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3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz

Das ProdHaftG hat eine sehr klare Struktur: In § 1 ProdHaftG wird als Anspruchsgrundlage definiert, dass in bestimmten Konstellationen ein Schadensersatz für den Geschädigten besteht; dabei wird wegen Personenschädigungen und Sachbeschädigungen differenziert. Für welche Produkte das Gesetz gilt, regelt sodann § 2 ProdHaftG, während § 3 ProdHaftG definiert, wann der die Haftung auslösende Fehler vorliegt. Nach dem ProdHaftG haften bestimmte Inverkehrbringer, die in § 4 ProdHaftG (Hersteller, Quasi-Hersteller, EU-Importeur und Händler) im Einzelnen definiert sind, während § 5 ProdHaftG beschreibt, wie das Verhältnis verschiedener Schädiger untereinander ist. § 6 ProdHaftG beschreibt die Haftungsminderung, die durch ein Mitwirken des Geschädigten zu beachten ist. Die weiteren Paragraphen sind eher für die operative Abwicklung einzelner Ansprüche wichtig und sollen hier nicht näher beschrieben werden.

Nur zu erwähnen ist noch, dass § 10 ProdHaftG eine abschließende Haftungsbeschränkung auf die gleichwohl sehr erhebliche Summe von 85 Mio. € vorsieht. Umgekehrt sieht § 11 ProdHaftG für den Fall der Sachbeschädigung – also nur dort und nicht bei Personenschäden – eine Selbstbeteiligung des Geschädigten bis zu einer Höhe von 500 € vor; der Produkthaftungsanspruch beginnt also erst ab 501 € (für diesen 1 €). § 12 ProdHaftG beschreibt die Verjährung des Anspruchs, während § 13 ProdHaftG klarstellt, dass die Ansprüche in jedem Fall nach zehn Jahren erloschen sind, nachdem der Hersteller das Produkt in den Verkehr gebracht hat.

Anspruchsvoraussetzung als Haftungsgrundlage

Die Haftung richtet sich grundsätzlich nach § 1 ProdHaftG, der wie folgt lautet:

Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 3 – 01.02.2010>>verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Fall der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.

Damit wird ausweislich des klaren Gesetzestextes im Rahmen des ProdHaftG sowohl für eine Tötung als auch für Körper- oder Gesundheitsverletzung als auch schließlich für Sachbeschädigungen gehaftet, wenn und soweit das fehlerhafte Produkt Ursache dafür war. Die Einschränkung bei Sachbeschädigungen zeigt allerdings auch, dass Schäden im Rahmen des ProdHaftG nicht ersetzt werden, die an einer (anderen) Sache entstehen, die für unternehmerische, geschäftliche, gewerbliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Aufmerksam zu machen ist hier auf einen Irrtum, der in der Industrie sehr häufig anzutreffen ist: Das ProdHaftG gilt keinesfalls – so aber der Irrtum – nur für B2C-Produkte; es gilt selbstverständlich auch für B2B-Produkte. Einschränkungen gibt es nur beim geschädigten Produkt (nicht also beim schädigenden Produkt), weil nur Schädigungen an Privatsachen Sachschadensersatz im Sinne des ProdHaftG auslösen!

Beispiel:

Beispiel: Wenn durch verfrühte, fehlerhafte Auslösung einer installierten CO2-Löschung im innerbetrieblichen Einsatz ein Mensch getötet oder schwer verletzt wird, ist dies selbstverständlich ein Fall der Haftung für den Löschanlagenhersteller nach § 1 ProdHaftG. Es bleibt aber auch ein Fall der Haftung nach ProdHaftG, wenn dabei ein privat in den Betrieb mitgebrachter Hund – juristisch sind Tiere Sachen im Gesetzessinne – getötet wird. Die Zerstörung einer rein innerindustriell aufgebauten werkstofflichen Versuchsanordnung bleibt dagegen unersetzt.

Produktfehler

Der »Fehler« ist der zentrale Begriff des Produkthaftungsgesetzes, da er Ausgangspunkt für die gesamte Haftung ist. Er ist in § 3 ProdHaftG wie folgt definiert:

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtung aller Umstände, insbesondere

  • seiner Darbietung,

  • des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,

  • des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,

berechtigterweise erwartet werden kann.

Man sieht also, dass der Gesetzgeber absichtlich mit einer Vielzahl eher unbestimmter Rechtsbegriffe (»billigerweise gerechnet«, »berechtigterweise erwartet«) operiert hat. Der Fehler ist damit keine ingenieurtechnisch-physikalisch präzise und digital erfassbare Abweichung von einer Spezifikation, sondern eine erst im Rahmen einer Wertung sichtbare Problematik. Dies gilt es, nie zu vergessen, weil sich in produkthaftungsrechtlichen  3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 4 – 01.02.2010<<>>Verfahren vor Gericht genau diese Wertung aus einer Gesamtschau aller Aspekte ergibt und nicht alleine durch häufig sehr techniklastige Erklärungen bzw. »Ausreden« durch Konstruktion und technische Redaktion abgefangen werden kann.

Berechtigte Sicherheitserwartung

Vorab gilt die fast banale Erkenntnis, dass es eine 100 %ige Sicherheit nicht geben und daher auch von niemandem erwartet werden kann. In der Praxis ist somit zwischen einer absoluten (gewissermaßen theoretischen) und einer relativen (also einer sozial akzeptierten) Gefährlichkeit eines Produkts zu unterscheiden: Jedes Produkt birgt – abhängig von der Verwendung im Einzelfall – ein gewisses technisches Gefahrenpotenzial in sich. Entscheidend ist letztlich, wie gefährlich das Produkt relativ betrachtet im Vergleich auch zu anderen am Markt angebotenen Produkten, dem Verwenderhorizont und den technischen Möglichkeiten in einer gegen Geld zu erwerbenden Produktlandschaft ist.

Absolute Sicherheit muss damit nicht gewährleistet werden. Dies folgt dem Gedanken, dass einem Hersteller im Rahmen der Produktion nicht unzumutbare Kosten auferlegt werden dürfen, weil die durch das ProdHaftG gesteuerte Warendistribution immer noch als kaufmännische Distribution möglich sein muss. Der Hersteller ist deshalb nicht gezwungen, jede irgendwie technisch denkbare unmögliche Sorgfaltsvorkehrung wirklich praktisch umzusetzen. Der von ihm einzuhaltende Sicherheitsstandard ist allerdings auf das Mögliche und Zumutbare begrenzt, aber auch erwartet: Ein Hersteller hat sorgfältig zwischen Schaden und Schadensprävention abzuwägen und kann sich deshalb nicht mit dem vorliegenden Hinweis auf »finanzielle Unlust« aus seiner Verantwortung für berechtigte Sicherheitserwartungen verabschieden. Andererseits spielt bei der berechtigten Sicherheitserwartung auch der Preis insgesamt eine Rolle: Von einem Low-Budget-Produkt kann zwar eine identische Basissicherheit erwartet werden, jedoch insgesamt nicht dieselbe High-End-Sicherheit, wie sie als zusätzlich bestellbare Ausstattung bei hochpreisigen Qualitätsprodukten verlangt wird.

Im Einzelfall ist all dies eine innerindustriell wie produkthaftungsrechtlich im Prozess sehr schwierig abzuwägende Einzelfallfrage. Finanzielle Erwägungen dürfen eine Rolle spielen, andererseits aber nicht Basissicherheit verdrängen, die deshalb immer definiert werden muss.

3.2.1.1 Technische Normen und technische Spezifikationen

Für die berechtigte Sicherheitserwartung bei der Konstruktion und Fabrikation von Produkten spielen Standards, Spezifikationen, Industrieabreden und technische Normen eine Rolle. Sie sind zwar produkthaftungsrechtlich keine bindenden Vorgaben (auch das wird oft überschätzt), weil nicht in einem demokratisch legitimierten Rechtssetzungsprozess verabschiedet. Sie sind aber für eine wertungsmäßige Bestimmung berechtigter  3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 5 – 01.02.2010<<>>Sicherheitserwartungen ersichtlich nicht ohne Relevanz. Ausgangspunkt ist dabei, dass das Produkt – und auch dies wird in der Industrie häufig übersehen – zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe dem aktuellen Stand von Forschung und Wissenschaft entsprechen muss. Die technischen Vorgaben und Normen stellen indes lediglich einen Mindeststandard dar, dessen Unterschreitung die Verletzung der zu erwartenden Sicherheit nahelegen mag. Doch kann hieraus kein Umkehrschluss gezogen werden: Ein Produkt, das den technischen Normen entspricht, kann dennoch im Rechtssinne fehlerhaft sein. Denn technische Normen können längst aufgrund technischer Fortentwicklung veraltert sein, ergänzungsbedürftig geworden sein oder sogar von Anfang an (industriepolitisch verabredet) lückenhaft verabschiedet gewesen sein. Jedenfalls gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum eine technische Norm – heute oder sogar niemals – dem allein maßgeblichen, aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht entsprochen hat. Im Zusammenhang mit dem Auftreten eines Schadensfalls kann sich deshalb nicht darauf zurückgezogen werden, der Produktfehler sei rechtlich ausgeschlossen, weil die in technischen Normen vorgesehenen Standards eingehalten worden sind. Es gibt gerichtliche Urteile, nach denen die Einhaltung von z.B. DIN-Vorschriften zwar die Fehlerfreiheit des Produktes nahelegt, keinesfalls aber erzwingt.

3.2.1.2 Bestimmung des Verwenderkreises

Die Frage, für wen das Produkt letztlich bestimmt ist, spielt für die Frage berechtigter Sicherheitserwartung eine zentrale Rolle. Ist das Produkt von vornherein nur für einen ganz konkreten Kreis von Anwendern vorgesehen, so ist es prinzipiell just auf deren Sicherheitserwartungen abzustellen. So kann eine Belieferung nur an Fachbetriebe dazu führen, dass der Hersteller davon ausgehen darf, dass diese Produkte auch nur vom Fachpersonal benutzt werden, dieses Fachpersonal aber entsprechendes Vorwissen mitbringt. Eine Neubewertung des Produkts kann allerdings dann notwendig werden, wenn der Hersteller – z.B. durch Kundenbeschwerden oder Montagearbeiter – nachhaltig erfährt, dass das Produkt trotz anders geplanter Vertriebswege oder Werbungsaussagen in die Hände anderer Nutzerkreise, namentlich unerfahrener Endverbraucher, gelangt. Diese sogenannte Produktmigration kann nicht einfach ignoriert werden.

Hersteller/Inverkehrbringer

Ersichtlich haftet nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG vorrangig der Hersteller. Die genaue Regelung dessen, wer alles als Hersteller haftet, findet sich dann in § 4 ProdHaftG, der eine durchaus erheblich erweiterte Gruppe von Unternehmen beschreibt, die in die Haftung geraten können:

Abs. 1:

Hersteller im Sinne dieses Gesetzes ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Als Hersteller gilt auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 6 – 01.02.2010<<>>

Abs. 2:

Als Hersteller gilt ferner, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.

Abs. 3:

Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so gilt jeder Lieferant als dessen Hersteller, es sei denn, dass er dem Geschädigten innerhalb eines Monats, nachdem ihm dessen diesbezügliche Aufforderung zugegangen ist, den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. Dies gilt auch für ein eingeführtes Produkt, wenn sich bei diesem die in Abs. 2 genannte Person nicht feststellen lässt, selbst wenn der Name des Herstellers bekannt ist.

Vorrangige Haftungsperson ist also der tatsächliche Hersteller, allerdings in allen Veredelungs- und Zuliefererstufen: Erfasst sind die Hersteller des Endprodukts, des Teilprodukts oder eines Grundstoffs. Im Marktgeschehen treten diese Hersteller zumeist als GmbH, als AG oder in sonstiger Form gesellschaftsrechtlich oder körperschaftlich organisiert auf. Demzufolge ist die Haftung (dann) auf diese Gesellschaft begrenzt.

Neben dem tatsächlichen Hersteller haftet dann, wie erwähnt, auch der sogenannte Quasi-Hersteller. Er ist in § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG als derjenige definiert, der durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens sich selbst als Hersteller ausgibt. Es ist also jemand, der nach außen am Markt den Eindruck erweckt, er sei der tatsächliche Hersteller – der Markt kann, anders herum formuliert, am Produkt gar nicht erkennen, dass dieses Unternehmen fremde Handelsware mit dem eigenen Label versieht und »durchhandelt«. Aus Sicht des Marktes ist es vielmehr ein Herstellerprodukt. Diese Haftung des Quasi-Herstellers hat erhebliche Auswirkungen nicht nur für Versandhäuser und Handelsketten, sondern auch für sonstige industrielle Anbieter, die zur Abrundung ihres Vollsortiments oder zur Ausfüllung von Verfügbarkeitslücken ihrer eigenen Produktion das Sortiment durch Zukauf von Fremdware unter eigenem Label komplettieren wollen. Für die Haftung ist es übrigens unerheblich, ob der tatsächliche Hersteller oder der Quasi-Hersteller Name, Marke oder sonstiges Kennzeichen anbringt. Ebenso ist auch nicht notwendig, dass der echte Hersteller vor Anbringen der fremden Marke sein Einverständnis erteilt. Maßgeblich für die Haftung des Quasi-Herstellers ist der pure Fakt, dass das Produkt im Zusammenhang mit dem Namen des Quasi-Herstellers und in dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht wird.

Importeur

Gemäß § 4 Abs. 2 ProdHaftG haftet auch der sogenannte EU-Importeur des Produkts, also derjenige, der außereuropäische Ware in den EU-Raum verbringt. Innereuropäischer Handel ist nur noch im kaufmännischen Sinne ein Import, nicht mehr aber im juristischen Sinne; Import meint im Sinne des § 4 ProdHaftG immer den Eintritt EU-ausländischer Ware  3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 7 – 01.02.2010<<>>in den EU-Raum. Mit dieser Vorschrift soll derjenige Geschädigte geschützt werden, der ansonsten im Produkthaftungsprozess den Hersteller in einem außereuropäischen Drittland verklagen müsste (die Klage gegen ein innereuropäisches, ausländisches Unternehmen mutet der Gesetzgeber dem Geschädigten allerdings sehr wohl zu!).

Beispiel:

Beispiel: Kommt es durch ein fehlerhaftes Messventil zu einem Unfall, so richtet sich die Haftung danach, woher dieses Bauteil stammte: Stammt es aus einem Staat innerhalb der EU (z.B. Dänemark), so ist der dänische Hersteller richtigerweise zu verklagen, auch wenn das dänische Produkt über einen Zwischenhändler nach Deutschland gebracht wurde. Stammt dasselbe Produkt dagegen z.B. aus Taiwan, hat zwar der Geschädigte das Recht, den taiwanesischen Hersteller zu verklagen (und muss die Klage in Taiwan zustellen!), er hat aber zusätzlich eben auch das Wahlrecht, den EU-Importeur als »fingierten Hersteller« in Anspruch zu nehmen.

In jedem Fall sind solche auswärtigen Prozessbeteiligten, ggf. auch ausländische Gerichtsstände, einer besonderen juristischen Mühe wert.

Lieferant

Die Haftung des Händlers (Lieferanten) anstelle des Herstellers ist im ProdHaftG ausschließlich für den – seltenen – Fall vorgesehen, dass der zu verklagende Hersteller des Produkts schlechthin gar nicht festgestellt werden kann. Wurde also der Produktnutzer durch ein sogenanntes anonymes Produkt geschädigt, kann er sich an den Händler wenden, in der Praxis also an den Verkäufer. Er, der Verkäufer, haftet aber nur ersatzweise und kann sich durch die fristgerechte Benennung des eigentlichen Herstellers oder jedenfalls eines eigenen Vorlieferanten wieder aus der Haftung entlasten.

3.2.1.3 Haftungsfälle

Ausschluss der Haftung

Wie § 1 Abs. 2 ProdHaftG zeigt, ist die Haftung in bestimmten Fällen bereits gesetzlich ausgeschlossen; ein gleichwohl entstehender Schadensfall ist nicht, jedenfalls nicht gegenüber dem Anspruchsgegner nach ProdHaftG geltend zu machen. Die Ausschlussgründe lauten qua Gesetz:

(Abs. 2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn

  1. 1.

    er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat,

  2. 2.

    nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte,

     3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 8 – 01.02.2010<<>>
  3. 3.

    er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat,

  4. 4.

    der Fehler darauf beruht, dass das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, oder

  5. 5.

    der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.

(Abs. 3) Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts ist ferner ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des Produkts verursacht worden ist. Satz 1 ist auf den Hersteller eines Grundstoffs entsprechend anzuwenden.

Nicht alle diese gesetzlichen Ausschlussgründe haben in der Praxis eine gleich bleibende Bedeutung.

Für industrielle Hersteller aus der Brandschutz-Branche sind folgende Aspekte besonders erwähnenswert.

Keine Haftung für spätere Produktverbesserung

Eine spätere Produktverbesserung führt nicht »rückwärts« zur Fehlerhaftigkeit der bisherigen Produktlinie. Es geht bei der rechtlichen Schadensbetrachtung immer um den Zeitpunkt des Inverkehrbringens, niemals um den Zeitpunkt des Schadensfalls – dies wird in der Praxis häufig falsch eingeschätzt. Wenn zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens die geforderte Sicherheit vorlag, ist eine spätere, erhöhte Sicherheit in der nächsten Produktgeneration kein rückwirkendes Negativurteil, sondern schlichtweg eine Verbesserung. Allerdings können Produktverbesserungen – auch der Wettbewerber – sehr wohl dazu führen, dass das eigene Sicherheitskonzept für das nächste, neuerliche Inverkehrbringen zu überdenken ist. Produktverbesserungen verbreiten sich mitunter schnell, werden zu Branchenstandards und damit schnell zum Teil der allgemeinen Sicherheitserwartung. Gelingt es dem Geschädigten, darzustellen und auch zu beweisen, dass die Produktänderung indes lediglich zur Beseitigung eines immer schon da gewesenen Produktfehlers und damit des »Ausmerzens« eines schon vorher existenten Sicherheitsdefizits erfolgte, lässt sich natürlich in der Praxis schnell daraus die Fehlerhaftigkeit zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Vorgängerprodukts folgern.

Keine Haftung für Entwicklungsfehler

Juristen verstehen unter einem »Entwicklungsfehler« etwas anderes als Ingenieure, für die häufig dasjenige erfasst ist, was Juristen einen Konstruk- 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 9 – 01.02.2010<<>>tionsfehler nennen. »Entwicklungsfehler« im Rechtssinne sind vielmehr Fehler, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens auch nach Stand von Wissenschaft und Technik von niemandem erkannt werden konnten, weil sich die Schadensneigung und die Gefährlichkeit überhaupt erst später erkennbar zeigen und/oder wissenschaftlich ermittelt werden. Ein Entwicklungsfehler ist also dann objektiv nicht vermeidbar, wenn die potenzielle Gefährlichkeit des Produkts allgemein von keinem – weder in der Branche noch auf nationaler oder internationaler Wissenschaftsebene – irgendwie erkannt werden konnte, weil das Wissen schlechthin zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens gar nicht verfügbar war. Die Beweislast hierfür trägt der Hersteller. In der Rechtsprechung ist dieser Fall extrem selten.

Dieser Aspekt ist übrigens einer der wenigen Fälle, in denen es die europäische Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG den einzelnen Mitgliedsstaaten freigestellt hatte, ob sie eine Haftung für Entwicklungsfehler implementieren wollen oder nicht. Innerhalb von Europa haben sich nur Luxemburg und Finnland dafür entschieden.

Keine Haftung bei spezifikationsgetreuer Zulieferung

Das Produkthaftungsgesetz schützt nach § 1 Abs. 3 auch Teilprodukt-Hersteller, die genau nach den Anleitungen des Herstellers gefertigt haben. Verwirklicht sich also im Schadensfall ein bereits im technischen Design angelegter Konstruktionsfehler des eigentlichen Herstellers des Endteils, so kann der Zulieferer nicht dafür verantwortlich gemacht werden, obwohl es an seinem Zuliefererprodukt technisch lag, wenn er dieses genau nach den Spezifikationen seines abnehmenden Kunden gefertigt hat.

Verschuldensabhängige Haftung nach § 823 BGB

Der vom Wortlaut her sehr weit gefasste § 823 Abs. 1 BGB begründet die Produzentenhaftung bei Verschulden, wie sie die deutsche Rechtsprechung in vielen Jahrzehnten aus der reinen Gesetzesfassung abgeleitet hat:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Diese sehr generell gehaltene Formulierung erfasst auch die Haftung für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt bei dem Verkäufer, einem Produktbenutzer oder sonstigen Dritten entstanden sind. Überträgt man die von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrssicherungspflichten eines Produzenten in eine Struktur, so ergibt sich folgende Summe von Anspruchsvoraussetzungen:

  • Handlung des Schädigers (= Inverkehrbringer des fehlerhaften Produkts)

  • Eigentumsverletzung, Körperverletzung, Gesundheitsverletzung, Tod

     3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 10 – 01.02.2010<<>>
  • Verursachung dieser Rechtsgutverletzung durch das Inverkehrbringen und dessen Produkt

  • Rechtswidrigkeit des Vorgangs

  • Verschulden beim Inverkehrbringen (wobei leichteste Lässlichkeit genügt)

Liegt all dies vor, gibt es den kompletten, nach Gesetz vorgesehenen Schadensersatz (also inklusive sog. Folgeschäden und Schmerzensgeld).

Handlung = Inverkehrbringen eines fehlerhafte Produkts

Der Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB setzt an ein Verhalten an, das im Rahmen industrieller Produzentenhaftung regelmäßig nicht in einem Unterlassen, sondern in einem konkreten Tun liegen wird, nämlich im Inverkehrbringen des sich dann als fehlerhaft herausstellenden Produkts.

Rechtsgutverletzung

Zum Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 gehört es, dass eines der aufgezählten Rechtsgüter verletzt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der Eigentumsverletzung ist dabei darauf aufmerksam zu machen, dass es um die Verletzung von »anderen« Sachen geht. Wenn durch einen Produktfehler (z.B. eine zu dünn ausgewalzte Blechhaut eines Verteilerventils) eine Explosion herbeigeführt wird, werden die durch die Explosion beschädigten, anderen Sachen ersetzt. Es ist nicht Aufgabe der Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, das fehlerhafte Teil selbst in den Ersatz einzubeziehen (im konkreten Fall also das zerstörte Verteilerventil)! Allerdings sind hier insbesondere bei Einzelbauteilen, die dann dasjenige Gesamtgerät zerstören, in das sie eingebaut wurden, von der Rechtsprechung ausgesprochen schwierige Abgrenzungsmerkmale aufgestellt worden, die sich im Rahmen eines Überblicks nicht seriös schildern lassen. Hier ist juristischer Einzelrat notwendig.

Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Die Rechtsprechung hat im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB das fehlerhafte Herstellerverhalten, nämlich die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, in Fehlergruppen kategorisiert und logisch abgrenzbar gemacht. Die potenziellen Fehlerkausalitäten lassen sich folgenden vier Fehlergruppen zuordnen:

  • Konstruktionsfehler

  • Fabrikationsfehler

  • Instruktionsfehler

  • Produktbeobachtungsfehler

 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 11 – 01.02.2010<<>>

Konstruktionsfehler

Von einem Konstruktionsfehler sprechen Juristen, wenn die gesamte Produktlinie denselben Fehler im konstruktiv-technischen Design aufweist. Das Produkt ist also inhärent unsicher und verletzt Regeln der Integration von Sicherheit in das Produkt.

Auch wenn z.B. die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG oder die EMV-Richtlinie 2004/108/EG isoliert betrachtet »nur« zur behördlichen Kontrolle anstehende Vorschriften sind, so wird doch in gerichtlichen Prozessen ein Unterschreiten dieser europäischen Sicherheitsvorschriften oft zugleich als eine Verletzung von Konstruktionspflichten angesehen. Denn es kann kaum in produzentenhaftungsrechtlicher Hinsicht – so die Argumentation der Richter – ordnungsgemäß konstruiert sein, was in produktsicherheitsrechtlicher Hinsicht durch Behörden als mit einem Sicherheitsmangel behaftet hoheitlich untersagt werden dürfte. Deshalb ist die Einhaltung europäischer CE-Richtlinien zugleich als Minimum der Einhaltung produzentenhaftungsrechtlicher Verkehrssicherungspflichten zu sehen. Anders herum formuliert: Eine unternehmensinterne mangelnde Kenntnis produktsicherheitsrechtlicher Vorschriften (z.B. aus dem ATEX-, Maschinen-, Niederspannungs-, Druckgeräte- oder EMV-Bereich) beschwört nicht nur etwaige Interventionen der staatlichen Marktüberwachung, sondern zugleich auch das parallele Auftreten von Konstruktionsfehlern mangels hinreichender Berücksichtigung sicherheitsgerechter Vorgaben aus dem CE-Recht.

Fabrikationsfehler

Fabrikationsfehler sind Fertigungsungenauigkeiten, die über einen Qualitätsmangel hinaus ein Sicherheitsdefizit von Produkten auslösen. Üblicherweise sind Fabrikationsfehler auf einzelne Stücke oder doch jedenfalls Chargen (Slots) beschränkt und haben nichts mit dem Design-, sondern mit dem Fabrikationsprozess zu tun. Daher sind Fertigungsfehler in geradezu schier unaufzählbarer Vielzahl denkbar, nicht zuletzt auch durch den Weiterverbau fehlerhaft angelieferter Zuliefererbauteile in das Endprodukt. Im Falle eines Produktrückrufs bzw. einer Nachrüstungsaktion ist bei Konstruktionsfehlern der gesamte Modelltyp, bei Fabrikationsfehlern indes nur die betroffene Charge sicherheitskritisch und daher Gegenstand der Feldaktion. In der Praxis ist indes leider häufig zu beobachten, dass aufgrund mangelnder RückVerfolgbarkeit (sog. Traceability) auch tadellose Ware mit in den Umfang der Nachrüstungsaktion einbezogen werden muss, weil die fehlerhafte nicht von der fehlerfreien Ware unterschieden werden kann.

Instruktionsfehler

Auch den Juristen ist einsichtig, dass bestimmte verbleibende (Rest-) Risiken bautechnisch unvermeidbar sind. Das auf vollständigen Schutz angelegte Konzept der Verkehrssicherungspflichten verlangt dann jedoch  3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 12 – 01.02.2010<<>>vom Hersteller wenigstens, diese verbleibenden Restrisiken transparent zu kommunizieren und so den Verwendern/Betreibern einen hinreichenden Eigenschutz zu ermöglichen: Denn der informierte und über Risiken gewarnte Verwender kann sein Verhalten darauf ausrichten und die – vom Hersteller im Rahmen der Instruktionspflicht abverlangten – Verhaltensregeln beachten. Dazu können bestimmte zeitliche Nutzungsbeschränkungen ebenso wie bestimmte Personenexklusivitäts- und Verbotsvorbehalte, Kontroll- und Prüfintervalle, die Benutzung Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) oder bestimmte räumliche Näherungsverbote ebenso zählen wie Hinweise auf Überlast, Lager- und Logistikvorgaben, falsche Umgebungstemperatur oder sonstige Peripheriebedingungen.

In optischer Hinsicht können solche Hinweise textlich in Bedien- und Montageanleitungen, aber auch in Piktogrammen, kurzen Sicherheitstexten oder Schulungsvorgaben bestehen.

In der industriellen Praxis ist darauf hinzuweisen, dass eine mangelhafte und unsichere Konstruktion, die konstruktionsseitig vermeidbar gewesen wäre, nicht mehr durch eine dann erfolgende Instruktion aufgefangen werden kann. Es gilt also der Grundsatz »Konstruktion vor Instruktion«: Es ist nicht Aufgabe der Instruktion, Risiken abzufedern, sondern Restrisiken in einem Sicherheitskonzept aufzunehmen. Die Instruktionspflicht weist also auf diejenigen Restrisiken hin, die bei einem Produkt selbst unter Ausnutzung der Möglichkeiten bei Konstruktion und Fabrikation dennoch verbleiben.

Bei der Bestimmung der Instruktionspflichten des Herstellers ist die am wenigsten informierte Nutzergruppe zugrunde zu legen. Je größer das Ausmaß potenzieller Schadensfolgen und je versteckter die Gefährlichkeit, umso deutlicher wiederum müssen die Warnhinweise ausfallen. Sie müssen auch bestimmte Gegenmaßnahmen aufzeigen. Allerdings bestehen keine Hinweispflichten für sogenannte offenkundige Risiken, also Risiken, die der entsprechenden Benutzergruppe als schlichtweg bekannt unterstellt werden dürfen. Andererseits erstrecken sich Instruktionspflichten auch auf die sogenannte vorhersehbare Fehlanwendung, also ein bestimmungswidriges, falsches Benutzerverhalten, das nicht als Missbrauch bezeichnet werden kann, sondern sich bei einer im Leben üblicherweise vorkommenden Unachtsamkeit ergeben kann. Von Unachtsamkeit sorgfältig zu trennen ist absichtliche Falschbenutzung (z.B. trotz entgegenstehender arbeitsschutzrechtlicher Unterweisung).

Produktbeobachtungspflicht

Die Rechtsprechung im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten hat nicht nur die drei erwähnten, gewissermaßen zum Produkt selbst hinzugehörenden Pflichten entwickelt, sondern auch eine managementbezogene Pflicht aufgestellt, nämlich die sogenannte Produktbeobachtungspflicht. Diese richtet sich nicht an diejenigen unternehmensinternen Stellen, die mit der Entwicklung und Fertigung des Produkts (oder seiner Bedienungs- 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 13 – 01.02.2010<<>>anleitung) befasst sind, sondern vielmehr an die Unternehmensorganisation und die Frage unternehmensinterner Reporting-Strukturen.

Die Produktbeobachtung als Pflicht reagiert auf das bekannte Phänomen, dass sich oftmals die Produktsicherheitsmängel erst nachträglich im Gebrauch herausstellen, zuweilen misslicherweise durch reelle Unfälle, oftmals auch durch eine nachträgliche Untersuchung (ggf. sogar vom Wettbewerber). Jedenfalls verlangt die Rechtsprechung im Rahmen der Produktbeobachtungspflicht ein After-Sales-Monitoring, also eine Nachmarktkontrolle der bereits in Verkehr gebrachten Produkte, und zwar auch über den Zeitpunkt etwaiger Auslistung oder Produktwechsel hinaus. Die Verpflichtung des Herstellers, das Produkt nach erfolgreicher Inverkehrgabe hinsichtlich seines sicherheitsrelevanten Verhaltens weiter zu beobachten, dient dem Ziel, etwaigen versteckten Sicherheitsmängeln auf die Schliche zu kommen. Deshalb können beispielsweise die Beobachtung von Konkurrenzprodukten, die Auswertung von Kundenreklamationen durch das Beschwerdemanagement, die Auswertung von Berichten in Fach- und Branchenzeitungen oder internetgestützte Suchroutinen zu dem zählen, was die Rechtsprechung verlangt; sie hat es nie abschließend präzisiert, sondern den Unternehmen selbst überlassen. Insgesamt ist jedenfalls eine gut strukturierte betriebliche Organisation erforderlich, die sicherstellt, dass der Markt beobachtet wird, die relevanten Informationen nicht »versacken«, sondern ausgewertet werden und ein entsprechender Bericht die Entscheidungsträger erreicht. Die Identifizierung und Bewertung und das Reporting an Entscheider sind also die entscheidenden drei Kriterien. Häufig sind im Rahmen interner QS-Managementsysteme die entsprechenden Reporting-Strukturen schon vorhanden; hier ist es dann wichtig, auch die entsprechende Sensibilität für sicherheitsbezogene Fragen aufzusetzen.

Führt die erwähnte Produktbeobachtung zu einem (erwartungswidrigen) Sicherheitsrisiko bei den bereits ausgelieferten Waren, so wandelt sich die Produktbeobachtungspflicht unmittelbar in eine Gefahrabwendungspflicht. Die Rechtsprechung verlangt also aus der Identifizierung von Risiken ein Gegensteuern und eine Reaktion zum Schutz der Verwender und unbeteiligter Dritter. Diese unter dem Thema »Produktrückruf« oftmals verkürzt diskutierte Pflicht der Gefahrabwendung soll produzentenhaftungsrechtlich dafür sorgen, dass im Rahmen von Nachrüstungsmaßnahmen, Austauschaktionen, Safety-Upgrades etc. das mit dem erkannten Risiko verbundene Sicherheitsproblem in einer effizienten Weise bekämpft wird.

Nicht damit zu verwechseln ist übrigens die nachgelagerte und von § 823 Abs. 1 BGB nicht beantwortete Frage, ob diese herstellerseitig verkündeten Gefahrabwendungsmaßnahmen auch kostenlos durchgeführt werden müssen oder ob der Hersteller völlig ausreichend agiert, wenn er über eine Warnung auf das Problem aufmerksam macht und dann z.B. einen kostenpflichtigen Nachrüstungssatz anbietet. Der BGH hat im Dezember 2008 jedenfalls für B2B-Bereiche entschieden, dass eine kostenlose Rückrufaktion nicht die zwingende Regel sei.

 3.2.1 Das deutsche Produkthaftungsgesetz – Seite 14 – 01.02.2010<<

Haftung wegen Verletzung von Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB

Neben der allgemein gefassten Generalklausel in § 823 Abs. 1 BGB kann sich – im Übrigen zusätzlich – eine Schadensersatzhaftung auch gemäß § 823 Abs. 2 BGB ergeben, der wie folgt lautet:

Die gleiche Verpflichtung (gemeint ist die Pflicht zum Schadensersatz wie in Abs. 1, TK) trifft denjenigen, der gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt.

Die rechtsgutverletzende Handlung ist also die Verletzung eines sogenannten Schutzgesetzes: Schutzgesetz bedeutet, dass die jeweilige gesetzliche Bestimmung aus irgendeinem Gesetzeswerk (auch) dem Schutz Einzelner bestimmt ist und nicht alleine der ordnungsrechtlichen Steuerung des Soziallebens dient; die zu untersuchende Vorschrift muss also über allgemeine ordnungspolitische Regelungsabsichten hinaus auch den konkreten Schutz von Personen abgrenzbarer Kreise vor Augen haben. Dann soll ihre Verletzung im Schadensfall alleine bereits zum Schadensersatzanspruch führen.

Im Rahmen der Haftungsrisiken wegen Schutzgesetz-Verletzungen spielt natürlich gerade im technischen Sicherheitsrecht eine Vielzahl von Gesetzen eine Rolle, namentlich die zentrale Sicherheitsvorgabe aus § 4 des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG) selbst, aber auch sämtliche dazu erlassenen Durchführungsverordnungen. Diese spiegeln ja ihrerseits eine Vielzahl von CE-Richtlinien wider. So ist die EG-Druckgeräterichtlinie 97/23/EG mit ihren sicherheitstechnischen Anforderungen in Deutschland in der 14. GPSGV umgesetzt; Gleiches gilt etwa für die Niederspannungsrichtlinie 20006/42/EG durch die 9. GPSGV. Es gibt zu manchen Umsetzungsakten europäischer CE-Richtlinien sogar einzelne Urteile, so dass aus Sicht der Rechtsprechung der Schutzgehalt dieser Gesetze klar zu bejahen sein dürfte.