Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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6.4.6 Anwendungsbereiche und Anforderungen

Die möglichen Anwendungsbereiche für Sauerstoffreduzierungsanlagen erstrecken sich von IT-Räumen, Tresoren und Archiven bis hin zu großen Lagerhallen wie automatisierten Hochregallagern, Gefahrstofflagern und Tiefkühllagern. Es gibt keine Einschränkungen für den Einsatz von Sauerstoffreduzierungsanlagen bezüglich des zu schützenden Volumens. Sauerstoffreduzierungsanlagen können besonders in Bereichen eingesetzt werden, in denen herkömmliche löschtechnische Lösungen z.B. durch abgeschirmte Bereiche oder tiefe Temperaturen problematisch oder nicht ausführbar sind. Sie erreichen und schützen auch unzugängliche Bereiche.

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Schäden wie durch die Nutzung herkömmlicher Löschmittel entfallen vollständig. Existenziell notwendige Betriebsräume und Einrichtungen eines Unternehmens eignen sich folglich für einen Brandschutz durch Sauerstoffreduzierungsanlagen, da die Ausfallzeiten im Schadenfall minimal gegenüber der herkömmlichen Löschtechnik sind. Bereiche, in denen hochwertige Güter lagern, die durch Wasser, Löschschaum oder Löschpulver zerstört werden können, wie in Museen, Archiven und Bibliotheken, werden durch Brandvermeidungssysteme wirksam vor Brandgefahren geschützt.

Ein Schutz ist lediglich nicht möglich bei Stoffen, die auch unter Sauerstoffabschluss brennen, sowie Stoffen, die für eine exotherme Reaktion keinen Sauerstoff benötigen.

6.4.6.1 Planung und Einrichtung

  • Bei der Planung von Räumen mit einer sauerstoffreduzierten Atmosphäre sind besonders auch die lokalen Gegebenheiten (z.B. Höhe über Meer (NN), Wetter-/Luftdruckbedingungen), zusätzliche chemische, biologische oder physikalische Einwirkungen (wie Kälte) sowie der Schweregrad der zu verrichtenden körperlichen Arbeit und die psychomentalen Belastungen mit zu berücksichtigen. Die baulichen, technischen, organisatorischen und arbeitsmedizinischen Maßnahmen sind in der Gefährdungsbeurteilung (betriebsspezifische Sicherheitskonzepte) zu dokumentieren.

  • Die zu treffenden Schutzmaßnahmen richten sich nach dem Grad des zu reduzierenden Sauerstoffgehalts der Atmosphäre. Die gemessene Sauerstoffkonzentration (in Vol.-%) gilt für Örtlichkeiten bis zu einer Höhe von h = 700 m über NN. Oberhalb dieser Grenze ist der Einfluss der Höhe über Meer mit zu berücksichtigen. Zur arbeitsmedizinischen Risikoklassifikation sind die reale Höhe und die Äquivalenzhöhe, die die Anlage produziert, zu addieren.

  • Maßgebend bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen ist die geringste Sauerstoffkonzentration, die im Raum auftreten kann (Alarmwert für die minimale Sauerstoffkonzentration = unterster Regelbereich – c = 0,1 Vol.-%).

  • Der Restsauerstoffgehalt ist so hoch wie möglich festzulegen, das heißt aus Brandschutzgründen nur so gering wie zwingend notwendig.

6.4.6.2 Schutzziele

Die Schutzziele von Sauerstoffreduzierungsanlagen umfassen:

  • Personenschutz

  • Umweltschutz, speziell die Vermeidung von durch Brand und Löschmittel resultierende Schadstoffe

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  • Investitionsschutz, vorbeugender Schutz vor Brandgefahren von Sachwerten wie Gebäude, technischen Betriebsmitteln sowie Waren, Werten und Daten

  • Erhalt der Betriebsabläufe durch Schutz vor brandbedingten Unterbrechungen und Ausfällen

6.4.6.3 Schutzwirkung

Unabhängig von der Ausdehnung des Schutzbereichs zielt die Funktionsweise von Sauerstoffreduzierungsanlagen auf die Verhinderung von Stoffentzündungen und die Ausbreitung eines Brandes ab. Die Brandvermeidung basiert auf einer Technologie, mit der der Sauerstoffgehalt im gesamten Schutzbereich gemessen und durch die gesteuerte Zufuhr von Stickstoff reduziert wird. Durch eine integrierte Brandfrühesterkennung werden Entstehungsbrände schnell erkannt und weitergemeldet. Durch die anschließende Unterbrechung der Energiezufuhr wird dem Zündvorgang die Stützenergie entzogen, sodass sich ein Entstehungsbrand nicht weiterentwickeln kann.

6.4.6.4 Schutzniveaus

Das erforderliche Schutzniveau, welches mit der Sauerstoffreduzierungsanlage erzeugt und aufrechterhalten werden muss, um den Brandschutz zu gewährleisten, orientiert sich an der Entzündungsgrenze der im Schutzbereich vorhandenen Stoffe.

Tab. 1: Entzündungsgrenzen und Auslegungskonzentrationen nach VdS 3527: 2015-05

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Nach Aufnahme und Festlegung der vorhandenen Stoffe im Schutzbereich werden deren Entzündungsgrenzen ermittelt. Bei Materialien oder Gegenständen, für die dieser Wert unbekannt ist, muss er gemäß anerkannten Testverfahren ermittelt werden. Der Stoff mit der niedrigsten Entzündungsgrenze bestimmt die Auslegungskonzentration der Anlage (siehe auch Tabelle 1). Bei gruppenbezogenen Risiken wird die Brandlast durch bekannte Materialzusammenstellungen dargestellt. Hierdurch ist es möglich, solche Objekte als Gruppe zusammenzufassen und ihnen einen Festwert der Auslegungskonzentration zuzuordnen.

6.4.6.5 Schutzkonzepte

Der Anlagenbauer WAGNER Group GmbH hat für eine Vielzahl von Applikationen spezielle Schutzkonzepte entwickelt und realisiert. Nach Analyse der Risiken und der Schutzzielbestimmung gewährleisten diese eine für den Kunden maßgeschneiderte OxyReduct®-Brandschutzlösung. WAGNER hat folgende Basisschutzkonzepte entwickelt und definiert:

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Abb. 4: Regelungsschema für Konzept I

Konzept I – dauerhafte Absenkung der Sauerstoffkonzentration

Durch eine kontinuierliche Sauerstoffreduktion des Brandvermeidungssystems OxyReduct® lässt sich die Entwicklung bzw. Ausbreitung eines Brandes unterbinden. Dazu wird die Sauerstoffkonzentration auf Basis der Entzündungsgrenzen der vorhandenen Materialien definiert, kontrolliert auf die Zielkonzentration abgesenkt und dauerhaft auf diesem Niveau stark brandhemmender Atmosphäre gehalten.

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Abb. 5: Regelungsschema für Konzept II

Konzept II – Sauerstoffreduzierung mit zwei regelbaren Niveaus

Mit OxyReduct® lässt sich das Sauerstoffniveau automatisch an bestimmte Zeiten anpassen. Tagsüber beispielsweise ist der Schutzbereich bei einem leicht abgesenkten O2-Wert von 17 Vol.-% frei begehbar. Zu Nacht- oder Wochenend-Zeiten wird die Sauerstoffreduzierung auf die zweite Stufe von 14,6 Vol.-% gefahren, um höchsten Brandschutz in unbeaufsichtigten Zeiten sicherzustellen.

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Abb. 6: Regelungsschema für Konzept III
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Konzept III – Schnellabsenkung

Mit dem Brandvermeidungssystem OxyReduct® wird der Sauerstoffanteil kontrolliert auf 17 Vol.-% abgesenkt, bei dem das Brandverhalten deutlich reduziert wird. In Kombination mit einer Brandfrüherkennung wird im Alarmfall die Schnellabsenkung aktiviert. Dabei wird mittels Stickstoffbehältern (Stickstoffreservoir) der Sauerstoffanteil auf eine löschfähige Konzentration abgesenkt. Diese kann nahezu endlos gehalten werden, um Rückzündungen zu verhindern. Das Schutzkonzept ist ideal für Anwendungen, die nur schwer oder zeitaufwendig von der Feuerwehr erreicht werden können.

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Abb. 7: Regelungsschema für Konzept IV

Konzept IV – zweifache Schnellabsenkung

Bei Voralarm durch eine Branddetektion wird innerhalb kurzer Zeit durch ein Stickstoffreservoir der Sauerstoffgehalt des Raumes auf ein niedrigeres Niveau abgesenkt (z.B. 15,8 Vol.-%) und gleichzeitig durch das Brandvermeidungssystem OxyReduct® kontinuierlich gehalten. Sollte weiterer Rauch detektiert werden, wird beim Auslösen der zweiten Stufe die Sauerstoffkonzentration weiter auf eine löschfähige Konzentration (z.B. 13,8 Vol.-%) abgesenkt und dort ebenfalls gehalten.

Vorteile der Schnellabsenkung:

  • Hohe Energieeinsparung

  • Freie Begehung und Begehung durch das Personal bei erster Stufe zur Ursachenanalyse und -behebung

  • Gestufte, gezielte Brandvermeidung, um das Schadensausmaß zu beschränken

Kein Stromlosschalten notwendig, ideal für den Einsatz in Rechenzentren.