DGUV Information 206-017 - Gut vorbereitet für den Ernstfall! Mit traumatischen Ereignissen im Betrieb umgehen.

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Abschnitt 1 - 1 Traumatische Ereignisse bei der Arbeit
Ein Thema für Unternehmen?!

Traumatische Ereignisse - das sind verstörende Ausnahmen von den normalen Geschehnissen des Alltags. Sie passieren selten, sind aber hoch belastend und folgenschwer. Wir denken nicht gern daran, dass schwere Unfälle, Gewalttaten, Angst und Entsetzen in unser Leben und gar in unsere betrieblichen Abläufe einbrechen können. Aber noch schlimmer ist es, im Ernstfall unvorbereitet, hilflos und planlos dazustehen.

In vielen Unternehmen kommen die im Folgenden beschriebenen Arbeitsunfälle selten oder nie vor. In manchen treten sie häufiger auf. Unabhängig von der Häufigkeit aber können sie seelische Verletzungen mit schweren und langwierigen Folgen hinterlassen. Und sicher: Es handelt sich um seltene Ereignisse. Wenn sie jedoch eintreten, bedeuten sie für die Betroffenen eine extreme Belastung und für das Unternehmen erheblichen wirtschaftlichen Schaden.Ziel dieser Handlungshilfe ist es daher, Ihnen den Umgang mit dem Thema "traumatische Ereignisse bei der Arbeit" zu erleichtern.
Bitte schauen Sie sich die folgenden Beispiele kurz an.
ccc_3455_01.jpgWas, wenn ein solches oder ähnliches Ereignis in Ihrem Unternehmen passiert?
Zudem haben Sie als Unternehmerin oder Unternehmer auch Pflichten, die es notwendig machen, sich mit dem Thema auseinanderzu setzen: ccc_3455_01.jpgWas, wenn die Gefährdungsbeurteilung darauf hinweist, dass es auftreten könnte?
ccc_3455_01.jpgSind Sie darauf vorbereitet?
  • Sie haben eine Fürsorgepflicht. Sie tragen Sorge für die Gesundheit und das Wohlergehen Ihrer Beschäftigten.

  • Sie haben eine Meldepflicht, wenn ein Arbeitsunfall eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod eines Beschäftigten zur Folge hat.

  • Sie müssen eine Gefährdungsbeurteilung durchführen - auch für Gefährdungen durch traumatische Ereignisse.

Beispiel:

Beispiel 1
Beim Einrichten einer Autobahnbaustelle muss Ihr Mitarbeiter mit ansehen, wie sein Kollege von einem LKW erfasst und überrollt wird."Als der Kollege vom LKW erfasst wurde, war ich wie gelähmt, schockiert. Ich kann mich gar nicht mehr richtig erinnern, ich bin dann hingelaufen, er lebte und irgendwann kam dann endlich Hilfe. Auch um mich hatte sich dann jemand gekümmert. Es hatte meinen engsten Kollegen getroffen. Ich werde dieses Erlebnis einfach nicht los! Immer wieder läuft es wie ein Film vor meinem inneren Auge ab."

Beispiel:

Beispiel 2
Die Kassiererin in Ihrer Tankstelle wird mit vorgehalten er Waffe zur Herausgabe von Bargeld gezwungen. "Seit dem Überfall war ich noch nicht wieder arbeiten, bin schon einige Wochen krankgeschrieben. Jedes Mal wenn eine automatische Tür aufgeht erschrecke ich und bekomme Herzrasen und die Luft bleibt mir weg. Dann habe ich furchtbare Angst, alles könnte schon wieder passieren. Mein Mann sagt zwar, der Überfall sei vorbei, aber ich hatte solche Todesangst, das möchte ich nie wieder erleben."

Beispiel:

Beispiel 3:
Ihr Mitarbeiter im Prüfdien st wird bei einer Fahrscheinkontrolle auf das Übelste beschimpft, bespuckt und schließlich geschlagen."Nicht nur in der Bahn beim Kontrollieren war ich vorsichtig und sehr misstrauisch, ich hatte das Gefühl, jeder will mir wieder an den Kragen. Dabei hat mir der Job doch früher Spaß gemacht, ich war gern unter Leuten. Ich konnte nachts kaum noch schlafen und hatte schon Angst, wieder arbeitslos zu werden.
Mein Arbeitgeber hat mich dann auf ein Seminar geschickt. Da habe ich viel über Kommunikation und Deeskalation gelernt.
Brenzlige Situationen kommen immer wieder mal vor, aber ich kann besser damit umgehen und die Arbeit läuft wieder.

Beispiel:

Beispiel 4:
Einer Ihrer erfahrensten nautischen Offiziere musstrotz Notfallmaßnahmen und Ausweichmanöver miterleben, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Schiff kommt."Ich hatte Wache. Das andere Schiff hatte seinen Kurs einfach beibehalten, die reagierten gar nicht auf Funk und Signalraketen und in dem engen Fahrwasser konnte ich mit unserem großen Schiff nicht ausweichen. Ich konnte nichts machen! Den riesen Schlag als er uns rammte und den Backbordtank aufriss, höre ich immer wieder und ich rieche den sauren Schwerölgestank wenn ich die Augen zumache. Ich geh' nie wieder an Bord, allein bei dem Gedanken bekomme ich schon schweißnasse Hände. Ich weiß gar nicht, wie es mit mir weitergehen soll. Vorübergehend hatte die Reederei einen Job in der Inspektion, aber man will mich wieder auf einem Schiff einsetzen. Für mich steht fest: Ich fahre nie wieder zur See!"

Beispiel:

Beispiel 5:
Ihr Mitarbeiter schaltet eine Maschine ohne wieder angebrachte Sicherheitseinrichtungen nach erfolgter Reparatur zum Probelauf ein. Ein Kollege wird eingezogen und verliert beide Arme. "Ich gehe zwar wieder zur Arbeit, aber irgendwie ist alles anders. Ich funktioniere nur noch und mache das Nötigste, auch Fehler. Ich kann auch kein Maschinenöl mehr riechen. Mein Chef hat mich schon angezählt, hoffentlich verliere ich nicht die Arbeit. Ich fühle mich innerlich leer, wie tot und kann mich für nichts mehr interessieren. Äußerlich lasse ich mir nichts anmerken. Ich weiß gar nicht, was los ist mit mir. Ob das mit dem Unfall zu tun hat?"

Beispiel:

Beispiel 6:
Zwei Ihrer Mitarbeiter werden vor den Augen Ihrer Kollegen von herabfallenden Gerüstteilen erschlagen."Als ich die Gerüstteile fallen sah, dachte ich noch: "Oh Mann, dass die man bloß keinen treffen." Und dann das. Die Kollegen lagen plötzlich einfach da - dabei hatten wir doch grade noch 'nen Kaffee zusammen getrunken. Wir anderen waren geschockt und ich bin erst seit kurzem wieder auf Arbeit. Aber das vergisst Du nicht. Immer wenn was quietscht oder kracht bin ich voll aufgedreht und sehe nach, ob was passiert ist. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer aushalte."

Beispiel:

Beispiel 7:
Ein Kamerad Ihrer Freiwilligen Feuerwehr nimmt während des Einsatzes eine verbrannte Puppe in einem Zimmer wahr. Dann wird ihm klar, dass es sich um ein Kind handelt."Es war alles so vertraut, wie immer bei einem Einsatz. Alarm, zur Wache fahren, umziehen und los. Alles ging wie immer und dann - ich kann den Schock einfach nicht vergessen. Ich habe selbst ein kleines Kind. Da kommt das immer wieder hoch. Ich habe versucht wieder mit den Kameraden rauszufahren, weil es bei der Übung gut geklappt hat. Aber beim ersten echten Einsatz ging gar nichts mehr. Schon als der Pieper losging war ich nervös. Ich habe es noch bis zur Wache geschafft, aber der Wehrleiter hat mich sofort wieder nach Hause geschickt. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder zu einem Einsatz fahren kann."

Beispiel:

Beispiel 8:
Eine Ihrer Mitarbeiterinnen im Sozialamt erhält aufgrund einer Kürzung des Wohngeldes eine massive Morddrohung."Es war kurz vor Feierabend und ich dachte noch: "War eigentlich ein guter Tag heute." Dann klingelte das Telefon. Noch bevor ich was sagen konnte brüllte die Stimme "Wer glaubst du eigentlich wer du bist? Ich weiß wo du wohnst. Ich bring dich um - verlass dich drauf!" Ich war völlig am Ende. Im Amt war auf unserem Flur außer mir keiner mehr. Ich hatte solche Angst. Seitdem bin ich krankgeschrieben.
Jedes Mal wenn das Telefon klingelt, krieg ich einen riesen Schreck. Das wünsche ich keinem, ich bin einfach nur verzweifelt. Zum Glück habe ich noch meine Familie aber das ist für alle eine riesen Last.

Beispiel:

ccc_3455_01.jpgSie finden sich bei den Beispielen nicht wieder?
ccc_3455_02.jpgMit Hilfe der Risiko-Matrix (siehe Anhang 1) können Sie abschätzen, ob in Ihrem Unternehmen Handlungsbedarf besteht.
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