DGUV Information 250-010 - Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis

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Abschnitt 3 - III Verhältnismäßigkeit von Eignungsuntersuchungen

Da bei Eignungsuntersuchungen insbesondere in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten, aber je nach Untersuchungsumfang auch in die körperliche Unversehrtheit (z. B. Entnahme einer Blutprobe) eingegriffen wird, müssen diese Eingriffe verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des konkreten Untersuchungsumfangs. Verhältnismäßig sind Eignungsuntersuchungen, wenn sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) sind.

Geeignet ist die Untersuchung, wenn mit ihr die angestrebte Eignungsfeststellung erzielt werden kann. Zudem muss die Untersuchung erforderlich sein. Das bedeutet, dass sie unter mehreren denkbaren Alternativen das mildeste Mittel zur Eignungsfeststellung darstellt. Ist die Eignung durch eine andere, gleichermaßen geeignete Maßnahme feststellbar (Test, Befragung etc.), stellt die Untersuchung - insbesondere wenn sie mit einem körperlichen Eingriff (z. B. Blutentnahme) verbunden ist - nicht das mildeste Mittel dar, weil sie stärker in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten und ggf. in ihre körperliche Unversehrtheit eingreift, als die gleich geeignete Maßnahme. Zudem muss die Untersuchung verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Das setzt voraus, dass die vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin mit der Untersuchung verfolgten Interessen in einer Abwägung die entgegenstehenden Interessen der bzw. des Beschäftigten überwiegen.

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Gesundheitsdaten richtet sich nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, da es sich um besondere personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG) handelt. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG setzt eine Erforderlichkeit (s. o.) der vorgesehenen Datenerhebung voraus und fordert zudem, dass kein Grund zu der Annahme bestehen darf, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung dieser Daten überwiegt. Zu beachten ist insbesondere die Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB, der auf arbeitsvertragliche Klauseln anzuwenden ist. Bei einer unangemessenen Benachteiligung der Beschäftigten durch den Inhalt der Klausel kann infolge einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung die Verpflichtung zu einer Eignungsuntersuchung für unwirksam erklärt werden. An die Nichtbefolgung einer unwirksamen Verpflichtung dürfen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen geknüpft werden.

Auf Regelungen zu obligaten Eignungsuntersuchungen im Rahmen von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ist § 307 Abs. 1 BGB zwar nicht anwendbar (§ 310 Abs. 4 BGB); auch diese können aber im Streitfall von einem Arbeitsgericht für unwirksam erklärt werden, wenn sie unverhältnismäßig sind (bei Betriebsvereinbarungen z. B. gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG).

Aufgrund der im Einzelfall schwierigen Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Eignungsuntersuchungen sollte ein hoher Maßstab an die Ermittlung und Dokumentation der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Erforderlichkeit einer Untersuchung und ihr konkreter Umfang ergeben sollen, gelegt werden. Aus Anforderungsprofil, Unfall- sowie Beinaheunfallgeschehen und ggf. ergänzend Erkenntnissen aus der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) können sich Erkenntnisse ergeben (z. B. eine besondere Gefährdungslage), aus denen ggf. die Erforderlichkeit einer ärztlichen Eignungsfeststellung unter Einbeziehung von Eigen- und Drittschutzaspekten folgt, wenn ein milderes Mittel nicht ersichtlich ist, um die Eignung auch ohne Untersuchung festzustellen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind auch etwaige Möglichkeiten technischer und organisatorischer Arbeitsschutzmaßnahmen zu berücksichtigen.

Genetische Untersuchungen darf der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin weder vor noch nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses von Beschäftigten verlangen oder deren Ergebnisse entgegennehmen (§ 19 Gendiagnostikgesetz). Dieses gesetzliche Verbot gilt gemäß § 22 GenDG ausdrücklich auch für Beamtinnen und Beamte.