Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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2.8.3 Brandermittlung

Die Verfahrensweise bei der Brandermittlung, insbesondere bei der Ermittlung der Brandursache, sollte nicht durch die persönliche Voreingenommenheit des Brandermittlers beeinflusst werden. Es gibt viele sehr verschiedene Brandursachen. Deshalb darf der Brandermittler sich nicht nur auf eine bzw. nur auf die ihm bereits bekannten Brandursachen konzentrieren. Es sind alle wesentlichen Umstände zu ermitteln und ggf. mit deren Hilfe auch der oder die Brandstifter, wobei es unerheblich ist, ob der Brand vorsätzlich oder fahrlässig gelegt wurde. Hierbei kann die Vorgehensweise des Brandermittlers in drei Abschnitte eingeteilt werden:

  • die Ermittlung aller Umstände am Brandort vor der Brandentdeckung

  • die sorgfältige Untersuchung der Brandstelle und die Feststellung der Brandausbruchsstelle

  • die Auswertung aller Ergebnisse der vorhergehenden Punkte und darauf aufbauend die Präzisierung der Brandentstehungsursache

Deshalb erfordert die Untersuchung von Bränden von Brandermittlern allseitige naturwissenschaftliche Kenntnisse, eine hohe fachliche Qualität als Kriminalist, Ausdauer, Aufmerksamkeit und vor allem geistige und körperliche Beweglichkeit. Bei der Suche und Auswertung aller Spuren, die für die Ermittlung der Brandursache von Bedeutung sind, erhält er eine Vielzahl von Informationen und Hinweisen. Brandermittlungen sind oft mit sehr viel Aufwand und Arbeit verbunden.

Die Untersuchung eines Brandes oder einer Explosion durch den Brandermittler ist ein stetiger Erkenntnisprozess. Neben einer gegliederten Arbeitsorganisation ist die Aufstellung von Vermutungen während seiner Untersuchungen eine Antwort auf diese Herausforderungen. Die Aufstellung und Überprüfung von Vermutungen zur Brandursache ermöglicht dem Brandermittler neben der Erhöhung der Sachlichkeit seiner Ermittlungen auch eine Beschleunigung der Ermittlungsabläufe, eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit – gerade in Zeiten der gezielten Budgetierung – und die Schonung seiner gefühlsmäßigen und körperlichen Kräfte. Die Bedeutung der Aufstellung von Vermutungen besteht darin, dass die Richtung und die inhaltlichen Schwerpunkte der Ermittlungsarbeit ständig neu festgelegt und überprüft werden können. Beim Übergang von der Unkenntnis zum Wissen, vom Unbekannten zum Bekannten ist die Verwendung von Vermutungen unverzichtbar.

Sie sind eine Möglichkeit auf dem Weg des Brandermittlers zur Lösung von Fragen zur Brandursache, zum Brandverlauf und zu strafrechtlich bedeutsamem Verhalten oder möglicher Täterschaft, die ihm von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht gestellt werden.

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Aufklärungsbedarf

An Sachen und Personen verursachte Schäden verlangen schon aus dem Gerechtigkeitsgefühl heraus nach Aufklärung der Ursache sowie ggf. nach Feststellung des Täters. Dieser Aufklärungsbedarf wird unter anderem erheblich durch folgende Umstände erschwert:

  • Alterung der Spuren

  • Spurenzerstörung durch Feuer und Rauch

  • Veränderungen durch Lösch- und Bergungsmaßnahmen

  • Untersuchungseingriffe und Verändern der Spurenlage

  • technische Neuerungen im Brandobjekt

  • unbekannte Verfahrenstechniken

  • räumliche Entfernung zu laboranalytischen Einrichtungen

  • Probleme des sachgerechten und vorausschauenden Aufbewahrens

  • Selbstgefährdung des Brandursachenermittlers

  • Zeitdruck, etwa wegen Betriebsunterbrechung, Umweltsanierung

  • öffentlicher Druck, Sofortaussagen zur Ursache, Medien und Politik

Darum gehört anerkanntermaßen die Ermittlung von Brandursachen zu den schwierigsten und langwierigsten Aufgaben der Kriminalisten. Kriminologen bezeichnen sie daher als die hohe Schule der Kriminalistik. Aus personellen Gründen können sich jedoch nicht alle Landeskriminalämter mit diesem Thema umfassend befassen. So ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass sich befähigte freie Sachverständige dieser vielschichtigen Aufgabe annehmen.

Arbeit am Brandort

Der Brandort ist Ausgangspunkt und Grundlage für die Beweisfindung, Beweisführung und Beweissicherung. Er ist und bleibt der Schlüssel zur Ermittlung des Brandstifters oder einer natürlichen Brandursache ohne strafrechtliche Relevanz, zeigt sehr oft den Weg zur Aufklärung von Tatserien und wird mit kriminalistischem Denken erschlossen und beschrieben.

Bei den heutigen technischen Möglichkeiten bietet der Brandort eine Fülle von auswertbaren Spuren (Kriminaltechnik). Diese gilt es, zu erkennen und zu sichern. Gleichzeitig muss aber auch verinnerlicht werden, dass der Personalbeweis zwar ein hervorragendes und unverzichtbares Fahndungshilfsmittel ist, der Sachbeweis jedoch zwischenzeitlich das wichtigere Beweismittel für die Urteilsfindung darstellt. Beides muss beachtet werden.

Die Kriminaltechnik ist Teil der Kriminalistik. Sie befasst sich mit der materiellen Veränderung der Umwelt und mit der Übertragung von Materie, die im Zusammenhang mit Straftaten entsteht, einschließlich der Veränderungen am oder im menschlichen Körper sowie der Stimme. Sie wird auch die Lehre vom Sachbeweis, naturwissenschaftliche Kriminalis- 2.8.3 Brandermittlung – Seite 3 – 01.12.2010<<>>tik oder kriminalistische Spurenkunde genannt. Sie unterteilt sich in die Schwerpunkte Spurenarten und Spurenerschließung. Die Spurenerschließung umfasst die Spurensuche, -Sicherung und -auswertung.

Die Methodik der Erforschung von Brandursachen gliedert sich in:

  • polizeiliche Maßnahmen (»Erster Angriff«)

  • Handlungsanleitungen

  • Abschlussbericht mit Ursachen

  • Dokumentation mit Skizzen und Lichtbildern

  • Rekonstruktionen

  • Sachverständigenbeweis

Bei jedem Brand gibt es Anzeichen, die dem Brandermittler dabei helfen können, nachzuvollziehen, wie sich der Brand entwickelt hat und -noch viel wichtiger – welche Veränderungen des Brandverhaltens für die Bestimmung des Entstehungsortes des Brandes mit großer Wahrscheinlichkeit von Bedeutung sind. Neben der Brandentdeckung durch Wahrnehmungen und Beobachtungen von Personen im engeren Sinn kommt der Gesamtheit der technischen Mittel, Anlagen und Einrichtungen, die automatisch bestimmte Brandeffekte erkennen, erfassen, analysieren und auswerten und über geeignete Weiterleitung der Signale entsprechende Handlungen auslösen, eine entscheidende Bedeutung bei der Entdeckung und Meldung von Bränden zu.

Das kriminalpolizeiliche Interesse an der Aufklärung von Brand- und Explosionsfällen beruht auf der Vermutung, ob menschliches Verschulden vorliegt. Der Verdacht, dass durch schuldhaftes menschliches Verhalten ein Brand initiiert bzw. eine Explosion ausgelöst wurde, wird in der Regel erst begründet, wenn die Ursache ermittelt wurde. Eine objektive Brand- und Explosionsursachenermittlung ist nur durch Auswertung der am Brandort vorhandenen wichtigen Spuren möglich. Mit der Zuhilfenahme von anderen naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Disziplinen bestünde grundsätzlich die Möglichkeit, innerhalb der Brandursachenermittlung eine weitere Spezialisierung herbeizuführen, indem beispielsweise Simulationsberechnungen von EDV-gewohnten Brandschutzingenieuren ohne spezifische kriminalistische Kenntnisse in Zusammenarbeit mit erfahrenen kriminalpolizeilichen Brandermittlern durchgeführt werden könnten. Die Komplexität von heutigen Brandermittlungen erfordert jedoch, dass sich die Praktiker zu Generalisten öffnen und die modernen Hilfsmittel als selbstverständliche Arbeitsinstrumente in ihre vielseitige Tätigkeit einbinden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die modernen Möglichkeiten konzeptionelle Hilfsmittel bleiben und nicht an die Stelle der Tatortarbeit im polizeilichen »Ersten Angriff« treten.

Die Fähigkeit, die Spuren eines Brandes in dieser Art und Weise zu verstehen, ist unentbehrlich, um sicherzustellen, dass die jeweils richtigen Schlüsse für die weitere Brandermittlung gezogen werden.

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Eine objektive Brand- und Explosionsursachenermittlung ist nur durch Auswertung der am Brandort vorhandenen wichtigen Spuren möglich und bedarf einer gründlichen Befunderhebung. Es bedarf keiner Erklärung, dass die Spurenlage im Brandschutt nach einem Vollbrand ungleich schwieriger ist als in einem noch teilweise intakten, d.h. nur bedingt vom Brand belasteten Umfeld. Dann erst beginnt im Brandschutt die eigentliche Arbeit des Brandermittlers: die Ursachen des Brandes zu ermitteln und ggf. den Brandstifter zu überführen. Denn nicht selten fallen Spuren bei Bränden, die Brand und Löscharbeiten nicht zerstört haben, unsachgemäßen Sicherungsmaßnahmen im »Ersten Angriff« zum Opfer.

Ablauf polizeilicher Brandermittlung

Die Polizei ist gemäß gesetzlichem Auftrag verpflichtet, Straftaten zu ermitteln und zivilrechtliche Ansprüche zu sichern. Bei einem Brandgeschehen kann oft erst nach Abschluss der Brandortaufnahme und weiterer Ermittlungen festgestellt werden, wie es zu dem Brand gekommen ist und mithin ob eine Straftat vorliegt oder nicht. Unabhängig davon löst praktisch jedes Brandereignis zivilrechtliche Ansprüche (Geschädigter/ Versicherung, Gebäudeeigentümer/Mieter und viele andere) aus. Für die Wahrung solcher Ansprüche ist die Brandursachenermittlung ebenfalls von zentraler Bedeutung.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Straftaten können viele kriminaltechnisch bedeutsame klassische Spuren durch Feuer vernichtet werden. Es gibt keinen Tat- bzw. Ereignisort, der so starken Veränderungen unterliegt wie ein Brandort. Neben den brandbedingten Veränderungen infolge von Brandzehrungen, Wärme und damit verbundenen thermisch bedingten Deformationen und Materialveränderungen, Rußablagerungen sowie Einstürzen führen fast immer auch die Löscharbeiten der Feuerwehr mit zum Teil erheblichen Wasserschäden zu diesen Veränderungen. Aus dem Wirrwarr von Trümmern, Schutt und Asche muss mit kriminalistischen Methoden und wissenschaftlichen Verfahren die Brand- bzw. Explosionsursache ermittelt und nachgewiesen werden. Hier beginnt die Arbeit der Polizei, denn man weiß nicht sofort, ob überhaupt eine Straftat vorliegt.

Die Polizei handelt nach den Grundsätzen des Strafgesetzbuchs (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO) sowie nach den Polizeigesetzen der Länder (POG, PAG). Nach §§ 163 ff. StPO hat die Polizei bei strafbewehrten Handlungen das Recht des ersten Zugriffs, sodass Sachverständigen der Versicherer zunächst keine Möglichkeit eigener Untersuchungen eingeräumt wird.

Polizeibeamte sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft; in der Praxis führen sie die eigentliche, tatsächliche Ermittlungstätigkeit durch. Überhaupt ist die Polizei stets verpflichtet, jegliche Straftat zu erforschen, aber auch festzustellen, dass die Voraussetzungen der Verfolgung nach StGB nicht vorliegen. Hierbei schützt das Gebot der Unverzüglichkeit der Ermittlungen vor dem Untergang wesentlicher Informationen und wichtiger Beweise.

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Daher ist die Polizei befugt, Anordnungen zu treffen und auszuführen, die eventuelle Verdunkelung erschweren oder ausschließen. Naturgemäß ist die Polizei auch zur Aufklärung von Bränden verpflichtet; es ist in allen Fällen hoher personeller und materieller Aufwand zu treiben, um gerichtsverwertbare Aussagen zu Ursache und Tatverdächtigen zu erhalten.

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Abb. 1: Übersicht »Erster Angriff – Sicherungs- und Auswertungsangriff«

Polizeilicher Sicherungsangriff

Die Brandermittlung erfordert eine genaue Lagebeurteilung. Entsprechend der Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100) beginnt der sogenannte Erste Angriff schon beim Eingang der ersten Ereignismeldung. Dem Mitteiler sollte immer eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wie und wann wurde er auf das Feuer aufmerksam? Was genau hat er zum Feuer, zu anwesenden Personen usw. beobachtet?

  1. 1.

    Verständigung

    • Auftrag erhalten durch wen und wann, auf welchem Weg?

  2. 2.

    Eintreffen am Einsatzort (Beurteilung der Lage)

    • Zeitpunkt des Eintreffens

    • Welche Einsatzkräfte sind vor Ort?

      • Feuerwehr, Rettung etc.

      • Sondergeräte (schwerer Atemschutz, Drehleiter)

         2.8.3 Brandermittlung – Seite 6 – 01.12.2010<<>>
    • Wer traf bzw. trifft wann ein?

    • Wer hat die Einsatzleitung?

    • Was wurde bereits veranlasst?

  3. 3.

    Besichtigung des brennenden Objektes und seiner Umgebung

    • Feststellung der Brandausbreitung

    • Beobachtung von Form und Farbe der Flammen und des Rauches

    • Feststellung der Wind- und Luftzugsverhältnisse

    • Beobachtung der Anwesenden

      • Wer ist anwesend?

      • Wessen Abwesenheit ist auffällig?

      • Wie sind die Anwesenden bekleidet?

      • Was tun die Anwesenden und wie ist ihr Gehabe?

  4. 4.

    Das Brandobjekt (allgemeine Orientierung)

    • Lage, Gliederung und zugehörige Objekte

    • Bauzustand vor dem Brandausbruch

    • verwendete Baustoffe und -materialien

    • Elektroinstallationen (Zustand des Zählers, Sicherungen)

    • augenfällige Beschädigung durch Brand bzw. Brandzehrung

    • eventuelle Folgeschäden

    • Sperrverhältnisse (wenn vorhanden)

    • wirtschaftliche Verhältnisse des Geschädigten

    • Versicherungsschutz

    • Verkaufsabsicht (Kaufinteressen)

    • Motive emotionaler Natur (Hass, Rache usw.)

  5. 5.

    Besichtigung des geborgenen Gutes

    • Wo befindet sich das Bergegut?

    • Was wurde geborgen?

    • Von wem wurde das Bergegut aus dem brennenden Objekt weggeschafft?

    • Welche Beschaffenheit, Zustand weist das Bergegut auf?

  6. 6.

    erste vorläufige Ermittlungen

    • Wer hat das Feuer entdeckt?

    • Wann wurde der Brand entdeckt?

    • Wer alarmierte die Feuerwehr oder Exekutive?

    • Wer war zuletzt im Brandobjekt?

  7. 7.

    weitere subjektive Ermittlungen

    • Verlauf der Lösch- und Bergungsmaßnahmen durch Feuerwehr

    • subjektive Angaben über Brandverlauf

      • Aussagen des Brandentdeckers

      • Löschkräfte

         2.8.3 Brandermittlung – Seite 7 – 01.12.2010<<>>
      • sonstiger Auskunftspersonen

      • anwesende Exekutivkräfte

  8. 8.

    Sonstiges

    • verletzte Personen (durch Brand, Löschmaßnahmen)

    • getötete Personen

    • Beschädigungen durch Brand und Folgeschäden

    • sonstige weitere Verständigungen

      • Gaswerke, E-Werke, Sachverständige, Tatortspezialbeamte

      • Zeitpunkt der Einholung von Aufträgen der Staatsanwaltschaft

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Abb. 2: Schutzpolizei an der Brandstelle (Sicherungsangriff)

Auch die Möglichkeit, dass gerade »der gefeierte Retter« unter Umständen sein Wirken organisiert hat, er also der Brandstifter ist, muss berücksichtigt werden. Unmittelbar nach Alarmierung zu einem Brand wird die Polizei einer besonderen Gemengelage gegenüberstellt, da sie einerseits Gefahren abzuwehren, andererseits Straftaten aufzuklären hat.

Aufgrund der rechtlichen Verpflichtungen der Polizei geht es nicht nur um den Anspruch des Gesetzgebers auf Klärung eines Straftatbestands, sondern auch um vorbeugende Maßnahmen und vor allem um die Rettung von Menschen und Tieren. Aus diesem Grund gehen Menschenrettung und Brandbekämpfung auch für die Polizei vor. Trotzdem sollte von den Spuren an der Brandstelle möglichst wenig verändert werden. Für die Polizei gilt grundsätzlich das Motto: »Brandort ist Tatort«.

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Die Brandbekämpfung fällt in die Zuständigkeit der Feuerwehr. An der Einsatzstelle haben aber sämtliche Einsatzkräfte ihr Vorgehen abzustimmen, um in allen Zuständigkeitsbereichen eine sichere Erledigung zu gewährleisten. Bei einem Brand, der in seinem Ausmaß bzw. der Schadenhöhe begrenzt ist, wird die Schutzpolizei selbstständig ihre Ermittlungen durchführen, den Schlussbericht abfassen und ggf. mit einer entsprechenden Anzeige an die Staatsanwaltschaft abgeben. Dabei hat die Schutzpolizei alle bedeutsamen Veränderungen festzuhalten und entsprechende Maßnahmen zu veranlassen bzw. Anordnungen zu treffen. Je nach Umfang und Ausmaß des Brandes müssen zu einem frühen Zeitpunkt möglichst viele Personen ermittelt werden, die den Brand beobachtet haben, um aus deren Angaben Hinweise auf den Brandentstehungsort, Brandverlauf und Geschehensabläufe zu erlangen. Der Brandermittler wird sich auch aus den Erfahrungen einer Vielzahl solcher Fälle stets die Frage stellen, ob der Brandstifter unter den Anwesenden sein könnte.

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Abb. 3: »Erster Überblick« von außen am Brandort
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Abb. 4: Übersicht aus dem Korb einer Drehleiter der Feuerwehr
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Abb. 5: Übersicht aus dem Polizeihubschrauber

Im Zusammenhang mit dem sogenannten polizeilichen Sicherungsangriff muss festgestellt werden, ob es wichtige Beobachtungen der Einsatzkräfte der Feuerwehr während der Anfahrt zum Objekt gab. Deren erste Feststellungen am Brandort, angetroffene Zeugen und Geschädigte sind zu ermitteln. Dabei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die Angehörigen der Feuerwehr die örtlichen Verhältnisse oftmals kennen und möglicherweise ein eigenes Hintergrundwissen haben.

Insbesondere interessiert der Zustand des Gebäudes bei Eintreffen der Feuerwehr, welche Maßnahmen getroffen wurden, um z.B. in das Gebäude hineinzugelangen. Es müssen die »Zutrittsverhältnisse« und »Schließzustand«  2.8.3 Brandermittlung – Seite 9 – 01.12.2010<<>>von Türen und Fenstern am Brandobjekt festgestellt werden. Aufbruchspuren an Türen oder Fenstern, Toren und Schachtrosten können auf einen Einbruch hinweisen, der erste Erklärungsansätze für den Brand liefern könnte (Verdeckungstat). Hierbei bedarf es einer engen Absprache mit der Feuerwehr, die ggf. beim Löschangriff gewaltsam in das Objekt eingedrungen sein kann und somit Spuren verändert oder selbst gesetzt haben kann. Auch im Objektinneren ist auf Spuren widerrechtlich Eingedrungener zu achten (z.B. aufgebrochene Kassen, Wertbehälter, Geldspiel- oder Zigarettenautomaten).

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Abb. 6: Tür: keine Rußablagerung am Innenfalz der Tür sowie Schloss ausgeschlossen und Falle im Schloss = Beweis für Verschluss während des Brandes; Fenster: der unberußte Innenfalz des Fensterflügels als Beweis für ein geschlossenes Fenster während des Brandes

Bei komplizierten Sachverhalten oder größeren Schäden wird die Schutzpolizei also nur die Erstermittlungen durchführen und schnellstmöglich die Fachkommissariate der Kriminalpolizei hinzuziehen. In Unkenntnis der Grundlagen zur Brandursachenermittlung halten viele Beamte der Schutzpolizei ihre Maßnahmen eher für unwichtig. Dabei verkennen sie, dass gerade ihre Wahrnehmungen am Einsatzort und die vollständige Dokumentation aller Geschehnisse für die Beurteilung der Brandursache wichtig sein können.

Polizeilicher Auswertungsangriff

Bei Bränden mit größerem Schadensausmaß bzw. Personenschäden werden fachlich ausgebildete Brandermittler der Kriminalpolizei hinzugezogen. Sie führen die Vorermittlungen der Schutzpolizei fort und nehmen im Rahmen ihres Fachwissens die fachpolizeilichen Ermittlungen auf. Auf- 2.8.3 Brandermittlung – Seite 10 – 01.12.2010<<>>grund der Organisationsstruktur der Polizei kann es zu einem gewissen Zeitverzug bis zum Eintreffen der Kriminalpolizei kommen. Daher sind in einem Übergabebericht der Schutzpolizei an die Kriminalpolizei sämtliche angefallenen Informationen festzuhalten, um möglichem Informationsverlust vorzubeugen.

Die Brandermittler der Kriminalpolizei werden sich anschließend selbst einen ersten Überblick über das Brandobjekt verschaffen. Sie interessieren sich auch für die örtliche Lage des Objekts, Besonderheiten der Wohngegend, bauliche Beschaffenheit, Pflege- und Erhaltungszustand des Objekts sowie dessen Nutzung.

Unmittelbar am Einsatzort sind sodann die Witterungsverhältnisse genau zu dokumentieren. Eine große Anzahl von Übersichtsaufnahmen von verschiedensten Standpunkten und Blickwinkeln sowie aus unterschiedlichen Höhen (z.B. Drehleiter, Anhöhe, Hubschrauber) trägt zur beweissichernden Dokumentation des Zustands des Brandobjekts in unterschiedlichen Zerstörungsphasen sowie grober Spuren bei, aber auch nicht minder zur späteren Beurteilung des Brandverlaufs. Im Übrigen ist das Objekt bezüglich Erreichbarkeit, Lage und Beschaffenheit genau zu beschreiben; Fotodokumentationen oder Videoaufnahmen und Einmessungen gehören zu den Standardmaßnahmen. Das Brandobjekt selbst ist in Bezug auf seine baulichen Hauptbestandteile und die eingetretenen Zerstörungen ausführlich zu beschreiben und umfassend zu dokumentieren.

Jegliche Wand- und Dachöffnungen sind besonders zu überprüfen. Schutz – und Schalteinrichtungen sowie Betriebsmittel der Elektro- und Gasanlagen geben Auskunft über das Brandgeschehen, weshalb ihr jeweiliger Zustand bedeutsam ist und zuverlässig dokumentiert werden muss. Ein Mehraufwand an Dokumentation hat sich stets bewährt, zumal im weiteren Verlauf der Ermittlungen zunächst scheinbar Nebensächliches durchaus noch bedeutsam werden kann.

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Abb. 7: Immer zu klären: Wer hat Türen und Fenster geöffnet?
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Sachdienliche Befunde sind besonders wertvoll, da sie direkt in das Strafverfahren einführbar sind. Sie können Plänen, Dokumenten, Aufzeichnungen und Messergebnissen entnommen werden, bei Besichtigungen, durch Aufbewahrung, Rekonstruktionen, Messungen oder in Echt- oder Laborversuchen anfallen. Auch Vergleichsobjekte liefern nützliche Hinweise und können so technische Unterlagen und Beschreibungen mit Leben füllen. Bei Leichenfunden ist gerade in Brandfällen besonders feinfühliges Vorgehen erforderlich, um alle bedeutsamen, vom Feuer nicht zerstörten Spuren zu sichern, und ggf. sind weitere Fachleute hinzuzuziehen.

Für die Beurteilung des Brandgeschehens sind alle Situationsspuren wesentlich, soweit sie sich durch besondere räumliche Lage und Zuordnung von Spuren oder Gegenständen zueinander und zur Umgebung darstellen, wobei sie Schlüsse auf die Art ihrer Entstehung zulassen und für die Rekonstruktion hilfreich sind (z.B. Brandschäden und -zehrungen, Verformungen, Schmelzerscheinungen, Anlauffarben, Legierungsbildung und Zerstörungsspuren). Fremdgegenstände lassen auf Absicht und Herkunft eines Täters schließen, auch erlauben sie eine Eingrenzung von Täterumfeld und Beschaffungsort. Neben dem sogenannten tatsächlichen Befund muss der persönliche Befund ebenso sorgfältig erhoben werden. Unverzichtbar ist die umfassende Vernehmung von Zeugen, Geschädigten, Betroffenen und Beschuldigten zur Sache.

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Abb. 8: Eine sogenannte Landkarte

Wichtig ist die Klärung der Eigentums- und Versicherungsverhältnisse hinsichtlich des Brandobjektes. Eine kurz vor dem Brand abgeschlossene Geschäftsausfallversicherung eines Gaststättenbetreibers kann so ein erster Hinweis für das Vorliegen einer Brandstiftung sein. Auch Angehörige der Feuerwehr und der Rettungsdienste können wichtige Zeugen für das Geschehen sein. Anfänglich unbedeutende Wahrnehmungen, wie beispielsweise eine bestimmte Verfärbung der Rauchgase, Beobachtungen zum Brandverlauf, Gerüche (z.B. nach typischen Brandbeschleunigern wie  2.8.3 Brandermittlung – Seite 12 – 01.12.2010<<>>Benzin, Diesel oder Nitroverdünnung), Äußerungen von Geschädigten oder anderen Personen am Brandort können für die Sachverhaltsklärung von Bedeutung sein. Persönliche Betrachtungen werden im Weg der polizeilichen Vernehmung eingeführt, wobei die übliche Zeugenbelehrung nach § 57 StPO erforderlich ist. Besonders wichtig sind Angaben sachverständiger Zeugen, wie etwa Angehöriger der Feuerwehr oder öffentlicher Versorgungsunternehmen, aber auch von Fachkräften, wie Elektrikern, Kaminkehrern, Installateuren oder Sicherheitsbeauftragten.

Bei alldem zeichnet sich die frühe Vernehmung durch Unmittelbarkeit und fehlende Beeinflussung aus, Festlegevernehmungen sind dabei sehr wertvoll. Neben den üblichen Zeugen sind auch Informationen von Gebäudeeigentümern, Vermietern, Betreibern, Vertragspartnern, Lieferanten, Handwerkern und Versicherern nützlich. Da sie an der Brandstelle zumeist nicht erhältlich sind, muss Kontakt zu solchen Personen aufgenommen werden. Grundsätzlich gilt, dass all jene Auskunftspersonen, die gefühlsmäßig vom Geschädigten oder Verursacher abgekoppelt sind, mit weniger beeinflussten Angaben aufwarten.

Bei frühen Vernehmungen von Betroffenen oder Angehörigen ist deren gefühlsmäßiger Zustand zu berücksichtigen und entsprechend zu vermerken. Randinformationen, die zunächst als objektfremd oder unbedeutend erscheinen, haben im späteren Ermittlungsstand nicht selten schon zur Klärung beigetragen. Unter diesem Gesichtspunkt sind beispielsweise ältere Fotos, Planeintragungen, Schreiberstreifen, Schaltungen, Unregelmäßigkeiten, Notizzettel oder auch scheinbar unbedeutende Fremdgegenstände im betreffenden Brandobjekt zu sehen. Mit Hilfe von Situations- und Materialspuren kann dann schließlich der Brandentstehungsort eingegrenzt oder sogar ermittelt werden. Diese Festlegung des ursprünglichen Brandbereichs gehört zu den herausragenden Aufgaben der Erforschung von Brandursachen und ist vor allem bei einer Vielzahl möglicher Ursachen äußerst bedeutsam.

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Abb. 9: Befundaufnahme
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Die eigentliche Brandursachenermittlung setzt sich aus folgenden Schritten zusammen:

  • Befundaufnahme: Registrieren von Objektgröße, Gebäudestruktur, technischen Einrichtungen, insbesondere elektrischen Einrichtungen, Heizungen usw.

  • Spurensicherung: Sichten von Abbrandspuren, Rauchgasniederschlägen, Zustand von Elektroinstallationen, Verlauf der Wärmeübertragung und ähnliche Merkmale

  • Brandursache bzw. Zündquelle: Feststellen der Zündquelle nach dem Eliminationsverfahren, d.h. Ausschlussverfahren, bewerten aller möglichen Brandursachen, bei Nichtzutreffen ausgliedern, bis schließlich nur mehr eine Möglichkeit übrig bleibt, die dann positiv bewiesen werden muss

  • Dokumentation: Anfertigen von Skizzen, Beschreibungen, Fotos, Beweisgegenständen

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Abb. 10: Lageskizze mit eingezeichneten Standorten bei der Erstellung von Lichtbildern und deren Nummerierung

Ziel der Untersuchung ist es, zunächst festzustellen, an welcher Stelle der Brand entstanden ist. Hierzu wird der Brandverlauf überprüft, der durch die verschiedensten Brandspuren (für den Fachmann das Spiegelbild des Verbrennungsvorganges) gekennzeichnet ist.

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Abb. 11: Dokumentation des Brandausbruchsbereiches und des Brandverlaufes

Im Idealfall laufen Brandermittlungen folgendermaßen ab: Zunächst wird anhand von Rußablagerungen, geschmolzenen Metallteilen und vielen weiteren Anhaltspunkten der Ort festgestellt, an dem der Brand ausgebrochen ist. Anschließend wird die Stelle mit wissenschaftlichen Verfahren genauer untersucht, es werden Beweise sichergestellt und Proben entnommen. Der Nachweis von Brandbeschleunigerresten spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn die weitaus meisten Brandstiftungen werden mit diesen Mitteln begangen.

Die Feststellung des ursprünglichen Brandbereichs (Brandherd) – dem begrenzenden Teilbereich innerhalb eines Brandobjektes –, in dem der Brand entstanden ist, stellt die wichtigste Aufgabe zu Beginn der Brandursachenermittlung dar. Neben den brandtypischen Spuren können auch die Beschaffenheit oder persönliche Informationen Hinweise auf den Brandherd geben. An der Brandausbruchstelle kann und muss nun die Wechselwirkung der drei Grundvoraussetzungen für die Verbrennung (brennbares Material, Sauerstoff und Zündquelle) beurteilt werden. Neben der Feststellung aller brennbaren Materialien, deren Brandverhalten und anderer Eigenschaften müssen alle an dieser Stelle möglichen Zündquellen untersucht werden. Ein wichtiger Hinweis ergibt sich in vielen Fällen aus einer V-förmig im Raum an einer Wand verlaufenden, intensiven Brandzehrung mit einem tiefen, in Bodennähe befindlichen Ausgangspunkt, einem sogenannten Brandtrichter, der sich aber auch an Stellen  2.8.3 Brandermittlung – Seite 15 – 01.12.2010<<>>großer Brandlast, die nicht im Brandentstehungsbereich liegen müssen, ausbilden kann.

Bei Brandermittlungen wird bei der ersten Bearbeitung von Brandorten zur Einengung des Brandherdes und zur Bestimmung der Zündquellen von den subjektiven und objektiven Tatortumständen gesprochen.

Diese subjektiven Tatortumstände sind entweder von Wahrnehmungen des ermittelnden Beamten selbst, von sonstigen anwesenden Schutzpolizisten, Einsatzkräften der intervenierenden Feuerwehren und von den Aussagen von Zeugen und Auskunftspersonen abhängig. Hierbei ist vor allem auch die taktische Vorgangsweise bei Einvernahmen solcher Personen zu beachten. Jedenfalls sind derartige Aussagen immer niederschriftlich vorzunehmen. Als wichtiger Bestandteil subjektiver Umstände ist der Einsatzbericht der Feuerwehr zu werten, welcher vom Einsatzleiter über den Brandeinsatz verfasst wird.

Insbesondere hinsichtlich der Erinnerung von Wahrnehmungen haben solche Einvernahmen von Zeugen (Brandentdecker etc.) entweder unmittelbar nach oder jedenfalls in einem zeitlich engen Abstand vom Brandfall zu erfolgen. Aus diesem Umstand heraus ist es natürlich unabdingbar, dass derartige Befragungen und Einvernahmen vorwiegend von einem in Vernehmungen geschulten Beamten zu erfolgen haben.

Parallel zu diesen erhebenden subjektiven Tatortumständen ist zur Zündquellenermittlung die Feststellung der objektiven Tatortumstände erforderlich. Diese umfasst den Bereich des gesamten Brandortes, sowohl den unmittelbaren Brandherd als auch die unmittelbare Umgebung des betroffenen Objektes. Zu diesem Zweck ist eine fotografische Dokumentation des Brandobjektes immer durchzuführen. Bei größeren betroffenen Objekten, wie z.B. weiträumigen Firmenanlagen, sind nach Meinung von Brandermittlern auch Luftaufnahmen erforderlich, um einen Gesamtüberblick herstellen zu können.

Die Feststellungen der objektiven Umstände erfolgt immer zentrisch, von außen nach innen zum vermeintlichen Brandherd, welcher sich aufgrund der Brandzehrung (Ausmaß des Abbrandes an festen Stoffen) und Brandnarbe (Erscheinungsbild der Zerstörung an Oberfläche und Tiefe) erkennen lässt. Zur Feststellung dieser objektiven Umstände bedarf es neben einer theoretischen Schulung besonders der praktischen Erfahrung an verschiedenen Brandobjekten, um mögliche Fehlinterpretationen zu vermeiden. Hierbei ist es im Vergleich zu den subjektiven Tatumständen oftmals erforderlich, Spezialfachbeamte oder Sachverständige hinzuzuziehen.

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