DGUV Information 213-026 - Sicherheit und Gesundheit im chemischen Hochschulpraktikum Grundwissen für Studierende

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Abschnitt 5.4 - 5.4 Exotherme Reaktionen

Viele chemische Reaktionen sind exotherm. Wird die gebildete Wärme nicht oder nicht ausreichend abgeführt, führt dies zur Selbsterhitzung der Reaktionsmischung und damit zur Beschleunigung des Reaktionsverlaufes ("Durchgehen" der Reaktion, in der Literatur auch als "runaway reactions" bezeichnet).

Die Folge ist, dass es zum unkontrollierten Sieden des Lösemittels, zum Austritt des Reaktionsgemisches aus der Apparatur oder sogar zu heftigen, explosionsartigen Zersetzungsreaktionen kommen kann.

Diese Gefahr des "Durchgehens" ist besonders dann gegeben, wenn exotherme Reaktionen erst nach einer Induktionsperiode anspringen. Beispiele sind die Herstellung von Grignardverbindungen oder die Nitrierung reaktiver Aromaten. Bei solchen Reaktionen ist ein wirksames Kühlbad bereitzustellen und bis zur Beobachtung einer kontrollierten Reaktion ein größerer Reagenzüberschuss zu vermeiden.

Unkontrollierte exotherme Reaktionen können auch bei Aufarbeitungsprozeduren auftreten, insbesondere dann, wenn überschüssige reaktive Reagenzien, wie Säurehalogenide, Alkalimetallhydride usw. inaktiviert werden müssen. Eine zu exzessive Kühlung des Reaktionskolbens kann dazu führen, dass eine Reaktion nicht anspringt. Es ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die in der Versuchsvorschrift angegebene Reaktionstemperatur eingehalten wird. Bis zum Anspringen der Reaktion - erkennbar an einem deutlichen Temperaturanstieg - dürfen keine großen Mengen an Edukten zusammengegeben werden.

Die Kontrolle exothermer Reaktionen erfolgt durch Kühlung des Reaktionsgefäßes oder durch Rückflusskühlung, siehe auch Kapitel 3.5.

Hinweis 1: Die Kühlung von Versuchen mit Stoffen, die mit Wasser reagieren, darf nur mit Kühlern mit Metallwendel erfolgen.

Hinweis 2: Je nach Ansatzgröße kann die Kühlleistung zur Kontrolle der Reaktion dennoch zu gering sein.

Zu beachten ist hierbei, dass eine gute Durchmischung die Wärmeabfuhr aus der Reaktionsmasse begünstigt, eine hohe Viskosität oder feste Ablagerungen auf der Kühlfläche den Wärmedurchgang verringern.

Die Kontrolle exothermer Reaktionen kann auch durch

  • die langsame Zugabe eines Reaktionspartners,

  • die Zugabe eines gekühlten Reaktionspartners oder

  • durch Beachtung der Reihenfolge der Zugabe der Reaktionspartner (Ausnutzung der Wärmekapazität) erfolgen.

Der in Versuchsvorschriften oft verwendete Passus, wonach ein Reaktand "portionsweise" zugegeben werden soll, muss unter Abwägung der vorhandenen Stoffmengen erfolgen. Zu große Portionen führen unweigerlich zu schlecht kontrollierbaren Reaktionsverläufen (z. B. starkes Aufschäumen).

Bei exothermen Reaktionen ist ganz besonders vor einer erheblichen Ansatzvergrößerung zu warnen. Beim Übergang zu größeren Apparaturen vom Labor- zum Technikums-Maßstab ändern sich die Masse der Stoffe und damit die Reaktionswärme.

Die Gefahr einer Selbsterhitzung wird also mit wachsender Masse größer. Eine Ansatzvergrößerung sollte daher stets in kleinen Schritten und unter ständiger Beobachtung möglicher exothermer Effekte vorgenommen werden.

  • Siehe auch DGUV Information 213-850 "Sicheres Arbeiten in Laboratorien" (DGUV Information 213-851 "Working Safely in Laboratories"), Abschnitt 4.13