitskennzeichnung von Rettungswegen

  • Sicherheitsbeleuchtung

  • Sicherheitsstromversorgung

  • Maßnahmen zur Abführung, Beseitigung von gefährlichen Gasen, Stäuben oder vergleichbarer Gefährdungen z.B. durch entsprechend ausgelegten Absauganlagen

  • Aufschlagrichtung von Türen im Verlauf von Rettungswegen

  • Zusätzliche Rettungswege aus Räumen mit erhöhter Gefahr

  • Verkürzung von Rettungswegen bei erhöhter Gefahr

  • Anforderungen an Inhalt und Zeitabstände von Belehrungen der Beschäftigten

Alle anderen Sonderbauvorschriften enthalten ebenfalls im Arbeitsschutzrecht geregelte Anforderungen, da die Vorgaben aus den Bauordnungen nicht ausreichen. Das trifft auch auf andere Rechtsgebiete zu, was von den jeweiligen Gefährdungen abhängt.

Allerdings werden in den moderneren Sonderbauverordnungen nicht alle Anforderungen aus benachbarten Rechtsgebieten übernommen, da viele von sich heraus gelten.

Im Gewerbebau konnte auf Grund der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten bzw. der zu berücksichtigenden Gefährdungen nicht jede Nutzung bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften Berücksichtigung finden. Darauf, dass diese Anforderungen aus dem Arbeitsschutz- oder Gefahrstoffrecht trotzdem zu berücksichtigen sind, wurde beispielsweise in Ziffer 2 IndBauRL 2000 (letzter Satz) hingewiesen.

Festzuhalten ist, dass in Sonderbauten, ohne Berücksichtigung von zutreffenden Brandschutzmaßnahmen aus anderen Rechtsgebieten (z.B. aus dem Arbeitsschutzrecht), die brandschutztechnischen Schutzziele nicht erreicht werden können und das unabhängig davon, ob diese explizit ins Baurecht aufgenommen wurden oder nicht. Das bedeutet, wenn nur die baurechtlichen Vorschriften umgesetzt werden, können Sonderbauten zwar errichtet, aber nicht sicher genutzt werden.

Deshalb müssen die, in Abhängigkeit von der vorhandenen Gefahr, für den Brandschutz erforderlichen Anforderungen im BS-Konzept Berücksichtigung finden, auch wenn diese nicht in den entsprechenden Sonderbauvorschriften enthalten sind. Diese Forderung ergibt sich schon aus der Tatsache, dass vom Gesetzgeber nicht alle Nutzungen berücksichtigt werden konnten oder diese sowieso gelten. Das BS-Konzept konkretisiert die zutreffenden Sonderbauverordnungen und andere zutreffende  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 730 – 01.12.2016<<>>Brandschutzvorgaben für den Einzelfall. Das Ziel ist der Nachweis der Schutzzielerreichung.

Für die geregelten Sonderbauten ist auf Grund der besonderen Nutzung, der besonderen Gefahren und des in der Regel anspruchsvolleren BS-Konzeptes immer das Vieraugenprinzip zwingend, also Prüfung durch die zuständige Behörde oder den Prüfsachverständigen.

Abweichungen von den vorgegebenen Brandschutzkonzepten (Bauordnungen mit Sonderbauverordnungen) sind durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Die Grundlage der zu treffenden Kompensationen ist wieder eine Risikobetrachtung bzw. Gefährdungsbeurteilung.

Abweichungen von Sonderbauverordnungen sind immer genehmigungspflichtig bzw. werden geprüft. Das begründet sich damit, dass bei Abweichungen das vorgegebene Musterbrandschutzkonzept verlassen wird. Abweichungen von zusätzlichen Anforderungen aus anderen Rechtsgebieten, welche nicht in den Musterbrandschutzkonzepten integriert wurden, müssen nicht beantragt werden. Allerdings ist der Nachweis zu führen, dass für die im Einzelfall vorliegenden besonderen Gefahren geeignete Maßnahmen getroffen werden.

4.3 Risikobetrachtung für nicht geregelte Sonderbauten

Wenn in einem Bundesland für eine Sondernutzung keine Sonderbauverordnung oder Sonderbaurichtlinie eingeführt ist, kann ggf. eine zutreffende Sonderbauvorschrift aus einem anderen Bundesland herangezogen werden. Allerdings ist zuvor Einvernehmen mit dem Prüfer herbeizuführen (Bauaufsichtsbehörde oder Prüfsachverständiger). Unter bestimmten auszuhandelnden Bedingungen können solche Sonderbauten im vorliegenden Einzelfall wie geregelte Sonderbauten behandelt werden. Abweichungen von den fremden Sonderbauverordnungen sind allerdings nicht zu beantragen, allerdings im BS-Konzept darzustellen.

Wenn keine Sonderbauvorschrift eines anderen Bundeslandes angewendet werden darf oder es keine gibt, ist eine Risikobeurteilung/Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um darauf aufbauend das objektbezogene BS-Konzept zu erstellen. Die im BS-Konzept festzulegenden Maßnahmen sind auch hier im Wesentlichen abhängig von der bekannten oder zu erwartenden Nutzung, den zu erwartenden Gefahren, den konkreten Randbedingungen und den angestrebten Schutzzielen.

Die Erarbeitung von objektbezogenen Brandschutzkonzepten erfolgt analog der Erarbeitung von Gefährdungsbeurteilungen und nach demselben Algorithmus wie bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften. Diese Verfahrensweise, welche bei geregelten BS-Konzepten vom Gesetzgeber (bzw. den dafür beauftragten Gremien, Arbeitsgruppen, ARGEBAU) durchgeführt wurde, obliegt bei nicht geregelten Sonderbauten dem Brandschutzplaner.

Besondere Nutzungen, z.B. große Verkehrsbauten, das Vorsehen übergroßer Atrien oder weit reichende Abweichungen in denkmalgeschützten oder anderen Gebäudearten, erfordern grundlegend neue Brandschutzkonzepte.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 731 – 01.12.2016<<>>

Alle Maßnahmen, welche zur Sicherung der brandschutztechnischen Schutzziele erforderlich sind, müssen dann im BS-Konzept Berücksichtigung finden und das unabhängig davon, aus welchem Rechtsgebiet sie stammen.

Diese von den Standardbrandschutzkonzepten abweichenden BS-Konzepte sind immer im Vieraugenprinzip zu prüfen. Der Prüfaufwand und das erforderliche Wissen der Planer und Prüfer sind sehr hoch, da nicht nur die Vorgaben der vom Gesetzgeber vorgesehenen Standardbrandschutzkonzepte mit den Planungen zu vergleichen sind, sondern die Schlüssigkeit des nicht geregelten Konzeptes auf dem Prüfstand steht.

Gegebenenfalls kommen bei der Erstellung von Brandschutzkonzepten Verfahren der Brandschutzingenieurwissenschaften zur Anwendung, was die Prüfung weiter erschwert bzw. die möglichen Prüfer eingrenzt und das vor allem in Abhängigkeit von den erforderlichen Fähigkeiten.

4.4 Standardbrandschutz-/Sicherheitskonzepte für Sondernutzungen/Technische Regeln

Vom Gesetzgeber werden im Arbeitsschutzgesetz und den zutreffenden Verordnungen keine eindeutigen Anforderungen mehr formuliert. Es werden lediglich die Schutzziele vorgegeben, welche vom Betreiber/Arbeitgeber, unter Zuhilfenahme des Instruments »Gefährdungsbeurteilung«, umzusetzen sind.

Als Hilfestellung bei der Umsetzung der Schutzziele kann sich der Arbeitgeber oder der beauftragte BS-Planer an die jeweils vorgegebenen Technischen Regeln halten, welche vom Gesetzgeber bzw. von eingesetzten Ausschüssen erarbeitet wurden. Bei der Erarbeitung dieser Technischen Regeln wurden ebenfalls Risikobetrachtungen oder Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt und versucht, ein Standardkonzept bzw. ein Sicherheitskonzept für die zu berücksichtigenden Gefahren zu erstellen. Diese Standardbrandschutzkonzepte sind mit Sonderbauverordnungen oder Sonderbaurichtlinien vergleichbar, wobei die Verbindlichkeit allerdings geringer ist. Festzuhalten ist, dass nicht nur die Brand- oder vergleichbaren Gefährdungen in den Technischen Regeln aus dem Arbeitsschutzrecht Berücksichtigung finden.

Ein Beispiel ist die TRbF 20 (mittlerweile ersetzt durch die TRGS 510 und TRGS 509), in der vor allem der Brandschutz für brennbare Flüssigkeiten geregelt wurde. Diese Technischen Regeln sind wegen der vielen unterschiedlichen Lagermöglichkeiten bzw. Randbedingungen um ein Vielfaches umfangreicher als die meisten Sonderbauverordnungen.

Trotz des Umfangs der vorgegebenen Technischen Regeln können diese, auf Grund der unterschiedlichsten gewerblichen Nutzungen und der sich dauernd ändernden Randbedingungen, nicht annähernd genau auf die jeweiligen Nutzungen angepasst werden (wie z.B. für geregelte Sonderbauten oder im Wohnungsbau).

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 732 – 01.12.2016<<>>

Deshalb hat der Arbeitgeber, auf der Grundlage des Instruments Gefährdungsbeurteilung, die erforderlichen Maßnahmen immer für die vorliegende Nutzung bzw. den Einzelfall festzulegen. Dazu gehört auch die Fortschreibungspflicht, durch die sich die im Nutzungszeitraum ändernden Randbedingungen berücksichtigt werden müssen. Es sind auch Alternativlösungen zur Schutzzielerreichung zulässig und ohne formale Verfahren.

4.5 Risikobetrachtung für geregelte Sonderbauten mit zusätzlichen Gefahren oder Erstellung einer »Vorläufigen Gefährdungsbeurteilung«

Die Standardbrandschutzkonzepte berücksichtigen nicht immer alle Nutzungen oder Gefahren. Das trifft vor allem im Gewerbebau zu (siehe Beispiele aus der Einleitung). Diese besonderen Gefahren sind bei den Brandschutzplanungen zusätzlich zu berücksichtigen (»Vorläufige Gefährdungsbeurteilung«). Dazu gehört auch das Festlegen zusätzlicher Maßnahmen in einem objekt- bzw. nutzungsbezogenen BS-Konzept. In einigen Fällen reicht die Erweiterung des vorgegebenen Standardbrandschutzkonzeptes.

Nachfolgend soll am Beispiel von Gefahrstofflagern aufgezeigt werden, welche zusätzlichen Randbedingungen bei der BS-Nachweiserstellung oder Erstellung von BS-Konzepten schon im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen sind (nicht erst vor Nutzungsaufnahme, wie nach Arbeitsschutzgesetz vorgesehen).

Kriterien für Gefahrstofflager

Sicherheitstechnische Kriterien

  • Gefahrenklassen, Eigenschaften

  • Zustand des Lagergutes

  • Zahl der verschiedenen Chemikalien mit unterschiedlichen gefährlichen Eigenschaften

  • Menge

  • Lagerort, Umgebung

  • Bauliche Beschaffenheit der Lagereinrichtungen

  • Brand- und EX-Schutz

  • Überwachung

  • Personal

  • Behälter, Verpackungsart

  • Lagerzeit

  • Lagersystem, Zusammenlagerung

  • Kennzeichnung, Information

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 733 – 01.12.2016<<>>

Gefahrenklassen, Eigenschaften

Gefahrstoffe können die unterschiedlichsten gefährlichen Eigenschaften haben:

  • Infektiöse Stoffe

  • Radioaktive Stoffe

  • Explosive Stoffe

  • Verdichtete, verflüssigte und unter Druck gelöste Gase (tiefgekühlte verflüssigte Gase, entzündliche Gase, oxidierende Gase, giftige Gase, sonstige Gase)

  • Selbstentzündliche Stoffe

  • Mit Wasser gefährlich reagierende Stoffe

  • Organische Peroxyde

  • Brandfördernde Stoffe

  • Entzündliche Flüssigkeiten (mit Wasser mischbar oder nicht mischbar)

  • Entzündliche Feststoffe

  • Giftige Stoffe

  • Ätzende Stoffe (Säuren, Basen)

  • Umweltgefährliche Stoffe

Zustand des Lagergutes

Hier ist zunächst der Aggregatzustand ein Gefährdungsmerkmal. Giftige Gase sind bei gleicher Giftigkeit allein wegen der schnelleren Ausbreitungsmöglichkeit gefährlicher als giftige Feststoffe oder als giftige Flüssigkeiten. Das trifft für annähernd alle Gefahrenmerkmale zu, wie zum Beispiel auch bei der Brennbarkeit.

Brennbare Gase können schneller explodieren als brennbare Flüssigkeiten, da bei letzteren erst der Flammpunkt überschritten werden muss (müssen erst ausdunsten). Flüssigkeiten verteilen sich, z.B. wenn diese auslaufen (nach den Gasen), schneller als brennbare feste Stoffe und bilden eine größere Oberfläche. Ausnahme sind brennbare Stäube, welche je nach Korngröße sehr große Oberflächen haben können und deshalb auch die Staubexplosionsgefährdung zu berücksichtigen ist.

Die Temperatur und der Druck der Gefahrstoffe haben ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Gefährlichkeit des Lagergutes. Das trifft nicht nur bei hohen Temperaturen zu. Auch bei Gasaustritt und den dadurch möglichen tiefen Temperaturen kann es zu Verbrennungen kommen.

Unter Druck verflüssigte Gase bzw. Druckgasbehälter können im Brandfall oder einfach bei entsprechender Erwärmung zum Zerbersten gebracht werden. Dadurch ergeben sich auch für die Einsatzkräfte erhebliche Gefährdungen.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 734 – 01.12.2016<<>>

Durch Verunreinigung von Chemikalien können ungewollte Reaktionen auftreten, welche u.U. nicht mehr zu stoppen sind.

Zahl der verschiedenen Chemikalien mit unterschiedlichen gefährlichen Eigenschaften

Mit steigender Anzahl der unterschiedlichen Gefahrstoffe steigt auch das Gefährdungspotential, vor allem, wenn es sich um Stoffe mit unterschiedlichen Gefährlichkeitsmerkmalen handelt.

Es muss immer mit Unfällen, Bränden oder Behälterbruch gerechnet werden. Die Stoffe selbst oder die bei Bränden entstehenden Reaktionsprodukte können gefährlich miteinander reagieren, was eine Erhöhung der Schadensauswirkungen zur Folge haben kann. In den zutreffenden Technischen Regelt sind deshalb vor allem bauliche Trennungen der unterschiedlichen Gefahren vorgesehen.

Menge der Gefahrstoffe

Hier ist nicht nur die Menge von Bedeutung, sondern die Menge in Verbindung mit den gefährlichen Eigenschaften, wovon das Gefährdungspotential abhängig ist. Besonders gefährlich sind große Mengen an explosionsgefährlichen Stoffen, da die zu erwartenden Auswirkungen in Abhängigkeit von den zusammen gelagerten Mengen steigen. Daraus können beispielsweise Anforderungen an die Unterteilung von großen Gefahrstoffmengen abgeleitet werden.

Lagerort und Lagerumgebung

Hier ist beispielsweise von Bedeutung, ob im Freien, in Kellergeschossen oder in Obergeschossen gelagert wird. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Rettungs- und Angriffswegsicherung und die Möglichkeit der Schadensbekämpfung von Bedeutung. Die Lagerung von Gefahrstoffen ist deshalb z.B. in Hochhäusern nicht zulässig.

Dämpfe, Nebel brennbarer Flüssigkeiten und die meisten brennbaren Gase sind schwerer als Luft, so dass sich diese in Senken, Kellergeschossen oder in unterirdischen Kanälen sammeln können.

Die Nachbarschaft und deren Nutzung sind bei der Planung von Gefahrstofflagern zu berücksichtigen. Damit ergeben sich zusätzliche Gefährdungen in Abhängigkeit von der Entfernung zur Wohnbebauung und vor allem sind Gebäude, in denen sich schutzbedürftige oder hilflose Personen aufhalten, zu berücksichtigen (Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten oder Schulen). Auch die Umwelt, wie zum Beispiel der Standort im Bereich eines Wasserschutzgebietes, ist ein Kriterium der Genehmigungsfähigkeit von Chemikalienlagerungen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, je näher die Nachbarschaft an die Gewerbebauten heranrückt, desto größer sind die Anforderungen an die Sicherheit.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 735 – 01.12.2016<<>>

Bauliche Beschaffenheit von Lagerflächen, -räumen und -bereichen

Der bauliche Zustand ist den Erfordernissen der Lagerung anzupassen. Hier sind die Anforderungen an die Trennung von unterschiedlichen Gefahrstoffgruppen oder der Schutz von Produktion, von Nichtbetroffenen oder den Nachbarnutzungen zu berücksichtigen. Auch der Schutz der Umwelt wie z.B. des Grundwassers ist sicherzustellen.

Die Verkehrsflächen, Rettungs- und Angriffswege müssen von Gefahrenbereichen getrennt sein bzw. freigehalten werden. Es sind Vorkehrungen zu treffen, sodass ein Brand begrenzbar ist bzw. sich nicht über ein vertretbares Maß ausbreiten kann.

Auf Grund des Lagersystems und unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Gefährdungen sind nicht nur die baulichen und abwehrenden Sicherheitsmaßnahmen festzulegen, sondern, wenn erforderlich, durch anlagentechnische und betriebliche Vorkehrungen zu ergänzen.

Explosionsgefahren

Auswirkungen von Explosionen werden in der Regel in den Medien ausgewertet, so dass diese Gefahren bekannt sind. Um die Möglichkeiten von Explosionen auszuschließen, steht den Planern ein aussagefähiges Technisches Regelwerk zur Verfügung.

Brandgefahren

Für die Brandgefahr gilt das Gleiche wie bei den Explosionen. Hier sind neben anderen Gründen für die Brandentstehung insbesondere Schäden durch ungewollte, fahrlässige Schweißarbeiten oder vorsätzliche Brandstiftungen zu berücksichtigen.

Überwachung

Die Zugänglichkeit von Chemikalienlägern ist ein wichtiges Sicherheitskriterium. Es stellen sich Fragen wie z.B.: Ist mit Eingriffen von Unbefugten zu rechnen? Ist Diebstahl oder Brandstiftung möglich oder begünstigt? Welche Auswirkungen können auf Grund von Fremdeinwirkung erwartet werden?

Auch die Überwachung von Lagerbedingungen kann erforderlich werden. Dazu gehören das Überwachen von Temperatur oder dem Druck von Anlagenteilen.

Personal

Hier sind die Anforderungen an die Qualifikation, Erfahrung und Zuverlässigkeit des Personals zu berücksichtigen. Die Aus- und Fortbildung ist entsprechend den Anforderungen der Arbeit sicherzustellen. Die ausreichenden Unterweisungen in Bezug auf die Gefahren sind zu be- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 736 – 01.12.2016<<>>rücksichtigen. Gegebenenfalls sind Funktionsstellen zu schaffen, um den Anforderungen des Arbeits- und Brandschutzes gerecht zu werden.

Behälter. Verpackungen

Die Verpackungen haben in Lageranlagen einen entscheidenden Anteil an der Sicherheit. Sind diese brennbar, standsicher, zerbrechlich oder überhaupt geeignet für die Lagerstoffe? Auch die Verpackungsgrößen entscheiden über die Sicherheit. Bestimmte Verpackungsarten sind regelmäßig zu überwachen, wie z.B. Druckgasbehälter.

Lagerzeit

Mit zunehmender Lagerzeit ist ggf. mit Verunreinigungen, Selbstentzündungen oder Selbstzersetzungen zu rechnen. Unterschiedliche Verpackungen altern mit der Zeit in Abhängigkeit der Umgebungsverhältnisse. Möglichen Gefahrstoffaustritten ist durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.

Lagersystem

Die Auswahl des Lagersystems ist entscheidend für die Sicherheit der Lagerung. Zu nennen sind Freilager, Lager in Kellerräumen, ebenerdig in Hallen, in Hochregallagern oder in Obergeschossen. Wird ein vollautomatisches Lager geplant oder wird die Ein- und Auslagerung von Hand vorgenommen? Wie steht es mit der Sicherung der Anforderungen an die Zusammenlagerungsvorschriften aus?

Besonders störanfällige Situationen

»Veränderung ist die Mutter allen Übels«, lautet ein Sprichwort. Durch Veränderungen im Lagerbetrieb können sich gefährliche Zustände ergeben, wie beispielsweise bei:

  • Ein- und Auslagerung

  • Bauarbeiten

  • Reparaturarbeiten

  • Feuergefährlichen Arbeiten wie Schweißarbeiten

  • Befüll- und Entleerungsvorgängen

  • An- und Abfahrvorgängen

  • Wechsel des Personals

  • Veränderung der Lagerbedingungen

Kennzeichnung und Information

Was ist alles zu kennzeichnen? Neben den Rettungs- und Angriffswegen gehören in erster Linie die Gefahrstoffe, die Gefahren oder die erforder- Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 737 – 01.12.2016<<>>lichen Maßnahmen dazu (z.B. Schutzbrille tragen). Auch auf Verbote muss eindeutig hingewiesen werden (z.B. Zutritts- oder Rauchverbot).

Für die Einsatzkräfte sind geeignete Informationen vorzuhalten, damit die Bekämpfung von Störungen von bestimmungsgemäßen Betriebszuständen, bis hin zu Bränden oder Gefahrstoffaustritten, effektiv und mit den geeigneten Eigenschutzmaßnahmen möglich ist.

5. Beispielhafte Festlegung von Maßnahmen in Gefahrstofflagern im Zuge der vorläufigen Gefährdungsbeurteilung (Grundlage der BS-Planungen)

In der vorliegenden Arbeit wird darauf verzichtet, auf Einzelfälle einzugehen, da allein auf Grund der zu beurteilenden Kriterien in Gefahrstofflagern zu erkennen ist, dass die Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzrecht und Gefahrstoffrecht über die baurechtlichen Erfordernisse hinausgeht und weitaus differenzierter ist.

Die erforderlichen Maßnahmen, welche bei der BS-Planung bzw. im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen sind, sollen verhindern, dass schon kurz nach Fertigstellen des Gebäudes erneut Umbaumaßnahmen erforderlich werden.

Beispielsweise können folgende zusätzliche, über die baurechtlich erforderlichen Maßnahmen hinausgehende Maßnahmen, erforderlich werden (siehe auch Beispiele aus der Einleitung).

Bauliche Brandschutzmaßnahmen

  • Zwei oder mehr bauliche Rettungswege

  • Bauliche Trennung zu benachbarten gefährlichen Anlagen oder Vorsehen eines ausreichenden Abstandes

  • Zwei Ausgänge und geringere Fluchtweglängen aus Räumen mit erhöhten Gefahren als z.B. nach Industriebaurichtlinie

  • Änderung der Aufschlagrichtung von Türen in Rettungswegen

  • Vergrößerung der Rettungswegbreite

  • Erhöhte Anforderungen an Baustoffe für Wand- und Deckenverkleidungen bzw. für Fußböden

  • Erhöhte Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Trennwände, Decken und Türen bzw. das Vorsehen von Schleusen

  • Verbot von Aufenthaltsräumen neben oder über Gefahrstofflagerungen

  • Schaffung von Auffangräumen für Gefahrstoffe

  • Löschwasserrückhalteanlagen

  • Vorsehen von baulichen Maßnahmen als Anfahrschutz

  • Druckentlastungsmöglichkeit in der baulichen Hülle

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 738 – 01.12.2016<<>>

Anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen

  • Besondere Anforderungen an Lüftungs-/Absaug-/Belüftungsanlagen

  • Erfordernis von Gefahrenmeldeanlagen (Druck-, Gas- oder Brandmeldung)

  • Erfordernis von Lösch-/Berieselungsanlagen

  • Vorsehen von EX-Unterdrückungsanlagen

  • Explosionsschutztechnische Entkopplung von Anlagenteilen

  • Alarmierungsanlagen/Durchsagemöglichkeiten

  • Sicherheitsbeleuchtung

  • Sicherheitsstromversorgung

  • Blitzschutz

  • NOT-AUS-System

  • Windrichtungsanzeiger

Betrieblich-organisatorische Brandschutzmaßnahmen

  • Verbot der Aufenthaltsraumnutzung im Gefahrenbereich

  • Verbot von Lagerungen in bestimmten Gebäudeteilen oder Geschossen

  • Anforderung an die Zusammen- oder Getrenntlagerung

  • Generelles Verbot bestimmter Gefahrstofflagerungen in Wasserschutzgebieten oder in der Nähe von Wohngebieten oder bestimmten Sonderbauten (Schulen, KIGA, Altenheimen, Versammlungsstätten usw.)

  • Bestellung von Beauftragten wie z.B. Brandschutzbeauftragte, Störfallbeauftragte, Umweltbeauftragte, Immissionsschutzbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte, Selbsthilfekräfte, Sammelstellenverantwortliche, Räumungshelfer

  • Brandschutzordnungen

  • Alarmpläne

  • Fach- und ortskundige Berater für die Einsatzkräfte

  • Einlagerungsplan/Gefahrstoffkataster

  • EX-Schutzmaßnahmen (EX-Schutzdokument)

  • Zugangsregelungen/Verhinderung Zugang Unbefugter

  • Unterweisungen der Beschäftigten über die Gefahren und die Wirkmechanismen der getroffenen Maßnahmen, Notfallübungen

  • Organisation der Prüfungen von sicherheitstechnischen Anlagen, Arbeitsmitteln, haustechnischen Anlagen, der elektrischen Anlagen und der ortsveränderlichen elektrischen Geräte

  • Flucht- und Rettungswegpläne

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 739 – 01.12.2016<<>>
  • Zusätzliche Rettungswegkennzeichnung

  • Kennzeichnungen der Gefahrenbereiche und Hilfseinrichtungen

  • Freihalten der Rettungs- und Angriffswege

  • Betriebliche Gefahrenabwehrplanungen

Maßnahmen für den Abwehrenden Brandschutz

  • Feuerwehrplan

  • Einsatzakte für die Feuerwehr (zusätzliche Informationen zu den Gefahrstoffen)

  • Erhöhte Anforderungen an die Flächen für die Feuerwehr wie Anfahrmöglichkeiten aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen (in Abhängigkeit von der Windrichtung)

  • Besondere Anforderungen zur Sicherung der Zugänglichkeit für die Einsatzkräfte

  • Erhöhte Löschwasserversorgung

  • Vorhalten von Sonderlöschmitteln

  • Stellung eines Lotsen oder eines fach- und ortskundigen Betriebsangehörigen für die Beratung und Unterstützung der Einsatzkräfte

  • Betriebs- oder Werkfeuerwehr

  • Abstimmung und Bedienbarkeit der Löschwasserrückhaltung mit den Einsatzkräften

  • Kennzeichnung der Gefahrenbereiche entsprechend der FWDV 500 (C 1-3, BIO 1-3 oder GG 1-3)

  • Gebäudefunk

  • Außerbetriebliche Gefahrenabwehrplanung entsprechend der Störfallverordnung (Gefahrenabwehrbehörde)

Festzuhalten ist, dass die Brandschutzplanung den Einzelfall betrachten muss, so dass vorgenannte Maßnahmen nicht alle in einem vorgegebenen Standardbrandschutzkonzept Berücksichtigung finden können.

Im Zeitraum der Brandschutzplanung sind alle Kriterien der geplanten bzw. bekannten Nutzung zu berücksichtigen, um die Nutzung nach Übergabe des Gebäudes zu ermöglichen oder größere kostspielige Änderungen auszuschließen.

Aus vorgenannten Gründen muss die vorläufige Gefährdungsbeurteilung oder Risikobetrachtung (egal wie sie im Sprachgebrauch genannt wird) im Zeitraum des Baugenehmigungsverfahrens durchgeführt werden und als Grundlage für die Brandschutzplanung dienen. Da sich die Gefährdungen im Nutzungszeitraum ändern, muss die BS-Planung regelmäßig auf den Prüfstand (siehe weitere Ausführungen).

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 740 – 01.12.2016<<>>

6. Ineinandergreifen von Brandschutznachweisen/Konzepten und Gefährdungsbeurteilungen im Gebäudelebenszyklus

Am Anfang steht eine Idee oder ein wirtschaftlicher Zwang des Betreibers, z.B. die Lagerkapazität für Gefahrstoffe zu erhöhen oder erst zu schaffen, eine komplett neue Fabrik zu erstellen oder Erweiterungen von Produktionsflächen vorzunehmen. Für die Planung und ggf. für die Umsetzung der Baumaßnahmen wird ein Planungsteam beauftragt.

Grundsätzlich ist bei der Planung und Umsetzung von baulichen Anlagen das Baurecht einzuhalten. Das bedeutet, um eine baurechtliche Genehmigung zu erhalten, muss der Nachweis über den ausreichenden Brandschutz geführt werden.

In den vorangegangenen Erläuterungen wurde dargestellt, dass für bestimmte Nutzungsarten die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung schon als Planungsgrundlage erforderlich sind bzw. im Brandschutznachweis berücksichtigt werden müssen. Nachfolgend wird aufgezeigt, wann und wie diese beiden Instrumente eingesetzt werden sollten. Dazu gehört auch das Erfordernis der Verzahnung der beiden genannten Instrumente.

6.1 Planungsphase

Grundlage jeder Planung muss eine möglichst detaillierte Nutzungsbeschreibung des Bauherrn bzw. späteren Betreibers sein. Sind genaue Angaben anfangs nicht verfügbar, ist ggf. ein Gefährdungskataster mit den möglicherweise zum Einsatz kommenden Gefahrstoffen und ihrer Verwendung zu erstellen.

Im Zuge der Planung werden die Angaben zur Nutzung konkretisiert, einschließlich der zu erwartenden gehandhabten und gelagerten Gefahrstoffe, gefährlicher Produktionsprozesse oder Arbeitsgänge. Es wird geprüft, ob es Gefährdungen gibt, welche für die Brandschutzplanung von Bedeutung sein können, und ob gesetzliche Vorschriften oder Technische Regeln bestehen, die – zusätzlich zu den bauaufsichtlichen Vorschriften – bei der Brandschutzplanung zu berücksichtigen sind.

Bei fehlenden oder unvollständigen Vorgaben, oder wenn das Sicherheitskonzept der Vorschriften nicht auf den konkreten Fall anwendbar ist, muss ein spezielles Brandschutz- bzw. Sicherheitskonzept für den konkreten Fall erarbeitet werden. Hierfür ist als Planungsgrundlage eine vorläufige Gefährdungsbeurteilung anzufordern. Diese kann vom BS-Planer selbst, vom Betreiber oder einem anderen geeigneten Fachplaner durchgeführt werden. Sie hat zum Ziel, auch die erforderlichen Maßnahmen festzulegen, welche in den vorgegebenen Standardbrandschutzkonzepten nicht berücksichtigt werden.

Die Brandschutzplanung muss die Ergebnisse dieser Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Ersteller der vorläufigen Gefährdungsbeurteilung, dem BS-Planer, dem  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 741 – 01.12.2016<<>>späteren Nutzer/Betreiber (einschließlich Brandschutz- und Arbeitsschutzfunktionsstellen) und dem Architekten zwingend erforderlich.

Die zu erwartenden Brand- oder vergleichbaren Gefahren müssen zwingend im BS-Nachweis Berücksichtigung finden. Das schließt nicht aus, dass nach anderen Genehmigungsverfahren noch zusätzliche Nachweise erforderlich werden.

Von allen Planern sind die zu berücksichtigenden Gefährdungsarten und somit die zutreffenden Rechtsgebiete zu berücksichtigen, was sich in Anforderungen an den baulichen, anlagentechnischen, betrieblichen und abwehrenden Brandschutz ausdrückt.

Die erforderlichen Genehmigungen sind einzuholen. Dazu sind die Bauvorlagen oder Genehmigungsunterlagen bei den entsprechenden Behörden einzureichen.

6.2 Bauausführung

Die genehmigte Brandschutzplanung ist, wie auch die Eingabeplanung, Grundlage für die Erstellung von Gebäuden. Nach Genehmigung, Werksplanung, Ausschreibung und Vergabe kann mit den Bauarbeiten begonnen werden. Die in diesen Leistungsphasen oft auftretenden Unzulänglichkeiten, wie beispielsweise Ausschreibungs-, Koordinations- oder Umsetzungsfehler, können hier nicht betrachtet werden.

Wenn der Brandschutzplaner für die Koordination oder Umsetzung der Brandschutzplanungen nicht mehr beauftragt ist, muss ein anderer Koordinator bestellt werden (z.B. Fachbauleiter Brandschutz oder der Bauleiter). Für die Brandschutzmaßnahmen, die durch die einzelnen Gewerke zu realisieren sind, sind die Verantwortlichkeiten zu definieren und die Qualifikationen der ausführenden Firmen eindeutig zu beschreiben. Das gilt nicht nur für die üblichen »Baugewerke«, sondern gleichermaßen für Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der Installation von Anlagen- bzw. Verfahrenstechnik.

Auf die bekannten Mängel bei der baulichen Umsetzung der geplanten Brandschutzmaßnahmen, wie beispielsweise durch Fehler beim Einbau (Schlamperei), bewusste Fehler (Preisdruck, Nichtbeachtung von Einbaubedingungen aus den Verwendbarkeitsnachweisen), Fehler aus Unkenntnis (mangelnde Ausbildung der Unternehmer und deren Mitarbeiter), Produktfehler und mangelnde Überwachung, soll hier auch nicht weiter eingegangen werden. Es können Qualitätssicherungsmethoden angewendet werden, um das geplante Sicherheitsniveau zu erreichen, welches in den Brandschutzplanungen definiert ist. Das trifft für die Erstellung und auch für die Abnahme der Gebäude zu.

Zusätzlich zu den bauaufsichtlich geforderten Bescheinigungen und Bestätigungen für sicherheitstechnische Einrichtungen sind Abnahmen gemäß den Technischen Regeln oder aufgrund des speziellen Sicherheitskonzeptes erforderlich.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 742 – 01.12.2016<<>>

6.3 Baubetrieb

Um die Wirksamkeit der Brandschutzmaßnahmen auch während der Bauphase sicherzustellen, sind diese in Abhängigkeit vom Baufortschritt zu konkretisieren und auch hierfür die Verantwortlichkeiten eindeutig zu definieren.

Auch für die Baumaßnahme ist eine Gefährdungsbeurteilung anzufertigen, in der die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für den Baustellenbetrieb festgelegt werden. Eine der Grundlagen der Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle ist das genehmigte Brandschutzkonzept mit den darin festgelegten Brandschutzmaßnahmen. Für den Baustellenbetrieb ist auch die Einhaltung der Baustellenverordnung mit dem nachfolgenden Regelwerk obligatorisch.

6.4 Übergabe

Bei der Übergabe von Gebäuden sind die erforderlichen Dokumente an den Auftraggeber zu übergeben. Dazu gehören neben den Planunterlagen die erforderlichen Unterlagen der Bauteile, Sonderbauteile und technischen Anlagen wie Verwendbarkeitsnachweise, Übereinstimmungsnachweise, Errichterbescheinigungen, ggf. Erstprüfungen der sicherheitstechnischen Einrichtungen und Anlagen. Nicht zu vergessen sind auch die Brandschutzplanungen bzw. der Brandschutznachweis.

Die gesamte Brandschutzdokumentation sollte geordnet als »Brandschutzakte« übergeben werden. Auf die Möglichkeiten, diese Unterlagen zusätzlich digital zu übergeben und die Vorteile der EDV-geführten Nachweisführung, welche sich vor allem bei der späteren Nutzung bezahlt machen, wird hingewiesen.

6.5 Nutzungsphase

Die bauliche Anlage ist fertig gestellt und soll in Betrieb gehen. Die Verantwortung geht an den Arbeitgeber/Nutzer über, welcher einen sicheren Betrieb auf der Grundlage des Arbeitsschutzrechtes zu gewährleisten hat. Deshalb wird nachfolgend im Wesentlichen nur die Aufgabe des Arbeitgebers/Betreibers in Bezug auf das zu bearbeitende Thema betrachtet.

Solange die baulichen Anlagen nicht geändert werden, gilt für den Betrieb oder die Nutzung vor allem das Arbeitsschutzgesetz mit den zutreffenden Verordnungen. Außerdem ist auch für den Betrieb baulicher Anlagen das Baurecht umzusetzen. Das bedeutet, der genehmigte Sicherheitsstandard ist beizubehalten.

»…, so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden.« … (Auszug aus Art. 3 Abs. 1 BayBO).

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 743 – 01.12.2016<<>>

Diese Klausel aus den jeweiligen Landesbauordnungen verpflichtet den Arbeitgeber beispielsweise sicherzustellen, dass die sicherheitstechnischen Anlagen gewartet und fallweise erneuert werden. Die Neuinstallation von Leitungsanlagen jeglicher Art ist entsprechend der Leitungsanlagenrichtlinie oder der jeweiligen Verwendbarkeitsnachweise durchzuführen. Gleiches ist sinngemäß für alle Bauteile oder Sonderbauteile zu berücksichtigen. Die Rettungswege sind freizuhalten. Neben den Schutzzielen des Arbeitsschutzrechtes sind auch die bauaufsichtlich vorgegebenen Schutzziele dauerhaft umzusetzen.

Bauliche Änderungen und Nutzungsänderungen bedürfen einer Überprüfung des Brandschutzkonzeptes bzw. der genehmigten Situation. Es ist zu prüfen, ob die Änderungen genehmigungspflichtig sind. Das gilt auch für Änderungen in Bezug auf »gefährliche Anlagen«, auch wenn diese im Baurecht nicht geregelt sind.

Bei genehmigungspflichtigen Änderungen entscheidet die Behörde über den Umfang des Bestandsschutzes. Wenn keine genehmigungsbedürftigen Änderungen vorgenommen werden, liegt die Verantwortung für etwaige Anpassungen an geltende Vorschriften beim Arbeitgeber/Nutzer/Eigentümer.

Auch hierfür sind die Brandschutzplanungen/Genehmigungsunterlagen zu überprüfen, ggf. ist auch die Mitwirkung des Brandschutzplaners erforderlich.

Für den Nutzungszeitraum wird nachfolgend dargestellt, dass der BS-Nachweis bzw. das BS-Konzept zur Sicherung des Betriebes unerlässlich ist und warum nur durch die Verzahnung der Brandschutzplanung mit der Gefährdungsbeurteilung ein ganzheitlicher »Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz« gewährleistet werden kann.

6.5.1 Inbetriebnahme/Erstgefährdungsbeurteilung

Vor Inbetriebnahme ist vom Betreiber eine vollumfängliche Gefährdungsbeurteilung mit Festlegung aller erforderlichen Maßnahmen erforderlich. Das bedeutet, jetzt müssen auch die Gefährdungen, welche für die Baumaßnahmen nicht relevant waren, Berücksichtigung finden.

Im Zuge der Festlegung der erforderlichen Maßnahmen kann und muss der Arbeitgeber auf die bereits in der Brandschutzplanung festgelegten baulichen, anlagentechnischen und vor allem betrieblichen Maßnahmen zurückgreifen. Dazu gehören auch die Vorkehrungen zur Ermöglichung von Lösch- und Rettungsmaßnahmen wie z.B.:

  • Rettungswegsicherung (Hauptgänge, Ausgänge aus Räumen, Flure, Treppenräume, Aufschlagrichtungen von Türen, Verlegen von Leitungsanlagen in Rettungswegen)

  • Abschottungsprinzip, vorhandene Sicherung gegen Gefahrausbreitung (Wände, Decken, Türen, Abschottungen von Leitungen jeglicher Art)

     Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 744 – 01.12.2016<<>>
  • Löschanlagen zur Gefahrenbegrenzung

  • Rauch- und Wärmeabzugsanlagen

  • Gefahrenmeldeanlagen zur Früherkennung von Gefahren

  • Prüfungen und Wartung des anlagentechnischen Brandschutzes

  • Bestellung und Ausbildung der Brandschutzfunktionsstellen

  • Erstellung einer Brandschutzordnung

  • Fertigung von Flucht- und Rettungswegplänen

  • Vorkehrungen für die Einsatzkräfte

Teilweise müssen erst die Forderungen aus den Brandschutzplanungen umgesetzt werden. Beispielsweise sind Brandschutzordnungen oder Alarmpläne, welche im BS-Konzept als reine Forderung bestanden, auszuarbeiten und das in Abhängigkeit von vorliegenden Gefahren oder der Struktur des Betriebes.

Dazu gehört nach DIN 14096 die Festlegung von Maßnahmen in Bezug auf die Brandverhütung, Brand- und Rauchausbreitung, Freihalten der Flucht- und Rettungswege sowie das Verhalten im Brandfall für das konkrete Objekt. Auch die Maßnahmen und Verhaltensregeln bei Ertönen von Alarmierungsanlagen oder bei Auslösen von Löschanlagen sind eindeutig zu regeln. Das trifft in besonderem Maße auf geplante Gaslöschanlagen zu, da die Gefährdungen durch ausströmendes Löschgas in der Gefährdungsbeurteilung Berücksichtigung finden müssen.

Im Zuge der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung bzw. der erforderlichen Maßnahme »Ausarbeitung der Brandschutzordnung« sind alle erforderlichen Einzelmaßnahmen zu regeln. Dazu gehört auch das Aufgabenspektrum der beauftragten Mitarbeiter (Brandschutzfunktionsstellen).

Auf Grund der Gefährdungsbeurteilung können sich zusätzliche, über die Vorgaben der BS-Konzepte hinausgehende Anforderungen ergeben oder es sind zusätzliche Funktionsstellen zu schaffen (Sammelplatzleiter, Räumungshelfer, Lotse oder fach- und ortskundiger Berater für die Einsatzkräfte). Gegebenenfalls ist ein Alarmplan zu erarbeiten. Außerdem bedarf es eindeutiger Regelungen, z.B. wer im Gefahrenfall eine Betriebsunterbrechung anordnen darf, wann Anlagen abgeschaltet werden müssen, wann und von wem die Räumung angeordnet werden kann. Auch die Verfahrensweise in Bezug auf die Sicherheit bei gefährlichen Arbeiten wie Schweißen, Schneiden und ähnlichen thermischen Verfahren ist zu regeln (z.B. Erlaubnisschein für feuergefährliche Arbeiten).

In Abhängigkeit von der Betriebsgröße oder der vorhandenen Gefahr ist ggf. eine betriebliche Brandschutzorganisation einzuführen. Auch hier können aus den genehmigten Brandschutzplanungen bereits vorgegebene Anforderungen umzusetzen sein bzw. sind zusätzliche Maßnahmen vorzusehen (z.B. geforderte Werksfeuerwehr, Brandschutzbeauftragter o.Ä.).

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 745 – 01.12.2016<<>>

In bestehenden Betrieben mit vorhandener Brandschutzorganisation sind die Brandschutzplanungen oder die festgelegten Maßnahmen der neu genehmigten und erstellten Gebäude in die übergreifende Brandschutzorganisation des Gesamtbetriebes zu integrieren.

Weitere auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung zutreffende Maßnahmen sind z.B. Belehrungen über die Gefahren. Die Grundlage der Belehrungen sind u.a. die im BS-Nachweis/Konzept vorgesehenen Maßnahmen und deren Wirkmechanismen. Dazu gehört ggf. die Erstellung und Pflege von Gefahrstoffkatastern oder EX-Schutzdokumenten, welche auch teilweise schon im Zuge der Brandschutzplanung und der Erstellung der Feuerwehrpläne Berücksichtigung fanden.

Die nach Gefahrstoffverordnung geforderten Betriebsanweisungen sind zu erstellen und als Belehrungsgrundlage unerlässlich. Bei der Festlegung der in den Betriebsanweisungen anzugebenden »Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln« sind die vorhandenen Brandschutzplanungen einzubeziehen. Die Belehrungen sind in der Regel jährlich zu wiederholen. Allerdings können sich in Abhängigkeit der Gefahren kürzere oder in Ausnahmefällen auch längere Belehrungszyklen ergeben.

Auch die Forderung, Flucht- und Rettungswegpläne anzufertigen, kann in den genehmigten Brandschutzplanungen enthalten sein. Wenn bei der Gefährdungsbeurteilung festgestellt wird, dass die Rettungswege unübersichtlich sind bzw. es sich um ausgedehnte Gebäude handelt, sind Flucht- und Rettungswegpläne auch unabhängig von solchen baurechtlichen Forderungen anzufertigen.

In Abhängigkeit von der Gefahrenlage sind Räumungsübungen festzulegen, welche auf der Grundlage der Brandschutzkonzepte bzw. der vorhandenen brandschutztechnischen Infrastruktur zu planen sind.

Die Prüfungen von sicherheitstechnischen Anlagen sind entsprechend den baurechtlichen Forderungen durchzuführen (Erstbescheinigungen der Wirksamkeit und Betriebssicherheit einschließlich der Wiederholungsprüfungen nach SPrüfV). Gleichermaßen sind Prüfungen sicherheitstechnischer Einrichtungen bei der Verfahrenstechnik nach Betriebssicherheitsverordnung durchzuführen. Im gegebenen Fall sind in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen bzw. in Abhängigkeit der Gefährdungsbeurteilung kürzere Prüfzyklen anzusetzen.

Die nach Herstellerangaben erforderlichen Wartungen und Prüfungen von sicherheitsrelevanten Bauprodukten oder überwachungsbedürftigen Anlagen sind durch Festlegung geeigneter Maßnahmen dauerhaft sicherzustellen. Auch für diese Bauteile sind, in Abhängigkeit von der Beanspruchung, die Überprüfungs- und Wartungsabstände in der Gefährdungsbeurteilung festzulegen. Unter Umständen sind für bestimmte Anlagen Mindestfristen einzuhalten.

Zu regeln sind auch Maßnahmen bei Wartung und Reparatur von sicherheitstechnischen Anlagen sowie deren zeitweise Außerbetriebnahme bzw. die Kompensation für diese Zeit.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 746 – 01.12.2016<<>>

Aus den aufgezählten Maßnahmen ist zu ersehen, dass die genehmigte Brandschutzplanung immer Grundlage der vor Inbetriebnahme obligatorischen Gefährdungsbeurteilung sein muss.

Sollten trotz Einbeziehung der vorläufigen Gefährdungsbeurteilung bei der Genehmigungsplanung Änderungen am Brandschutzkonzept erforderlich werden, ist das BS-Konzept bereits im Zuge der ersten Gefährdungsbeurteilung fortzuschreiben bzw. an die sich ändernden Brandschutzmaßnahmen anzupassen.

6.5.2 Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilungen sind in Verantwortung des Arbeitgebers regelmäßig fortzuschreiben. Eine feste Frist wird im Arbeitsschutzgesetz nicht vorgegeben. Der Aufwand für wiederkehrende Gefährdungsbeurteilungen ist geringer, da diese in Abhängigkeit einer Wirksamkeitskontrolle der schon vorgesehenen Maßnahmen nur die neuen Erkenntnisse berücksichtigen müssen. Das trifft natürlich nur zu, soweit zwischenzeitlich keine Änderungen vorgenommen wurden.

Im Zuge dieser Wirksamkeitskontrolle ist auch die Wirksamkeit der brandschutztechnischen Infrastruktur zu überprüfen, da sich Nutzungsänderungen oft »einschleichen«. Dies erfordert wiederum die Überprüfung der genehmigten Brandschutzplanungen.

Der Zusammenhang zwischen Gefährdungsbeurteilung und BS-Konzept oder die erforderliche Verzahnung lässt sich deshalb auch aus den weiteren Gefährdungsbeurteilungen ableiten.

Die Fortschreibung des BS-Konzeptes ist nach Auffassung des Verfassers dringend geboten. Das rechtliche Erfordernis kann zwar nicht unmittelbar, aber indirekt aus Art. 3 BayBO abgeleitet werden.

6.5.3 Nutzungsänderungen

Bei allen Nutzungsänderungen oder Änderungen im Betriebsablauf ist zu prüfen, ob diese über die genehmigten Unterlagen gedeckt sind. Dazu sind auch die Brandschutzplanungen zu überprüfen.

Zum Beispiel kann eine Aufstockung eine Änderung der vorhandenen Gebäudeklasse nach sich ziehen. Dadurch erhöhen sich beispielsweise die Anforderungen an alle tragenden und trennenden Bauteile. Diese Änderung bedarf einer neuen baurechtlichen Genehmigung.

Die Erhöhung von Brandlasten oder die Veränderungen von Gefahrstofflagerbereichen in Industriegebäuden erfordern unter bestimmten Umständen eine neue Baugenehmigung. In Abhängigkeit von der Gefahr sind ggf. zusätzlich andere Genehmigungen erforderlich.

Festzuhalten ist, dass die Überprüfung der Genehmigungssituation bei jeder Nutzungsänderung erforderlich ist. Das trifft auch zu, wenn diese durch den genehmigten Bestand gedeckt ist.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 747 – 01.12.2016<<>>

Nach jeder genehmigungsbedürftigen oder nicht genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung ist die Wirksamkeit der Gefährdungsbeurteilung zu überarbeiten, auch auf Grundlage der Brandschutzplanungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Änderungen in Bezug auf das Arbeits- oder Baurecht handelt.

Wenn die Nutzungsänderung einer neuen baurechtlichen Genehmigung bedarf, sind entsprechend der BauVorlV oder der Sonderbauverordnungen bzw. IndBauRL vollständige Bauvorlagen einzureichen. Gleiches gilt bei Änderungen nach anderen Rechtsgrundlagen.

Immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren beinhalten immer Baugenehmigungsverfahren. Die enthaltenden Brandschutzplanungen sind dann auf Grundlage der Nutzung bzw. der Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.

6.5.4 Begehung der Arbeitsstätten

Um der Verantwortung zur Sicherung des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes nachzukommen, sind regelmäßige Betriebsbegehungen durchzuführen. Für diese Aufgabe sind geeignete Mitarbeiter oder Fachkräfte heranzuziehen. Die betroffenen Mitarbeiter in den zu begehenden Bereichen sind auf geeignete Weise zu beteiligen.

Ziel dieser Begehungen ist, Schwachstellen, Gesundheitsgefahren, Mängel im Arbeitsschutz oder Brandgefahren festzustellen, um diese abzustellen. Dazu gehören auch Abweichungen der genehmigten Brandschutzplanungen, welche nur auf der Grundlage der vorhandenen Brandschutzkonzepte erkannt werden können.

6.5.5 Prüfungen von Behörden (Bauaufsichtsbehörde, Feuerbeschau, GAA usw.)

Bei allen Prüfungen durch Behörden ist die Umsetzung der Anforderungen bzw. die Umsetzung der von der Behörde zu überprüfenden Schutzziele nachzuweisen.

Für den Nachweis sind auf Anforderung der Behörden die entsprechenden Unterlagen vorzulegen (Brandschutzplanungen und Gefährdungsbeurteilungen). Da die Anforderungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und die des Brandschutzes zum großen Teil voneinander abhängen, empfiehlt es sich, diese Unterlagen gemeinsam entsprechend geordnet in der Brandschutzakte bzw. digital abzulegen.

Wenn die Behörden Schwachstellen beim Gesundheits-, Arbeits- oder Brandschutz entdecken, sind diese zu beseitigen und die Brandschutzplanungen einschließlich Gefährdungsbeurteilungen entsprechend zu überarbeiten.

Festzuhalten ist, dass die behördliche Prüfung als Hilfe für den Arbeitgeber bei der Umsetzung seiner Sicherheitspflichten gesehen werden sollte, auch wenn das teilweise schwerfällt.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 748 – 01.12.2016<<>>

Die konzeptionellen Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzplanungen (BS-Konzept und Gefährdungsbeurteilung) können möglicherweise auch zur Abwehr von unberechtigten Forderungen der Behörde dienen. Wichtig ist, dass die jeweilige Schutzzielerreichung mit den Konzepten nachgewiesen werden kann.

6.5.6 Änderung des Standes der Technik

Der Arbeitgeber bzw. die beauftragten Verantwortlichen haben die Pflicht, den Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz in ihren Betrieben und Einrichtungen sicherzustellen. Dazu gehört auch die Pflicht, sich über den sich ändernden Stand der Technik zu informieren, z.B. durch Studium entsprechender Fachliteratur oder einschlägiger Fachzeitschriften. Dazu gehört auch der Besuch von entsprechenden Weiterbildungsveranstaltungen.

Bei der Umsetzung der Sicherheitspflichten ist vom Arbeitgeber zu prüfen, ob der sich dauernd ändernde Stand der Technik zu berücksichtigen ist.

6.5.7 Besondere Betriebszustände sicherheitstechnischer Anlagen

Neben dem Normalbetrieb, bei dem alles wie geplant abläuft, gibt es andere Betriebszustände. Es werden beispielsweise Anlagen angefahren, abgefahren, repariert, umgebaut oder erweitert. Es gibt vorhersehbare und nicht vorhersehbare Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes.

Grundsätzlich sind vorhersehbare Betriebszustände bei den Arbeitsschutz- und Brandschutzplanungen zu berücksichtigen bzw. für solche Betriebszustände Kompensationsmaßnahmen festzulegen. Diese Aussage trifft für die Planungen im Baugenehmigungsverfahren und für die Nutzungszeit zu.

Die Abschaltung von z.B. sicherheitstechnischen Anlagen oder Einrichtungen erfordert die Überprüfung, ob und welche Kompensationsmaßnahmen durchzuführen sind.

Eventuell können geeignete Maßnahmen im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden festgelegt werden. Grundlage der Maßnahmenfestlegung sind die bereits vorliegenden Brandschutzplanungen und die Gefährdungsbeurteilungen.

6.5.8 Brände und Arbeitsunfälle

Nach Bränden, Arbeitsunfällen oder ähnlichen Vorkommnissen ist die Ursache zu ermitteln, um eine Wiederholung auszuschließen. Das trifft auch zu, wenn sich solche Schadensereignisse in anderen Betrieben mit vergleichbaren Randbedingungen ereignen.

Als Grundlage der Ursachenermittlung dienen z.B. der Brandschutznachweis/das Brandschutzkonzept und die Gefährdungsbeurteilung. Sollten Schwachstellen oder nicht betrachtete Gefahren erkannt werden, sind diese abzustellen bzw. sind die genannten Instrumente fortzuschreiben.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 749 – 01.12.2016<<>>

6.6 Erklärungsmodell anhand von Kraftfahrzeugen

Als Erklärungsmodell zum Thema »Erforderlichkeit der Berücksichtigung von weiteren Gefahren bzw. Rechtsgebieten bei der Erstellung von Brandschutznachweisen oder Konzepten« bzw. zur Darlegung, dass die Instrumente »Brandschutzkonzept« und »Gefährdungsbeurteilung« in allen Gebäudelebensphasen nicht nur die Brandsicherheit verbessern, sondern auch zwingend erforderlich sind, eignet sich im besonderen Maße der Vergleich zu Kraftfahrzeugen (KFZ).

Wie bei der Planungs-, Bau-, Nutzungsphase und Aufgabe von Gebäuden einschließlich Abriss sind die Lebensphasen von Kraftfahrzeugen mit denen von Gebäuden vergleichbar, wenn auch für die einzelnen Phasen andere Zeiträume zu berücksichtigen sind.

Planungsphase

Als Grundlage der Planung von KFZ stehen die späteren Nutzer, die Nutzungen, die zu erwartenden Gefahren und nicht zuletzt die möglichen Beanspruchungen im Mittelpunkt. Es stellen sich beispielsweise folgende Fragen (nicht vollständig):

  • Welche Anforderungen werden bzw. können an den Führer des KFZ gestellt werden (Mensch steht immer im Mittelpunkt der Betrachtung)?

  • Welche Anforderungen werden an die Sicherheit gestellt?

  • Welche Geschwindigkeit soll angestrebt werden bzw. ist mit der Nutzung vereinbar?

  • Was soll transportiert werden (Personen oder Ware)?

  • Wie viel Personen oder welche Lasten sollen transportiert werden?

  • Auf welchem Untergrund soll sich das KFZ bewegen (Straße, Gelände, Schiene, Wasser)?

  • Sind weitere Beanspruchungen oder äußere Einflüsse zu erwarten (Wetter, Anschläge, Minen)?

  • Soll das KFZ noch mehr können als nur Personen oder Waren von A nach B bringen (Schießen, Messen, Baggern, Retten)

Jedem wird klar sein, dass ohne Beantwortung der Fragen und vor allem ohne Berücksichtigung der Aufgaben und der Gefahren, welche sich aus den späteren Nutzungen ergeben, die entwickelten KFZ die zugedachte Aufgabe nicht erfüllen können. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von Rechtsvorschriften, auch wenn diese erst bei der Nutzung von Belang sind (z.B. Straßenverkehrsordnung, Zulassungsverordnungen u.ä. Vorschriften).

KFZ können zwar ohne Berücksichtigung aller vorgenannten Randbedingungen gebaut werden. Die Nutzung auf öffentlichen Straßen erfordert allerdings die Einhaltung weitreichender Anforderungen. Gleiches gilt für  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 750 – 01.12.2016<<>>Schienenfahrzeuge und Arbeitsmaschinen bzw. für alle nichtgenannten Fahrzeuge, wie z.B. Panzer.

Die vorgenannten Aussagen gelten sinngemäß auch für die Planung und Nutzung von Gebäuden. Wenn die einschlägigen Brandschutzanforderungen aus dem Arbeitsschutz-, dem Gefahrstoff-, dem Umweltschutz- und ggf. dem Störfall- bzw. dem Katastrophenschutzrecht nicht schon bei der Planung Berücksichtigung finden, ist die Nutzung ausgeschlossen bzw. werden vor Nutzungszulassung teilweise umfangreiche Umbauten erforderlich.

Bauphase

Die o.g. Planungsgrundlagen ermöglichen nach Planungsende die Serienfertigung von einer unbestimmten Anzahl von nahezu gleichen KFZ, was so bei Gebäuden nicht möglich ist, da jedes Gebäude in weit größerem Maße ein Unikat ist, auch wenn es sich um dieselbe Nutzung handelt. Daran ändern die vorgegebenen Brandschutzkonzepte wie die Bauordnungen und Sonderbauverordnungen nichts, auch wenn in den Sonderbauvorschriften die spätere Nutzung bereits berücksichtigt wurde.

Das bedeutet, ein Nachweis, dass die vorgegebenen Brandschutzvorschriften eingehalten werden, kann keine Brandschutzplanung sein. In weit größerem Maße trifft diese Aussage für Sonderbauten zu, für die keine Sonderbauvorschrift eingeführt ist oder die Randbedingungen der Nutzung und der zu erwartenden Gefahren von den Sonderbauverordnungen nicht abgedeckt sind.

Um das vorgegebene Sicherheitsniveau bei der Herstellung zu erreichen, sind Qualitätssicherungssysteme erforderlich, was grundsätzlich für den KFZ- und den Baubereich gleichermaßen gilt.

Nutzungsphase

Die Nutzungszeit beträgt für Autos in der Regel mehr als 10 Jahre, für Gebäude ist diese um ein Vielfaches höher. Zur Erhaltung des Sicherheitsniveaus werden für KFZ Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten vorgeschrieben. Nach festgelegten Zeiträumen oder erreichten Kilometerständen sind Ölwechsel oder der Austausch der Bremsflüssigkeit erforderlich, Zahnriemen sind auszutauschen. Gleiches gilt für abgefahrene Reifen, verschlissene Stoßdämpfer und Bremsen. In bestimmten Zeitabständen sind zusätzliche Prüfungen von unabhängigen Sachverständigen vorgeschrieben (TÜV), welche die Mindestsicherheit sicherstellen sollen.

Die Verantwortung für die Verkehrssicherheit ist und bleibt beim Betreiber des KFZ und das unabhängig dieser zusätzlichen Kontrollen.

Bei der Nutzung von Gebäuden sind dem Betreiber ebenfalls entsprechende Pflichten und Verantwortungen auferlegt, für die Gebäudesicherheit zu sorgen. Unabhängig von den vorgeschriebenen Prüfungen der sicherheitstechnischen Anlagen nach SPrüfV und den regelmäßigen  Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 751 – 01.12.2016<<>>Begehungen durch die Feuerwehr (Feuerbeschau) oder andere Behörden sind erforderliche Wartungsarbeiten durchzuführen. Für sicherheitstechnische Anlagen und Bauprodukte sind in den Verwendbarkeitsnachweisen eindeutige Wartungsanforderungen enthalten.

Die Nutzung selbst bzw. die Art der Nutzung hat für KFZ und Gebäude gleichermaßen direkten Einfluss auf die Sicherheit. Bei der Nutzung von Kraftfahrzeugen wird auf die angemessene Geschwindigkeit, Zustand des Straßenbelages, Kurz- oder Langstreckenverkehr, die Beladung/Überladung und nicht zuletzt die Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer hingewiesen. Die Art der Nutzung hat einen wesentlichen Einfluss auf den Verschleiß von wichtigen Bauteilen und somit wieder auf die Sicherheit.

Die Nutzungsbedingungen von Gebäuden und die Einhaltung von grundlegenden Sicherheitsmaßnahmen sind ebenfalls maßgeblich für das Sicherheitsniveau und das unabhängig vom Anfangszustand/Niveau. Zu nennen sind verstellte, verschlossene Rettungswege, unberechtigtes Offenhalten von Brandschutztüren oder Außerbetriebsetzen anderer wichtiger sicherheitstechnischer Anlagen.

Heißarbeiten ohne Sicherheitsmaßnahmen, Benutzung von defekten ortsveränderlichen elektrischen Geräten oder eine nicht gewartete elektrische Anlage können Brände oder Unfälle nach sich ziehen.

Das Wissen von Gefahren, welche im Straßenverkehr zu erwarten sind, und die Fertigkeiten, Kraftfahrzeuge auch in dichtem Verkehr zu benutzen, wird den Fahrzeugführern bei der Erlangung der Führerscheine beigebracht. In der Regel müssen die erworbenen Kenntnisse bei einer theoretischen und einer praktischen Prüfung nachgewiesen werden. Die Anforderungen an die Fahrzeugführer sind in Abhängigkeit von den Gefahren und den möglichen Auswirkungen von Fehlhandlungen, also im Wesentlichen von der Fahrzeuggröße, der Anzahl der beförderten Personen oder der mit den Kraftfahrzeugen durchzuführenden Aufgaben, abgestuft. Die Anforderungen beschränken sich nicht nur auf das erforderliche Wissen bzw. die Fertigkeiten, sondern erstrecken sich für besondere Kraftfahrzeuge auch auf die ausreichende Gesundheit und Persönlichkeit.

Der Betrieb von Standardgebäuden, Sonderbauten und vor allem gefährlichen Anlagen erfordert ein vergleichbar abgestuftes Anforderungsprofil an die Nutzer/Bediener. Die Nutzung von Wohngebäuden erfordert keine besondere Ausbildung, allerdings werden bestimmte Grundregeln von Generation zu Generation weitergegeben. Für Arbeitsstätten haben die jeweiligen Arbeitgeber bzw. seine Beauftragten die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen festzulegen. Alle Nutzer in Arbeitsstätten müssen über die sicherheitstechnischen Maßnahmen und Vorkehrungen informiert sein. Dazu gehört das Wissen über die Wirksamkeit der brandschutztechnischen Infrastruktur, die Rettungswege, Sammelplätze und die Möglichkeit, Entstehungsbrände zu bekämpfen. Schulungsmaßnahmen müssen beispielsweise die Gefahren beinhalten, welche bei der Brandbekämpfung zu erwarten sind. Gleiches gilt auch für die Möglichkeiten und Grenzen von tragbaren Feuerlöschern.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 752 – 01.12.2016<<>>

Mitarbeiter in gefährlichen Anlagen benötigen entsprechend den zu erwartenden Gefahren eine zusätzliche Ausbildung mit dem Ziel, die richtigen Maßnahmen im Störfall zu treffen. Gegebenenfalls sind zusätzliche Maßnahmen zu berücksichtigen, welche die Sicherung der Nachbarschaft und der Umwelt zum Ziel haben.

Die Verschrottung von KFZ bzw. die Nutzungsaufgabe und der Abriss von Gebäuden muss hier nicht weiter betrachtet werden, da vorgenannte Aussagen für die Darstellung der Problematik ausreichen. Allerdings sind in dieser Phase auch Gefahren zu berücksichtigen, welche bewältigt werden müssen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Sicherheit von KFZ und Gebäuden gleichermaßen von der risikogerechten Planung, Erstellung und der sicherheitsgerechten Nutzung abhängt. Auf Grund der in der Regel langen Nutzungszeiten verschiebt sich die Relevanz der Sicherheitsmaßnahmen mit fortschreitender Nutzungszeit und Beanspruchung auf die betrieblich-organisatorischen Maßnahmen. Allerdings dürfen einmal zugelassene Brandschutzkonzepte für Gebäude wie auch die Betriebsgenehmigungen der KFZ schon aus rechtlichen Gründen nicht aus dem Auge verloren werden.

Das bedeutet, die bei Nutzungs- oder Betriebsbeginn geforderten baulichen und anlagentechnischen Sicherheitsmaßnahmen sind Grundlage für die weitere Nutzung.

Die Wirksamkeit der Sicherheitsmaßnahmen steht bei den obligatorischen Gefährdungsbeurteilungen oder den TÜV-Überprüfungen auf dem Prüfstand. Bauliche und anlagentechnische Sicherheitsmaßnahmen müssen aber bis auf wenige Ausnahmen nicht dem sich ständig fortschreitenden Stand der Technik angepasst werden.

Die in bestehenden baulichen Anlagen zu treffenden Maßnahmen müssen deshalb nicht immer hohe Summen verschlingen, da ein tragfähiges Brandschutzkonzept nicht nur Maßnahmen des baulichen, sondern auch von anlagentechnischen, betrieblichen und Maßnahmen des abwehrenden Brandschutzes enthält. Mit Hilfe der Instrumente BS-Konzept und Gefährdungsbeurteilung können die sich im Laufe der Zeit entstehenden Abweichungen vom Genehmigungsstand und Schwachstellen von Gebäuden systematisch erfasst und entsprechend dem vorhandenen bzw. noch vertretbaren Sicherheitsniveau geeignete zumeist betrieblich-organisatorische Sicherheitsmaßnahmen festgelegt werden.

Alle vorgenannten Aussagen können grundsätzlich auf die Sicherheit von KFZ und auf die Sicherheit, insbesondere auf die Brandsicherheit von Gebäuden übertragen werden, wobei durch den in der Regel sehr langen Nutzungszeitraum von KFZ und Gebäuden der sich ändernde Sicherheitsstandard nach einigen Jahren nicht mehr den geltenden Anforderungen für Neuzulassungen/Neubauten entsprechen kann.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 753 – 01.12.2016<<>>

Wie bei Oldtimern die Regel, können auch alte Gebäude sicher genutzt werden, ohne dass immer die jetzt vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen nachzurüsten sind. Mit Oldtimern kann zwar kein Rennen mehr gefahren werden, aber man kommt von A nach B und das vergleichsweise weniger unfallträchtig als mit Autos der neuen Generation. Die Schwachstellen müssen bekannt sein und die Wartung und Fahrweise sind entsprechend anzupassen. Gleiches gilt sinngemäß für Umbauten bestehender Gebäude und erst recht für die Nutzung im Bestand.

Mit dem Erklärungsmodell konnte verdeutlicht werden, dass nur bei durchgehender Nutzung der vorgenannten Instrumente ein ganzheitlicher Brandschutz gewährleistet ist, ohne kostspielige Maximalforderungen umzusetzen. Diese Aussage trifft auch auf andere Gefahren zu, welche bei Nutzung von Gebäuden zu berücksichtigen sind. Nicht durch Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen wird Sicherheit geschaffen, sondern durch risikogerechte Nutzung.

Diese »natürliche Gesetzmäßigkeit« hat der Gesetzgeber bereits berücksichtigt und die Anwendung der Instrumente »Brandschutzkonzept« und »Gefährdungsbeurteilung« für die Planung, Erstellung und Nutzung von fast allen Gebäuden bzw. Arbeitsstätten zur Pflicht erhoben.

Nachfolgende Aussagen, welche sinngemäß aus den Ausbildungsinhalten von Arbeitsschutzfachkräften übernommen wurden, verdeutlichen das zuvor Dargelegte.

Die heutige Arbeitswelt ist von einem ständigen Wandel geprägt. Die Halbwertzeit des Wissens über den Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz wird immer kürzer. Der Gesetzgeber kann nicht so schnell auf die neuen Technologien und die damit verbundenen Gefährdungsverschiebungen reagieren.

Deshalb ist in vielen sicherheitsrelevanten Gesetzen und Verordnungen nur noch die Vorgabe eines Rahmens, anstelle von Einzelanforderungen, zu finden (Schutzziele). Selbst im Baurecht sind die Einzelvorgaben der Gesetze und Verordnungen als zu erreichendes Niveau zu verstehen, da grundsätzlich vor jeder Einzelanforderung das zu erreichende Schutzziel festgelegt wird.

Abweichungen von diesen Einzelanforderungen sind immer zulässig. Abweichungen von den Schutzzielen und dem vorgegebenen Schutzniveau sind in der Regel nicht zulässig.

Die Instrumente, mit denen die Schutzzielereichung nachgewiesen werden muss, sind das BS-Konzept/der BS-Nachweis für die Planungsphase und die Gefährdungsbeurteilung für die Nutzungsphase, wobei nur eine Verzahnung beider Instrumente in der gesamten Gebäudelebensphase die Schutzzielerreichung ermöglicht.

 Anlage 11 Erforderlichkeit der Risikobetrachtung für nicht geregelte Nutzungen bei der BS-Planung (mit Hintergründen und Erläuterungen) – Seite 754 – 01.12.2016<<

Beide Instrumente sind als Strategieinstrumente zu begreifen (Instrumente zur kontinuierlichen Verbesserung des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes).

Nicht mehr die Frage:

»Welche Vorschriften gelten für mein Bauvorhaben, meinen Betrieb oder meine Dienststelle?«

ist zu stellen, sondern

»Welche Gefährdungen liegen vor und welche Maßnahmen sind erforderlich, um diese zu vermeiden, abzustellen bzw. auf ein vertretbares Restrisiko zu minimieren?«

Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz darf kein statischer Zustand bleiben, sondern muss dynamisch den betrieblichen Veränderungen und den neuen Erkenntnissen angepasst werden (beim Baurecht in den Grenzen des Bestandsschutzes, wenn das Risiko vertretbar ist).

Sichere und gesundheitsgerechte Arbeitssysteme entstehen nicht durch Kontrolle, sondern durch Gestaltung! Also durch die konzeptionelle Planung und Weiterentwicklung (Brandschutzkonzept und Gefährdungsbeurteilung von der Wiege bis zur Bahre).