TRBA 213 - TR Biologische Arbeitsstoffe 213

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Abschnitt 3 TRBA 213 - Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1 Verantwortung und Organisation

(1) Der Arbeitgeber ist nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, die Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten daraufhin zu beurteilen, ob deren Gesundheit oder Sicherheit gefährdet ist. Ziel dieser Gefährdungsbeurteilung ist es zu ermitteln, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die festgestellten Gefährdungen der Beschäftigten zu verhindern. Die Verantwortung für die korrekte Durchführung der Gefährdungsbeurteilung liegt beim Arbeitgeber. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist nach § 5 (2) ArbSchG die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(2) Am Arbeitsplatz können neben Biostoffen gleichzeitig weitere unterschiedliche Belastungen oder Gefährdungen bestehen. Diese sind getrennt zu erfassen und zu beurteilen. Die Schutzmaßnahmen sind darauf abzustimmen und müssen alle Gefährdungen berücksichtigen (siehe Abb. 1).

(3) Der Arbeitgeber kann für seine Gefährdungsbeurteilung die Vorgaben dieser TRBA entsprechend § 4 BioStoffV verwenden, soweit die hier beschriebenen Tätigkeiten und Expositionsbedingungen sich auf die konkret zu beurteilende Situation übertragen lassen. Bei einer fehlenden oder nicht gegebenen Übertragbarkeit sind die entsprechenden Tätigkeiten und die damit verbundenen Gefährdungen entsprechend der TRBA 400 [4] (siehe insbesondere Nummer 5.4 "Expositionsstufen") zu beurteilen.

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Abb. 1: Gefährdungen durch Biostoffe als Teil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG

(4) Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig oder werden bestimmte Tätigkeiten im Betrieb an Fremdfirmen vergeben, sind die jeweiligen Arbeitgeber nach § 8 ArbSchG verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Arbeitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten. Eine gegenseitige Information über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ist erforderlich. Ggf. ist die Gefährdungsbeurteilung gemeinsam durchzuführen und insbesondere die Durchführung von Schutzmaßnahmen und der Unterweisung abzustimmen. Der Arbeitgeber muss sich je nach Art der Tätigkeit vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit angemessene Anweisungen in der für sie verständlichen Sprache erhalten haben.

(5) Bei einer Arbeitnehmerüberlassung trifft die Pflicht zur einsatz- und betriebsspezifischen Unterweisung den Entleiher. Er hat die Unterweisung unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Erfahrung der Personen, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen werden, vorzunehmen. Die sonstigen Arbeitsschutzpflichten des Verleihers bleiben unberührt.

3.2 Formale Anforderungen

(1) Die Gefährdungsbeurteilung nach der BioStoffV muss fachkundig erfolgen. Verfügt der Arbeitgeber selbst nicht über die entsprechenden Kenntnisse, hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Regelungen zur erforderlichen Fachkunde enthält die TRBA 200 "Anforderungen an die Fachkunde nach Biostoffverordnung" (Abschnitt 4.1) [5].

(2) Nach § 4 Absatz 2 BioStoffV ist die Gefährdungsbeurteilung mindestens jedes zweite Jahr zu überprüfen, bei Bedarf zu aktualisieren und das Ergebnis zu dokumentieren. Aktualisierungsanlässe sind:

  • maßgebliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen, wie z. B. der Einsatz neuer Arbeitsmittel oder Arbeitsverfahren, anderer Abfallarten oder Materialien oder

  • neue Informationen, wie z. B. Unfallberichte und Ergebnisse von Unfalluntersuchungen oder

  • Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie Erkenntnisse über bekannte tätigkeitsbezogene Erkrankungen bei vergleichbaren Tätigkeiten oder

  • ungenügende Wirksamkeit der festgelegten Schutzmaßnahmen.

(3) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind auch Tätigkeiten zu berücksichtigen, die nur selten oder anlassbezogen durchgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise Wartungs-, Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten.

(4) Tätigkeiten im Geltungsbereich dieser TRBA müssen keiner Schutzstufe zugeordnet werden und werden darum auch als Tätigkeiten ohne Schutzstufenzuordnung bezeichnet (§ 6 BioStoffV).

(5) In der Gefährdungsbeurteilung sind entsprechend der ermittelten spezifischen Gefährdungen arbeitsmedizinische Fragestellungen zu beachten und zu beurteilen.

(6) Das Spektrum der in Abfällen vorkommenden Biostoffe variiert in Abhängigkeit von Art, Herkunft und Aufarbeitung der Abfälle. Hierbei können die Expositionsverhältnisse zeitlich starken Schwankungen unterliegen und auch räumlich sehr unterschiedlich sein und z. B. vom Arbeitsbereich, Arbeitsverfahren, Arbeitsmanagement und Hygienezustand des Arbeitsplatzes abhängen. Entsprechend kann ein breites Spektrum an sensibilisierenden, toxischen und infektiösen Wirkungen auf den Menschen auftreten.

(7) Als Aufnahmepfade können Atemwege, Mund sowie direkter Kontakt zu Schleimhaut und verletzter bzw. geschädigter Haut in Frage kommen. Es besteht zudem die Gefahr von verletzungsbedingten Infektionen, da auch entsorgte, spitze Gegenstände wie z. B. Glasscherben, Nägel, Messer sowie gebrauchte Spritzen und Kanülen in Haushaltsabfällen vorzufinden sind.

(8) Aufgrund dieser komplexen Gefährdungssituation hat der Arbeitgeber für eine fachkundige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung arbeitsmedizinischen Sachverstand einzubeziehen (vgl. AMR 3.2 [6]). Dem Betriebsarzt sind alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse zu erteilen und die Begehung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen.

3.3 Gefährdungen durch Biostoffe

(1) Bei der Abfallsammlung kann abhängig von der Art des Abfalls eine Vielzahl von Bakterien, Schimmelpilzen und Viren auftreten, die sich gegebenenfalls im Abfall vermehrt haben und ein infektiöses, sensibilisierendes oder toxisches Potenzial haben [7, 8].

(2) Es kommt zu einer mikrobiellen Mischexposition der Beschäftigten, wobei die Expositionsverhältnisse zeitlich und räumlich starken Schwankungen unterliegen. Die dabei jeweils auftretenden Biostoffe sind nicht im Einzelnen nach Art, Menge und Zusammensetzung bekannt.

(3) Gemäß BioStoffV werden Biostoffe entsprechend des von ihnen ausgehenden Infektionsrisikos in Risikogruppen eingeteilt. Bei der Abfallsammlung treten in der Regel Biostoffe der Risikogruppen 1 und 2 auf [7, 8]. In bestimmten Bereichen, wie z. B. im Abfall aus Arztpraxen oder Haushaltungen mit Kranken oder Pflegebedürftigen, können infektiöse Materialien (z. B. an Spritzen in Abfallsäcken) vorhanden sein, die Biostoffe der Risikogruppe 3 enthalten.

(4) Einige Bakterien (unter anderem Aktinomyzeten) tragen ein sensibilisierendes Potenzial, welches beim Einatmen zu einer Gefährdung führen kann. Nur von einigen Schimmelpilzarten sind bisher allergene Wirkungen bekannt geworden. Erfahrungsgemäß führt erst längerfristige Exposition gegenüber atemwegssensibilisierenden Biostoffen in hoher Konzentration zu einer Sensibilisierung bis hin zu schwerwiegenden allergischen Erkrankungen [9].

(5) Toxische Wirkungen können Zellwandbestandteile abgestorbener Mikroorganismen entfalten, wie z. B. Endotoxine von gramnegativen Bakterien und Glucane von Pilzen. Dies gilt auch für Stoffwechselprodukte, zum Beispiel Mykotoxine.

(6) Bei der Beschaffung von Informationen für die Gefährdungsbeurteilung sind neben den zu erwartenden Biostoffen auch

  • die mit ihnen verbundenen Übertragungswege und Aufnahmewege (z. B. über die Atmung),

  • die Art, die Dauer und die Häufigkeit der Tätigkeiten,

  • fahrzeugspezifische Faktoren (z. B. Abdichtung des Laderaumes, Gestaltung der Einfüllmulde, Höhe der Ladekante, Verdichtungsmechanismus, Steuerung der Schüttung, Anordnung der Bedienelemente [10]),

  • andere spezifische, das Gefährdungspotenzial beeinflussende Einwirkungen (z. B. Störstoffe),

  • tätigkeitsbezogene Faktoren (z. B. Sichtkontrollen) sowie

  • regionale Unterschiede der Abfallzusammensetzung zu beachten.

(7) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind auch Informationen über bekannte tätigkeitsbezogene Erkrankungen bei vergleichbaren Tätigkeiten zu berücksichtigen. Dabei ist auch auf sensibilisierende oder toxische Wirkungen zu achten.

(8) Wartungs- und Reinigungsarbeiten am Abfallsammelfahrzeug sind bei der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Dabei sind die Angaben über die Häufigkeit der Arbeiten, die erforderlichen Tätigkeiten und die damit verbundenen Expositionsarten bzw. Aufnahmewege sowie die mögliche Expositionsdauer zu berücksichtigen.