DGUV Information 250-104 - Leitfaden für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zur arbeitsmedizinischen Betreuung bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen

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Abschnitt 2.1 - 2.1 Mitwirkung der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung

Die Vorgehensweisen zur Gefährdungsbeurteilung sind in der TRGS 400 im Allgemeinen und im Speziellen für Arbeiten in kontaminierten Bereichen in der TRGS 524 beschrieben. Trotz dieser Vorgaben und Hilfen für die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber bleiben oft noch Fragen offen, bei deren Beantwortung die Betriebsärztin/der Betriebsarzt ihre Kenntnisse einbringen und entsprechend beraten muss. Beispielhaft können hier folgende Themenfelder genannt werden:

  • Stofflich-toxikologische Situation auf der Baustelle

  • Auswahl expositions- bzw. gefährdungsmindernder Arbeitsverfahren

  • Einfluss der Umgebungsbedingungen auf Exposition bzw. Gefährdung

  • Auswahl der geeigneten Persönlichen Schutzausrüstung

  • Zusätzliche Gefährdung bei Einsatz belastender Persönlicher Schutzausrüstung

2.1.1
Beratung zur stofflich-toxikologischen Situation auf der Baustelle

Wesentlichste Grundlage zur Gefährdungsbeurteilung ist die Kenntnis der vorhandenen bzw. zu vermutenden Stoffe, z. B. bei Erkundungsarbeiten ist zunächst ein Verdacht vorhanden. Da die Ermittlung der am Standort zu vermutenden bzw. tatsächlich vorhandenen Stoffe nicht vom Unternehmen, sondern nurvom auftraggebenden Betrieb durchgeführt werden kann, fordert die TRGS 524 vom diesem einen Arbeits- und Sicherheitsplan, in dem alle Ermittlungen, Beurteilungen und Folgerungen für Schutzmaßnahmen dokumentiert sein müssen und der dem Unternehmen als Datenbasis für seine Gefährdungsbeurteilung dient.

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Will die Betriebsärztin/der Betriebsarzt die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber umfassend beraten, werden zunächst die Ergebnisse zu den Stoffermittlungen, zusammengefasst in dem Arbeits- und Sicherheitsplan des auftraggebenden Betriebs, benötigt. Dieser Plan ist zusammen mit der Arbeitegeberin/dem Arbeitgeber auf Vollständigkeit und Plausibilität der stofflichen Ermittlungen und der gefährdungsrelevanten Angaben zu prüfen:

  • Stimmt das Programm für die örtlichen Untersuchungen mit den je nach Nutzungsgeschichte zu erwartenden Stoffen überein (siehe Literaturverzeichnis: "Baustoffkatalog")?

  • Sind weitere Stoffe zu erwarten, z. B. auch Metabolite, Reaktions- oder Abbauprodukte?

  • Sind die Angaben und Bewertungen zu Mobilität (Emissionspotential) und Toxikologie der Stoffe (siehe Gefahrstoffdatenbanken im Literaturverzeichnis) vollständig und plausibel?

Bei der Prüfung des Arbeits- und Sicherheitsplans oder vergleichbarer Unterlagen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers ist zu beachten, dass die dort durchgeführte "Gefährdungsabschätzung" meist in Zielrichtung "Umwelt" (Boden-, Gewässerschutz) oder auf Basis des Abfallrechts ausgeführt ist und somit auch die Probennahme zu hinterfragen und die Untersuchungen um die für den Arbeitsschutz notwendigen Parameter zu ergänzen sind.

2.1.2
Beratung zur Auswahl expositions- bzw. gefährdungsmindernder Arbeitsverfahren

Das angewandte Arbeitsverfahren hat wesentlichen Einfluss auf die Exposition und damit die Gefährdung (siehe auch entsprechende Inhalte der TRGS 524). Damit ist die Betriebsärztin/der Betriebsarzt gefordert, die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber in diesem Sinne zu beraten und sich dazu auch Kenntnisse zu emissionsmindernden Arbeitsverfahren zu verschaffen. (Hilfsmittel siehe z. B. TRGS 524, GISBAU)

2.1.3
Beratung zum Einfluss der Umgebungsbedingungen auf Exposition bzw. Gefährdung

Ein weiterer Faktor zur Beurteilung der Exposition und Gefährdung sind die Bedingungen, unter denen die Arbeiten in kontaminierten Bereichen auszuführen sind (siehe auch TRGS 524). Hierbei sind insbesondere die klimatischen und arbeitsbereichsbedingten Einflüsse auf das Emissionsverhalten der Stoffe und damit auf Art und Umfang der zu erwartenden Exposition zu berücksichtigen.

Beispiel:

Zum Beispiel:

  • Wie verhält sich ein leichtflüchtiger Stoff wie Benzin, der insbesondere Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) und Aromaten enthält, bei einer Auskofferung im Winter im Freien bzw. im Sommer unter einer Einhausung?

  • Wie ist das Anreicherungsverhalten von Stäuben beim Abfräsen DDT-haltiger Putze in Innenräumen?

2.1.4
Beratung zur Auswahl geeigneter PSA

Beim bautechnischen Umgang mit kontaminierten Materialien ist es fast immer notwendig, persönliche Schutzausrüstung zu benutzen. Von besonderer Wichtigkeit ist es dabei, geeigneten Atemschutz zu verwenden.

Bezüglich der Auswahl von geeignetem Atemschutz wird auf die DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten" verwiesen. Unter den Abschnitten

3.1.5.1/3.1.5.4 und Anhang 1.3.1 finden sich folgende Voraussetzungen für den Einsatz von filtrierendem Atemschutz:
Filtergeräte dürfen nicht benutzt werden, wenn eine unbekannte Umgebungsatmosphäre vorhanden ist oder wenn sich die Zusammensetzung oder Konzentration einer bekannten Umgebungsatmosphäre nachteilig verändern kann.

Bestehen Zweifel, ob Filtergeräte ausreichenden Schutz bieten (z. B. Art und Konzentration der Gefahrstoffe, Gebrauchsdauer, Bildung von Reaktionsprodukten oder Temperaturerhöhungen im Filter) sind Isoliergeräte (z. B. Pressluftatmer oder Druckschlauchgeräte) zu benutzen.

Diese Hinweise sind seit vielen Jahren Stand der Technik, dennoch wird in kontaminierten Bereichen immer wieder unzureichender Atemschutz angetroffen.

Der Arbeitsmediziner/die Arbeitsmedizinerin sollte deshalb dieser primär präventiven Maßnahme Beachtung schenken, insbesondere wenn trotz des Tragens von Atemschutz zum Beispiel beim Biomonitoring auffällige Befunde erhoben werden.

2.1.5
Beratung zur zusätzlichen Gefährdung bei Einsatz belastender "Persönlicher Schutzausrüstung"

Bei der Gefährdungsbeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen ist der Einsatz belastender Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wie Schutzkleidung und -handschuhe sowie Atemschutz. Mit ihrer Beratungsfunktion können Betriebsärzte und Betriebsärztinnen einerseits bei der Auswahl der "richtigen" PSA wesentlich mitwirken, d. h. auf der Basis der Gefährdungsbeurteilung eine angemessene PSA mit hoher Barrierewirkung gegenüber den Stoffen aber möglichst geringer zusätzlicher Belastun für die Trägerin bzw. den Träger, andererseits auch über die Bestimmung der tragefreien Zeiten ("Tragezeitbegrenzung", siehe auch DGUV Regel 112-190) sowie über den Hautschutzplan wesentlichen Einfluss auf die Minimierung der verbleibenden Gefährdung nehmen. Weitere Hinweise zur PSA finden sich in den im Literaturverzeichnis aufgelisteten Regeln der UV-Träger.

Checklisten der DGUV zur Auswahl Persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) finden Sie unter folgender Internetadresse:

ccc_3454_07.jpgwww.dguv.deWebcode: d3193