DGUV Information 213-032 - Gefahrstoffe im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 8 - 8 Arbeitsmedizinische Vorsorge

Die arbeitsmedizinische Vorsorge dient allgemein der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit. Sie ist Teil der arbeitsmedizinischen Prävention im Betrieb und eng mit der Gefährdungsbeurteilung verknüpft (AMR 3.1), damit trägt sie zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes bei. Der Arzt oder die Ärztin hat die Erkenntnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge auszuwerten. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten nicht ausreichen, so hat der Arzt oder die Ärztin dies dem Arbeitgeber mitzuteilen und Schutzmaßnahmen vorzuschlagen (AMR 6.4). Die arbeitsmedizinische Vorsorge soll zugleich einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und Wiedereingliederung nach Unfällen und Krankheit leisten. Die einzuhaltenden Fristen für die Vorsorge sind der AMR 2.1 zu entnehmen. Kurzinformationen der BG RCI finden sich im Literaturverzeichnis.

Darüber hinaus soll die arbeitsmedizinische Vorsorge die Beschäftigten individuell zur Vermeidung von arbeitsbedingten Erkrankungen beraten und arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig erkennen. Idealerweise sollen dafür gute präventive und diagnostische Instrumente wie Biomonitoring verwendet werden. Geeignete Biomonitoringverfahren stehen jedoch für Gefahrstoffexpositionen im Gesundheitsdienst im Allgemeinen nicht zur Verfügung. Bezogen auf Gefahrstoffe steht deshalb die Beratung zur Expositionsvermeidung und Früherkennung im Vordergrund. Deshalb werden im Gesundheitsdienst in der Praxis kaum gefahrstoffbezogene Vorsorgen veranlasst oder durchgeführt, sondern häufig mit anderen Anlässen (Biostoffe, Feuchtarbeit, Belastungen des Muskel-Skelett-Systems, Bildschirmtätigkeit) zusammengelegt.

Biomonitoring ist Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge, soweit dafür arbeitsmedizinisch anerkannte Analyseverfahren und geeignete Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen. Biomonitoring und andere medizinische Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden. Eine Überwachung der Konzentration von Gefahrstoffen im biologischen Material (Blut oder Urin) ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Gefahrstoffe zusätzlich zum Aufnahmeweg über den Atemtrakt auch über die Haut, zum Beispiel bei hautresorptiven Stoffen, aufgenommen werden können (AMR 6.2). Zur Bewertung der Konzentration von Gefahrstoffen im biologischen Material sind die biologischen Grenzwerte nach TRGS 903 heranzuziehen. Weitere Informationen finden sich auch in der arbeitsmedizinischen Leitlinie zum Biomonitoring.

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) unterscheidet Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge. Die Anlässe für Pflicht- und Angebotsvorsorge sind abschließend im Anhang Teil 1 der ArbMedVV definiert (Abschneidekriterien für CM-Stoffe nach AMR 11.1). Wunschvorsorge ist dann auf Wunsch der Beschäftigten zu gewähren, wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann (Arbeitsmedizinische Empfehlungen Wunschvorsorge).

Auszug aus dem Anhang 1 der ArbMedVV zur Pflicht- und Angebotsvorsorge:

  1. (1)

    Pflichtvorsorge bei besonders gefährdenden Tätigkeiten wird dann ausgelöst, wenn

    1. 1.

      bei Tätigkeiten mit bestimmten Gefahrstoffen, wie sie im Anhang Teil 1 genannt sind

      1. a)

        der AGW nach der GefStoffV nicht eingehalten wird

      2. b)

        eine wiederholte Exposition nicht ausgeschlossen werden kann und der Gefahrstoff ein krebserzeugender oder keimzellmutagener Stoff der Kategorie 1A oder 1B im Sinne der GefStoffV ist oder die Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff als krebserzeugende Tätigkeiten oder Verfahren Kategorie 1A oder 1B im Sinne der GefStoffV bezeichnet werden oder

      3. c)

        der Gefahrstoff hautresorptiv ist und eine Gesundheitsgefährdung durch Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden kann.

    2. 2.

      Bei sonstigen Tätigkeiten

      1. a)

        Feuchtarbeit von regelmäßig vier Stunden oder mehr am Tag

      2. b)

        Tätigkeiten mit Benutzung von Naturgummilatexhandschuhen mit mehr als 30 Mikrogramm Protein je Gramm im Handschuhmaterial

  2. (2)

    Angebotsvorsorge wird dann ausgelöst, wenn

    1. 1.

      bei Tätigkeiten mit bestimmten Gefahrstoffen, wie sie in Anhang Teil1 der ArbMedVV genannt sind trotz Ausschöpfung aller anderen Arbeitsschutzmaßnahmen eine Exposition nicht ausgeschlossen werden kann und der Arbeitgeber keine Pflichtvorsorge zu veranlassen hat;

    2. 2.

      bei sonstigen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

      • krebserzeugende oder keimzellmutagene Gefahrstoffe der Kategorie 1A oder 1B verwendet werden: Beispiel Formaldehyd in der Pathologie

      • Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag vorliegt,

      • Tätigkeiten mit Exposition gegenüber atemwegssensibilisierend oder hautsensibilisierend wirkenden Stoffen durchgeführt werden: Beispiel Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln, die Glutaraldeyd enthalten (H 334).

Das Vorhandensein Persönlicher Schutzausrüstungen ersetzt die arbeitsmedizinische Vorsorge nicht. Wenn Atemschutz verwendet werden muss, ist dafür zusätzlich in Abhängigkeit von der Art des Atemschutzgerätes eine Vorsorge anzubieten oder zu veranlassen (s. AMR 14.2).

In den Kapiteln zu den Gefahrstoffgruppen sind relevante Anlässe genannt. Bei der Entscheidung sind der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin beratend hinzuzuziehen. Der Unternehmer oder die Unternehmerin haben Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorgen und gegebenenfalls Biomonitoring auf ihre Kosten zu veranlassen. Sind mehrere Vorsorgeanlässe zum Beispiel durch Feuchtarbeit, Gefahrstoffexposition und Verwenden von Atemschutz gegeben, können sie an einem Termin zusammengefasst werden. Die arbeitsmedizinische Vorsorge hat stets den ganzen Menschen und dessen Arbeit im Blick und kann sich deshalb nicht auf die Untersuchung einzelner Organsysteme (z. B. Haut oder Blut) beschränken.