DGUV Information 202-018 - Klettern in Kindertageseinrichtungen und Schulen Empfehlungen zum sicheren Bau und Betrieb von künstlichen Kletterwänden

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Abschnitt 5 - Kletterbetrieb

Qualifikation des pädagogischen Personals

Die pädagogische Fachkraft oder die Lehrkraft, die Klettern in der Kindertageseinrichtung oder Schule anleitet, sollte über folgende fachliche Voraussetzungen verfügen:

  • Kenntnisse über theoretische Grundlagen (inkl. typischer Gefahren und Unfallmuster, Fachterminologie) des Kletterns an künstlichen Kletterwänden

  • Kenntnisse in der Vermittlung von elementaren Klettertechniken an künstlichen Kletterwänden

  • Kenntnisse über geeignete Organisationsformen des Kletterbetriebs in Abhängigkeit von Alter und Könnensstand der Kletternden (Klettern unter Kontrolle, Klettern mit Betreuung, selbstständiges Klettern) zur Sicherstellung der Aufsicht

  • Kenntnisse in speziellen Vermittlungsformen für ängstliche oder motorisch schwächere Kletternde sowie für Kletternde mit sonderpädagogischem Förderbedarf (z. B. Klettern als Form inklusiven Sportunterrichts)

  • Kenntnisse über Klettermaterial und -ausrüstung sowie deren sichere Anwendung

  • Kenntnisse über kletterspezifisch anerkannte Sicherungstechniken, Knoten und Seilkommandos sowie deren sichere Anwendung

  • Kenntnisse der Sicherheitsbestimmungen für künstliche Kletterwände nach dem Stand der Technik (Planung, Bau und Instandhaltung)

  • Kenntnisse der alternativen Nutzung von Geräten und Gerätekombinationen für das Klettern

Pädagogische Fachkräfte oder Lehrpersonen, die Klettern an Toprope- und Vorstiegswänden anleiten und unterrichten, müssen entsprechend qualifiziert sein. Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bieten Lehrkräftefortbildungseinrichtungen oder der Deutsche Alpenverein e. V. an. Es gelten die Regelungen der jeweiligen Bundesländer.

ccc_3505_as_2.jpgHinweise
  • Die maximale Personenanzahl einer Klettergruppe legt die Lehrkraft bzw. pädagogische Fachkraft nach dem Ergebnis der (pädagogischen) Gefährdungsbeurteilung fest. Die länderspezifischen Bestimmungen sind hierbei zu beachten!

  • In der Praxis hat sich bewährt, dass eine Lehrkraft bzw. pädagogische Fachkraft eine Gruppe von maximal 15 Kletternden beaufsichtigt. Damit können 5 Seilschaften mit jeweils 3 Personen klettern, wenn die sichernde Person durch eine zweite Person hintersichert wird.

Spezielle Aufsichtsformen beim Bouldern

Bouldern unter Kontrolle bedeutet eine Beaufsichtigung der Kinder und Jugendlichen mit der Möglichkeit eines direkten Eingreifens (Halten, Stützen, Fuß setzen, Spotten etc.). Die pädagogische Fachkraft bzw. Lehrkraft steht körpernah und eingriffsbereit neben dem Kind oder Jugendlichen.

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Bouldern unter Betreuung bedeutet eine Beaufsichtigung mit Sichtkontakt und mit der Möglichkeit verbalen Eingreifens bzw. Steuerns des Verhaltens. Die pädagogische Fachkraft bzw. Lehrkraft muss nicht körpernah und eingriffsbereit direkt am Ort des Geschehens stehen, aber in Sicht- und Rufweite.

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Die persönliche Boulderkompetenz ergibt sich aus den erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten im motorischen, kognitiven und sozialen Bereich. Je nach Könnensstand ist eine geeignete Aufsichtsform zu wählen.

Mit steigender Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen kann die Aufsicht von kontrollierter Form in betreute Form übergehen. Dabei lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen, nach welcher Dauer oder ab welchem Alter der Schritt zum "Bouldern unter Betreuung" erfolgen kann. Dies hängt von den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten ab, aber auch von den Rahmenbedingungen wie z. B. dem Betreuungsschlüssel.

ccc_3505_as_2.jpgHinweise
Die Art und Weise der Aufsichtsführung beim Bouldern richtet sich nach den individuellen Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder bzw. Jugendlichen sowie weiteren Rahmenbedingungen.

Empfehlungen zur Sicherungskompetenz von Kindern und Jugendlichen beim Klettern

Beim gegenseitigen Sichern können Kinder und Jugendliche Verantwortung für andere übernehmen und Vertrauen fassen. Kinder können jedoch nicht dasselbe leisten wie Erwachsene. Wegen dieser unterschiedlichen Voraussetzungen müssen pädagogische Fachkräfte bzw. Lehrkräfte wichtige zusätzliche Sicherheitsaspekte und Aufsichtsformen berücksichtigen.

Mit zunehmendem (Kletter-)Alter entwickeln sich die motorischen, kognitiven und sozialen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen, so dass sie in der Regel schrittweise mehr Verantwortung beim Sichern übernehmen können. Das kalendarische Alter dient hierbei als Orientierungshilfe. So kann mit dem Sichern unter Kontrolle ab ca. 8 Jahren angefangen werden. Entscheidend ist hier jedoch die individuelle Sicherungskompetenz (siehe Abbildung im Anhang 2).

Die Sicherungskompetenz ergibt sich aus den erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten im motorischen, kognitiven und sozialen Bereich und ist mehrstufig. Für diese gibt es Kriterien, anhand derer sich die Sicherungskompetenz altersunabhängig und dafür kompetenzorientiert einschätzen lässt. Die Kompetenzstufen bauen aufeinander auf und gehen fließend ineinander über. Je nach Könnensstand ist eine geeignete Aufsichtsform zu wählen: "Sichern unter Kontrolle" oder "Sichern mit Betreuung". Grundsätzlich gilt: je geringer die Sicherungskompetenz, desto unmittelbarer, lückenloser und redundanter die Aufsicht.

Aufwärmen

Beim Klettern an Boulder-, Toprope- oder Vorstiegswänden können hohe Belastungen für den Stütz-und Bewegungsapparat (u. a. Muskeln, Bänder und Sehnen) auftreten. Ein funktionales Aufwärmen ist zur Vorbeugung von Verletzungen von hoher Bedeutung. Das Aufwärmprogramm sollte aus einem allgemeinen und einem kletterspezifischen Teil (siehe: Spiel- und Übungsformen) bestehen.

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ccc_3505_as_2.jpgHinweise
Das funktionale Aufwärmprogramm sollte an geeigneten Stellen außerhalb von Kletter-, Fall- und Sicherungsbereichen anderer Personen erfolgen.

Klettern in privaten - oder vereinsorganisierten Kletterhallen

Die Nutzung von Angeboten privater- oder vereinsorganisierter Kletterhallen erfordert eine intensive Vorbereitung durch die pädagogischen Fachkräfte oder Lehrkräfte, da sich die Rahmenbedingungen in diesen Hallen von den Situationen in Kindertageseinrichtungen und Schulen grundsätzlich unterscheiden, z. B. viele Gruppen auf engem Raum, Störungen durch Lärm und Musik. Auch wenn fachkundiges Personal der Kletterhalle die Lerngruppe übernimmt und schult, ist die pädagogische Fachkraft bzw. Lehrkraft für diese Kita- oder Schulveranstaltung weiterhin verantwortlich. Sie hat sich in der Veranstaltungsplanung u. a. über die örtlichen Gegebenheiten, den organisatorischen Ablauf, die Qualifikationen des Kletterhallenpersonals und die Sicherheitseinrichtungen zu informieren. Falls sie über keine eigene Kletterqualifikation verfügt, muss sie insbesondere die kontinuierliche, aktive und präventive Aufsicht über ihre Lerngruppe übernehmen und die Hallentrainerin bzw. den Hallentrainer unterstützen, z. B. bei organisatorischen und disziplinarischen Maßnahmen. Die länderspezifischen Regelungen sind zu beachten.