DGUV Information 207-022 - Bewegen von Menschen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege; Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung nach der Lastenhandhabungsverordnung

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Abschnitt 2 - 2 Anwendungsbereich

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§ 1 (1) LasthandhabV
Diese Verordnung gilt für die manuelle Handhabung von Lasten, die aufgrund ihrer Merkmale oder ungünstiger ergonomischer Bedingungen für die Beschäftigten eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit, insbesondere der Lendenwirbelsäule, mit sich bringt.

Hier wird der Anwendungsbereich der Verordnung auf die manuelle Handhabung von Lasten festgelegt, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gefährden können.

Lasten - Der menschliche Körper als "Last"

Im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege ist die physikalische Last neben anderem das Gewicht des Menschen. Die gefährdende Tätigkeit ist u. a. das Bewegen/die Bewegungsunterstützung von Menschen durch die Beschäftigten. Eine Besonderheit dieser Tätigkeit ist, dass beim Bewegen von Menschen nicht allein deren Gewicht und dessen Verteilung, sondern auch die soziale Beziehung zwischen pflegender und zu pflegender Person eine wichtige Rolle spielt. So haben unter anderem Fragen der Persönlichkeit und Würde, sowie der physische und psychische Zustand, aber auch die Kooperationsbereitschaft des Menschen und gegenseitige Verhaltenserwartungen Einfluss auf diese Beziehung.

Merkmale oder ungünstige ergonomische Bedingungen

Die gefährdenden Tätigkeiten weisen bestimmte Merkmale oder ungünstige ergonomische Bedingungen auf. Solche Merkmale werden explizit im Anhang zur Lastenhandhabungsverordnung aufgezählt. Es wird dabei unterschieden zwischen Merkmalen im Hinblick auf:

  • die zu handhabende Last: hier der Mensch,

  • die Arbeitsaufgabe: beispielsweise der Transfer, die Positionsveränderung oder die Pflegehandlung,

  • den Arbeitsplatz bzw. die Arbeitsumgebung: im Sinne von baulicher Gestaltung und räumlicher Beschaffenheit/Ausstattung.

Diese Merkmale und ergonomischen Bedingungen können einzeln oder in Kombination zu Gefährdungen führen. Die Aufzählung im Anhang der Lastenhandhabungsverordnung ist nicht abschließend. Es kann also noch weitere Merkmale geben, die zu einer Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten führen können.

Mögliche ungünstige ergonomische Bedingungen sind beispielsweise:

  • Betten, die für Pflegetätigkeiten nicht elektrisch verstellbar sind,

  • räumliche Enge, z. B. für den Rettungsdienst beim Befördern im Treppenhaus,

  • Türen, die schwer bzw. schwergängig sind und damit Anstrengung bei der Benutzung erfordern,

  • schlechte Beleuchtung, die zu Unsicherheit führen kann,

  • Schwellen, schiefe Ebenen oder Einzelstufen, die sich als Erschwernis darstellen.

Gefährdung

Jedes Bewegen/jede Bewegungsunterstützung eines Menschen - auch mit Hilfsmitteln - kann für die Beschäftigten, je nach Körperhaltung, Kraftausübung und Bewegungsausführung, zu einer Gefährdung ihres Muskel-Skelett-Systems führen und damit zu einer Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit im Sinne dieser Verordnung.

Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, sämtliche Tätigkeiten, bei denen Menschen bewegt/bei Bewegung unterstützt werden, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung in den Blick zu nehmen, Maßnahmen zur Prävention abzuleiten, diese umzusetzen und ggfs. auch anzupassen.

... insbesondere der Lendenwirbelsäule

Bei den Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit wird in der Lastenhandhabungsverordnung ausdrücklich die Gefährdung insbesondere der Lendenwirbelsäule hervorgehoben. "Insbesondere" heißt demnach, es können auch andere Bereiche des Bewegungsapparats gefährdet sein, beispielsweise die Halswirbelsäule, Schultergelenke, Knie- oder Hüftgelenke aber auch Beckenboden, Muskeln, Sehnen, etc. Die Hervorhebung der Lendenwirbelsäule ist damit zu begründen, dass die Bandscheiben in diesem Teil der Wirbelsäule beim Bewegen von Lasten einer besonders hohen Belastung ausgesetzt sind.

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§ 1 (2) LasthandhabV
Manuelle Handhabung im Sinne dieser Verordnung ist jedes Befördern oder Abstützen einer Last durch menschliche Kraft, unter anderem das Heben, Absetzen, Schieben, Ziehen, Tragen oder Bewegen einer Last.

Hier wird die manuelle Handhabung im Sinne der Lastenhandhabungsverordnung definiert.

Manuelle Handhabung

Manuelle Handhabung bedeutet im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege jedes Bewegen/jede Bewegungsunterstützung von Menschen. Das Befördern und Abstützen bedeutet in der Pflege und Betreuung sowohl die aktive als auch die passive Unterstützung der menschlichen Bewegung wie beispielsweise:

  • das Haltgeben eines Menschen im Stand,

  • die Verlagerung eines Beins im Bett,

  • die Unterstützung eines Menschen beim Gehen,

  • die Sicherung eines Menschen in Seitenlage, um ein Herausrollen zu verhüten,

  • das Halten von Extremitäten bei der OP-Vorbereitung.

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Abb. 1
Bewegungsunterstützung einer Patientin im Bett

Heben, Absetzen, Schieben, Ziehen, Tragen oder Bewegen

Die Aufzählung der Tätigkeiten Heben, Absetzen, Schieben, Ziehen, Tragen und Bewegen ist nicht abschließend. Grundsätzlich sind diese Tätigkeiten mehr oder weniger Bestandteil jedes Bewegens/jeder Bewegungsunterstützung eines Menschen. Also beispielsweise immer dann, wenn

  • ein Transfer,

  • eine Positionsveränderung,

  • eine Mobilisation,

  • Grundpflege,

  • Behandlungspflege,

  • Diagnostik,

  • Therapie,

stattfindet.

Diese Tätigkeiten können einzeln oder in Kombination vorkommen und summieren sich ggfs. zu der Gesamtbelastung.

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§ 1 (3) LasthandhabV
Die Verordnung gilt nicht in Betrieben, die dem Bundesberggesetz unterliegen.

Zwischen dem Geltungsbereich des Bundesberggesetzes und dem Gesundheitsdienst gibt es keine Überschneidungen, sodass weitere Erklärungen nicht erforderlich sind.

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§ 1 (4) LasthandhabV
Das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das Bundesministerium der Verteidigung oder das Bundesministerium der Finanzen können, soweit sie hierfür jeweils zuständig sind, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und, soweit nicht das Bundesministerium des Innern selbst zuständig ist, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern bestimmen, dass für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes, insbesondere bei der Bundeswehr, der Polizei, den Zivil- und Katastrophenschutzdiensten, dem Zoll oder den Nachrichtendiensten, Vorschriften dieser Verordnung ganz oder zum Teil nicht anzuwenden sind, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit. In diesem Fall ist gleichzeitig festzulegen, wie die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten nach dieser Verordnung auf andere Weise gewährleistet werden.

Hier werden Bundesbehörden benannt, die im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bzw. dem Bundesministerium des Inneren (BMI) Ausnahmen benennen können, bei welchen Institutionen des öffentlichen Dienstes Vorschriften der Lastenhandhabungsverordnung nicht angewendet werden müssen.

Dieser Eingriff wird allerdings unter den Vorbehalt gestellt, dass öffentliche Belange, wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, ein Abweichen vom Verordnungstext zwingend erfordern. Gemeint sind damit Fälle der Landesverteidigung oder der Katastrophenbekämpfung. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass in diesem Fall festzulegen ist, wie die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten auf andere gleichwertige Weise gewährleistet werden kann.

Solange die genannten Ministerien also keine Ausnahmen bestimmen, gilt auch bei den benannten Institutionen die Lastenhandhabungsverordnung. Damit ist die Lastenhandhabungsverordnung beispielsweise auch in Bundeswehrkrankenhäusern und bei deren Beschäftigten ggfs. auch bei Auslandseinsätzen anzuwenden.