DGUV Information 207-016 - Neu- und Umbauplanung im Krankenhaus unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes - Basismodul

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Abschnitt 6.2 - 6.2 Anwendungen104)

Absturzsichernde Verglasung

Sofern Arbeitsplätze oder Verkehrswege an lichtdurchlässige Wände grenzen und Absturzgefahr besteht, muss auch bei Wänden aus bruchsicherem Werkstoff eine ständige Sicherung gegen Absturz vorhanden sein oder die Verglasungen müssen gemäß DIN 18008 Teil 4 "Glas im Bauwesen - Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasung105)" dimensioniert und montiert sein. Dies gilt insbesondere für Fensterflächen, die bis zum Boden reichen und häufig in Treppenhäusern und Verkaufsräumen anzutreffen sind. Für Umwehrungen und Brüstungen eignen sich ESG, VSG und Glassteine. Bei Umwehrungen und Brüstungen über Aufenthalts- und Verkehrsbereichen wird VSG-Verglasung empfohlen.

Die Anforderung an die Unterkonstruktion sind in der eingeführten technischen Baubestimmung ETB "Bauteile, die gegen Absturz sichern" enthalten.

Die Schutzziele sind:

  • Schutz gegen Schnittverletzungen

  • Schutz gegen Absturz

  • Schutz gegen das Herabfallen von Bruchsegmenten auf Verkehrsflächen

Die DIN 18008 Teil 4 "Glas im Bauwesen - Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasung106)" unterscheidet absturzsichernde Vertikalverglasungen und absturzsichernde, zur Angriffsseite geneigte Horizontalverglasung in die Kategorien A, B, C.

Kategorie A

Verglasungen nach Teil 2 oder 3 dieser Norm, die horizontale Nutzlasten abtragen müssen, da sie keinen tragenden Brüstungsriegel oder vorgesetzten Holm in erforderlicher Höhe zur Aufnahme von horizontalen Nutzlasten nach DIN EN 1991 Teil1 -1 "Eurocode1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau"107) besitzen.

Beispiel Kategorie A

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Abb. 6.1

Kategorie B

Unten eingespannte Glasbrüstungen, deren einzelne Scheiben durch einen durchgehenden Handlauf in erforderlicher Höhe verbunden sind. Der Handlauf kann auf der oberen Scheibenkante oder durch Tellerhalter nach Teil 3 dieser Norm befestigt sein.

Beispiel Kategorie B

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Abb. 6.2

Kategorie C

Verglasungen nach Teil 2 oder Teil 3 dieser Norm, die keine horizontalen Nutzlasten in erforderlicher Höhe abtragen müssen und einer der folgenden Gruppen entsprechen:

C1:Geländerausfachungen
C2:Verglasungen unterhalb eines in erforderlicher Höhe angeordneten, lastabtragenden Querriegels
C3:Verglasungen mit in erforderlicher Höhe vorgesetztem, lastabtragendem Holm

Beispiel Kategorie C1:

Geländerausfachung

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Abb. 6.3

Beispiel Kategorie C2:

Verglasungen unterhalb eines in erforderlicher Höhe angeordneten, lastabtragenden Querriegels

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Abb. 6.4

Beispiel Kategorie C3:

Verglasungen mit in erforderlicher Höhe vorgesetztem, lastabtragendem Holm.

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Abb. 6.5

Brandschutzverglasungen

Für Brandschutzverglasungen muss die Verwendbarkeit durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder durch eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) nachgewiesen werden. Die Anforderungen und Prüfungen sind in DIN 4102 Teil 13 "Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil13: Brandschutzverglasung"108) und DIN EN 357 "Glas im Bauwesen-Brandschutzverglasung aus durchsichtigen oder durchscheinenden Glasprodukten"109) geregelt.

Bauaufsichtlich spricht man bei einer Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten von "feuerhemmend", bei 90 Minuten von "feuerbeständig".

Brandschutzsysteme sind in drei Feuerwiderstandsklassen unterteilt.

Unterschieden werden G-Verglasungen und F- bzw. T-Verglasungen. F-Verglasungen sind feststehende Verglasungen, T-Verglasungen sind mit den F-Verglasungen identisch, jedoch zur Verglasung von Brandschutztürsystemen vorgesehen.

F- bzw. T-Verglasungen verhindern entsprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer nicht nur die Ausbreitung von Feuer und Rauch, sondern auch den Durchtritt von Wärmestrahlung, da sie im Brandfall undurchsichtig werden.

G-Verglasungen verhindern entsprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer nur die Ausbreitung von Feuer und Rauch, nicht jedoch den Durchtritt von Wärmestrahlung.

Rauchschutztüren

Verglasungen in Rauchschutztüren nach DIN 18 095 "Rauchschutztüren"110) müssen den Anforderungen der Verkehrssicherheit entsprechen.

Diese werden insbesondere von Einscheibensicherheitsgläsern (ESG) und Verbundsicherheitsgläsern (VSG) erfüllt. Drahtornamentgläser erfüllen diese Anforderungen nicht.

Verglasungen in Innenwänden der Flure müssen ausreichend widerstandsfähig gegen Feuer und mindestens 1,80 m über dem Fußboden angeordnet sein. Unterhalb dieser Höhe dürfen Verglasungen angeordnet werden, wenn die Zweckbestimmung der Räume, wie Dienstzimmer, Räume für Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder und Räume von Intensiveinheiten es erfordert.

Oberhalb der Türen zwischen Fluren und Treppenräumen

dürfen Verglasungen eingebaut werden, wenn diese ausreichend widerstandsfähig gegen Feuer sind.111)

Umwehrungen und Brüstungen

Für Umwehrungen und Brüstungen eignen sich ESG, ESG-H, VSG und Glassteine.

Bei Umwehrungen und Brüstungen über Aufenthalts- und Verkehrsbereichen wird VSG-Verglasung empfohlen.

Horizontalverglasungen112)

Für Horizontalverglasungen bzw. hoch liegende Schrägverglasungen, die mehr als 10 Grad gegen die Vertikale geneigt sind, müssen mindestens die unten liegenden Gläser ausreichend Splitter bindend sein.

Für die Einfachverglasung bzw. die untere Scheibe der Isolierverglasung darf deshalb nur Drahtglas oder VSG aus Spiegelglas (SPG) oder VSG aus teilvorgespanntem Glas (TVG) verwendet werden.

Bei Horizontalverglasungen ist darauf zu achten, dass die Glaselemente nach einem erfolgten Glasbruch noch in ihrer montierten Lage verbleiben.

Diese "Resttragfähigkeit" stellt sicher, dass Personen, die sich unterhalb der Verglasung befinden, nicht durch herabfallende Glasbruchsegmente gefährdet werden.

Verglasungen ohne eine Zwischenlage aus Poly-Venyl-Butyral-Folie (=> PVB-Folie, mind. 0,76 mm dick) oder einer Drahteinlage haben keine "Resttragfähigkeit" und können als Überkopfverglasung nicht verwendet werden.

ESG-Glas ist Aufgrund seines Bruchbildes, das durch viele kleine Glaskrümel gekennzeichnet ist, nicht hinreichend resttragfähig und kann im Überkopfbereich als Einfachverglasung oder als untere Scheibe von Isolierverglasung nicht verwendet werden.

Bei der Verwendung von Drahtglas, ist darauf zu achten, dass die Spannweite in Haupttragrichtung 0,7 m nicht überschreitet und dass der Glaseinstand mind. 15 mm beträgt.

Bohrungen und Ausschnitte sind nach DIN 18008 Teil 2 "Glas im Bauwesen - Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen"113) erlaubt, wenn dadurch die "Resttragfähigkeit" der Verglasung nicht eingeschränkt wird.

Begehbare Verglasungen

Die Oberflächen von begehbaren Verglasungen sind rutschhemmend zu gestalten, z. B. durch Sandstrahlen oder Mattieren. Die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit der begehbaren Verglasung und deren Stützkonstruktionen sind für die Lasten, die sich aus der DIN 18008 "Glas im Bauwesen - Bemessung und Konstruktionsregeln"114) ergeben, rechnerisch nachzuweisen. Zusätzlich ist der Lastfall "Eigengewicht + Einzellast" in ungünstiger Laststellung zu untersuchen. Verglasungen dürfen nicht befahren werden, Sie dürfen keiner erhöhten Stoßbelastungen ausgesetzt sein und ständige Lasten mit einer Verkehrslast von mehr als 5 kN/m2 müssen vermieden werden.

Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Glaskanten geschützt sind und dass bei den Glaselementen mind. ein Glaseinstand von 30 mm an allen Seiten gewährleistet ist.

Als begehbare Verglasung darf nur VSG aus drei Scheiben verwendet werden. Die oberste Scheibe muss mindestens 10 mm dick sein und aus ESG oder TVG bestehen. Die beiden unteren Scheiben müssen mindestens 12 mm dick sein und aus Spiegelglas oder TVG bestehen. Die maximale Länge beträgt 1.500 mm, die maximale Breite 400 mm.

Beispiel Aufbau für begehbares VSG-Glas von oben nach unten:

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Abb. 6.6

Für den rechnerischen Spannungsnachweis ist die obere Scheibe nicht mit anzusetzen.

Glaswände in Verkehrsbereichen115)

Durchsichtige oder lichtdurchlässige Wände, insbesondere Ganzglaswände im Bereich von Arbeitsplätzen oder Verkehrswegen, müssen deutlich gekennzeichnet sein und aus bruchsicherem Werkstoff (VSG, ESG, Glassteine) bestehen. Falls nicht, müssen sie so durch Geländer oder Abschrankungen gegen die Arbeitsplätze und Verkehrswege abgeschirmt sein, dass die Beschäftigten nicht mit den Wänden in Berührung kommen und beim Zersplittern der Wände nicht verletzt werden können.

Ist ein Austausch von nicht bruchsicheren Glasflächen nicht möglich, kann durch Auftrag einer Splitterschutzfolie die Schutzwirkung erhöht werden. Die Schutzfolie bindet die Glassplitter beim Bruch. Die Eignung der verwendeten Splitterschutzfolie ist vom Hersteller durch ein Prüfzeugnis nach DIN EN 12600 "Glas im Bauwesen-Pendelschlagversuch"116) nachzuweisen.

EinsatzortGlasart
TürenGanzglastürenSicherheitsglas
Gerahmte TürenSicherheitsglas
Türen mit Glas nur im oberen DrittelFloatglas
FensterFenster über BrüstungenIsolierglas aus Floatglas
Fenster über QuerriegelnIsolierglas aus Floatglas
Fenster unter QuerriegelnSicherheitsglas ggf. Bemessung als absturzsichernde Verglasung
Bodentief eingebaute FensterSicherheitsglas ggf. Bemessung als absturzsichernde Verglasung
SchaufensterFloatglas oder VSG
Für nichtgeregelte Anwendungen wird eine Mindestdicke von 10 mm Floatglas bzw. 12 mm VSG empfohlen.
Generell ist der Stand der Technik in der
DIN 18008 Teil 2 "Glas im Bauwesen - Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen" festgelegt.
bodentiefe SchaufensterSicherheitsglas oder trennende Schutzeinrichtungen (z. B. Geländer, Gitter)
Glasbausteinelichtdurchlässige WändeGlasbausteine, Sicherheitsglas oder Floatglas (entsprechend der Gefährdungsbeurteilung) lichtdurchlässige Kunststoffe
GeländerSicherheitsglas und Absturzsicherung nach DIN 18008 Teil 4
"Glas im Bauwesen - Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen"
Tabelle 6.1: Verwendung von Glasarten117)