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Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
42, 115 [Nr. 23 Anspruch auf Baugenehmigung bei fehlender privater Berechtigung]

Rechtsgrundlagen:

GG Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1
Urteil des 4. Senats vom 23. März 1973 - BVerwG 4 C 49.71

Der Anspruch auf Erteilung einer Bau- oder Bebauungsgenehmigung findet seine Grundlage (auch) in Art. 2 Abs. 1 GG. Er setzt daher nicht voraus, daß der Antragsteller Eigentümer oder in vergleichbarer Weise am Grundstück berechtigt ist. Eine Genehmigung darf jedoch dann versagt werden, wenn sie wegen der bestehenden privatrechtlichen Hindernisse nutzlos wäre.

Vorinstanzen

I. Verwaltungsgericht DüsseldorfII. Oberverwaltungsgericht Münster

Der Kläger erstrebt die Bebauungsgenehmigung für ein nicht in seinem Eigentum stehendes Grundstück. Innerhalb des gerichtlichen Verfahrens hat die Grundstückseigentümerin sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszug erklärt, daß sie mit den Verfahrensanträgen des Klägers einverstanden sei.

Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde haben ihre versagenden Bescheide allein darauf gestützt, daß das Vorhaben des Klägers nach § 35 BBauG zu beurteilen und nach dieser Vorschrift unzulässig sei. Erst im Verwaltungsstreitverfahren ist der Beklagte der Klage mit dem zusätzlichen Hinweis entgegengetreten, daß der Kläger an dem Flurstück 242 keinerlei Rechte habe und ihm deshalb die Klagebefugnis fehle.

Die Klage hatte im ersten und zweiten Rechtszug Erfolg. Auch die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

BVerwGE 42, 115, Seite 116

Aus den Gründen:

Der Beklagte hält die Entscheidung sowohl der ersten als auch der zweiten Instanz für unter anderem deshalb ungerechtfertigt, weil der Kläger weder Eigentümer des Flurstücks 242 ist noch an diesem Flurstück irgendwelche dem Eigentum vergleichbaren Rechte hat. Daraus versucht der Beklagte herzuleiten, daß der Kläger im eigenen Namen eine Bau- (oder auch Bebauungs-)genehmigung nicht beantragen und erst recht nicht gegen ihre Versagung im Wege der Klage vorgehen könne. Diese – im übrigen nur teilweise das Bundesrecht berührende – Ansicht ist falsch. Das liegt im wesentlichen bereits an ihrem unzutreffenden Ausgangspunkt. Der Beklagte meint offenbar, daß das Eigentum oder eine vergleichbare Grundstücksberechtigung Voraussetzung für einen Anspruch auf Baugenehmigung sei. So liegt es indessen nicht. Das Eigentum oder ein vergleichbares Recht ist nicht Voraussetzung einer Baugenehmigung, sondern es ist umgekehrt das Fehlen entsprechender Berechtigungen (nur) unter ganz bestimmten Umständen ein verfahrensrechtlicher Grund, die beantragte Genehmigung zu versagen. Dieser von den Ausführungen des Beklagten abweichende Ansatz hat seinen Grund darin, daß der Anspruch auf Baugenehmigung grundrechtlich fundiert ist und seine grundrechtliche Anknüpfung nicht allein und nicht erst in Art. 14 Abs. 1 GG, sondern – deshalb ein Recht am Grundstück nicht voraussetzend – in der Entfaltungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG findet (ebenso etwa auch Menger/Erichsen VerwArch. 56, 387 f. und Schwerdtfeger DÖV 1966, 494). Die darin – für den Ausgangspunkt – zum Ausdruck kommende Unerheblichkeit der privatrechtlichen Rechtslage ist einer der Gründe für die überlieferte und auch in wohl allen geltenden Bauordnungen enthaltene Regel, daß eine Baugenehmigung stets unbeschadet der Rechte Dritter erteilt werde (vgl. etwa Art. 91 Abs. 7 BayBauO sowie die §§ 95 Abs. 3 LBauOBaWü., 99 Abs. 3 Satz 1 HBauO, 88 Abs. 6 Satz 1 BauONW, 80 Abs. 3 LBauORhldPf. und 96 Abs. 6 Satz 1 SaarlBauO).

Angesichts der grundrechtlich-bundesrechtlichen Anknüpfung bei Art. 2 Abs. 1 GG stellt sich die Frage, wie die Fälle fehlender privatrechtlicher Berechtigung zu behandeln sind, lediglich in der erwähnten „umgekehrten“ Weise, d. h. dahin, ob und unter welchen Umständen trotz der BVerwGE 42, 115, Seite 117grundrechtlichen Deckung durch Art. 2 Abs. 1 GG die Genehmigung abgelehnt und dies im landesrechtlichen Verfahrensrecht näher geregelt werden kann. Dazu ergibt sich: Nach Bundesrecht darf eine Genehmigung, auf die „an sich“ Anspruch besteht, grundsätzlich dennoch versagt werden, wenn es dem Antragsteller an einem schutzwürdigen Antrags- (oder Sachbescheidungs-) Interesse fehlt. Dieser Grundsatz greift insbesondere dort ein, wo der Antragsteller aus Gründen, die jenseits des Verfahrensgegenstandes liegen, an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert und deshalb die Genehmigung ersichtlich nutzlos wäre. Ein solcher Fall kann bei fehlender (und nach Lage der Dinge auch nicht erreichbarer) privatrechtlicher Berechtigung gegeben sein: An einer (Bau-)Genehmigung, die sich mit Rücksicht auf die privatrechtlichen Verhältnisse nicht verwirklichen läßt, hat der Antragsteller kein schutzwürdiges Interesse; die zur Entscheidung berufene Behörde ist daher zwar nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt, die Genehmigung allein aus diesem Grunde zu verweigern (vgl. dazu – teilweise in Fortbildung des Urteils vom 17. Dezember 1964 – BVerwG I C 130.63 – in BVerwGE 20, 124 [126 f.] – die Beschlüsse vom 31. Oktober 1966 – BVerwG IV B 129.65 – [BlfGBW 1967, 78], vom 10. August 1967 – BVerwG IV CB 210.65 – [S. 5], vom 29. Februar 1968 – BVerwG IV B 43.66 – [S. 2] und das Urteil vom 10. Mai 1968 – BVerwG IV C 8.67 – EPlaR I 4 b BVerwG 5.68/3 [IV] sowie Gierth DVBl. 1967, 848 ff., Kienzle NJW 1965, 1497 f., Menger/Erichsen a.a.O. und Schwerdtfeger a.a.O. insbes. S. 496). In der Reichweite dieses bundesrechtlichen Grundsatzes ist auch das Landesrecht zumindest ungehindert, grundrechtlich fundierte Genehmigungsansprüche einzuschränken. Das kann ebenso mit einer Übernahme dieses Grundsatzes wie dadurch geschehen, daß das Landesrecht (evtl. zusätzlich) eine nähere Regelung trifft, also z. B. für Bauanträge von Nichteigentümern anordnet, daß eine förmliche Zustimmung des Eigentümers verlangt werden dürfe oder solle (in diesem Sinne etwa Art. 86 Abs. 4 Satz 3 BayBauO und die §§ 90 Abs. 4 Satz 2 LBauOBaWü., 94 Abs. 2 Satz 2 HBauO, 83 Abs. 4 Satz 3 BauONW und 91 Abs. 4 Satz 3 SaarlBauO; vgl. ferner § 76 Abs. 3 LBauORhldPf.). Das Bundesrecht selbst stellt zwar in der zuletzt genannten Richtung keine Anforderungen (vgl. die bereits angeführten Beschlüsse vom 31. Ok-BVerwGE 42, 115, Seite 118tober 1966 und 10. August 1967 sowie den Beschluß vom 18. April 1968 – BVerwG IV B 211.66 – [BlfGBW 1969, 39]), nimmt jedoch entsprechende Anforderungen des Landesrechts hin, weil in ihnen nichts anderes als eine nähere Regelung des Grundsatzes zu sehen ist, daß bei fehlendem (oder nicht dargetanem) Antragsinteresse eine Genehmigung nicht erteilt zu werden braucht.

Daraus ergibt sich in Würdigung des vorliegenden Falles: Das Berufungsgericht hat erstens die grundsätzliche Legitimation des Klägers bejaht, zweitens unter Anwendung der §§ 83 f. BauONW eine Zustimmung des Grundeigentümers verlangt und drittens das Vorliegen einer solchen Zustimmung bejaht. Das ist in allen seinen Teilen unbedenklich, – im ersten Teil, weil es mit Rücksicht auf Art. 2 Abs. 1 GG bundesrechtlich geboten ist, und in seinem zweiten und dritten Teil, weil es sich um landesrechtliche Einschränkungen handelt, die – als solche irrevisibel – den Genehmigungsanspruch in zulässiger (und überdies mit bundesrechtlichen Grundsätzen übereinstimmender) Weise einschränken.

Für das Bundesrecht kann sich darüber hinaus allenfalls noch fragen, ob dem Kläger wegen des Fehlens einer privatrechtlichen Grundstücksberechtigung etwa das Rechtsschutzinteresse für die Klage abgesprochen werden muß. Dem steht jedoch von vornherein entgegen, daß sich der Beklagte und die Widerspruchsbehörde im Vorverfahren nicht auf die angeblich fehlende Legitimation berufen, sondern zur Sache entschieden haben. Nachdem eine derartige Sachentscheidung in der Welt ist, könnte das Fehlen eines Rechtsschutzinteresses allenfalls für Sachverhalte in Erwägung gezogen werden, in denen angesichts der privatrechtlichen Rechtslage die Erhebung der Klage als geradezu mißbräuchlich erscheinen muß. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.