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Abschnitt 1 - 1 Einführung, Anwendungsbereich

Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind nach § 136 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) Einrichtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Eine der Aufgaben einer WfbM ist es, den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Hierzu bietet sie ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen an. Dazu gehören auch ausgelagerte Arbeitsplätze auf dem allgemeinen, dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt.

In ausgelagerten Arbeitsplätzen erfahren betreute Beschäftigte eine den Bedingungen des allgemeinen Arbeitslebens nahe kommende berufliche Rehabilitation in einem Unternehmen außerhalb der Werkstatt. Ein Bestandteil dieser Rehabilitation ist die Einbindung des betreuten Beschäftigten in die Organisations- und Ablaufstruktur des aufnehmenden Betriebes.

Hierbei ist zu beachten, dass der Mensch mit Behinderung auch auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz seinen Status als Beschäftigter der WfbM behält und ihr gegenüber weiterhin Anspruch auf berufliche Bildung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Hilfestellung hat. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitsplatz zeitlich befristet oder dauerhaft ausgelagert ist.

Durch ihren rehabilitativen Charakter grenzt sich die Beschäftigung von WfbM-Beschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen von der Arbeitsnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) grundsätzlich ab. Wegen ihres besonderen Status gelten WfbM- Beschäftigte nicht als Arbeitnehmer. Das AÜG findet deshalb keine Anwendung 1) .

Nach Auffassung des Fachbereichs Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sollen ausgelagerte Arbeitsplätze dauerhaft keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze verdrängen, vernichten oder in Konkurrenz dazu treten. Sie stellen ein zusätzliches Angebot dar.

Die Rahmenbedingungen und Schnittstellen, unter denen die Tätigkeiten auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz erfolgen, sind immer durch einen schriftlichen Vertrag zwischen der Werkstatt und dem aufnehmenden Betrieb zu regeln. Auch auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz bleiben für die WfbM als Arbeitgeber des behinderten Menschen die Grundpflichten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bestehen. Diese müssen hier durch eine geeignete Pflichtenübertragung gewährleistet werden.

In den letzten Jahren haben sich in der alltäglichen Umsetzung immerwieder Schwierigkeiten und Probleme dadurch ergeben, dass beide Partner - WfbM und aufnehmender Betrieb - unterschiedliche Ansprüche aneinander stellten und zu wenig von einander wussten.

Für ausgelagerte Arbeitsplätze gilt das gleiche wie für die Arbeit im Unternehmen insgesamt:

  • nur wenn ausgelagerte Arbeitsplätze sorgfältig organisiert und vorbereitet sind, haben die Arbeitsverhältnisse einen Nutzen für beide Seiten,

  • nur wenn betreute Beschäftigte der WfbM auf den ausgelagerten Arbeitsplätzen in geeigneter Weise in die betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen eingebunden werden, können sie effektiv und sicher arbeiten.

In dieser Information finden Sie Kriterien und Hilfen,

  • was beim Einsatz von betreuten Beschäftigten der WfbM auf ausgelagerten Arbeitsplätzen zu berücksichtigen und zu beachten ist

    und

  • wie betreute Beschäftigte der WfbM auf ausgelagerten Arbeitsplätzen sicher und effektiv in die bestehenden Betriebsabläufe des aufnehmenden Betriebs eingebunden werden können.

Bevor ausgelagerte Arbeitsplätze eingerichtet werden können, müssen sich beide Vertragsparteien in einem intensiven Gespräch über die Notwendigkeit von beschützenden und individuell zugeschnittenen Rahmenbedingungen klar werden. Die Einbindung der Geschäftsführungen beider Vertragsparteien ist sicherzustellen.

Nach den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) sind auch für Mitarbeiter und betreute Beschäftigte der WfbM auf Außenarbeitsplätzen folgende Pflichten für die Sicherstellung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erfüllen:

  • Delegation der Arbeitgeberpflichten,

  • Sicherheitstechnische Betreuung,

  • Betriebsärztliche Betreuung,

  • Beurteilung der Arbeitsbedingungen,

  • Beseitigung bzw. Minimierung von Gesundheitsgefahren,

  • Anweisung, Unterweisung sowie Kontrollen.

Diese Pflichten bestehen für Beschäftigte von WfbM auch weiterhin, wenn diese auf ausgelagerten Arbeitsplätzen und damit räumlich außerhalb der Werkstatt eingesetzt sind.

Daher muss die entsendende WfbM zusammen mit dem aufnehmenden Betrieb durch organisatorische Regelungen und Absprachen dafür sorgen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz auch auf Außenarbeitsplätzen gewährleistet ist. Insbesondere für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen an den ausgelagerten Arbeitsplätzen und die hieraus abzuleitenden Maßnahmen sind sowohl die WfbM als auch der aufnehmende Betrieb zuständig. Hilfreich ist hierbei die Installation eines "Paten für den neuen Mitarbeiter" im aufnehmenden Betrieb. Diese Patenschaft fordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein im Betrieb. Der Pate muss sowohl menschlich als auch fachlich geeignet sein und bereit sein, sich beim Einsatz von betreuten Beschäftigten der WfbM auf die besonderen Anforderungen des "Neuen" einzulassen.

Da der Anspruch des betreuten Beschäftigten auf berufliche Bildung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Hilfestellung gegenüber seiner WfbM bestehen bleibt, ist von dort aus eine angemessene Betreuung durch Fachkräfte während der Beschäftigung auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz erforderlich.

Für dieses Tätigkeitsfeld haben sich viele Berufsbezeichnungen etabliert, die aber nicht bundeseinheitlich verwendet werden. Üblich sind hier zurzeit Bezeichnungen wie Jobcoach, Integrationsbegleiter, Integrationsassistent, Arbeitsassistent, Praxisbegleiter oder Integrationsberater. Im Folgenden wird der Einfachheit halber vom Integrationsbegleiter 2) gesprochen.

Mindestens diese Fachkräfte der WfbM und der Pate im aufnehmenden Betrieb sollten während der Arbeit im aufnehmenden Betrieb engen Kontakt miteinander pflegen, um bei erkennbaren Schwierigkeiten im Rahmen der Beschäftigung rechtzeitig notwendige Maßnahmen abstimmen zu können. In der Regel besitzt der Personenkreis der Integrationsbegleiter zu wenige Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit, teilweise auch hinsichtlich einer speziellen Arbeitspädagogik (SPZ und FAB). Eine bundesweit einheitliche Ausbildung für Integrationsbegleiter existiert bisher nicht. Erforderliche Kenntnisse im Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen derzeit noch in Eigenregie erworben werden.

Die folgenden Dokumente und Checklisten sollen die Verantwortlichen in der WfbM und in aufnehmenden Betrieben ausschließlich hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der Vertragsgestaltung und Einrichtung ausgelagerter Arbeitsplätze unterstützen. Die Inhalte sind nicht abschließend und können bzw. sollen jeweils jederzeit individuell an die Gegebenheiten angepasst werden.

Inhalt der Dokumente sind neben rechtlichen Informationen auch Hilfen

  • zur Bedarfsermittlung,

  • zur Festlegung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten,

  • zu Fragen der Arbeitsgestaltung,

  • zu Unterweisungen sowie

  • zu Vertragsinhalten.

Weiterhin unterstützen die Dokumente eine nachträgliche Auswertung eines Einsatzes des betreuten Beschäftigten der WfbM auf dem ausgelagerten Arbeitsplatz, um diese Beschäftigungsmöglichkeiten im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) ständig zu optimieren.

Siehe hierzu: Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit, SP III 32-7160.4(1), gültig ab 01.12.2011, Ziffer 1.1.5 (13)

Die Behindertenrechtskonvention (BRK) benutzt den Begriff Integration nicht mehr und spricht nur noch von Inklusion.