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3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht

3.6.8.1 Einleitung

Das europäische und deutsche Bauproduktenrecht statuiert im Sinne einer produktbezogenen (vertikalen) Verordnung die öffentlich-rechtlichen, genauer produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Bauprodukten. Dabei handelt es sich beim Begriff des Bauprodukts um einen genuinen Rechtsbegriff, der somit exakt so aufzufassen ist, wie er in den anwendbaren (europäischen und deutschen) Rechtsakten definiert wird. Umgangssprachliche Anschauungen in Bezug auf Bauprodukte spielen demgegenüber keine Rolle, zumal sie sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mit dem System des europäischen Bauproduktenrechts in Einklang bringen lassen.

Bauprodukte im Rechtssinne sind Produkte oder Bausätze, die hergestellt und in Verkehr gebracht werden, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, und deren Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks im Hinblick auf die Grundanforderungen an Bauwerke auswirkt. Damit besteht ein untrennbarer Zusammenhang der Bauprodukte zu Bauwerken im Allgemeinen und zu den Grundanforderungen an diese im Besonderen. Für die Anwendbarkeit des europäischen Bauproduktenrechts müssen freilich noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein (dazu Kap. 3.6.8.2.3).

Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung des Bauproduktenrechts in der Praxis deutlich: Dieser Teil des geltenden Produktsicherheitsrechts befasst sich mit einer Vielzahl von typischerweise Nicht-Verbraucherprodukten (B2B-Produkten; engl. Business-to-Business), denen in der Bauwirtschaft bzw. -industrie eine zentrale Bedeutung zukommt.

Daneben weist das Bauproduktenrecht indes auch Bezüge zu Verbraucherprodukten auf: Wenn und soweit Bauprodukte z.B. in Baumärkten auf dem Markt bereitgestellt werden und somit von Verbrauchern erworben werden können, sind sie ohne Weiteres Produkte im Sinne der Richtlinie 2001/95/EG (sogenannte allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie).

Zu unterscheiden ist das europäische und deutsche Bauproduktenrecht von gefahrenspezifischen (horizontalen) Richtlinien wie z.B. der EMV-Richtlinie (Richtlinie 2004/108/EG bzw. 2014/30/EU) oder der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie (2001/95/EG). Aufgrund der Ausgestaltung als vertikale Richtlinie verfolgt das Bauproduktenrecht das Ziel, sämtliche bauproduktbezogenen Gefährdungen abzudecken. Bezugspunkt ist dabei indes nicht das Bauprodukt selbst, sondern das aus Bauprodukten hergestellte Bauwerk (dazu 3.6.8.2.4). Europäisches Bauproduktenrecht befasst sich vor diesem Hintergrund insbesondere mit den folgenden Themen:

  • mechanische Festigkeit und Standsicherheit,

  • Brandschutz,

     3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 2 – 01.09.2016>>
  • Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz,

  • Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung,

  • Schallschutz,

  • Energieeinsparung und Wärmeschutz und

  • nachhaltige Nutzung der Ressourcen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Bauproduktenrecht eng mit genuin brandschutzrechtlichen Aspekten verknüpft ist und damit im Ergebnis einen Beitrag zur Beseitigung bzw. Reduzierung von Brandrisiken leisten soll.

Insgesamt erweist sich das Bauproduktenrecht als zentrale Rechtsmaterie für die Bauwirtschaft: Produktsicherheitsrechtlich beinhaltet das Bauproduktenrecht rechtlich verbindliche Vorgaben für eine in der EU wie in der Bundesrepublik Deutschland eminent wichtige Industrie. Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass die Bauindustrie für ca. 20 Millionen Arbeitsplätze in der EU verantwortlich zeichnet. Die Bauwirtschaft trägt darüber hinaus mit einem Anteil von 10 % zum Bruttoinlandsprodukt innerhalb der EU bei.

Im Folgenden sollen zunächst das europäische (dazu Kap. 3.6.8.2) und sodann das deutsche Bauproduktenrecht in seinen Grundzügen dargestellt werden (dazu Kap. 3.6.8.3). Weil das deutsche Bauproduktenrecht aufgrund der unmittelbaren Geltung des als Verordnung erlassenen europäischen Bauproduktenrechts nur eine untergeordnete Bedeutung hat, liegt der Schwerpunkt dieses Beitrags naturgemäß auf dem europäischen (Bauprodukten-)Recht.

3.6.8.2 Europäisches Bauproduktenrecht

3.6.8.2.1 Rechtsgrundlagen und Materialien

In diesem Kapitel werden zunächst die spezifischen Rechtsgrundlagen in den Fokus des Interesses gerückt, die derzeit den Rahmen für das europäische Bauproduktenrecht bilden, bevor näher auf die harmonisierten technischen Normen eingegangen werden soll. Im Anschluss daran werden die das europäische Produktsicherheitsrecht prägenden Leitfäden bzw. Guides und damit die bauproduktenrechtlichen Materialien in den Fokus des Interesses gerückt.

Rechtsgrundlagen

Die zentrale Rechtsgrundlage im europäischen Bauproduktenrecht ist die Verordnung (EU) Nr. 305/2011, die als sog. EU-Bauproduktenverordnung bezeichnet wird. Die EU-Bauproduktenverordnung trat am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, Art. 68 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Gemäß Art. 68 Un- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 3 – 01.03.2016<<>>terabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 war der Geltungsbeginn für bestimmte Teile der EU-Bauproduktenverordnung indes erst am 1.7.2013. Weil europäische Verordnungen gemäß Art. 288 Unterabs. 2 S. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) »in allen ihren Teilen verbindlich« sind und »unmittelbar in jedem Mitgliedstaat« gelten, müssen sie – im Unterschied zu den europäischen Richtlinien – nicht mehr in innerstaatliches (nationales) Recht umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die EU-Bauproduktenverordnung seit dem 1.7.2013 vollumfänglich und unmittelbar innerhalb der EU gilt.

Zuvor beanspruchte innerhalb der EU die Richtlinie 89/106/EWG (sog. Bauproduktenrichtlinie) Geltung. Als Richtlinie musste sie in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. In Deutschland diente das Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte und anderer Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften (Bauproduktengesetz – BauPG) diesem Zweck der Umsetzung. Die Bauproduktenrichtlinie wurde im Jahr 2011 durch die EU-Bauproduktenverordnung ersetzt, um den bauproduktenrechtlichen Rahmen zu vereinfachen und zu präzisieren. Zudem sollten die bestehenden Maßnahmen im Sinne der Transparenz und Wirksamkeit verbessert werden. Sodann zielte der Wechsel der Rechtsetzungstechnik auch darauf ab, einer abweichenden Auslegung und Umsetzung des europäischen Bauproduktenrechts ein Ende zu setzen. Gerade in Bezug auf die Pflicht zur CE-Kennzeichnung kam es unter dem Regime der Bauproduktenrichtlinie zu unterschiedlichen Lesarten innerhalb der EU. Die unmittelbare Geltung der europäischen Verordnung verhindert solche Szenarien durch die einheitliche Regelung. Schließlich sollte der Erlass der EU-Bauproduktenverordnung den Weg zur CE-Kennzeichnung erleichtern und die Unternehmen aus der Bauwirtschaft von Verwaltungsaufwand entlasten. Letzteres gilt insbesondere für die sogenannten Kleinstunternehmen. Kleinstunternehmen ist dabei bauproduktenrechtlicher Rechtsbegriff: Gemäß Art. 2 Nr. 27 VO (EU) Nr. 305/2011 soll es sich hierbei um ein Unternehmen handeln, das der Definition eines Kleinstunternehmens gemäß der Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen entspricht. Art. 37 VO (EU) Nr. 305/2011 regelt die Anwendung vereinfachter Verfahren durch Kleinstunternehmen, wobei die Marktüberwachungsbehörden auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Kleinstunternehmens prüfen sollen (was mit Blick auf zu ermittelnde Mitarbeiteranzahlen und Umsätze sowohl Verwaltungsaufwand als auch Konfliktpotenzial mit sich bringt).

Mit der EU-Bauproduktenverordnung (und zuvor schon mit der Bauproduktenrichtlinie) wird dezidiert das Ziel verfolgt, den freien Warenverkehr für Bauprodukte innerhalb der EU zu fördern. Weil sich die nationalstaatlichen Vorschriften in Bezug auf Bauwerke unmittelbar auf die Anforderungen an Bauprodukte auswirken und deshalb in den EU-Mitgliedstaaten jeweils unterschiedliche Produktnormen, technische Zulassungen und andere technische Spezifikationen und Bestimmungen  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 4 – 01.03.2016<<>>für Bauprodukte entstanden sind, sind technische (nichttarifäre) Handelshemmnisse auf dem Bauproduktensektor zu besichtigen, welche die Vermarktung von Bauprodukten im europäischen Binnenmarkt nicht unerheblich behindern (vgl. auch die Erwägungsgründe (2) und (6) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011). Als Instrument zur Beseitigung der technischen Handelshemmnisse sollen harmonisierte technische Spezifikationen zur Anwendung gelangen, anhand derer die Leistung von Bauprodukten bewertet wird (vgl. Erwägungsgrund (10) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011).

Die Bauproduktenverordnung rechnet wie die Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG (dazu Kap. 3.6.3), die EMV-Richtlinie 2004/108/EG (dazu Kap. 3.6.4), die R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG (dazu Kap. 3.6.5) oder die EG-Druckgeräterichtlinie 97/23/EG (dazu Kap. 3.6.6) zu jenen Richtlinien, die auf dem das europäische Produktsicherheitsrecht prägenden Neuen Konzept (engl. New Approach) beruhen.

Kennzeichnend für das europäische Produktsicherheitsrecht im Allgemeinen und damit auch für das europäische Bauproduktenrecht im Besonderen ist zum einen die Prägung durch die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (die sogenannte Marktüberwachungsverordnung) und zum anderen das Zusammenspiel mit der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie (Richtlinie 2001/95/EG). Die europäische Marktüberwachungsverordnung ist als zentraler Bestandteil des europäischen Maßnahmenpakets namens New Legislative Framework (im Folgenden »NLF«), mit der das Neue Konzept überarbeitet wurde, seit dem 1.1.2010 in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen – nach dem Beitritt Kroatiens am 1.7.2013 inzwischen – 28 EU-Mitgliedstaaten, vgl. Art. 288 Unterabs. 2 S. 2 AEUV. Der darin statuierte Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung und die Kontrolle von in den Gemeinschaftsmarkt eingeführten Produkten in Kapitel III gilt gemäß Art. 15 Abs. 1 VO (EG) Nr. 765/2008 »für Produkte, die unter Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft fallen«. Weil Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft wiederum gemäß Art. 2 Nr. 21 VO (EG) Nr. 765/2008 »Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten« sind, lässt sich die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 ohne Weiteres hierzu rechnen. Daraus folgt, dass die EU-Bauproduktenverordnung derzeit von den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 flankiert wird. Im Unterschied zu einer Vielzahl europäischer Richtlinien, die vor dem NLF im Jahr 2008 erlassen wurden, wird die EU-Bauproduktenverordnung indes nicht von der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 überlagert; denn die EU-Bauproduktenverordnung steht bereits auf dem Boden des NLF. Aus diesem Grund muss z.B. der – für die Bestimmung des handlungsspezifischen Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 305/2011zentrale Begriff des Inverkehrbringens nicht im Lichte des Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 gelesen werden. Die Begriffsbestimmungen in Art. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 entsprechen insoweit bereits den Vorgaben aus Art. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 bzw. aus den Musterbestimmungen in Anhang I des Beschlusses Nr. 768/2008/EG. Allerdings beinhaltet die EU-Bauproduktenverordnung nicht den gesamten Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 765/2008. Insbesondere das Kapitel III  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 5 – 01.03.2016<<>>mit dem Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung und die Kontrolle von in den Gemeinschaftsmarkt eingeführten Produkten (Artt. 15 ff. VO (EG) Nr. 765/2008) ist ohne Weiteres neben der EU-Bauproduktenverordnung anwendbar.

Was sodann die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG anbelangt, gilt diese ausweislich ihres Art. 2 lit. a) für »jedes Produkt, das – auch im Rahmen einer Dienstleistung – für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnte, selbst wenn es nicht für diese bestimmt ist«. Wenn und soweit ein vom Bauproduktenrecht erfasstes Produkt folglich zugleich Verbraucherprodukt (B2C-Produkt; engl. Business-to-Consumer) im Sinne der Richtlinie 2001/95/EG ist, muss stets geprüft werden, ob nicht die Bestimmungen der Richtlinie 2001/95/EG ergänzend zur Anwendung gelangen. Diese Prüfung ist insbesondere deshalb besonders wichtig, weil das europäische Bauproduktenrecht nicht auf die Sicherheit von (Bau-)Produkten abstellt (dazu Kap. 3.6.8.2.4).

Harmonisierte technische Normen

Technische Normen sind im Bauproduktenrecht – über ihre ohnehin herausgehobene Rolle im europäischen Produktsicherheitsrecht hinaus – von besonderer Bedeutung. Dabei sind – entsprechend des Neuen Konzepts – die so genannten harmonisierten Normen in den Fokus des Interesses zu rücken. Was unter einer harmonisierten Norm zu verstehen sein soll, wird in der EU-Bauproduktenverordnung in Art. 2 Nr. 11 VO (EU) Nr. 305/2011 ausdrücklich definiert. Danach ist eine harmonisierte Norm

»eine Norm, die von einem der in Anhang I der Richtlinie 98/34/EG aufgeführten europäischen Normungsgremien auf der Grundlage eines Ersuchens der Kommission nach Artikel 6 jener Richtlinie angenommen wurde«.

Diese Begriffsbestimmung stimmt mit der seit dem 1.1.2010 EU-weit geltenden Definition des Rechtsbegriffs der harmonisierten Norm aus Art. 2 Nr. 9 VO (EG) Nr. 765/2008 überein. Normungsrechtlich beachtlich ist zudem seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.2013 die Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 (sogenannte Normungsverordnung). Bauproduktenrechtlich rechnen die harmonisierten Normen zu den harmonisierten technischen Spezifikationen; denn hierunter werden gemäß Art. 2 Nr. 10 VO (EU) Nr. 305/2011 »die harmonisierten Normen und Europäische Bewertungsdokumente« zusammengefasst. Ein Europäisches Bewertungsdokument wiederum ist gemäß Art. 2 Nr. 12 VO (EU) Nr. 305/2011 »ein Dokument, das von der Organisation Technischer Bewertungsstellen zum Zweck der Ausstellung Europäischer Technischer Bewertungen angenommen wird«. Auf Englisch wird das Europäische Bewertungsdokument als European Assessment Document bezeichnet und entsprechend als »EAD« abgekürzt.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 6 – 01.03.2016<<>>

Die unter der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 gelisteten harmonisierten Normen wurden zuletzt am 13.11.2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (2015/C 378/03). Die Liste kann unter dem folgenden Link abgerufen werden:

http://ec.europa.eu/growth/single-market/european-standards/harmonised-standards/construction-products/index_en.htm

In der EU-Bauproduktenverordnung folgt die Veröffentlichung der harmonisierten Normen aus Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011. Zuvor prüft die Kommission, »ob die von den europäischen Normungsgremien erstellten harmonisierten Normen mit den dazugehörigen Mandaten übereinstimmen«, Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011.

Im Unterschied zum europäischen Maschinenrecht (dazu Kap. 3.6.7.2.1) gibt es in der Liste von unter der EU-Bauproduktenverordnung harmonisierten Normen keine unterschiedlichen Typen. Bauproduktenrechtlich wird somit insbesondere nicht zwischen Typ-A-Normen, Typ-B-Normen und Typ-C-Normen differenziert.

Mit Blick auf die aktuelle Liste bauproduktenrechtlich harmonisierter Normen ist aus der Perspektive des Brandschutzes zunächst auf die EN 54-Reihe aufmerksam zu machen. Sie befasst sich inhaltlich mit Brandmeldeanlagen und beinhaltet derzeit die folgenden Normen:

  • EN 54-2:1997 Brandmeldeanlagen – Teil 2: Brandmeldezentralen

  • EN 54-3:2001 Brandmeldeanlage – Teil 3: Teueralarmeinrichtungen – Akustische Signalgeber

  • EN 54-4:1997 Brandmeldeanlagen – Teil 4: Energieversorungseinrichtungen

  • EN 54-5:2000 Brandmeldeanlagen – Teil 5: Wärmemelder – Punktförmige Melder

  • EN 54-7:200 Brandmeldeanlagen – Teil 7: Rauchmelder – Punktförmige Melder nach dem Streulicht-, Durchlicht- oder Ionisationsprinzip

  • EN 54-10:2002 Brandmeldeanlagen – Teil 10: Flammenmelder – Punktförmige Melder

  • EN 54-11:2001 Brandmeldeanlagen – Teil 11: Handfeuermelder

  • EN 54-12:2002 Brandmeldeanlagen – Teil 12: Rauchmelder – Linienförmige Melder nach dem Durchlichtprinzip

  • EN 54-16:2008 Brandmeldeanlagen – Teil 16: Sprachalarmzentralen

  • EN 54-17:2005 Brandmeldeanlage – Teil 17: Kurzschlussisolatoren

  • EN 54-18:2005 Brandmeldeanlagen – Teil 18: Eingangs-/Ausgangsgeräte

  • EN 54-20:2006 Brandmeldeanlagen – Teil 20: Ansaugrauchmelder

  • EN 54-21:2006 Brandmeldeanlagen – Teil 21: Übertragungseinrichtungen für Brand- und Störungsmeldungen

     3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 7 – 01.03.2016<<>>
  • EN 54-23:2010 Brandmeldeanlagen – Teil 23: Feueralarmeinrichtungen

  • EN 54-24:2008 Brandmeldeanlagen – Teil 24: Komponenten für Sprachalarmierungsysteme – Lautsprecher

  • EN 54-25:2008 Brandmeldeanlagen – Teil 25: Bestandteile, die Hochfrequenz-Verbindungen nützen

Daneben befasst sich die EN 12094-Reihe mit ortsfesten Brandbekämpfungsanlagen, und die EN 14604:2005 mit Rauchwarnmeldern.

Brandschutzrechtlich relevant sind sodann noch die folgenden harmonisierten Normen:

  • EN 15650:2010 Lüftung von Gebäuden – Brandschutzklappen

  • EN 13241-1:2003+A1:2001 Tore – Produktnorm – Teil 1: Produkte ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften

  • EN 14351-1:2006+A1:2010 Fenster und Türen – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Teil 1: Fenster und Außentüren ohne Eigenschaften bezüglich Feuerschutz- und/oder Rauchdichtheit

  • EN 16034:2014 Türen, Tore und Fenster – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften

  • EN 50575:2014 Starkstromkabel und -leitungen, Steuer- und Kommunikationskabel – Kabel und Leitungen für allgemeine Anwendungen in Bauwerken in Bezug auf die Anforderungen an das Brandverhalten

Aufgrund eines abweichenden konzeptionellen Ansatzes kennt die EU-Bauproduktenverordnung zwar keine den Kernaussagen des Neuen Konzepts entsprechende produktsicherheitsrechtliche Konformitätsvermutung bzw. Vermutungswirkung in Bezug auf harmonisierte Normen. Mit der Konformitätsvermutung wird auf jenes Konzept im europäischen Produktsicherheitsrecht Bezug genommen, wonach harmonisierte Normen eine Vermutung der Konformität mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen begründen. Dessen ungeachtet bleibt die Anwendung der harmonisierten Normen stets freiwillig. Zu beachten ist sodann, dass die Konformitätsvermutung nur in dem Ausmaß besteht, in dem die harmonisierte Norm den grundlegenden Sicherheitsanforderungen entspricht. Diese Einschränkung ist insbesondere dann relevant, wenn der Hersteller entweder nur einen Teil der harmonisierten Norm anwendet oder wenn die betreffende harmonisierte Norm die grundlegenden Sicherheitsanforderungen nur teilweise abdeckt.

Die unter der EU-Bauproduktenverordnung gelisteten harmonisierten Normen spielen aber eine herausgehobene Rolle für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des europäischen Bauproduktenrechts (dazu Kap. 3.6.8.2.3).

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf Kapitel IV der EU-Bauproduktenverordnung hinzuweisen; denn dieses Kapitel befasst sich in  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 8 – 01.03.2016<<>>den Artt. 17 ff. VO (EU) Nr. 305/2011 mit den harmonisierten technischen Spezifikationen im Allgemeinen und mit harmonisierten Normen im Besonderen. Während sich Art. 17 VO (EU) Nr. 305/2011 in allgemeiner Form mit den harmonisierten Normen befasst, regelt Art. 18 VO (EU) Nr. 305/2011 das Verfahren des formalen bzw. formellen Einwands gegen harmonisierte Normen.

Guide, CPR FAQ und Blue Guide

Wer sich mit dem europäischen Bauproduktenrecht beschäftigt, sollte im Übrigen auch den kürzlich veröffentlichten Guide»Schrittweise Anleitung zur CE-Kennzeichnung von Bauprodukten« zu Rate ziehen. Dieser Leitfaden wird von der Europäischen Kommission herausgegeben und liegt seit dem 4.9.2015 in sämtlichen Amtssprachen der Europäischen Union vor. Auch wenn dieser Guidenicht rechtsverbindlich ist, enthält er Erläuterungen zu den Schritten, die nötig sind, um ein neues Bauprodukt mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen, und erklärt, was zu tun ist, wenn Änderungen an dem Produkt vorgenommen werden (z.B. beim Herstellungsprozess, bei den Rohstoffen oder der Prüfung). Hervorzuheben sind die Links und Abkürzungen, die auf Seite 24 des Guide abgerufen werden können.

Abgerufen werden kann der Guide auf der folgenden Webseite (unter News/04/09/2015):

http://ec.europa.eu/growth/sectors/construction/

Sodann besteht die Möglichkeit, auf der Webseite der Europäischen Kommission Fragenkataloge zur EU-Bauproduktenverordnung abzurufen. Derzeit liegen unter dem Stichwort »Frequently asked questions« die beiden folgenden Kataloge (nur auf Englisch) vor:

  • FAQ covering the Construction Products Regulation (CPR)

  • FAQ covering the transition from the Construction Products Directive (CPD) to the Construction Products Regulation

Die Fragenkataloge mit derzeit insgesamt 36 Fragen und Antworten können unter den beiden folgenden Webseiten der Europäischen Kommission abgerufen werden:

http://ec.europa.eu/growth/sectors/construction/product-regulation/index_en.htm

http://ec.europa.eu/growth/sectors/construction/product-regulation/performance-declaration/index_en.htm

Zu beachten ist daneben der Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU (der sogenannte Blue Guide), den die Europäische Kommission Anfang 2014 veröffentlicht hat. Der Blue Guide liegt inzwischen auch auf Deutsch vor.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 9 – 01.03.2016<<>>

Auf der folgenden Webseite der Europäischen Kommission kann der »neue« Blue Guide 2014 abgerufen werden:

http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/12661

Infoblätter zur EU-Bauproduktenverordnung

Sodann ist darauf aufmerksam zu machen, dass mit dem Erlass der EU-Bauproduktenverordnung im Jahr 2011 diverse Papiere veröffentlicht wurden, welche dem Zweck dienten, auf die wichtigsten Änderungen im Bauproduktenrecht hinzuweisen. An dieser Stelle seien die drei folgenden Infoblätter genannt:

  • Die neue europäische Bauproduktenverordnung, herausgegeben vom LGA Materialprüfungsamt in impulse 1/2011

  • Die neue Bauproduktenverordnung, herausgegeben vom Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen am 9.5.2011

  • CE-Kennzeichnung und Bauprodukte. Wegweiser für die Vermarktung, herausgegeben von der Wirtschaftskammer Österreich (Stand: Februar 2015)

Diese Papiere dienen allein der Erläuterung und sind damit nicht rechtsverbindlich.

Webseite der Europäischen Kommission

Schließlich ist auf die Webseite der Europäischen Kommission hinzuweisen, auf der unter dem Stichwort »Construction« – nur auf Englisch – Informationen über die Bauindustrie zusammengefasst werden. Abzurufen sind diese Informationen auf der folgenden Webseite:

http://ec.europa.eu/growth/sectors/construction/

Unter dem Begriff »Construction Products Regulation« können zahlreiche weitere Informationen über die EU-Bauproduktenverordnung abgerufen werden.

3.6.8.2.2 Richtlinie zur vollständigen Harmonisierung

Bei der EU-Bauproduktenverordnung handelt es sich um eine sog. EU-Binnenmarktverordnung, die mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages auf der Grundlage des Art. 114 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erlassen werden (ehemals Art. 95 des EG-Vertrages). Art. 114 AEUV ist ein wichtiges europarechtliches Instrument zur Rechtsangleichung. Die Norm ist Mittel zum Zweck der Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 10 – 01.03.2016<<>>

Weil mit der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 eine vollständige Harmonisierung bezweckt wird, ersetzt sie zuvor bestehende nationale Bestimmungen. Sachlich-inhaltlich von der EU-Bauproduktenverordnung erfasste Bauprodukte dürfen nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die Anforderungen der Bauproduktenverordnung eins-zu-eins erfüllen. In diesem Fall dürfen die Mitgliedstaaten den freien (Waren-)Verkehr verordnungskonformer Produkte nicht behindern, und zwar weder durch tarifäre noch durch nichttarifäre Handelshemmnisse.

Aufgrund des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gelten die Bestimmungen des europäischen Bauproduktenrechts auch für die folgenden Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA):

  • Island

  • Liechtenstein

  • Norwegen

3.6.8.2.3 Der sachliche Anwendungsbereich der EU-Bauproduktenverordnung: Harmonisierte Bauprodukte

Gemäß Art. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 legt die EU-Bauproduktenverordnung »Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten oder ihre Bereitstellung auf dem Markt durch die Aufstellung von harmonisierten Regeln über die Angabe der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre Wesentlichen Merkmale sowie über die Verwendung der CE-Kennzeichnung für diese Produkte fest.«

Gegenstand des europäischen Bauproduktenrechts sind allerdings nur ganz bestimmte Bauprodukte gemäß Art. 2 Nr. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Danach bezeichnet der Ausdruck

»›Bauprodukt‹ jedes Produkt oder jeden Bausatz, das beziehungsweise der hergestellt und in Verkehr gebracht wird, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, und dessen Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks im Hinblick auf die Grundanforderungen an Bauwerke auswirkt«.

Ein Bausatz wiederum ist gemäß Art. 2 Nr. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 »ein Bauprodukt, das von einem einzigen Hersteller als Satz von mindestens zwei getrennten Komponenten, die zusammengefügt werden müssen, um ins Bauwerk eingefügt zu werden, in Verkehr gebracht wird«. Zentrale Bedeutung kommt schließlich dem Rechtsbegriff des Bauwerks zu. Bauproduktenrechtlich werden unter einem Bauwerk »Bauten sowohl des Hochbaus als auch des Tiefbaus« verstanden. Erfasst werden damit insbesondere Gebäude (Bauten des Hochbaus) wie z.B. auch Straßen (Bauten des Tiefbaus).

Die bereits angesprochene Bedeutung harmonisierter Normen im Zusammenhang mit der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 11 – 01.03.2016<<>>EU-Bauproduktenverordnung folgt aus der Bestimmung in Art. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 über die sogenannte Leistungserklärung. In Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011 heißt es wie folgt:

»Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht ein Bauprodukt einer Europäischen Technischen Bewertung, die für dieses ausgestellt wurde, so erstellt der Hersteller eine Leistungserklärung für das Produkt, wenn es in Verkehr gebracht wird.«

Die für die New-Approach-Richtlinien prägende CE-Kennzeichnung wiederum ist untrennbar mit der Leistungserklärung verknüpft. Dieser Zusammenhang folgt unmittelbar aus Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1, 2 VO (EU) Nr. 305/2011. Dort heißt es wie folgt:

»Die CE-Kennzeichnung wird an denjenigen Bauprodukten angebracht, für die der Hersteller eine Leistungserklärung gemäß den Artikeln 4 und 6 erstellt hat.

Hat der Hersteller keine Leistungserklärung gemäß den Artikeln 4 und 6 erstellt, darf die CE-Kennzeichnung nicht angebracht werden.«

Vor diesem Hintergrund ist die sachliche Anwendbarkeit der EU-Bauproduktenverordnung an die Existenz entweder einer harmonisierten Norm oder einer Europäischen Technischen Bewertung gekoppelt. Eine Europäische Technische Bewertung (engl. European Technical Assessment, abgekürzt »ETA«) ist gemäß Art. 2 Nr. 13 VO (EU) Nr. 305/2011 »die dokumentierte Bewertung der Leistung eines Bauprodukts in Bezug auf seine Wesentlichen Merkmale im Einklang mit dem betreffenden Europäischen Bewertungsdokument«. Wesentliche Merkmale sind gemäß Art. 2 Nr. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 »diejenigen Merkmale des Bauprodukts, die sich auf die Grundanforderungen an Bauwerke beziehen«. Wie bereits erwähnt, rechnet das Europäische Bewertungsdokument (EAD) zu den harmonisierten technischen Spezifikationen gemäß Art. 2 Nr. 10 VO (EU) Nr. 305/2011.

Europäische Technische Bewertungen werden auf Antrag des Herstellers von einer Technischen Bewertungsstelle ausgestellt, Art. 21 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Die Europäische Technische Bewertung kann dabei nur dann zur Anwendung gelangen, wenn das betreffende Bauprodukt »nicht oder nicht vollständig von einer harmonisierten Norm erfasst ist und dessen Leistung in Bezug auf seine Wesentlichen Merkmale nicht vollständig anhand einer bestehenden harmonisierten Norm bewertet werden kann«, Art. 19 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Die EU-Bauproduktenverordnung unterscheidet in diesem Zusammenhang die folgenden Szenarien:

  • das Produkt fällt nicht in den Anwendungsbereich einer bestehenden harmonisierten Norm

  • das in der harmonisierten Norm vorgesehene Bewertungsverfahren ist für mindestens ein Wesentliches Merkmal dieses Produkts nicht geeignet

     3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 12 – 01.03.2016<<>>
  • die harmonisierte Norm sieht für mindestens ein Wesentliches Merkmal dieses Produkts kein Bewertungsverfahren vor

Vor diesem Hintergrund kommt die Ausstellung einer Europäischen Technischen Bewertung für jene Hersteller aus der Bauwirtschaft in Betracht, die an der Vermarktung von nicht genormten bzw. innovativen Bauprodukten innerhalb der EU mit einer CE-Kennzeichnung interessiert sind.

Wenn und soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sind entsprechende Erzeugnisse als europäisch nicht-harmonisierte Bauprodukte zu qualifizieren, die im Ergebnis nicht am Maßstab der EU-Bauproduktenverordnung zu messen und damit insbesondere auch nicht mit der CE-Kennzeichnung zu versehen sind. Dabei ist zu beachten, dass auch das europäische Bauproduktenrecht Ausnahmen von der Pflicht zur CE-Kennzeichnung kennt. Aufgrund der Verknüpfung mit der Leistungserklärung ergeben sich die Ausnahmen aus Art. 5 VO (EU) Nr. 305/2011, welcher sich mit »Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung« befasst. Danach kann ein Hersteller davon absehen, eine Leistungserklärung zu erstellen, wenn er ein von einer harmonisierten Norm erfasstes Bauprodukt in Verkehr bringt und

  • das Bauprodukt individuell gefertigt wurde oder als Sonderanfertigung nicht im Rahmen einer Serienfertigung, sondern auf einen besonderen Auftrag hin gefertigt wurde und es in einem bestimmten einzelnen Bauwerk von einem Hersteller eingebaut wird, der nach den geltenden nationalen Vorschriften für den sicheren Einbau des Produkts in das Bauwerk verantwortlich ist, wobei der Einbau unter der Verantwortung der nach den geltenden nationalen Vorschriften für die sichere Ausführung des Bauwerks verantwortlichen Personen erfolgt oder

  • das Bauprodukt auf der Baustelle zum Zweck des Einbaus in das jeweilige Bauwerk in Einklang mit den geltenden nationalen Bestimmungen und unter Zuständigkeit der nach den geltenden nationalen Vorschriften für die sichere Ausführung des Bauwerks verantwortlichen Personen gefertigt wird oder

  • das Bauprodukt auf traditionelle Weise oder in einer der Erhaltung des kulturellen Erbes angemessenen Weise in einem nicht-industriellen Verfahren zur angemessenen Renovierung von Bauwerken, die als Teil eines ausgewiesenen Umfelds oder aufgrund ihres besonderen architektonischen oder historischen Werts offiziell geschützt sind, nach den geltenden nationalen Vorschriften gefertigt wurde.

Diese Ausnahmetatbestände finden allerdings nur Anwendung, wenn »Bestimmungen auf Ebene der Union oder auf nationaler Ebene« fehlen, welche »die Erklärung Wesentlicher Merkmale dort vorschreiben, wo die Bauprodukte zur Verwendung bestimmt sind«, Art. 5 VO (EU) Nr. 305/2011. Die Ausnahmebestimmungen begegnen deshalb Kritik, weil damit all jene Bauprodukte herausfallen, bei denen es erforderlich ist, dass ihre Leistungen zu wesentlichen Produktmerkmalen, die zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen beitragen, erklärt werden.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 13 – 01.03.2016<<>>

Auch wenn nur die Existenz einer harmonisierten Norm oder einer Europäischen Technischen Bewertung zur Anwendbarkeit der EU-Bauproduktenverordnung führt, sind die beiden Wege sorgfältig voneinander abzugrenzen; denn mit der Anwendbarkeit einer harmonisierten Norm bzw. der Bewertung durch eine Technische Bewertungsstelle auf der Grundlage eines Europäischen Bewertungsdokuments gehen folgende Weichenstellungen einher:

  • vorgeschriebene CE-Kennzeichnung im Falle der Anwendbarkeit einer harmonisierten Norm (sog. CEN-Route)

  • freiwillige CE-Kennzeichnung im Falle der Bewertung durch eine Technische Bewertungsstelle auf der Grundlage eines Europäischen Bewertungsdokuments (sog. EOTA-Route)

Dabei wird mit dem Begriff der CEN-Route die europäische Normungsorganisation gleichen Namens in Bezug genommen. CEN steht für Europäisches Komitee für Normung (vgl. Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012). Demgegenüber ist EOTA die Abkürzung für den folgenden englischen Terminus: European Organisation for Technical Assessment). Auf Deutsch heißt dieser Zusammenschluss Organisation für technische Bewertung bzw. Technischer Bewertungsstellen, Ar. 31 VO (EU) Nr. 305/2011.

Hervorzuheben ist vor diesem Hintergrund, dass die CE-Kennzeichnung grundsätzlich zwingend an einem Bauprodukt anzubringen ist, wenn es von einer harmonisierten Norm erfasst wird (CEN-Route). Ausnahmen gelten nur in den drei oben beschriebenen Szenarien, in denen auch keine Leistungserklärung erstellt werden muss. So gilt die EN 14605:2005 in Bezug auf Rauchwarnmelder etwa für »Rauchwarnmelder, die nach dem Streulicht-, Durchlicht- oder Isolationsprinzip arbeiten und für Anwendungen in Haushalten oder für vergleichbare Anwendungen in Wohnbereichen vorgesehen sind« (Nr. 1 der DIN EN 14605:2005 über den Anwendungsbereich). Wenn und soweit ein Rauchwarnmelder mithin z.B. nach dem Streulicht arbeitet und für Anwendungen in Haushalten bestimmt ist, gilt die EU-Bauproduktenverordnung und damit grundsätzlich zugleich die Pflicht zur CE-Kennzeichnung.

Mit dieser Pflicht zur CE-Kennzeichnung gehen freilich auch erhebliche Vorteile einher: Im Falle der CE-Kennzeichnung gilt das bauproduktenrechtliche Behinderungsverbot aus Art. 8 Abs. 4, 5 VO (EU) Nr. 305/2011. Es lautet wie folgt:

(Abs. 4) »Ein Mitgliedstaat darf in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Zuständigkeitsbereich die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen.«

(Abs. 5) »Ein Mitgliedstaat stellt sicher, dass öffentliche oder private Stellen, die als öffentliches Unternehmen oder aufgrund einer Monopolstellung oder im öffentlichen Auftrag als öffentliche Einrichtung handeln, 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 14 – 01.03.2016<<>>die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, weder durch zusätzliche Vorschriften noch durch Auflagen behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung entsprechen.«

Das Behinderungsverbot wird zu Recht zu den zentralen Bestimmungen des europäischen Bauproduktenrechts gezählt. Im Ergebnis müssen die EU-Mitgliedstaaten somit den Verkauf CE-gekennzeichneter Bauprodukte erlauben. Staatliche Stellen wie die (Marktüberwachungs-)Behörden dürfen insbesondere keine weiteren Kennzeichen oder Bescheinigungen und auch keine zusätzlichen Prüfungen verlangen. Aus der Perspektive der Wirtschaftsakteure bringt das in Rede stehende Behinderungsverbot den Vorteil mit sich, dass sie ihre Bauprodukte innerhalb der gesamten EU mit ihren 28 EU-Mitgliedstaaten mit derselben Dokumentation vermarkten können.

Darüber hinaus werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bauwerksbezogene Verfahren und andere nationale Regeln in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale an die harmonisierten Normen anzupassen. Diese Pflicht folgt aus Art. 8 Abs. 6 VO (EU) Nr. 305/2011, der wie folgt lautet:

(Abs. 6) »Die Mitgliedstaaten passen die Verfahren, die sie in ihren Anforderungen an Bauwerke verwenden, sowie andere nationale Regeln in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten an die harmonisierten Normen an.«

Schließlich soll der freie Warenverkehr europäisch harmonisierter Bauprodukte auch noch dadurch gefördert werden, dass Produktinformationsstellen für das Bauwesen aus der Taufe gehoben werden. Sie werden gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 von den EU-Mitgliedstaaten benannt und sollen gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 Informationen über Bestimmungen im jeweiligen Hoheitsgebiet in transparenter und leicht verständlicher Formulierung bereitstellen. Die Produktinformationsstellen sollen auch Informationen über die Vorschriften in Bezug auf Einbau, Montage und Installation bereitstellen (vgl. Erwägungsgrund (42) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011).

Vor diesem Hintergrund sollen sich die Unternehmen aus der Bauwirtschaft zuverlässige Informationen über die jeweilige Rechtslage in Bezug auf die Verwendung von Bauprodukten in den Vertriebsländern beschaffen können.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) Produktinformationsstelle u.a. für Bauprodukte. Das gemeinsame Portal der deutschen Produktinformationsstellen kann auf der folgenden Webseite abgerufen werden:

http://www.pcp.bam.de/

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 15 – 01.03.2016<<>>

Ausnahmetatbestände

Darauf hinzuweisen ist, dass die EU-Bauproduktenverordnung keine Ausnahmetatbestände kennt. Aus diesem Grund führt die Anwendbarkeit einer unter der EU-Bauproduktenverordnung gelisteten harmonisierten Norm oder die Übereinstimmung mit einer Europäischen Technischen Bewertung zur Anwendbarkeit des europäischen Bauproduktenrechts. Neben der EU-Bauproduktenverordnung können freilich weitere europäische Verordnungen oder Richtlinien aus dem europäischen Produktsicherheitsrecht anwendbar sein. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf das europäische Niederspannungsrecht (Richtlinie 2006/95/EG bzw. Richtlinie 2014/35/EU) und das europäische Maschinenrecht (Richtlinie 2006/42/EG) hingewiesen.

3.6.8.2.4 Regelungssystem der EU-Bauproduktenverordnung

Die EU-Bauproduktenverordnung unterscheidet sich grundlegend von den übrigen Verordnungen und Richtlinien des europäischen Produktsicherheitsrechts; denn diese Harmonisierungsrechtsvorschriften wie z.B. die Niederspannungsrichtlinie oder die EG-Druckgeräterichtlinie regeln dezidiert produktbezogene Anforderungen (z.B. für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 V und 1.000 für Wechselstrom und zwischen 75 V und 1.500 V für Gleichstrom oder für Druckgeräte). Das europäische Bauproduktenrecht richtet seinen Fokus demgegenüber auf die Bauwerke.

Bauwerksbezogener Ansatz

Weil die Bauwerke und nicht die Sicherheit der (Bau-)Produkte im Zentrum der EU-Bauproduktenverordnung stehen, beruht das europäische Bauproduktenrecht auf einem bauwerksbezogenen Ansatz.

Aus diesem Grund beinhaltet die EU-Bauproduktenverordnung keinen Katalog von grundlegenden Sicherheitsanforderungen an Bauprodukte. Vielmehr werden im Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 die oben genannten Grundanforderungen an Bauwerke statuiert. In diesem Zusammenhang werden den einzelnen Grundanforderungen folgende Erwägungen vorangestellt:

»Bauwerke müssen als Ganzes und in ihren Teilen für deren Verwendungszweck tauglich sein, wobei insbesondere der Gesundheit und der Sicherheit der während des gesamten Lebenszyklus der Bauwerke involvierten Personen Rechnung zu tragen ist. Bauwerke müssen diese Grundanforderungen an Bauwerke bei normaler Instandhaltung über einen wirtschaftlich angemessenen Zeitraum erfüllen.«

Die Grundanforderungen an Bauwerke wiederum wurden aus den Bauwerksvorschriften der EU-Mitgliedstaaten abgeleitet. Hierzu heißt es  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 16 – 01.03.2016<<>>in den Erwägungsgründen (1) und (4) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011 wie folgt:

(1) »Den Vorschriften der Mitgliedstaaten zufolge müssen Bauwerke so entworfen und ausgeführt werden, dass sie weder die Sicherheit von Menschen, Haustieren oder Gütern gefährden noch die Umwelt schädigen.«

(4) »Die Mitgliedstaaten haben Bestimmungen, einschließlich Anforderungen, eingeführt nicht nur hinsichtlich der Sicherheit von Gebäuden und anderen Bauwerken, sondern auch bezüglich Gesundheit, Dauerhaftigkeit, Energieeinsparung, Umweltschutz, wirtschaftlicher Aspekte und anderer wichtiger Belange des öffentlichen Interesses. (…)«

Bauproduktenrechtlich zu berücksichtigen ist somit die Zuständigkeit zur rechtlichen Regelung der Anforderungen an die Errichtung und Änderung von Bauwerken; und diese Zuständigkeit liegt bei den 28 EU-Mitgliedstaaten. Zugleich sind die EU-Mitgliedstaaten damit auch verantwortlich für die Gewährleistung der Bauwerkssicherheit. Umgekehrt ist die EU wiederum zuständig für die Rechtsangleichung im Binnenmarkt gemäß Art. 114 AEUV (dazu Kap. 3.6.8.2.2). In diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Zuständigkeiten für Bauwerke einerseits und für Bauprodukte andererseits bewegt sich die EU-Bauproduktenverordnung.

Ermittlung und Angabe von technischen Produktleistungen in harmonisierten technischen Spezifikationen

Im Ergebnis beruht die EU-Bauproduktenverordnung somit auf einem Harmonisierungsansatz, Bauprodukte auf der europäischen Ebene in Bezug auf nationalstaatliche Bauwerksanforderungen zu harmonisieren. Die Harmonisierung erfolgt dabei indes nicht in der EU-Bauproduktenverordnung selbst, sondern im Wege der harmonisierten technischen Spezifikationen (harmonisierte Normen und Europäische Bewertungsdokumente) und damit durch Ausführungsakte unterhalb der EU-Bauproduktenverordnung. Ziel der Harmonisierung ist die Aufstellung von harmonisierten Regeln über die Angabe der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre Wesentlichen Merkmale.

Zu diesem Zweck sind die für den Einbau in Bauwerke wesentlichen technischen Produktleistungen EU-weit einheitlich zu ermitteln und anzugeben. Die sich anschließende Verwendung der Bauprodukte ist demgegenüber nicht mehr Gegenstand der EU-Bauproduktenverordnung. Insoweit ist indes das bereits erwähnte Behinderungsverbot für CE-gekennzeichnete Bauprodukte zu beachten.

Das Zusammenspiel zwischen harmonisierten technischen Spezifikationen im Sinne des Art. 2 Nr. 10 VO (EU) Nr. 305/2011 und den Grundanforderungen an Bauwerke wird in Art. 3 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 anschaulich dargestellt. Dort heißt es wie folgt:

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 17 – 01.06.2016<<>>

»Die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I sind die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonisierter technischer Spezifikationen.«

Die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten wiederum werden in den harmonisierten technischen Spezifikationen in Bezug auf die Grundanforderungen an Bauwerke festgelegt, Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011.

Sodann beinhalten die harmonisierten technischen Spezifikationen die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre Wesentlichen Merkmale. Die Leistung eines Bauprodukts ist dabei gemäß Art. 2 Nr. 5 VO (EU) Nr. 305/2011 »die Leistung in Bezug auf die relevanten Wesentlichen Merkmale eines Bauprodukts, die in Stufen oder Klassen oder in einer Beschreibung ausgedrückt wird«. Für die harmonisierten Normen folgt dies aus Art. 17 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011, wohingegen Art. 24 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 die entsprechende Regelung für die Europäischen Bewertungsdokumente ist. Damit werden Prüfungen, Berechnungsverfahren und andere Instrumente in Bezug genommen (vgl. Erwägungsgrund (11) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011). Sie sollen den Abbau der technischen Handelshemmnisse bewirken.

Leistungsstufen und Leistungsklassen

Was die angesprochenen Stufen und Klassen anbelangt, werden diese Rechtsbegriffe ebenfalls in der EU-Bauproduktenverordnung definiert. Gemäß Art. 2 Nr. 6 VO (EU) ist die Leistungsstufe »das Ergebnis der Bewertung der Leistung eines Bauprodukts in Bezug auf seine Wesentlichen Merkmale, ausgedrückt als Zahlenwert«. Demgegenüber ist die Leistungsklasse gemäß Art. 2 Nr. 7 VO (EU) Nr. 305/2011 »eine Bandbreite von Leistungsstufen eines Bauprodukts, die durch einen Mindest- und einen Höchstwert abgegrenzt wird«.

Die Verwendung von Leistungsklassen für die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten soll ausweislich des Erwägungsgrunds (13) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011 gefördert werden, »damit unterschiedliche Niveaus der Grundanforderungen an Bauwerke für bestimmte Bauwerke sowie die klimatischen, geologischen, geografischen und anderen Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden«.

In Art. 27 VO (EU) Nr. 305/2011 werden die Leistungsstufen und -klassen gesondert geregelt. Danach kann die Europäische Kommission delegierte Rechtsakte erlassen, um Leistungsklassen in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten festzulegen, Art. 27 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. In diesem Fall müssen die europäischen Normungsgremien (hier CEN) die von der Kommission festgelegten Leistungsklassen in den harmonisierten Normen verwenden, Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Wenn und soweit die Kommission keine Leistungsklassen festlegt, können die europäischen Normungsgremien, d.h. CEN, Leistungs- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 18 – 01.06.2016<<>>klassen auf der Grundlage eines geänderten Mandats in harmonisierten Normen selbst festlegen, Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011. In Bezug auf die Europäischen Bewertungsdokumente ist schließlich die Bestimmung in Art. 27 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 zu beachten: Danach muss die Organisation Technischer Bewertungsstellen Leistungsklassen in den Europäischen Bewertungsdokumenten verwenden, wenn die europäischen Normungsgremien in einer harmonisierten Norm Leistungsklassen festgelegt haben und diese Leistungsklassen für das in Rede stehende Bauprodukt relevant sind.

Gewährleistung von präzisen und zuverlässigen Leistungserklärungen

Mit Blick auf die Bauwerkssicherheit sollen sich die beteiligten Kreise bei der Planung und Ausführung in Bezug auf die Errichtung von Bauwerken auf die Herstellerangaben zu den technischen Produktleistungen verlassen können. Aus diesem Grund sind in der EU-Bauproduktenverordnung Vorkehrungen getroffen worden, um präzise und zuverlässige Leistungserklärungen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden geeignete Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit des Bauprodukts aus der Taufe gehoben, um die Leistung des Bauprodukts zu bewerten und die Herstellung im Werk zu kontrollieren.

3.6.8.2.5 Die Leistungserklärung

Das Recht der Leistungserklärung ist Gegenstand der Artt. 4–7 VO (EU) Nr. 305/2011 sowie der delegierten Verordnung (EU) Nr. 574/2014. Dabei regelt

  • Art. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 die Leistungserklärung,

  • Art. 5 VO (EU) Nr. 305/2011 die Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung (dazu Kap. 3.6.8.2.3),

  • Art. 6 VO (EU) Nr. 305/2011 den Inhalt der Leistungserklärung und

  • Art. 7 VO (EU) Nr. 305/2011 die Zurverfügungstellung der Leistungserklärung.

Wichtig ist, dass der Verweis in Art. 6 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 auf das Muster einer Leistungserklärung in Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 nicht mehr Geltung beansprucht. Durch Art. 1 VO (EU) Nr. 574/2014 wurde Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 durch den Anhang der Verordnung (EU) Nr. 574/2014 ersetzt. Hierauf ist bei der Arbeit mit der EU-Bauproduktenverordnung zu achten. Ansonsten steht zu befürchten, dass man mit dem Vorwurf, sich auf eine veraltete Rechtslage zu stützen, konfrontiert wird.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 19 – 01.06.2016<<>>

Inhalt der Leistungserklärung

Maßgebliche Bestimmungen für den Inhalt der Leistungserklärung sind Art. 6 VO (EU) Nr. 305/2011 sowie die Verordnung (EU) Nr. 574/2014. Gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 gibt die Leistungserklärung »die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale dieser Produkte gemäß den einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikationen an«.

Welche Inhalte Gegenstand der Leistungserklärung sein sollen, ist ausführlich in Art. 6 Abs. 2, 3 VO (EU) Nr. 305/2011 geregelt. Danach sind insbesondere die folgenden Aspekte in der Leistungserklärung aufzuführen:

  • Verweis auf Produkttyp

  • System oder Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit des Bauprodukts

  • Fundstelle und Erstellungsdatum der harmonisierten Norm oder der Europäischen Technischen Bewertung, die zur Bewertung der einzelnen Wesentlichen Merkmale verwendet wurde

  • gegebenenfalls die Fundstelle der verwendeten Spezifischen Technischen Dokumentation und die Anforderungen, die das Produkt nach Angaben des Herstellers erfüllt

Zusätzliche Inhalte sieht Art. 6 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 vor. Hierzu rechnen etwa der Verwendungszweck bzw. die Verwendungszwecke des Bauprodukts gemäß der anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikation, die Liste der Wesentlichen Merkmale, die in diesen harmonisierten technischen Spezifikationen für den erklärten Verwendungszweck bzw. die erklärten Verwendungszwecke festgelegt wurden, sowie gegebenenfalls die Leistung des Bauprodukts nach Stufen oder Klassen oder in einer Beschreibung, falls erforderlich, auf der Grundlage einer Berechnung in Bezug auf seine Wesentlichen Merkmale, die gemäß Art. 3 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 bestimmt wurden.

Muster der Leistungserklärung

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 574/2014 dient deren Anhang als zu verwendendes Muster für die Erstellung der Leistungserklärung. Dieser Anhang hob einen neuen Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 aus der Taufe, weil die Kommission der Auffassung war, dass das bisherige Muster der Leistungserklärung an den technischen Fortschritt angepasst werden sollte. Dahinter stand die Überlegung, mehr Flexibilität zu ermöglichen, die aufgrund der verschiedenen Arten von Bauprodukten und Herstellern erforderlich war. Aus diesem Grund sollten den Herstellern größere Spielräume bei der Erstellung der Leistungserklärung eingeräumt werden, wenn und soweit die Inhalte aus Art. 6 VO (EU) Nr. 305/2011 abgedeckt werden. Zugleich sollte das Instrument 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 20 – 01.06.2016<<>>der Leistungserklärung vereinfacht werden, damit Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Baugewerbes gesteigert werden.

Was den neuen Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 anbelangt, ist in der Leistungserklärung inhaltlich auf die folgenden Aspekte einzugehen:

  • Eindeutiger Kenncode des Produkttyps (Nr. 1)

  • Verwendungszweck(e) (Nr. 2)

  • Hersteller (Nr. 3)

  • Bevollmächtigter (Nr. 4)

  • System(e) zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit

  • 5)

  • Harmonisierte Norm (Nr. 6 lit. a))

    • Notifizierte Stelle(n)

  • Europäisches Bewertungsdokument (Nr. 6 lit. b))

    • Europäische Technische Bewertung

    • Technische Bewertungsstelle

    • Notifizierte Stelle(n)

  • Erklärte Leistung(en) (Nr. 7)

  • Angemessene Technische Dokumentation und/oder Spezifische Technische Dokumentation (Nr. 8)

Abgeschlossen wird die Leistungserklärung durch den folgenden Satz:

»Die Leistung des vorstehenden Produkts entspricht der erklärten Leistung/den erklärten Leistungen. Für die Erstellung der Leistungserklärung im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 ist allein der obengenannte Hersteller verantwortlich.«

Die Leistungserklärung ist für den Hersteller bzw. im Namen des Herstellers zu unterschreiben. Die angesprochene Flexibilität soll dadurch erreicht werden, dass z.B. ein vom Muster abweichendes Layout verwendet werden darf oder die Nummern des Musters kombiniert und z.T. zusammengefasst werden dürfen.

Mit Blick auf das ursprüngliche Muster fällt der nunmehr geringere Umfang der Leistungserklärung aus. Kein notwendiger Bestandteil der Leistungserklärung soll insbesondere nicht mehr die Angabe der Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder eines anderen Kennzeichens zur Identifikation des Bauprodukts sein. Diese Pflicht der Hersteller folgt im Übrigen aus Art. 11 Abs. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 und regelt die Kennzeichnung mit den betreffenden Angaben auf dem Produkt oder auf der Verpackung bzw. in den dem Bauprodukt beigefügten Unterlagen (dazu Kap. 3.6.8.2.6). Die mit dieser spezifischen Kennzeichnung verfolgten Zwecke der Identifizierung und RückVerfolgbarkeit lassen sich den  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 21 – 01.06.2016<<>>Aussagen der Kommission zufolge indes nicht mit einer Leistungserklärung erreichen, »die in der Folge für alle Produkte verwendet werden soll« (Erwägungsgrund (7) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011). Kein Erfordernis wird im Übrigen mehr für die Nennung von ausgestellten Bescheinigungen sowie erstellten Prüf-, Berechnungs- und Bewertungsberichten von notifizierten Stellen gesehen, wenn und soweit diese ordnungsgemäß angegeben sind.

In der Praxis ist darauf zu achten, dass Leistungserklärungen entsprechend den Vorgaben dieses Musters erstellt werden. Hilfestellung leisten hierbei die neuen Anleitungen, die zudem für eine einheitliche und ordnungsgemäße Anwendung des Musters Sorge tragen sollen. Sie sind indes nicht Teil der Leistungserklärung und sollen deshalb auch nicht den Leistungserklärungen beigefügt werden.

Schließlich befasst sich Art. 2 VO (EU) Nr. 574/2014 mit jenen Leistungserklärungen, die vor dem Inkrafttreten dieser delegierten Verordnung ausgestellt wurden. Wenn und soweit jene Leistungserklärungen im Einklang mit Art. 6 VO (EU) Nr. 305/2011 in Verbindung mit der ursprünglichen Fassung des Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 305/2011 standen, sollen sie weiterhin »als konform« mit der EU-Bauproduktenverordnung angesehen werden.

Zurverfügungstellung

Die Zurverfügungstellung der Leistungserklärung ist in Art. 7 VO (EU) Nr. 305/2011 geregelt. Wichtig ist insoweit die Pflicht aus Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011; denn danach muss grundsätzlich eine Abschrift der Leistungserklärung für jedes Produkt, das auf dem Markt bereitgestellt wird, entweder in gedruckter oder elektronischer Weise zur Verfügung gestellt werden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn einem einzigen Abnehmer ein Los gleicher Produkte geliefert wird. In diesem Fall genügt die Zurverfügungstellung einer einzigen Abschrift der Leistungserklärung in gedruckter oder elektronischer Form. Der Abnehmer hat das Recht, eine Abschrift der Leistungserklärung in gedruckter Form zu fordern, Art. 7 Abs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011.

Praktisch bedeutsam ist sodann die Zurverfügungstellung der Leistungserklärung auf einer Webseite. Dieser Weg wird durch die Öffnungsklausel in Art. 7 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 eröffnet. Voraussetzung ist freilich die Existenz eines delegierten Rechtsakts der Europäischen Kommission. Während ein solcher Rechtsakt nach dem Erlass der EU-Bauproduktenverordnung zunächst noch nicht vorlag, existiert mittlerweile die delegierte Verordnung (EU) Nr. 157/2014. Sie regelt die »Bedingungen für die Zurverfügungstellung einer Leistungserklärung von Bauprodukten auf einer Webseite« und besteht aus nur zwei Artikeln. Art. 2 VO (EU) Nr. 157/2014 regelt indes nur, wann die betreffende Verordnung in Kraft treten soll (am dritten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU). Demgegenüber erlaubt Art. 1 VO (EU) Nr. 157/2014 die Zurverfü- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 22 – 01.06.2016<<>>gungstellung der Leistungserklärung unter bestimmten Voraussetzungen. Im Einzelnen müssen die Wirtschaftsakteure

  • sicherstellen, dass der Inhalt der Leistungserklärung nach ihrer Zurverfügungstellung auf der Webseite nicht geändert wird

  • sicherstellen, dass die Webseite, auf der die Leistungserklärungen für Bauprodukte zur Verfügung gestellt werden, gewartet und erhalten wird, sodass die Webseite und die Leistungserklärung den Abnehmern von Bauprodukten zur Verfügung stehen

  • sicherstellen, dass die Leistungserklärung für die Abnehmer von Bauprodukten während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Inverkehrbringen des Bauprodukts oder während eines anderen Zeitraums, der gemäß Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 anzuwenden ist, kostenlos zugänglich ist

  • den Abnehmern von Bauprodukten Anweisungen dazu zur Verfügung stellen, wie sie auf die Webseite und die dort verfügbaren Leistungserklärungen für solche Produkte zugreifen können

Die Hersteller müssen darüber hinaus sicherstellen, dass jedes einzelne Produkt oder jede Charge desselben Produkts, das sie in Verkehr bringen, durch den eindeutigen Kenncode des Produkttyps mit einer bestimmten Leistungserklärung verknüpft ist.

Sprache der Leistungserklärung

Was die Sprache der Leistungserklärung anbetrifft, wird diese von den EU-Mitgliedstaaten vorgeschrieben. In der Bundesrepublik Deutschland wurde insoweit »Deutsch als die zu verwendende Sprache festgelegt«, § 6 S. 1 BauPG.

3.6.8.2.6 Pflichten der Wirtschaftsakteure

In den Artt. 11 ff. VO (EU) Nr. 305/2011 sind die Pflichten der Wirtschaftsakteure geregelt. Hierbei handelt es sich um eine Übernahme aus den Musterbestimmungen für Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft für Produkte aus Anhang I des Beschlusses Nr. 768/2008/EG.

In diesem Zusammenhang werden

  • die Pflichten der Hersteller in Art. 11 VO (EU) Nr. 305/2011,

  • die Pflichten der Bevollmächtigten in Art. 12 VO (EU) Nr. 305/2011,

  • die Pflichten der Importeure in Art. 13 VO (EU) Nr. 305/2011 und

  • die Pflichten der Händler in Art. 14 VO (EU) Nr. 305/2011

geregelt.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 23 – 01.06.2016<<>>

Wichtig ist im vorliegenden Zusammenhang der Hinweis, dass die genannten Wirtschaftsakteure allesamt in der EU-Bauproduktenverordnung definiert werden. Hersteller ist gemäß Art. 2 Nr. 19 VO (EU) Nr. 305/2011 »jede natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt herstellt beziehungsweise entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet«. Hersteller im Sinne des europäischen Bauproduktenrechts ist damit auch der so genannte Quasi-Hersteller, welcher das Produkt nicht selbst herstellt, sondern vom tatsächlichen Hersteller entwickeln und herstellen lässt. Bevollmächtigter ist gemäß Art. 2 Nr. 22 VO (EU) Nr. 305/2011 »jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen«. Importeur wiederum ist gemäß Art. 2 Nr. 21 VO (EU) Nr. 305/2011 »jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt aus einem Drittstaat auf dem Markt der Union in Verkehr bringt«. Schließlich ist Händler »jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette außer dem Hersteller oder Importeur, die ein Bauprodukt auf dem Markt bereitstellt«, Art. 2 Nr. 20 VO (EU) Nr. 305/2011.

Pflichten der Hersteller

Die Pflichten der Hersteller werden in Art. 11 VO (EU) Nr. 305/2011 in nicht weniger als acht Absätzen abschließend geregelt. An den Anfang ist die Pflicht der Hersteller gestellt, eine Leistungserklärung zu erstellen und eine CE-Kennzeichnung anzubringen. Damit weicht das Bauproduktenrecht insoweit von den übrigen, bereits an die Musterbestimmungen aus Anhang I des Beschlusses Nr. 768/2008/EG angepassten Verordnungen und Richtlinien auf dem Gebiet des europäischen Produktsicherheitsrechts ab, als danach jeweils sicherzustellen ist, dass die europäisch-harmonisierten Produkte im Einklang mit dem jeweiligen Rechtsakt entworfen und hergestellt wurden.

Als Grundlage für die Leistungserklärung sollen die Hersteller eine technische Dokumentation erstellen, in der sie alle wichtigen Elemente in Bezug auf das vorgeschriebene System zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit beschreiben. Die technischen Unterlagen und die Leistungserklärung sind für den Zeitraum von zehn Jahren ab dem Inverkehrbringen aufzubewahren.

Eine Herausforderung für die Hersteller stellt die Pflicht aus Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 dar. Danach stellen die Hersteller sicher, dass die erklärte Leistung bei Serienfertigung beständig sichergestellt ist. In diesem Zusammenhang kann es auch erforderlich sein, Prüfungen an Stichproben von in Verkehr befindlichen oder auf dem Markt bereitgestellten Bauprodukten durchzuführen und Untersuchungen anzustellen.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 24 – 01.06.2016<<>>

Darüber hinaus sind gegebenenfalls Verzeichnisse über

  • Beschwerden,

  • nichtkonforme Produkte und

  • Produktrückrufe

zu führen.

Keine Besonderheiten bestehen mit Blick auf die Kennzeichnungsbestimmungen: Zum einen sind die Bauprodukte mittels einer Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder einem anderen Kennzeichen zu ihrer Identifizierung zu versehen (Art. 11 Abs. 4 VO (EU) Nr. 305/2011; so genannte Identifikationskennzeichnung). Zum anderen haben die Hersteller »ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Marke und ihre Kontaktanschrift« grundsätzlich auf dem Bauprodukt selbst anzubringen (Art. 11 Abs. 5 VO (EU) Nr. 305/2011; so genannte Herstellerkennzeichnung).

Ausdrücklich geregelt ist auch die Pflicht der Hersteller, dem Bauprodukt eine Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen beizufügen. Was die Sprache dieser Informationen anbetrifft, bestehen Gestaltungsspielräume für die EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland wurde insoweit »Deutsch als zu verwendende Sprache« in § 6 S. 1 BauPG festgelegt.

Schließlich ist noch auf die behördliche Melde- bzw. Notifikationspflicht in Art. 11 Abs. 7 VO (EU) Nr. 305/2011 hinzuweisen (vgl. dazu auch Kap. 3.6.1.13). Danach unterrichten die Hersteller, »wenn mit dem Produkt Gefahren verbunden sind, unverzüglich die zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen sie das Bauprodukt auf dem Markt bereitgestellt haben, darüber und machen dabei ausführlich Angaben, insbesondere über die Nichtkonformität und die ergriffenen Korrekturmaßnahmen«.

Zahlreiche Pflichten der Hersteller wie z.B. die erwähnten Kennzeichnungspflichten oder die behördliche Melde- und Notifikationspflicht werden im Übrigen vom Katalog der Bußgeldvorschriften in § 8 BauPG in Bezug genommen und können somit als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße sanktioniert werden (dazu Kap. 3.6.8.3.4).

Pflichten der Bevollmächtigten

Vergleichsweise kurz ist der Pflichtenkatalog der Bevollmächtigten; denn Art. 12 VO (EU) Nr. 305/2011 weist im Ergebnis nur zwei Absätze auf. Dabei setzt die Bevollmächtigung zunächst eine schriftliche Vollmacht voraus. Kein Gegenstand der Aufgaben des Bevollmächtigten ist im Übrigen die Erstellung der technischen Dokumentation,Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011.

Im Übrigen regelt die Vollmacht den Aufgabenbereich des Bevollmächtigten; denn dieser nimmt jene Aufgaben wahr, die in der Vollmacht fest- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 25 – 01.06.2016<<>>gelegt sind. Bauproduktenrechtlich sind nur die drei folgenden Aufgaben geregelt, die mindestens vom Bevollmächtigten wahrzunehmen sind:

  • Bereithaltung der Leistungserklärung und der technischen Dokumentation für die nationalen Überwachungsbehörden

  • Aushändigung aller erforderlichen Informationen und Unterlagen zum Nachweis der Konformität eines Bauprodukts mit der Leistungserklärung und der Einhaltung sonstiger nach dieser Verordnung geltender Anforderungen an diese Behörde

  • Kooperation mit den zuständigen nationalen Behörden auf deren Verlangen bei allen Maßnahmen zur Abwendung der Gefahren, die mit Bauprodukten verbunden sind, die zum in der Vollmacht des Bevollmächtigten festgelegten Aufgabenbereich gehören

Diese administrativen Aufgaben sind allesamt in Art. 12 Abs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 festgelegt.

Die Ordnungswidrigkeitentatbestände gemäß § 8 BauPG nehmen keinen Bezug auf die Pflichten der Bevollmächtigten (vgl. dazu auch Kap. 3.6.8.3.4).

Pflichten der Importeure

Die Rollenbeschreibung der Importeure sieht in Art. 13 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 vor, dass diese in der EU nur Bauprodukte in Verkehr bringen, welche die nach dieser Verordnung geltenden Anforderungen erfüllen. Auf welche Weise diese Pflicht der Importeure erfüllt werden soll, ergibt sich im Wesentlichen aus den konkretisierenden Pflichten in Art. 13 Abs. 2, 4 VO (EU) Nr. 305/2011.

Zum einen haben sich die Importeure vor dem Inverkehrbringen eines Bauprodukts zu vergewissern, dass der Hersteller die Bewertung und die Überprüfung der Leistungsbeständigkeit durchgeführt hat. Diese Pflicht zur Vergewisserung erstreckt sich auch auf die Erstellung der technischen Dokumentation und der Leistungserklärung. Gegenstand der Prüfpflichten des Importeurs ist sodann die Existenz der CE-Kennzeichnung und der beizufügenden Unterlagen. Schließlich muss der Importeur prüfen, ob der Hersteller die Kennzeichnungsbestimmungen (aus Art. 11 Abs. 4, 5 VO (EU) Nr. 305/2011) erfüllt hat.

Zum anderen stellen die Importeure sicher, dass Bauprodukten die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen in einer vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Sprache, die von den Benutzern leicht verstanden werden kann, beigefügt sind. In Deutschland wurde insoweit »Deutsch als zu verwendende Sprache« in § 6 S. 1 BauPG festgelegt.

Neu ist die Erweiterung der Kennzeichnungsbestimmungen; denn auch Name, eingetragener Handelsname oder eingetragene Marke und  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 26 – 01.06.2016<<>>Kontaktanschrift der Importeure sind grundsätzlich auf dem Bauprodukt selbst anzubringen, Art. 13 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011. Sie ergänzen insoweit die entsprechenden Herstellerdaten (Herstellerkennzeichnung).

Für den Zeitraum, in dem sich Bauprodukte in der Verantwortung der Importeure befinden, stellen diese gemäß Art. 13 Abs. 5 VO (EU) Nr. 305/2011 sicher, dass die Lagerungs- und Transportbedingungen die Konformität mit der Leistungserklärung und die Einhaltung anderer nach dieser Verordnung geltender Anforderungen nicht beeinträchtigen.

Was die Prüfung von Stichproben, anzustellende Untersuchungen und das Führen von Verzeichnissen über Beschwerden, nichtkonforme Produkte und Produktrückrufe anbelangt, bestehen im Ergebnis keine Unterschiede zu den Herstellerpflichten, Art. 13 Abs. 6 VO (EU) Nr. 305/2011. Die Importeure müssen hingegen nicht für die beständige Sicherstellung der erklärten Leistung bei Serienfertigung Sorge tragen (dies ist vielmehr eine originäre Pflicht der Hersteller).

Schließlich ist noch auf die behördliche Melde- bzw. Notifikationspflicht in Art. 13 Abs. 7 VO (EU) Nr. 305/2011 hinzuweisen, die neben der entsprechenden Pflicht der Hersteller besteht (vgl. dazu auch Kap. 3.6.1.13).

Erneut ist darauf hinzuweisen, dass etliche Pflichten der Importeure im Falle eines schuldhaften Verstoßes als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße sanktioniert werden können, § 8 BauPG (dazu Kap. 3.6.8.3.4).

Pflichten der Händler

Gemäß Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 beachten die Händler die Vorschriften der EU-Bauproduktenverordnung »mit der gebührenden Sorgfalt, wenn sie ein Bauprodukt auf dem Markt bereitstellen«. Was genau unter der gebührenden Sorgfalt zu verstehen ist, wird in diesem Zusammenhang nicht näher konkretisiert. Die Konturierung der Händlerpflichten erfolgt erneut mithilfe der einzelnen Pflichten aus dem Katalog des Art. 14 VO (EU) Nr. 305/2011.

Deutlich werden die an den Händler gerichteten Erwartungen insbesondere in Art. 14 Abs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011. Danach sollen sich die Händler vor der Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt vergewissern, dass

  • das Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist,

  • ihm die gemäß dieser Verordnung erforderlichen Unterlagen sowie Anleitungen und Sicherheitsinformationen in einer von dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Sprache, die von den Benutzern leicht verstanden werden kann, beigefügt sind und

  • der Hersteller (Art. 11 Abs. 4, 5 VO (EU) Nr. 305/2011) und der Importeur (Art. 13 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011) ihre Kennzeichnungspflichten erfüllt haben.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 27 – 01.06.2016<<>>

Was die Sprache anbelangt, wurde in Deutschland insoweit »Deutsch als zu verwendende Sprache« in § 6 S. 1 BauPG festgelegt.

Ebenso wie die Importeure haben die Händler sicherzustellen, dass die Lagerungs- und Transportbedingungen die Konformität der Bauprodukte mit der Leistungserklärung und die Einhaltung sonstiger nach dieser Verordnung geltender Anforderungen nicht beeinträchtigen, Art. 14 Abs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011.

Die Händler sind gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 ebenfalls Adressaten der behördlichen Melde- und Notifikationspflicht (vgl. dazu auch Kap. 3.6.1.13).

Im Unterschied zu den Herstellern und Importeuren können die Händler in Deutschland keine Ordnungswidrigkeit begehen; denn die Pflichten aus Art. 14 VO (EU) Nr. 305/2011 werden vom Katalog der Bußgeldvorschriften in § 8 BauPG allesamt nicht in Bezug genommen (vgl. dazu auch Kap. 3.6.8.3.4.).

Rollenwechsel

Ausdrücklich geregelt ist der Rollenwechsel zwischen Hersteller einerseits und Importeur und Händler andererseits in Art. 16 VO (EU) Nr. 305/2011. Danach existieren zwei Szenarien, in denen ein Importeur oder Händler zum Hersteller werden kann.

Der erste Fall ist die so genannte Quasi-Herstellung; denn zum Hersteller wird, wer »ein Bauprodukt unter seinem Namen oder seiner Handelsmarke in Verkehr bringt«. Der Quasi-Hersteller gibt sich also nur als Hersteller eines Produkts aus, das von einem anderen Unternehmen tatsächlich hergestellt wurde. Die Quasi-Herstellung nimmt in der EU-weiten Praxis der Warenherstellung und -distribution eine kaum zu unterschätzende Bedeutung ein.

Der zweite Fall, der zum Rollenwechsel führt, ist die Veränderung eines bereits in Verkehr gebrachten Bauprodukts. Die Veränderung muss allerdings so wesentlich sein, »dass die Konformität mit der Leistungserklärung beeinflusst werden kann«. Mit diesem Szenario wird im Ergebnis das produktsicherheitsrechtliche Institut der wesentlichen Veränderung in Bezug genommen. Danach wird zum Hersteller eines (gebrauchten) Produkts, wer erhebliche Veränderungen oder Überarbeitungen an einem Produkt mit dem Ziel der Modifizierung seiner ursprünglichen Leistung, Verwendung oder Bauart vorgenommen hat. Entscheidendes Kriterium ist insoweit die Risikoerhöhung. Rechtsfolge der wesentlichen Veränderung ist die Schaffung eines neuen Produkts (für die ein neuer Hersteller verantwortlich ist).

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 28 – 01.06.2016<<>>

3.6.8.2.7 Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit

Aufgrund der Bedeutung von Bauprodukten für die Grundanforderungen an Bauwerke bedarf es belastbarer Nachweisverfahren für die gemachten Produktangaben. Aus diesem Grund heißt es im Erwägungsgrund (28) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011 wie folgt:

»Um präzise und zuverlässige Leistungserklärungen zu gewährleisten, sollte anhand eines geeigneten Systems zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit des Bauprodukts zum einen die Leistung des Bauprodukts bewertet und zum anderen die Herstellung im Werk kontrolliert werden. Es könnten mehrere Systeme gewählt werden, die für ein bestimmtes Bauprodukt anzuwenden wären, um dem spezifischen Bezug einiger seiner Wesentlichen Merkmale zu den Grundanforderungen an Bauwerke Rechnung zu tragen.«

In den Erwägungsgründen zur EU-Bauproduktenverordnung wird zudem darauf hingewiesen, dass die Verfahren zur Konformitätsfeststellung aus Anhang II des Beschlusses Nr. 768/2008/EG mit Blick auf die Besonderheit von Bauprodukten nicht geeignet seien. Aus diesem Grund sollen besondere Verfahren für die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten festgelegt werden (vgl. zum Ganzen Erwägungsgrund (29) zur Verordnung (EU) Nr. 305/2011).

Dreh- und Angelpunkt im bauproduktenrechtlichen Recht der Konformitätsbewertung ist Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 305/2011. Danach wird zwischen den folgenden Aspekten unterschieden:

  • Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit

  • 1)

  • Stellen, die an der Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit beteiligt sind (Nr. 2)

  • Wesentliche Merkmale, für die die Angabe der Fundstelle einer einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikation nicht erforderlich ist (Nr. 3)

Systeme

Bei den Systemen wird unterschieden zwischen den Aufgaben des Herstellers einerseits und der Notwendigkeit zur Einschaltung von notifizierten Produktzertifizierungsstellen, Zertifizierungsstellen und Prüflaboren andererseits.

Bauproduktenrechtlich vorgesehen sind die folgenden Systeme:

  • System 1+ mit Einschaltung einer notifizierten Produktzertifizierungsstelle

     3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 29 – 01.06.2016<<>>
  • System 1 mit Einschaltung einer notifizierten Produktzertifizierungsstelle (entspricht System 1+, allerdings fehlt die Stichprobenprüfung [audit-testing] von vor dem Inverkehrbringen des Produkts entnommenen Proben)

  • System 2+ mit Einschaltung einer notifizierten Zertifizierungsstelle

  • System 3 mit Einschaltung eines notifizierten Prüflabors

  • System 4 ohne Aufgaben für eine notifizierte Stelle

In den System 1+ und 1 übernehmen die notifizierten Produktzertifizierungsstellen jeweils die folgenden Aufgaben (siehe auch oben zum Unterschied zwischen System 1+ und 1):

  • Feststellung des Produkttyps anhand einer Typprüfung (einschließlich Probenahme), einer Typberechnung, von Werttabellen oder Unterlagen zur Produktbeschreibung

  • Erstinspektion des Werks und der werkseigenen Produktionskontrolle

  • laufende Überwachung, Bewertung und Evaluierung der werkseigenen Produktionskontrolle

Im Unterschied dazu nehmen die notifizierten Zertifizierungsstellen im System 2 nur die beiden zuletzt genannten Aufgaben wahr (also nicht die Feststellung des Produkttyps). Das notifizierte Prüflabor wiederum stellt anhand einer Typprüfung (auf der Grundlage der vom Hersteller gezogenen Stichprobe), einer Typberechnung, von Werttabellen oder von Unterlagen zur Produktbeschreibung den Produkttyp fest.

Die notifizierten Stellen übernehmen damit Aufgaben der Produkt- bzw. Produktionskontrolle. Dabei ist zu beachten, dass die geschilderten Aufgaben z.T. im Katalog der Begriffsbestimmungen definiert werden. Der Produkttyp ist gemäß Art. 2 Nr. 9 VO (EU) Nr. 305/2011 der »Satz der repräsentativen Leistungsstufen oder Leistungsklassen der Wesentlichen Merkmale eines Bauprodukts, das unter Verwendung einer bestimmten Kombination von Rohstoffen oder anderer Bestandteile in einem bestimmten Produktionsprozess hergestellt wird«. Die werkseigene Produktionskontrolle wiederum ist gemäß Art. 2 Abs. 26 VO (EU) Nr. 305/2011 »die dokumentierte, ständige und interne Kontrolle der Produktion in einem Werk im Einklang mit den einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikationen«.

Im Unterschied zu den Systemen 1+, 1, 2+ und 3 statuiert das System 4 reine Herstelleraufgaben, d.h. der Hersteller muss weder eine Produktzertifizierungsstelle noch eine Zertifizierungsstelle noch ein Prüflabor in das Nachweisverfahren einschalten.

Wichtig ist, dass die Hersteller kein Wahlrecht in Bezug auf die genannten Systeme haben. Maßgeblich sind insoweit vielmehr delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission; denn die Europäische Kom- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 30 – 01.06.2016<<>>mission legt unter Berücksichtigung insbesondere der Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen und auf die Umwelt in diesen Rechtsakten fest, »welches System beziehungsweise welche Systeme für welches Bauprodukt oder für welche Familie von Bauprodukten oder für ein bestimmtes Wesentliches Merkmal anzuwenden ist beziehungsweise sind«, Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011. Eine getroffene Festlegung kann auch geändert werden.

Bauproduktenrechtlich vorgegeben ist freilich, dass sich die Europäische Kommission grundsätzlich für das am wenigsten aufwendige System entscheiden soll.

Am Ende des Verfahrens zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit erstellt der Hersteller die Leistungserklärung in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale des betreffenden Bauprodukts (dazu Kap. 3.6.8.2.5).

Beteiligte Stellen

In Nr. 2 des Anhangs V der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 werden die drei Typen von notifizierten Stellen (Produktzertifizierungsstelle, Zertifizierungsstelle und Prüflabor) definiert.

Welche Anforderungen die notifizierten Stellen erfüllen müssen, ergibt sich wiederum aus Art. 43 VO (EU) Nr. 305/2011.

Nicht erforderliche Angabe der Fundstelle einer einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikation

Was die insoweit maßgeblichen Wesentlichen Merkmale anbelangt, verweist Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 auf die folgenden Aspekte:

  • Brandverhalten

  • Feuerbeständigkeit

  • Verhalten bei einem Brand von außen

  • Geräuschabsorption

  • Emission von gefährlichen Stoffen

3.6.8.2.8 Das Verhältnis zu anderen Richtlinien des Neuen Konzepts

Bauprodukte im Sinne der EU-Bauproduktenverordnung können daneben auch noch von anderen New Approach-Richtlinien bzw. von anderen europäischen Harmonisierungsrechtsvorschriften sachlich erfasst werden. In der Praxis kann es z.B. vorkommen, dass Bauprodukte neben der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 auch die Anforderungen der EU- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 31 – 01.06.2016<<>>Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU oder der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erfüllen müssen. In diesen Fällen paralleler Anwendung von EU-Bauproduktenverordnung und einer weiteren New Approach-Richtlinie bzw. europäischen Harmonisierungsrechtsvorschrift bringt die CE-Kennzeichnung gemäß Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 3 VO (EU) Nr. 305/2011 zum Ausdruck, dass sämtliche anwendbaren CE-Rechtsakte beachtet, d.h. deren Anforderungen eingehalten wurden (vgl. auch Art. 30 Abs. 3 VO (EG) Nr. 765/2008).

Von Interesse ist zudem das Verhältnis der EU-Bauproduktenverordnung zur Richtlinie 2001/95/EG (so genannte allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie).

Das Verhältnis zur EU-Niederspannungsrichtlinie

Mit Blick auf Bauprodukte kann es deshalb zu Überschneidungen mit dem europäischen Niederspannungsrecht in Gestalt der Richtlinie 2014/35/EU (bis zum 20.4.2016 galt die Richtlinie 2006/95/EG) kommen, weil elektrische Betriebsmittel im Sinne des Art. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2014/35/EU dazu bestimmt sein können, dauerhaft in Bauwerke eingebaut zu werden. Voraussetzung für die (parallele) Anwendbarkeit der EU-Bauproduktenverordnung ist in diesem Szenario indes, dass das betreffende elektrische Betriebsmittel entweder Gegenstand einer harmonisierten Norm ist oder eine Europäische Technische Bewertung existiert (dazu Kap. 3.6.8.2.3).

In diesem Fall ist zu beachten, dass der Hersteller des betreffenden Produkts nicht nur die bauproduktenrechtlich vorgeschriebene Leistungserklärung erstellen muss, sondern darüber hinaus auch eine EU-Konformitätserklärung gemäß Art. 15 Richtlinie 2014/35/EU ausstellen muss.

Das Verhältnis zur EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

Was das Verhältnis der EU-Bauproduktenverordnung zur EG-Maschinenrichtlinie anbelangt, gilt aus der Perspektive des Maschinenrechts Art. 3 Richtlinie 2006/42/EG. Danach sollen spezielle Richtlinien, welche »die in Anhang I genannten, von einer Maschine ausgehenden Gefährdungen ganz oder teilweise« genauer erfassen, den Geltungsanspruch der EG-Maschinenrichtlinie zurückdrängen; denn in diesen Fällen sollen nur noch die speziellen Richtlinien für die spezifischen Gefährdungen gelten.

Vor diesem Hintergrund wird im Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zum Verhältnis zum europäischen Bauproduktenrecht darauf hingewiesen, dass die Bauproduktenrichtlinie bzw. nunmehr die EU-Bauproduktenverordnung zusätzlich zur EG-Maschinenrichtlinie gelten soll, wenn Maschinen in Rede stehen, die dauerhaft in Bauwerke eingebaut werden sollen. Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 32 – 01.06.2016<<>>
  • Tore,

  • Türen,

  • Fenster,

  • Rollläden und Jalousien sowie

  • Lüftungs- und Klimaanlagen

genannt. Voraussetzung für die parallele Anwendbarkeit von europäischem Maschinen- und Bauproduktenrecht ist allerdings, dass der sachliche Anwendungsbereich sowohl der Richtlinie 2006/42/EG (dazu Kap. 3.6.7.2.3) als auch der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (dazu Kap. 3.6.8.2.3) im konkreten Einzelfall eröffnet ist.

Das Verhältnis zur Richtlinie 2001/95/EG

Was die Abgrenzung zur allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG anbelangt, spielt diese aus der Perspektive der EU-Bauproduktenverordnung eine Rolle, wenn die betreffenden Bauprodukte zugleich Verbraucherprodukte sind; denn Produkt im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 2001/95/EG ist – neben anderen Voraussetzungen – »jedes Produkt, das – auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung – für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnte, selbst wenn es nicht für diese bestimmt ist«.

In welchen Fällen die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG neben speziellerem Inverkehrbringensrecht (wie z.B. der EU-Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EG oder der EG-Spielzeugrichtlinie 2009/48/EG) zur Anwendung gelangt, regelt Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 2001/95/EG wie folgt:

»Die Richtlinie findet auf alle in Artikel 2 Buchstabe a) definierten Produkte Anwendung. Jede Vorschrift dieser Richtlinie gilt insoweit, als es im Rahmen gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird.«

In Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 2001/95/EG wird diese allgemeine Regelung noch weiter ausdifferenziert, und zwar in Bezug auf die Anwendbarkeit der Art. 2 lit. b)-c), 3, 4 Richtlinie 2001/95/EG einerseits, in Bezug auf die Anwendbarkeit der Art. 5–18 Richtlinie 2001/95/EG andererseits.

Entscheidend ist danach stets die Frage, ob das speziellere Inverkehrbringensrecht spezifische Rechtsvorschriften bzw. Bestimmungen vorhält. Spezifisch bedeutet gewiss, dass die Anforderungen entsprechend oder weitergehend sein können; spezifisch bedeutet allerdings auch, dass die speziellen Anforderungen hinter den allgemeinen Anforderungen der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG zurückbleiben  3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 33 – 01.06.2016<<>>können, mit der Folge, dass der Rückgriff auf die Richtlinie 2001/95/EG nicht zulässig ist.

Was im Einzelfall spezifisch ist und was nicht, ist mitunter naturgemäß schwierig zu beurteilen. Einigkeit besteht dahingehend, dass im Falle einer ausbleibenden Regelung im spezielleren Gesetz (Schweigen des Richtliniengebers) auf die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG zurückgegriffen werden kann.

Schon die Bauproduktenrichtlinie (dazu Kap. 3.6.8.2.1) stützte sich von Anfang an auf einen dezidiert bauwerksbezogenen Ansatz, der in der Statuierung von wesentlichen Anforderungen an Bauwerke (und nicht an Bauprodukte) in Anhang I der Richtlinie 89/106/EWG zum Ausdruck kam. Vor diesem Hintergrund waren Bauprodukte Mittel zum Zweck, mithilfe derer Bauwerke errichtet werden konnten, die unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit gebrauchstauglich waren und die wesentlichen Anforderungen erfüllten. Die sog. technical Compliance mit der Bauproduktenrichtlinie führte folgerichtig zur Brauchbarkeit in Bezug auf die Bauwerkssicherheit. Mit Blick auf die Gebäudesicherheit galten in Deutschland daneben – aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten – konkrete (nationale) Anforderungen aus den Bauordnungen der Bundesländer.

Aufgrund dieses spezifisch bauproduktenrechtlichen Ansatzes wurde indes in der Folge ein Regelungsdefizit identifiziert, welches auf die mangelnde Berücksichtigung der genuin (bau-)produktbezogenen Sicherheit abzielte. Aus diesem Grund rückte die Bedeutung parallel anwendbarer sektoraler Richtlinien wie insbesondere der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und der EG-Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG (nunmehr EU-Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU) sowie – bei Verbraucherprodukten – der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie in den Fokus, um neben der Bauwerkssicherheit auch dem Aspekt der produktbezogenen Sicherheit beim Inverkehrbringen von Bauprodukten Rechnung zu tragen.

Originär bauproduktbezogene Sicherheitsanforderungen kannte die Bauproduktenrichtlinie freilich nicht, und etwaige Vorgaben auf der Ebene technischer Spezifikationen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 89/106/EWG waren von vornherein nicht geeignet, den aus der Taufe gehobenen Sicherheitsmaßstab aus der Richtlinie 2001/95/EG zu verdrängen. Auf nationaler Ebene sollten etwaige Schutzlücken im Bereich der Produktsicherheit dadurch geschlossen werden, dass das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) in § 1 Abs. 3 GPSG neben die Dachfunktion für sämtliche Verbraucherprodukte auch die Auffangfunktion für die übrigen Produkte integrierte. Diese gesetzgeberische Lösung sah sich indes wegen Nichtbeachtung der Vorgaben aus der Richtlinie 2001/95/EG zu Recht dem Vorwurf der Europarechtswidrigkeit ausgesetzt.

Unter der Geltung der EU-Bauproduktenverordnung bleibt es dabei, dass die harmonisierten technischen Spezifikationen im Sinne des Art. 2 Nr. 10 VO (EU) Nr. 305/2011, d.h. harmonisierte Normen einerseits und Europäische Bewertungsdokumente andererseits, keine gemeinschaftli- 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 34 – 01.06.2016<<>>chen Rechtsvorschriften darstellen und somit den Geltungsanspruch der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie nicht zurückdrängen können.

Aus diesem Grund wird weiterhin Raum für die ergänzende Anwendung der Richtlinie 2001/95/EG bzw. des Gesetzes über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8.11.2011 bleiben.

3.6.8.3 Deutsches Bauproduktenrecht

Das deutsche Bauproduktenrecht ist Gegenstand des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 305/2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Umsetzung und Durchführung anderer Rechtsakte der Europäischen Union in Bezug auf Bauprodukte (Bauproduktengesetz – BauPG) vom 5.12.2012.

Auch wenn der Gesetzestitel sperrig ist, ist der Fokus des Interesses insbesondere auf das Wort »Durchführung« zu richten; denn das deutsche Bauproduktengesetz dient in erster Linie nur der Durchführung der – ohnehin unmittelbar geltenden – Verordnung (EU) Nr. 305/2011. Das Bauproduktengesetz besteht nicht zuletzt aus diesem Grund aus lediglich neun Paragraphen.

3.6.8.3.1 Der Vollzug des Bauproduktengesetzes

Der praktisch wichtige Aspekt der Marktüberwachung ist in § 5 BauPG geregelt. Danach sollen die §§ 4, 5, 7, 9–23, 24 Abs. 1 S. 3, 32–38 ProdSG gerade nicht anwendbar sein. Im Übrigen soll das Produktsicherheitsgesetz indes sehr wohl zur Anwendung gelangen.

Anwendbar sind damit insbesondere die §§ 24–28 ProdSG und damit die marktüberwachungsrechtlichen Bestimmungen aus dem Produktsicherheitsgesetz (mit Ausnahme des § 24 Abs. 1 S. 3 ProdSG). Die Marktüberwachungsbehörden können daher auch bei Bauprodukten auf die Befugnisse aus den §§ 26, 28 ProdSG zugreifen und folglich z.B. eine Ausstellungsuntersagung (§ 26 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ProdSG), ein (endgültiges) Bereitstellungsverbot (§ 26 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 ProdSG), einen Rückruf (§ 26 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 Alt. 2, Abs. 4 Var. 1 ProdSG) oder eine hoheitliche Warnung (§ 26 Abs. 2 S. 2 Nr. 9 Hs. 2 ProdSG) anordnen bzw. durchführen. Neben diesen produktsicherheitsrechtlichen Standardmaßnahmen gibt es die produktsicherheitsrechtliche Generalklausel in § 26 Abs. 2 S. 1 ProdSG, die indes praktisch eher selten in Erscheinung tritt. Dies dürfte in erster Linie daran liegen, dass der Katalog der Standardmaßnahmen in § 26 Abs. 2 S. 2 ProdSG zu den in praxi typischen und erforderlichen Reaktionen ermächtigt und damit das Bedürfnis (der Marktüberwachungsbehörden) nach dem Rückgriff auf eine Generalklausel kleinhält.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 35 – 01.06.2016<<>>

Darüber hinaus sind die §§ 3, 6 ProdSG in Bezug auf Bauprodukte im Sinne der EU-Bauproduktenverordnung anwendbar. § 3 ProdSG regelt die allgemeinen Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt, und § 6 ProdSG die zusätzlichen Anforderungen an die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Markt.

3.6.8.3.2 Deutsches Institut für Bautechnik als Technische Bewertungsstelle

In § 1 BauPG wird das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) als Technische Bewertungsstelle festgelegt. Damit werden die verordnungsrechtlichen Spielräume ausgeschöpft; denn die EU-Mitgliedstaaten können gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 in ihrem Hoheitsgebiet insbesondere für einen oder mehrere der in Anhang IV Tabelle 1 aufgeführten Produktbereiche Technische Bewertungsstellen benennen. Für den Fall der Benennung werden den übrigen EU-Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission Name, Anschrift sowie die betreffenden Produktbereiche mitgeteilt, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für das DIBt sind

  • das Gesetz über das Deutsche Institut für Bautechnik

  • das Abkommen über das Deutsche Institut für Bautechnik und

  • die Satzung über das Deutsche Institut für Bautechnik.

Die Überwachung der Technischen Bewertungsstelle erfolgt gemäß § 1 Abs. 3 BauPG durch den Verwaltungsrat des Deutschen Instituts für Bautechnik. Das Erfordernis der Überwachung ist europarechtlich vorgegeben (Art. 29 Abs. 3 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 305/2011).

Was die bereits erwähnte Organisation für technische Bewertung bzw. Technischer Bewertungsstellen anbelangt (dazu Kap. 3.6.8.2.3), wirkt das DIBt »im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit« insoweit mit, § 1 Abs. 2 BauPG.

3.6.8.3.3 Sprache

In der Praxis ist die Festlegung der Sprache in § 6 BauPG nicht zu unterschätzen. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dieser Regelung die bauproduktenrechtlich eröffneten Spielräume genutzt und »Deutsch als die zu verwendende Sprache« bestimmt. Bedeutung hat diese Festlegung für

  • die Sprache der Leistungserklärung gemäß Art. 7 Abs. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 (dazu Kap. 3.6.2.8.5)

  • die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen aus der Perspektive der Hersteller gemäß Art. 11 Abs. 6 VO (EU) Nr. 305/2011 (dazu Kap. 3.6.2.8.6)

     3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 36 – 01.06.2016<<>>
  • die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen aus der Perspektive der Importeure gemäß Art. 13 Abs. 4 VO (EU) Nr. 305/2011 (dazu Kap. 3.6.2.8.6)

  • die Unterlagen, Anleitungen und die Sicherheitsinformationen aus der Perspektive der Händler gemäß Art. 14 Abs. 2 VO (EU) Nr. 305/2011 (dazu Kap. 3.6.2.8.6)

Im Falle der Verwendung der deutschen Sprache gelten darüber hinaus die Anforderungen aus den Artt. 11 Abs. 8 S. 1, 13 Abs. 9 S. 1, 14 Abs. 5 S. 1 VO (EU) Nr. 305/2011 als erfüllt. Damit wird Bezug genommen auf ein begründetes Verlangen der Marktüberwachungsbehörden in Bezug auf die Zurverfügungstellung aller Informationen und Unterlagen, »die für den Nachweis der Konformität des Bauprodukts mit der Leistungserklärung und der Einhaltung sonstiger nach dieser Verordnung geltender Anforderungen erforderlich sind«.

3.6.8.3.4 Ordnungswidrigkeiten und Straftaten

Das Recht der Ordnungswidrigkeiten hat im Bauproduktengesetz eine umfangreiche Regelung erfahren. § 8 BauPG regelt Ordnungswidrigkeitentatbestände in

  • Abs. 1 und in

  • Abs. 2.

Die beiden Absätze unterscheiden sich dabei kategorial: Während § 8 Abs. 1 BauPG auf das schuldhafte Zuwiderhandeln gegen eine Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 1 BauPG oder eine vollziehbare Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung abstellt, nimmt § 8 Abs. 2 BauPG dezidiert Verstöße gegen die EU-Bauproduktenverordnung in Bezug. Dabei regelt § 7 BauPG die »Rechtsverordnungen zur Umsetzung oder Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union«. Diese Rechtsverordnungen nehmen Bezug auf europäische Rechtsakte, »die Regelungen über das Inverkehrbringen von Bauprodukten enthalten (…), durch die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von solchen Bauprodukten geregelt werden, die nicht unter die EU-Bauproduktenverordnung fallen«.

Praktisch wichtiger dürften vor diesem Hintergrund die Ordnungswidrigkeiten gemäß § 8 Abs. 2 BauPG sein. Der Katalog der Ordnungswidrigkeiten in § 8 Abs. 2 BauPG umfasst nicht weniger als 18 Nummern, die auf einzelne Bestimmungen der EU-Bauproduktenverordnung Bezug nehmen. Im Vordergrund stehen dabei die folgenden Regelungen aus der EU-Bauproduktenverordnung:

  • Art. 11 VO (EU) Nr. 305/2011 mit zehn Bezugnahmen in § 8 Abs. 2 (Nrn. 2–11)

  • Art. 13 VO (EU) Nr. 305/2011 mit fünf Bezugnahmen in § 8 Abs. 2 (Nrn. 12–16)

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 37 – 01.06.2016<<>>

Art. 11 VO (EU) Nr. 305/2011 befasst sich mit den Pflichten der Hersteller, wohingegen Art. 13 VO (EU) Nr. 305/2011 die Pflichten der Importeure zum Gegenstand hat (dazu auch Kap. 3.6.8.2.6). Daneben spielen vereinzelt noch

eine Rolle. Schließlich verweist § 8 Abs. 2 Nr. 18 BauPG auf die Artt. 56–59 VO (EU) Nr. 305/2011, indem das Zuwiderhandeln gegen darauf gestützte vollziehbare Anordnungen in Bezug genommen wird.

Gemäß § 8 Abs. 3 BauPG werden die Ordnungswidrigkeitentatbestände entweder mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € oder bis zu 50.000 € für die besonders schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten geahndet. Zu den besonders schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten rechnen § 8 Abs. 1 BauPG einerseits und zehn der insgesamt 18 Nummern aus dem Katalog des § 8 Abs. 2 BauPG andererseits.

In § 9 BauPG werden schließlich auch Strafvorschriften geregelt. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine bestimmte Ordnungswidrigkeit aus dem Katalog des § 8 Abs. 2 BauPG »beharrlich wiederholt oder durch eine solche vorsätzliche Handlung Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet«. Voraussetzung ist dabei jeweils, dass die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich (und damit nicht nur fahrlässig) begangen wird.

Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang die Ordnungswidrigkeiten gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) BauPG einerseits und gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 BauPG andererseits genannt. Ordnungswidrig handelt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) BauPG, wer gegen die Pflichten der Hersteller aus Art. 11 VO (EU) Nr. 305/2011 im Allgemeinen und gegen die spezifischen Vorgaben zur Erstellung der Leistungserklärung im Besonderen verstößt; denn in Bezug genommen wird das fehlende, nicht richtige oder nicht rechtzeitige Erstellen der Leistungserklärung. Bei der Ordnungswidrigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 BauPG wiederum wird auf die Pflicht des Herstellers abgestellt, sicherzustellen, »dass die erklärte Leistung bei Serienfertigung beständig sichergestellt ist«. Zur strafbaren Handlung werden diese beiden besonders schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten nur dann, wenn sie erstens vorsätzlich begangen werden und zweitens entweder beharrlich wiederholt oder zu der beschriebenen Gefährdung führen. Im Ergebnis werden damit hohe Hürden für bauproduktenrechtlich relevante Strafbarkeitsrisiken errichtet.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 38 – 01.06.2016<<>>

Literatur

Literatur zum europäischen Bauproduktenrecht

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Germelmann: Private Regelwerke im Geltungsbereich der Warenverkehrsfreiheit – Konsequenzen der Fra.bo-Entscheidung für die technische Normung in Deutschland, Gewerbearchiv (GewArch) 2014, S. 335 ff.

Held/Jaguttis: Produktrecht: Verstoß gegen Bauproduktenrichtlinie durch zusätzliche nationale Anforderungen an Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) 2014, S. 957 ff.

Jarass: Probleme des Europäischen Bauproduktenrechts, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2008, S. 145 ff.

Ludwigs/Weidermann: Drittwirkung der Europäischen Grundfreiheiten – Von der Divergenz zur Konvergenz?, Juristische Ausbildung (JURA) 2014, S. 153 ff.

Niemöller/Harr: Freier Warenverkehr und Produktsicherheit – ein Gegensatz?, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2015, S. 274 ff.

Schneider/Thielecke: Freihandel und Grundrechte. Zur Abgrenzung der Kompetenzen von EU und Mitgliedstaaten im Bauproduktenrecht, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2015, S. 34 ff.

Schucht: Vorrang des europäischen Bauproduktenrechts vor nationalen Regimen der Produktverwendung, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2015, S. 592 ff.

Schweitzer: Standardisierung als Mittel zur Förderung und Beschränkung des Handels und des Wettbewerbs. Zugleich eine Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 12.7.2012 im Fall Fra.bo SpA/Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (Rs. C-171/11), Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) 2012, S. 765 ff.

Thielecke: Die staatliche Überwachung von Bauprodukten nach dem Bauproduktengesetz und dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR) 2008, S. 640 ff.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 39 – 01.06.2016<<>>

Winkelmüller/van Schewick: Zur (Un-)Zulässigkeit nationaler Anforderungen an CE-gekennzeichnete Bauprodukte, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (BauR) 2015, S. 35 ff.

dies.: Harmonisierte Bauprodukte zwischen Rechts- und Bauwerkssicherheit, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (BauR) 2015, S. 1602 ff.

Winkelmüller/van Schewick/Müller: Bauproduktrecht und technische Normung, 2015

Wirth: Nationale Restregelungen bei harmonisierten europäischen Normen zur Sicherstellung der nationalen Verwendbarkeit von Bauprodukten? Es lebe das Ü-Zeichen auch insoweit fort?, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (BauR) 2013, S. 1951 ff.

 3.6.8 Europäisches und deutsches Bauproduktenrecht – Seite 40 – 01.06.2016<<