Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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4.4.4 Musterberechnung von Rauchabzugsanlagen

Anhand einer fiktiven Halle, in der sowohl Lagerung als auch Ver- und Bearbeitung von Holzwerkstoffen stattfindet, sollen die möglichen Varianten von Entrauchungsanlagen aufgezeigt werden.

Die Gesamtfläche der Halle beträgt 3.200 m2, die Flächenfür Be- und Verarbeitung sowie für die Lagerung betragen jeweils 1.600 m2. Die mittlere Hallenhöhe wird mit h = 6 m angenommen.

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Abb. 6: Musterhalle

Weitere Parameter sind:

  • keine Sprinkleranlage,

  • keine automatische Brandmeldeanlage,

  • Berufsfeuerwehr.

Berechnung einer thermodynamischen Entrauchung nach DIN 18232-2

Die Zeit von Brandentstehung bis Brandmeldung wird mit 5 Minuten, die Zeit von Brandmeldung bis Einleitung des Löschangriffs durch die Feuerwehr mit 10 Minuten angesetzt (DIN 18232-2 Nr. 2.4). Die in die weitere Berechnung einfließende Brandentwicklungsdauer beträgt somit 15 Minuten.

Es werden zwei Varianten aufgezeigt:

  • mit Rauchschürze,

  • ohne Rauchschürze.

Variante mit Rauchschürze in Hallenmitte

Eine Rauchschürze besteht aus Baustoffen, die bei einer Brandbeanspruchung von 30 Minuten nach DIN 4102-2 nicht zerstört werden. Als geeignet führt DIN 18232-2 hier an:

  • Gipskartonplatten,

  • Stahlblech,

  • Fiber-Silikat-Platten mit jeweils geeigneten Befestigungen.

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Die Rauchschürze reicht von Unterseite des Daches bis in halbe Raumhöhe herab.

a) Be- und Verarbeitung

In Produktionsbereichen kann in der Regel mit einer durchschnittlichen Brandausbreitungsgeschwindigkeit (mittel) gerechnet werden.

Aus der erwarteten Brandentwicklungsdauer von 15 Minuten und einer mittleren Brandausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich aus Tabelle 1 in DIN 18232-2 die Bemessungsgruppe 4 und aus Tabelle 2 eine aerodynamisch wirksame Abzugsfläche von 0,8 % der Raumgrundfläche von 1.600 m2, also von 12,80 m2.

Überschläglich bedeutet eine aerodynamisch wirksame Fläche von 12,80 m2 somit unter Berücksichtigung des Strömungsbeiwertes cv von 0,65 eine geometrische Öffnungsfläche von 19,70 m2. Die erforderliche Zuluft beträgt AZuL = 39,40 m2.

b) Lagerbereich

Hier werden Holzwerkstoffe ca. 3 m hoch gelagert. Die Brandausbreitungsgeschwindigkeit in Lagerbereichen mit brennbaren Stoffen ist als besonders groß anzusehen.

Aus der erwarteten Brandentwicklungsdauer von 15 Minuten und einer besonders großen Brandausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich aus Tabelle 1 in DIN 18232-2 die Bemessungsgruppe 5 und aus Tabelle 2 eine aerodynamisch wirksame Abzugsfläche von 1,0 % der Raumgrundfläche von 1.600 m2, also von 16,00 m2.

Überschläglich bedeutet eine aerodynamisch wirksame Fläche von 16,00 m2 eine geometrische Öffnungsfläche von 24,61 m2. Die erforderliche Zuluft beträgt somit AZuL = 49,22 m2.

Für den Produktionsbereich müssen Abzugsgeräte mit einer Fläche von 12,80 m2, für den Lagerbereich mit einer Fläche von 16,00 m2 eingebaut werden.

Die Zuluft bemisst sich nach dem Rauchabschnitt mit der größten Abzugsfläche, beträgt daher in diesem Beispiel AZuL = 49,22 m2.

Variante ohne Rauchschürze

Wenn keine Rauchschürze eingebaut wird, muss die gesamte Halle nach der höchsten Brandausbreitungsgeschwindigkeit ausgelegt werden – hieraus ergibt sich eine Einstufung in Bemessungsgruppe 5.

 4.4.4 Musterberechnung von Rauchabzugsanlagen – Seite 19 – 01.09.2013<<>>

Da keine Rauchschürzen vorhanden sind, muss die nachstehende Formel angewendet werden:

dKorr = 0,5 × h +

0,25 × h × (AR - 1.600)

1.600

worin

dKorr

die korrigierte Höhe der rauchfreien Schicht in m,

h

die mittlere Hallenhöhe in m,

Ar

die Grundfläche des Raumes in m2 ist.

Wenn hier als AR die gesamte Fläche von 3.200 m2 eingesetzt wird, ergibt sich dKorr zu 0,75 x h, und nach Tabelle 2 beträgt der Anteil der aerodynamisch wirksamen Fläche im Dach 2,6 % der Grundfläche von 3.200 m2, also 83,20 m2. Dies entspricht einer geometrischen Fläche von ca. 128,00 m2 – hieraus ergibt sich eine erforderliche Zuluftfläche von AZuL = 256,00 m2 (vgl. Ergebnis »mit Rauchschürze«).

Berechnung einer thermodynamischen Entrauchung nach VdS CEA-Richtlinie CEA 4020

Die Entdeckungszeit für einen Brand wird, da keine automatische Meldung an eine ständig besetzte Stelle erfolgt, mit 10 Minuten angesetzt (bei Vorhandensein einer automatischen Brandmeldeanlage beträgt diese Zeit 0 Minuten). Die Zeit bis zum Löschangriff durch die Berufsfeuerwehr ist ebenfalls mit 10 Minuten anzusetzen. Somit beträgt die erwartete Brandentwicklungsdauer nach VdS-Richtlinie 20 Minuten.

Nach VdS muss in jedem Fall eine Rauchschürze eingebaut werden – die Mindesthöhe beträgt 1 m. Nachfolgend werden Varianten für unterschiedliche Rauchschürzenhöhen berechnet.

Anders als bei DIN 18232-2 werden in der VdS-Richtlinie die Brandgefahren katalogartig erfasst:

Holzlager = Brandgefahrengruppe 4.3,

Holzbearbeitung = Brandgefahrengruppe 2.3

Einstufung in Bemessungsgruppen

  1. a)

    Be- und Verarbeitung

    Unter Berücksichtigung der ermittelten Parameter ergibt sich eine Einstufung in die Bemessungsgruppe BMG 5.

  2. b)

    Lagerbereich

    Hier erfolgt eine Einstufung in Bemessungsgruppe BMG 7.

 4.4.4 Musterberechnung von Rauchabzugsanlagen – Seite 20 – 01.09.2013<<>>

Aerodynamisch erforderliche Abzugsöffnungen

Variante 1: 1 m hohe Rauchschürze

  1. a)

    Be- und Verarbeitung

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 2,3 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 36,80 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens 113,23 m2.

  2. b)

    Lagerbereich

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 3,1 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 49,60 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens 152,62 m2.

Von den Zuluftflächen gilt der größere der beiden ermittelten Werte.

Variante 2: 2 m hohe Rauchschürze

  1. a)

    Be- und Verarbeitung

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 1,1 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 17,60 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens AZuL = 54,15 m2.

  2. b)

    Lagerbereich

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 1,6 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 25,60 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens AZuL = 87,77 m2.

Von den Zuluftflächen gilt der größere der beiden ermittelten Werte.

Variante 3: 3 m hohe Rauchschürze

  1. a)

    Be- und Verarbeitung

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 0,6 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 9,60 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens AZuL = 29,54 m2.

  2. b)

    Lagerbereich

    Die aerodynamische Abzugsfläche beträgt mindestens 0,8 % der Grundfläche von 1.600 m2, also 12,80 m2 – die Zuluftfläche beträgt somit mindestens AZuL = 39,39 m2.

Von den Zuluftflächen gilt der größere der beiden ermittelten Werte.

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Berechnung einer mechanischen Entrauchung nach DIN EN 12101-3

Das Berechnungsverfahren der DIN EN 12101-3 sieht die Einhaltung bestimmter Parameter vor, so dass die Ergebnisse nicht direkt mit den Ergebnissen der thermodynamischen Entrauchung verglichen werden.

Die Bemessung nach dieser Norm gilt nicht für Räume mit stationären Gas-/Löschanlagen, Gefahrstofflager und explosionsgefährdete Räume.

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Abb. 7: Maschinelle Rauchabzugsanlage – Lüftung, Werksbild Firma Colt Group

Wesentliche Randbedingungen für eine mechanische Entrauchung sind:

  • Auslösung durch eine automatische Brandmeldeanlage nach DIN VDE 0833 oder ständig anwesendes, eingewiesenes Personal,

  • Eingreifzeit der Feuerwehr unter 10 Minuten,

  • Rauchabschnittsflächen unter 1.600 m2,

  • maximale Lagerguthöhe 1,5 m,

  • zu erwartende Bandfläche maximal 80 m2 (bei Eintreffen der Feuerwehr),

     4.4.4 Musterberechnung von Rauchabzugsanlagen – Seite 22 – 01.09.2013<<>>
  • eine ausreichend groß dimensionierte und gleichmäßig verteilte Zuluftführung, die mit Einschalten der mechanischen Entrauchung wirksam wird (Zuluftgeschwindigkeit max. v = 3 m/s),

um nur einige zu nennen.

Berechnungsbeispiel:

Für einen 6 m hohen Raum mit einer Rauchabschnittsfläche von 1.600 m2 ergeben sich bei 4 m rauchfreier Schicht folgende Ventilatorleistungen (Brandgasventilator):

  1. a)

    Be- und Verarbeitung, BMG 3

    v = 38,8 m3/s bzw. rd. 140.000 m3/h, dies entspricht einem 16-fachen Luftwechsel pro Stunde.

  2. b)

    Lagerbereich, BMG 4

    v = 69,3 m3/s bzw. rd. 250.000 m3/h, dies entspricht einem 26-fachen Luftwechsel pro Stunde.

Es wird eine ausreichend groß dimensionierte und großflächig verteilte Zuluftführung gefordert. Um Verwirbelungen des Rauches durch Induktionswirkung zu vermeiden, soll die Zuluftgeschwindigkeit in den Zuluftöffnungen einen Wert von 3 m/s nicht überschreiten.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Zuluftfläche für Beispiel a) insgesamt mindestens AZuL = 13 m2 und für Beispiel b) AZuL = 23 m2 betragen muss.

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Abb. 8: Rauch- und Wärmeabzug-Anlage – schematische Darstellung
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Rauchabzug für Räume geringer Fläche

Zum Rauchabzug wurde für die Industriebauten in der Industriebau-Richtlinie folgende Festlegung getroffen:

Räume mit geringen Grundflächen bis zu 200 m2 müssen keine Einrichtungen zur Rauchabfuhr erhalten, d.h., sie können im Prinzip »öffnungslos« gestaltet werden.

Die Festlegung, dass kleine Räume (bis 200 m2) keinen Rauchabzug benötigen, entspricht den physikalischen Erkenntnissen und kann auch auf Räume in anders genutzten Gebäuden übertragen werden.

Derartig kleine Räume können im Brandfall nicht so entraucht werden, dass eine die Selbstrettung von Personen unterstützende raucharme Schicht entsteht – hier besteht das Rettungskonzept allein aus der geringen Länge der Fluchtwege.

In der Anfangsphase eines Brandes – nur hier kann eine Rauchabzugsanlage sinnvoll wirken – ist das entstehende Rauchgasvolumen relativ unabhängig von der Raumgröße und nur abhängig vom Brandherd (Umfang des Brandes, Brandausbreitungsgeschwindigkeit). Kleinvolumige Räume sind innerhalb kürzester Zeit mit Rauch gefüllt. Ein noch so großzügig dimensionierter Rauchabzug kann in kleinen Räumen keine nachweisliche Wirkung zeigen.

 4.4.4 Musterberechnung von Rauchabzugsanlagen – Seite 24 – 01.09.2013<<