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3.4.3 Die Gefahrstoffverordnung 2015

Die Bundesregierung hat am 7. Januar 2015 den Maßgaben des Bundesrates zur Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung und zur Änderung der Gefahrstoffverordnung zugestimmt: Am 6. Februar 2015 ist die Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I, S 49). Artikel 2 ändert die Gefahrstoffverordnung. Die neue Verordnung ist am 01.06.2015 in Kraft getreten.

Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) regelt umfassend die Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Gefahrstoffe sind dabei solche Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse, die bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften besitzen, wie z.B. hochentzündlich, giftig, ätzend, krebserzeugend, um nur die gefährlichsten zu nennen.

Im Zuge der Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung und der Änderung der Gefahrstoffverordnung zum 01.06.2015 wurde im Bereich der Gefahrstoffverordnung geregelt, dass die materiellen Anforderungen zum Brand- und Explosionsschutz sich künftig ausschließlich in der Gefahrstoffverordnung finden. Damit soll eine einheitliche Betrachtung aller von Gefahrstoffen ausgehenden Gefährdungen in der Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung ermöglicht werden. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von einer fachkundigen Person durchgeführt werden. Das Explosionsschutzdokument wird Bestandteil der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung.

Durch die EU-CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures (EC) 1272/2008) wurde das Einstufungssystem für die gefährlichen Eigenschaften geändert. Bereits mit der Neufassung der Gefahrstoffverordnung Ende 2010 wurde mit der schrittweisen Umstellung auf das neue System begonnen. Mit der Anpassung im Herbst 2015 wird dann die vollständige Umstellung der Gefahrstoff- auf die CLP-Verordnung erfolgt sein. Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) ist am 1. Juni 2015 auch für die Einstufung und Kennzeichnung von Gemischen in Kraft getreten. Gemische mit alter Kennzeichnung, die vor dem 1. Juni 2015 verpackt und gekennzeichnet waren, dürfen noch bis 1. Juni 2017 verkauft bzw. abgegeben werden.

Bei den Änderungen in der Gefahrstoffverordnung werden hauptsächlich zwei Schwerpunkte gesetzt: Der erste Schwerpunkt ist die Anpassung an das EU-Recht – dazu gehören neben der vollständigen Umstellung auf die CLP-Verordnung auch die Modernisierung der Anhänge zur Schädlingsbekämpfung und Begasung sowie Anpassungen an die EU-Biozid-Verordnung. Zweiter Schwerpunkt sind neue Regelungen zur Krebsprävention am Arbeitsplatz, wie die vollständige Implementierung des Risikokonzeptes für krebserzeugende Stoffe in die Gefahrstoffverordnung und nutzerfreundlich gestaltete Regelungen zu Asbest. Des Weiteren werden in der Verordnung aber auch Anpassungen an neue Erkenntnisse und Entwicklungen, zum  3.4.3 Die Gefahrstoffverordnung 2015 – Seite 2 – 01.09.2015>>Beispiel im Bereich psychischer Belastungen oder bei der Gefährdungsbeurteilung vorgenommen.

Generelle Anpassung an die CLP-Verordnung

Im Rahmen der vollständigen Umstellung auf die CLP-Verordnung fallen in der Gefahrstoffverordnung nun alle Bezüge zu den alten Stoff- und Zubereitungsrichtlinien weg. Stattdessen gibt es Verweise auf die Gefahrengruppen der CLP-Verordnung und eine Auflistung aller Gefahrenklassen. Auch bestimmte Bezeichnungen müssen nun durch CLP-Begriff ersetzt werden. So werden beispielsweise die Begriffe

  • »Zubereitung« durch »Gemisch«,

  • »krebserregend« durch »karzinogen«,

  • »erbgutverändernd« durch »keimzellmutagen« und

  • »fruchtbarkeitsgefährdend« durch »reproduktionstoxisch«

ersetzt.

Änderungen rund um die Schädlingsbekämpfung

Der neue Anhang zu Tätigkeiten mit Biozidprodukten fasst nun Regelungen zu Erlaubnis, Anzeige, Sachkunde und zum Befähigungsschein bei Begasungen zusammen.

Die Anpassungen an die EU-Biozid-Verordnung umfassen hauptsächlich ein neues praxisgerechtes Konzept für eine »dreistufige Sachkunde« von Anwendern. Denn die jeweiligen Anforderungen richten sich nach der Verwenderkategorie, die bei der Zulassung nach der EU-Biozid-Verordnung festgelegt wird. Unterschieden werden »berufliche Verwender«, »besondere berufliche Verwender« und »besondere berufliche Verwender von Biozidprodukten mit hoher Gefährdung«. Das Schutzkonzept der Gefahrstoffverordnung kombiniert spezielle Anforderungen an die Kenntnisse der Verwender (wie etwa Fachkunde, Sachkunde oder benötigter Befähigungsschein), Anforderungen an die persönliche Eignung (wie etwa praktische Erfahrung, Volljährigkeit oder deutsche Sprachkenntnisse) und formale Pflichten bei der Verwendung (wie etwa Dokumentation der Tätigkeit, Anzeige- oder Erlaubnispflicht für die Tätigkeit, Anwesenheit eines Befähigungsschein-Inhabers).

Neu ist, dass alle beruflichen Verwender praktische Erfahrung bei Tätigkeiten mit Biozidprodukten nachweisen und über Fachkunde verfügen müssen. Bei Begasungen oder Vernebelungen von Bioziden, die als akut toxisch eingestuft sind, sind nun eine Erlaubnis und die Anzeige der einzelnen konkreten Tätigkeit verpflichtend. Außerdem muss ein Mitarbeiter mit Befähigungsschein und Sachkunde für diese Arbeiten eingesetzt werden.

 3.4.3 Die Gefahrstoffverordnung 2015 – Seite 3 – 01.09.2015<<>>

Akzeptanz- und Toleranzkonzentration

Im Rahmen der Einführung des Risikokonzepts für krebserzeugende Stoffe in der Gefahrstoffverordnung sind als neue Begriffe die »Akzeptanz- und Toleranzkonzentration« aufgenommen und definiert worden. Sie sollen helfen, bei der Gefährdungsbeurteilung angemessene Maßnahmen für krebserzeugende Stoffe festzulegen und die Risiken für exponierte Beschäftigte eindeutiger zu beurteilen. Die »Akzeptanzkonzentration« beschreibt die Konzentration eines krebserzeugenden Gefahrstoffs in der Luft am Arbeitsplatz mit Bezug auf die Schichtlänge. Bei Unterschreitung der Akzeptanzkonzentration besteht statistisch nur ein niedriges Risiko, dass Beschäftigte an Krebs erkranken. Im Bereich zwischen Akzeptanz- und Toleranzkonzentration ist statistisch von einem mittleren Risiko für die Beschäftigten auszugehen. In diesem Bereich sind Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Bei Überschreitung der »Toleranzkonzentration« ist statistisch von einem hohen Risiko für die Beschäftigten auszugehen, dass sie eine Krebserkrankung erleiden. Belastungen oberhalb der Toleranzkonzentration sind grundsätzlich nicht zulässig. Die Belastung der Beschäftigten muss unverzüglich – auch durch persönliche Schutzausrüstungen – unter die Toleranzkonzentration abgesenkt werden. Für die Verbesserung der Arbeitsplätze ist ein Maßnahmenplan aufzustellen. Die Belastungen am Arbeitsplatz sollen damit möglichst unter die Akzeptanzkonzentration abgesenkt werden.

Die neue Gefahrstoffverordnung sichert die Beschäftigten, die mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Stoffen umgehen, durch ein Verzeichnis, das in einer zentralen Expositionsdatenbank (ZED) geführt werden kann, rechtlich ab. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein solches Verzeichnis zu führen und aktuell zu halten. Das Verzeichnis muss 40 Jahre nach dem letzten Kontakt des Arbeitnehmers mit dem Stoff aufbewahrt werden. Es umfasst Angaben zur Person, zum verwendeten Stoff sowie zur Art und Dauer der Exposition.

Umgang mit CMR-Stoffen

Bei Tätigkeiten oder Umgang mit CMR-Stoffen (CMR = karzinogen, mutagen und reproduktionstoxisch) gibt es erweiterte Maßnahmen. Dazu sind in der neuen Gefahrstoffverordnung die Anforderungen an den Maßnahmenplan konkretisiert worden. Es ist eine Mitteilungspflicht an die zuständige Behörde erforderlich, wenn Belastungen oberhalb der Akzeptanzkonzentration ermittelt werden, also ab mittlerem Risiko. Bei Tätigkeiten oberhalb der Toleranzkonzentration ist der Behörde zusätzlich der Maßnahmenplan zu übermitteln. Die Behörde kann jedoch im Einzelfall auch dann den Maßnahmenplan verlangen, wenn die Belastung »nur« oberhalb der Akzeptanzkonzentration liegt.

Außerdem sind Regeln zum Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) definiert worden: Oberhalb der Akzeptanzkonzentration und unterhalb der Toleranzkonzentration, also im mittleren Risikobereich, ist den Beschäftigten bei Expositionsspitzen PSA zur Verfügung zu stellen und für  3.4.3 Die Gefahrstoffverordnung 2015 – Seite 4 – 01.09.2015<<die Beschäftigten ist es verpflichtend, diese auch zu tragen. Oberhalb der Toleranzkonzentration ist die Persönliche Schutzausrüstung während der gesamten Tätigkeit zu tragen. PSA darf jedoch nicht zur Dauermaßnahme werden. Die Belastungen sind durch Substitution, technische und/oder organisatorische Maßnahmen zumindest in den Bereich des mittleren Risikos abzusenken. Ziel ist es, in den »grünen« Bereich unterhalb der Akzeptanzkonzentration zu gelangen.

Nutzerfreundliche Gestaltung der Regelungen zu Asbest

Um beim Umgang mit Asbest auch weiterhin ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, gleichzeitig aber mehr Rechtsklarheit und eine einfachere Anwendung des Regelwerkes zu erreichen, wurden die Regelungen zu Tätigkeiten mit Asbest überarbeitet. Mehr Klarheit soll etwa die Umsetzung eines Risikokonzepts bringen, bei dem Schutzmaßnahmen je nach Gefährdungsgrad nach rotem, gelbem und grünem Bereich aufgeteilt sind. Weitere Regelungen betreffen die Sachkunde der Ausführenden und die Notwendigkeit eines Befähigungsscheins. Außerdem werden die Verpflichtungen des Auftraggebers präzisiert. Für mehr Rechtsklarheit sind die Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten deutlicher definiert worden. Neu aufgenommen sind Tätigkeiten, die aufgrund einer weiter laufenden Nutzung beispielsweise von asbesthaltigen Gebäuden erforderlich sind. Ein Beispiel hierfür ist das Bohren in eine asbesthaltige Wand. Diese Arbeiten sind unter bestimmten Bedingungen zulässig. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer behördlichen Ausnahmegenehmigung werden durch klar festgelegte Kriterien umfassend geregelt.

Erweiterung der Grundpflichten

Insgesamt sind die Belange des Arbeitsschutzes jetzt besser in die betriebliche Organisation eingebunden. Hierzu sind auch die Vertretungen der Beschäftigten eingebunden. Außerdem müssen nach der neuen Verordnung auch psychische Faktoren im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des Arbeitsschutzes in Unternehmen mehr berücksichtigt werden. Es müssen Maßnahmen ergriff werden, um bei den Beschäftigten ein höheres Sicherheitsbewusstsein zu schaffen.