Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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6.4.9 Anlagenvarianten

Zur technischen Realisierung der dargestellten Anwendungsbereiche und Schutzziele beinhaltet eine Sauerstoffreduzierungsanlage Komponenten zur Erzeugung der Stickstoffmengen, zur Regelung der Anlage und zur Erkennung von Pyrolysevorgängen.

Optional kann die Anlage mit einem Stickstoffreservoir zur Schnellabsenkung des Sauerstoffniveaus ausgerüstet sein.

6.4.9.1 Sauerstoffreduzierungsanlage mit unterschiedlichen Betriebskonzentrationen

Es ist möglich, sowohl Einbereichs- als auch Mehrbereichsanlagen, also baulich getrennte Räume und Einrichtungen, durch eine zentrale Sauerstoffreduzierungsanlage zu versehen und damit zu schützen. Beim Prinzip der Mehrbereichsanlagen ist somit möglich, dass in den Teilbereichen unterschiedliche Sauerstoffkonzentrationen eingestellt werden können.

Die Sauerstoffreduzierungsanlage besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten:

Druckluftversorgung

Aus normaler Umgebungsluft wird vor Ort ein kontinuierlicher Druckluftstrom erzeugt. Durch diese eigenständige Druckluftversorgung ist die Gesamtanlage jederzeit betriebsbereit und stellt die erforderliche Druckluftmenge uneingeschränkt zur Verfügung.

Filtration

Die Druckluft muss vorgegebenen Qualitätskriterien genügen. Die Elemente der Filterung entfernen Partikel und Ölnebel aus dem Druckluftstrom. Zusätzlich werden eventuelle Schadstoffdurchbrüche des Kompressors  6.4.9 Anlagenvarianten – Seite 15 – 01.06.2016>>erkannt und die Anlage wird stillgesetzt, bevor diese Stoffe Schäden am Stickstoffgenerator verursachen können.

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Abb. 9: Vereinfachter Aufbau einer Oxyreduct-Mehrbereichsanlage

Stickstoffgenerator

Die in der Druckluft enthaltenen Bestandteile werden so gespalten und abgeleitet, dass ein Stickstoffstrom gewonnen wird. Dieser besitzt einen sehr niedrigen Drucktaupunkt und einen fest eingestellten Restsauerstoffgehalt, der kontinuierlich überwacht wird. Läuft der Messwert über die eingestellten Grenzwerte hinaus, erfolgt eine Meldung an die Steuerzentrale.

Steuerzentrale

Die Zentrale wird entsprechend der Anlagengröße mit analogen und digitalen Ein- und Ausgängen bestückt. Sie erfasst die Messwerte aus dem Schutzbereich und Betriebsraum sowie die Zustandsdaten der Anlagenteile.

Der Programmierung entsprechend werden die Komponenten angesteuert. Es werden Hinweise zum Anlagenzustand angezeigt und bei unzulässigen Zuständen Alarme und Warnungen ausgegeben. Über das Bedienfeld können Einstellungen geändert und zusätzliche Informationen ausgelesen werden. Die batteriegespeiste Energieersatzversorgung ist standardmäßig für eine Überbrückungszeit von vier Stunden ausgelegt und kann auf 30 bzw. 72 Stunden (entsprechend DIN VDE 0833-2) ausgebaut werden.

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Sauerstoffmesssystem (O2-Sensor)

Mittels Sauerstoffsensoren wird im Schutzbereich und Betriebsraum kontinuierlich der Sauerstoffgehalt der Raumluft gemessen. Durch die Verwendung von mindestens zwei Sensoren je Schutzbereich ist eine Eigenüberwachung der Sensorik sichergestellt. Die Messwerte werden an eine Steuerzentrale zur Verarbeitung weitergeleitet. Werden Sauerstoffsensoren zur Regelung der Haltezeit, in Verbindung mit der Schnellabsenkung, verwendet, müssen die Sensoren nachweislich gegen Brandaerosole resistent sein. Damit bleibt die Haltezeit so lange aufrechterhalten, bis Interventionskräfte mit dem Eingriff beginnen können, mindestens jedoch eine Stunde. Die Steuerleitungen zum Betrieb der Sauerstoffsensoren sind mit Funktionserhalt auszuführen.

Brandfrühesterkennung

Um Entstehungsbrände schnell erkennen und weitermelden zu können, werden Brandfrühesterkennungssysteme eingesetzt. Wegen der reduzierten Wirksamkeit der Zündquellen in einer sauerstoffreduzierten Umgebung sind die erzeugte Brandenergie und die Menge der Pyrolyseprodukte sehr gering. Zur Erkennung einer aktiven Zündquelle innerhalb des Schutzbereiches ist daher ein konventionelles Brandmeldesystem ungeeignet. Die Ansprechsensibilität der verwendeten Sensoren muss der Klasse A der EN 54, Teil 20 entsprechen. Besonders geeignet sind für diesen Einsatzzweck Ansaugrauchmeldesysteme. Diese sind vorzugsweise auf eine ständig besetzte Stelle aufzuschalten, die unverzüglich Maßnahmen einleiten kann. Alternativ ist der Einsatz einer Brandmeldezentrale möglich. Der Betreiber der Sauerstoffreduzierungsanlage hat die zur Brandbekämpfung eingesetzten externen oder internen Kräfte darauf hinzuweisen, dass im Falle des Ansprechens des Ansaugrauchmeldesystems auf eine Lüftung des Schutzbereichs so lange zu verzichten ist, wie ausreichende Sicht für die Einsatzkräfte besteht. Durch die Schutzatmosphäre wird die Flammenbildung verhindert und ein Entstehungsbrand im Stadium des Glimmbrandes gehalten. Durch Lüftungsmaßnahmen würde dem Schutzbereich Sauerstoff zugeführt, der die Brandentwicklung unnötig begünstigt.

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Abb. 10: Durch die Ausgangsöffnungen werden kontinuierlich Luftproben entnommen und im TITANUS®-Detektormodul analysiert
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Rohrleitungssystem

Der im Stickstoffgenerator gewonnene Stickstoffstrom wird über eine Rohrleitung dem Schutzbereich zugeführt, während die sauerstoffangereicherte Luft sicher ins Freie abzuleiten ist. Die Einleitung des Stickstoffs in den Schutzbereich erfolgt über ein separates Rohrnetz.

Elektrisches Leitungsnetz

Das elektrische Leitungsnetz wird unter Berücksichtigung der geltenden technischen Regeln und Vorschriften geplant und errichtet.

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Abb: 11: Mehrbereichsanlage, Prinzip Oxyreduct mit Ausgangsrauchmeldesystem

6.4.9.2 Sauerstoffreduzierungsanlage mit Schnellabsenkung

Bei dem System mit »Schnellabsenkung« wird die Sauerstoffreduzierungsanlage zusätzlich mit einem Stickstoffreservoir ausgestattet. Dieses dient dazu, um im Falle eines Brandes das Sauerstoffniveau im Schutzbereich innerhalb von Sekunden abzusenken, um den Brand zu löschen. Das System besteht somit aus zwei Anlagenteilen: Anlagenteil 1 entspricht dem VdS-anerkannten Sauerstoffreduzierungssystem und ist gemäß VdS 3527  6.4.9 Anlagenvarianten – Seite 18 – 01.06.2016<<>>auszulegen und der zweite Anlagenteil besteht aus einer Löschanlage gemäß VdS 2380. Der Anlagenteil 2 darf Abweichungen in der Flutzeit und in der Zielkonzentration aufweisen, die in Versuchen mit VdS zu verifizieren sind.

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Abb. 12: Schema Brandvermeidungsanlage – Einbereichsanlage mit Schnellabsenkung

Der Anlagenteil 1 ist mit einer oberen Grenze von maximal 17,2 Vol.-% zu regeln. Werden höhere Regelgrenzen angestrebt, ist der Anlagenteil 2 als konventionelle Löschanlage im Sinne der VdS 2380 zu konzipieren, die vorgenannten Abweichungen dürfen nicht in Anspruch genommen werden. Bei einer oberen Regelgrenze von < 17,2 Vol.-% kann auch die Startkonzentration entsprechend verringert werden. Dieser O2-Wert ist durch den Anlagenteil 1 durch entsprechende Maßnahmen nach VdS 3527 (Alarmwerte, Sicherheitskonzept usw.) sicherzustellen. Bedingt durch die geringere Anfangskonzentration des Sauerstoffs kann auch die bevorratete Löschgasmenge für den Anlagenteil 2 entsprechend geringer ausfallen.

Systemaufbau und -komponenten

Für die Stickstoffbevorratung, die Löschmittelverteilung sowie die Löschmitteleinleitung in die Schutzbereiche werden die Komponenten der Stickstofflöschsysteme 200 bar/300 bar benutzt. Zur Anwendung kommen ausschließlich alle Anlagenvarianten ohne pneumatische/mechanische Verzögerungseinrichtung.

Bei VdS-gerechten Anlagen wird der Anlagenteil 2 immer mit einer Personenalarmierung, analog zu VdS 2380, mit elektrisch zeitverzögerter Auslösung des Löschvorgangs ausgeführt. Dieses ist aus Gründen des Sachwert- 6.4.9 Anlagenvarianten – Seite 19 – 01.06.2016<<schutzes erforderlich. Zur Sicherstellung einer redundanten Alarmierung erfolgt mit Umschalten der Betriebskonzentration an die Steuerzentrale die Auslösung des Evakuierungsalarms für den alarmauslösenden Bereich.

Die Sauerstoffreduzierungsanlage mit Schnellabsenkung kann als Ein- oder Mehrbereichsanlage ausgeführt werden. Bei Mehrbereichsanlagen wird die Stickstoff-Einsatzmenge zur Schnellabsenkung über Bereichsventile in den vom Brand betroffenen Schutzbereich geleitet. Werden unterschiedlich große Schutzbereiche mit einer Sauerstoffreduzierungsanlage geschützt, erfolgt eine Gruppensteuerung des Stickstoffvorrats mithilfe der VdS-zugelassenen Komponenten, sodass immer nur die erforderliche Einsatzmenge in die Schutzbereiche eingebracht wird.

Einleitungsrohrnetz

Das Rohrnetz zur Einleitung des Löschgases zur Schnellabsenkung ist entsprechend VdS 2380 zu planen und zu bauen.

Brandmeldetechnik zur Ansteuerung der Schnellabsenkung

Der Anlagenteil 2 ist im Brandfall durch eine Brandmeldeanlage nach VdS 2095 auszulösen. Die Auslösung der Schnellabsenkung erfolgt über VdS-zugelassene Brandmelderzentralen (BMZ) zur Ansteuerung von Löschanlagen oder durch elektrische Steuereinrichtungen (EST).