Beschluss 610 - Beschluss des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) 610

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Anhang 2 Beschluss 610 - Empfehlungen zur Dekontamination, Desinfektion und Aufbereitung von Medizinprodukten

1 Vorbemerkungen

Vor dem Einsatz von Medizinprodukten bei der Versorgung von infizierten oder krankheitsverdächtigen Patienten sind folgende Punkte zu beachten:

  • Vorrangig sind Einmalprodukte zu verwenden.

  • Die voraussichtlich zum Einsatz kommenden Medizinprodukte sind unter Berücksichtigung folgender Aspekte aufzulisten:

    • Für Medizinprodukte, die steril oder keimarm zur Anwendung kommen (siehe auch Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV § 4 Absatz 2) und für die eine Wiederaufbereitung vorgesehen ist, wird herstellerseitig ein validiertes Verfahren zur Aufbereitung vorgegeben.

    • Für Medizinprodukte, die nicht steril oder keimarm zur Anwendung kommen müssen (hier ggf. auch Großgeräte), liegen i. d. R. herstellerseitig keine Angaben zur umfassenden Dekontamination/Desinfektion vor; ggf. werden Oberflächendesinfektion und Reinigung beschrieben.

  • Es sollten Möglichkeiten zum Schutz der Medizinprodukte während des Einsatzes geprüft werden (wie z. B. das Abdecken oder Verpacken von Großgeräten) und entsprechende Festlegungen getroffen werden.

  • Es sind Festlegungen zu gerätetechnischen Maßnahmen während der Nutzung im Schwarzbereich zur Sicherstellung notwendiger Reparaturen und Wartungen (z. B. Konstanzprüfung des Röntgengerätes) ggf. in Rücksprache mit der zuständigen Behörde zu treffen.

2 Empfehlungen

Für die fachgerechte Dekontamination/Desinfektion von zur Wiederverwendung vorgesehenen Medizinprodukten (Instrumente, medizinische Geräte etc.), wird aus Sicht des Arbeitsschutzes das im Folgenden beschriebene Vorgehen empfohlen.

Dabei sind im Vorfeld vor dem Einsatz der Medizinprodukte folgende Schritte durchzuführen:

  • Evaluation und Risikobewertung der entsprechenden Medizinprodukte in Abhängigkeit von Gebrauch und Gefährdungsklasse des Geräts (s. u.), der Erregereigenschaften (insbesondere des Übertragungswegs) sowie die Festlegung der erforderlichen PSA (siehe Nummer 4.5.12).

  • Prüfung eines möglichen Einflusses der Dekontaminationsmaßnahmen auf die regelrechte Gerätefunktion (technisch-funktionelle Sicherheit) unter Berücksichtigung des technischen Datenblattes bzw. der Vorgaben des Geräteherstellers.

  • bei der Notwendigkeit einer Begasung von Geräten einschließlich der dafür vorgesehenen Räumlichkeiten: Auswahl und Validierung des adäquaten Verfahrens (gemäß der Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und Verfahren [9]). Die Validierung des Verfahrens hat im Vorfeld mit den entsprechenden Geräten in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten zu erfolgen (siehe auch Nummer 4.5.8).

Hinweis: Die Dekontaminationsmaßnahmen sollten mit der zuständigen Behörde abgestimmt werden.

Grundsätzlich sind alle Medizinprodukte mit einer ausreichenden Oberflächendesinfektion (Wischdesinfektion) mit geeigneten Mitteln entsprechend der Desinfektionsmittelliste des RKI [9] oder des VAH [10] zu behandeln, bevor im Anschluss eine initiale Desinfektion entsprechend der im Folgenden beschriebenen Gefährdungsklassen durchgeführt wird. Erst wenn diese erfolgt ist, kann ggf. für Produkte, die steril oder keimarm angewendet werden sollen, eine weitere Aufbereitung gemäß der KRINKO/BfArM-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" [19] durchgeführt werden.

Gefährdungsklassen für die initiale Desinfektion:

1
Geräte, die nicht direkt mit Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen, wie z. B. Geräte, die mit Kassettensystemen arbeiten:

  • Die o. g. Oberflächendesinfektion ist ausreichend.

  • Kontaminierte Geräte mit Oberflächen, die einer Wischdesinfektion nicht adäquat zugänglich sind, sind entsprechend Nummer 4.5.9 zu entsorgen. Im Einzelfall kann geprüft werden, ob ggf. bei einem nicht makroskopisch verschmutzten Gerät eine validierte Begasung durchgeführt werden kann.

2
Geräte, in denen Körperflüssigkeiten durchgeleitet werden und die direkt mit diesen in Kontakt kommen:

  • Es ist ein Durchspülen der Leitungssysteme im Gerät mit einem vom Hersteller empfohlenen reinigenden Detergens zur Entfernung und Inaktivierung biologischer Proben erforderlich. Sollte dieses Detergens nicht den Vorgaben der Desinfektionsmittelliste des RKI [9] oder des VAH [10] entsprechen, muss nach diesem Arbeitsschritt ein Durchspülen der Leitungssysteme im Gerät mit einem geeigneten Desinfektionsmittel erfolgen. Die technisch-funktionelle Sicherheit des Medizinproduktes ist dabei weiterhin zu gewährleisten.

  • Bei Verdacht auf oder bei nachgewiesener Undichtigkeit bzw. einem Schaden des Geräts ist dieses entsprechend Nummer 4.5.9 zu entsorgen.

3
Geräte mit aktiver Belüftung im Patienten-Kreislauf, die patientennah einen Filter haben:

  • Bei sachgerechter Verwendung eines Filters mit einer Filtrationseffizienz gegenüber Bakterien und Viren von mindestens 99,95 % im Patienten-Kreislauf, sind alle patientenseitigen beweglichen Teile wie Filter, Schläuche, Ventile etc. entsprechend Nummer 4.5.9 zu entsorgen.

  • Im Anschluss ist die o. g. Oberflächendesinfektion ausreichend.

4
Geräte mit Geräte-assoziierter Belüftung:

  • Es ist eine erste Begasung mit einem geeigneten Mittel gemäß der Desinfektionsmittelliste des RKI [9] im ausgeschalteten Zustand erforderlich, danach erfolgt eine zweite Begasung im laufenden Gerätebetrieb.

5
Geräte, die leicht oberflächendesinfiziert werden können, wie z. B. Spritzenpumpen oder Infusionspumpen:

  • Die o. g. Oberflächendesinfektion ist ausreichend.

  • Kontaminierte Gerätschaften mit Oberflächen, die einer Wischdesinfektion nicht adäquat zugänglich sind, sollten entsprechend Nummer 4.5.9 entsorgt werden.

Alle Geräte müssen nach Abschluss der Dekontaminationsmaßnahmen auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft werden.

Die Aufbereitung des steril oder keimarm zur Anwendung kommenden Medizinproduktes endet mit der dokumentierten Freigabe [19].

Hinweis: Es empfiehlt sich - wenn gerätetechnisch möglich und sinnvoll - einen Dauerbetrieb über 24 Stunden mit Überprüfung der Geräte-spezifischen Funktionsparameter und Messwerte (z. B. Qualitätskontrollen bei Point-of-Care Laborgeräten, Dauerbetrieb an der künstlichen Lunge bei Beatmungsgeräten, Selbsttestmodus bei Monitoren etc.) durchzuführen, um die einwandfreie Funktion der Geräte vor dem ersten Einsatz am Patienten nach Dekontamination zu gewährleisten. Die Herstellerangaben zur Prüfung der technisch-funktionellen Sicherheit sind dabei zu beachten. Ggf. kann das Risikomanagement gemäß DIN EN ISO 14971 für die Entscheidung zugrunde gelegt werden.

B: Die Änderungen zur TRBA 250

Die TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege" vom März 2014 (GMBl Nr. 10/11, S. 206; zuletzt geändert im Juli 2015) wird wie folgt geändert:

Nummer 4.4.2 wird wie folgt ersetzt:

4.4.2
Auftreten von infizierten bzw. krankheitsverdächtigen Patienten

Patienten sollen bei entsprechendem Krankheitsverdacht nach Möglichkeit am Ort der ersten Verdachtsdiagnose (z. B. Arztpraxis, Rettungsstelle, Notaufnahme) verbleiben und umgehend entsprechend des in den jeweiligen Bundesländern festgelegten Vorgehens in eine Sonderisolierstation verlegt werden; dies gilt auch für den Umgang mit Kontaktpersonen.

Der Beschluss 610 des ABAS "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind" beschreibt Anforderungen zum Schutz der Beschäftigten, für Arztpraxen, Notaufnahmen, Rettungsdienste sowie für Krankenhäuser, die in einer Ausnahmesituation Patienten außerhalb einer Sonderisolierstation versorgen müssen.

Anhang 1 der TRBA 250 "Sonderisolierstationen (Schutzstufe 4)"

Nummer 1.2.3 - der letzte Satz und der Hinweis werden wie folgt ersetzt:

Schleusenkammern und Patientenbereich müssen zum Zweck der Schlussdesinfektion, z. B. durch Begasung, hermetisch abdichtbar sein.

Hinweis: Zwischen der Entlassung eines geheilten Patienten und Aufnahme eines neuen Patienten, die beide mit dem gleichen Erreger infiziert waren bzw. sind, ist ggf. eine gründliche Scheuer-Wisch-Desinfektion ausreichend (die Entscheidung ist in Absprache mit der zuständigen Gesundheitsbehörde zu treffen). Ist das Herunterfahren der Sonderisolierstation und die Freigabe für eine sonstige Nutzung vorgesehen, soll aus Gründen des Arbeitsschutzes nach der Scheuer-Wisch-Desinfektion noch eine Begasung erfolgen.

Nummer 1.2.6 - letzter Satz und Hinweis werden wie folgt ersetzt:

Die Inaktivierung und Entsorgung nicht autoklavierbarer Gegenstände, kann im Rahmen einer sachgerechten externen Auftragsentsorgung erfolgen. Die Verbrennung muss in einer für Abfälle mit dem Abfallschlüssel 180103* zugelassenen Sonderabfallverbrennungsanlage (SAV) vorgenommen werden. Die Verpackung und Kennzeichnung beim Transport der Abfälle zu der SAV muss dem ADR entsprechen. Ist dies z. B. aufgrund der Größe nicht möglich, ist die Vorgehensweise mit der zuständigen Behörde festzulegen.

Hinweis: Für die Verpackung und Kennzeichnung der Abfälle kann die Multilaterale Vereinbarung M 281 angewandt werden. Nach Ablauf der Gültigkeitsfrist dieser Vereinbarung (Ende 2016), ist entsprechend der dann vorgesehenen Regelungen zu verfahren.

Nummer 1.4 (Nummern 1.4.1 bis 1.4.3) "Persönliche Schutzausrüstung (PSA)" wird wie folgt ersetzt:

Bei der Behandlung von infizierten Personen ist folgende PSA notwendig:

1.4.1
Atemschutz

Es ist gebläseunterstützter Atemschutz (TH3P) nach EN 12941 zu tragen. Je nach verwendetem Desinfektionsmittel muss der Partikelschutz durch entsprechende Gasfilter ergänzt werden (Kombinationsfilter).

In Abhängigkeit vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, z. B. bei stark verringerter Kontagiosität des Erregers, kann unter Umständen auf Filtergeräte mit Gebläse (z. B. Respiratorhaube) verzichtet werden. In diesem Fall können partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 (geprüft nach DIN EN 149; Filterflies zusätzlich geprüft nach EN 14683 (Spritzschutz IIR)), vorzugsweise mit Ausatemventil, evtl. in Verbindung mit Augenschutz (beschlagfreie Schutzbrille CE Kat II, Rahmenkennzeichnung 5 nach DIN EN 166) verwendet werden.

1.4.2
Körperschutz

Es sind Einmalschutzanzüge der Kategorie III, Typ 3 B mit Füßlingen zu tragen. Als Unterkleidung kann die Bereichskleidung getragen werden. Das Tragen von Schuhen aus desinfizierbarem Material (z. B. Clogs) ist zulässig. Der Übergang der Ärmel zu den Handschuhen muss durch Abkleben mit flüssigkeitsdichtem Klebeband fixiert und abgedichtet werden. Ggf. kann es sinnvoll sein, Kontaminationen der Vorderseite des Schutzanzuges durch das Tragen einer Plastik-Einmalschürze zu verringern.

Abweichend von dem oben beschriebenen Schutzanzug der Kategorie III, Typ 3 B mit Respiratorhaube als Atemschutz können auch gebläseunterstützte Schutzanzüge mit integrierten Atemschutzhauben, Handschuhen und Füßlingen eingesetzt werden, die den genannten Anforderungen entsprechen.

1.4.3
Handschutz

Zum Schutz der Hände sind drei Paar flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe mit Schutz gegen mechanische und biologische Risiken (CE Kat. III, DIN EN 420, 388, 374, AQL = 1.5) zu tragen:

-inneres Paar:unter dem Anzug (z. B. aus Nitril)
-mittleres Paar:über dem Anzug (z. B. aus Nitril) konnektiert (vorzugsweise Schutzhandschuh mit verlängerter Stulpe und einer Schaftlänge = 300 mm)
-äußeres Paar:medizinischer Handschuh ("Arbeitshandschuh" z. B. aus Nitril oder Latex, vorzugsweise Indikatorhandschuh)

C: Die Änderungen zur TRBA 100

Die TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" vom Oktober 2013 (GMBl Nr. 51/52, S. 1010; zuletzt geändert im Juni 2014) wird wie folgt geändert:

Nummer 4.4.1 Absatz 4 wird wie folgt ersetzt:

Nummer 4.4.1 Medizinische/tiermedizinische Laboratorien

(4) Liegen Verdachtsmomente einer Infektion mit einem biologischen Arbeitsstoff der Risikogruppe 4 vor, sind alle orientierenden Untersuchungen der Primärprobe mit nicht inaktiviertem Material mindestens unter den Bedingungen der Schutzstufe 3 nach Nummer 5.4.2 durchzuführen.

Liegen Untersuchungsproben von einem mit einem biologischen Arbeitsstoff der Risikogruppe 4 infizierten akut erkrankten Patienten vor, sind labordiagnostische Untersuchungen mit nicht inaktiviertem Material unter den Bedingungen der Schutzstufe 4 nach Nummer 5.5 durchzuführen.

In den Nummern 4.4.1, 4.4.2 und 4.4.3 werden Verweise ergänzt:

In den Nummern 4.4.1 "Medizinische/tiermedizinische Laboratorien", 4.4.2 "Sonstige mikrobiologische Laboratorien, Umweltuntersuchungslaboratorien" und 4.4.3 "Mikrobiologische Qualitätssicherung/Sterilitätsprüfungen" wird die Angabe der Schutzstufe jeweils mit einem entsprechendem Verweis auf andere Textstellen der TRBA versehen.

D: Die Ergänzung zur TRBA 460

Die TRBA 460 "Einstufung von Pilzen in Risikogruppen" vom Juli 2016 (GMBl Nr. 29/30, S. 562) wird wie folgt ergänzt:

SpeziesAnamorph/TeleomorphRisikogruppeBemerkungStatus
Aspergillus tubingensis2