DGUV Information 213-026 - Sicherheit und Gesundheit im chemischen Hochschulpraktikum Grundwissen für Studierende

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Richtiges Arbeiten am Abzug

Der Abzug ist die wichtigste Sicherheitseinrichtung im Labor.

Im Abzugsinneren bildet sich in der Regel eine walzenförmige Luftströmung aus, welche die luftgetragenen Gefahrstoffe als Fracht in der Abluft abführt (siehe Abbildung 33).

Ferner wird durch die sich einstellende Verdünnung die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre im Abzugsinnenraum bei Tätigkeiten mit entzündbaren Flüssigkeiten oder Gasen in der Regel verringert, wenn die in der Gefährdungsbeurteilung/Arbeitsanweisung angegebenen Mengen eingehalten werden. Größere Ansätze müssen daher u.U. geteilt werden. Dies gilt insbesondere bei neuen

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Abb. 33
Raumluftwalze - Luft aus dem Laborraum (blau) strömt in den Abzug, nimmt dort luftgetragene Gefahrstoffe auf und beginnt sich zu drehen, während im Bereich der Prallwand der gleiche Volumenstrom an Luft (rot) abgeführt wird

Abzügen mit reduzierter Luftleistung beim Betrieb mit geschlossenem Frontschieber.

Der Abzug soll

  • den Austritt von Gefahrstoffen aus dem Abzug in den Laborraum verhindern,

  • die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre im Inneren verringern und

  • vor dem Verspritzen von Stoffen oder dem Herausschleudern von Splittern und Fragmenten schützen.

Der Abzug kann seine Schutzfunktion nur gewährleisten, wenn auch richtig daran gearbeitet wird. Dabei hat der Frontschieber eine Schlüsselfunktion bei allen drei Schutzzielen.

  • Die Frontschieber und horizontal verschiebbare Scheiben sind möglichst geschlossen zu halten (siehe Abbildung 34). Je weiter der Abzug geöffnet ist, desto schlechter ist in aller Regel das Rückhaltevermögen für Gefahrstoffe im Abzug. Arbeiten sollen nach Möglich-

    keit durch seitlich verschiebbare Frontschieberteile ausgeführt werden.

    Front- und Seitenschieber dürfen nicht gleichzeitig geöffnet werden.

  • Bei geöffnetem Frontschieber darf nur in begründeten Ausnahmefällen gearbeitet werden, da hierbei der Schadstoffaustritt unkontrollierbar, der Brand- und Explosionsschutz beeinträchtigt wird und der Benutzer des Abzuges nicht gegen verspritzende gefährliche Stoffe oder umherfliegende Glassplitter geschützt ist. Auch dann darf der Frontschieber nur so weit wie erforderlich, maximal bis zu einer Öffnung von 0,5 m Höhe (Abzüge nach der neuesten Norm haben hier eine Sperre) geöffnet werden.

  • Starke Luftströmungen vor Abzügen, z. B. aus Zuluftauslässen, Umluftkühlgeräten, offenen Fenstern und Türen sind zu vermeiden.

  • Rasche Bewegungen (Armbewegungen, Vorbeilaufen) vor ausnahmsweise offen stehenden Abzügen sind zu vermeiden.

  • Nur die für die jeweiligen Arbeiten erforderlichen Geräte und Chemikalien sind in den Abzug zu stellen.

  • Luftströmungen im Abzug dürfen keine Abzugsatmosphäre nach außen blasen. Der Betrieb von Gasbrennern, Heißluftgebläsen oder Heizbädern im Abzug kann die Luftströmung erheblich stören und deshalb sind diese nur im notwendigen Umfang zu betreiben. Ventilatoren von Elektromotoren (z. B. von Vakuumpumpen) erzeugen kräftige Strömungen. Diese sollen daher möglichst nicht im Abzug oder, falls doch nötig, weder auf den Frontschieber, noch auf die Prallwand gerichtet werden. Siehe auch nachfolgende Abbildungen.

  • Bei größeren thermischen Lasten sind hierfür ausgelegte Abzüge zu verwenden ("Abrauchabzüge"), da sonst Gefahrstoffe mit der heißen Luft aus dem Abzug in den Laborraum gedrückt werden können.

  • Die Abzugswirkung wird ebenso durch Strömungshindernisse, wie z. B. Regalböden, Standflaschen oder herumstehende Geräte, stark beeinträchtigt. Die Abzüge sollten daher so weit wie möglich freigeräumt sein.

  • Abzüge dürfen nicht zur Lagerung von Chemikalien oder zur Aufstellung von abzusaugenden Großgeräten (Muffelofen, Trockenschrank etc.) missbraucht werden.

  • Abzüge dürfen nicht überlastet werden. Bei der Versuchsdurchführung sind alle nicht erforderlichen Geräte und Vorratsflaschen zu entfernen. Zu große Apparaturen können nicht immer sicher betrieben oder größere Stoffaustritte können nicht sicher beherrscht werden.

  • Die nachfolgend angegebenen Ansatzgrößen sind erfahrungsgemäß in typischen Laborapparaturen im Abzug sicher zu handhaben. Die jeweils eingesetzte maximale Menge pro Ansatz ist dem Gefahrenpotential des einzelnen Gefahrstoffs anzupassen:

    • Flüssigkeiten werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 2,5 Liter eingesetzt.

    • Flüssige Gefahrstoffe, die als akut toxisch Kat. 3, krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind, werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 0,5 l eingesetzt.

    • Flüssige Gefahrstoffe, die als akut toxisch Kat. 1 und 2 eingestuft sind, werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 0,1 l eingesetzt.

    • Feststoffe werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 1 kg eingesetzt.

    • Feststoffe, die akut toxisch Kat. 3, krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind, werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 0,5 kg eingesetzt.

    • Feststoffe, die akut toxisch Kat. 1 und 2 eingestuft sind, werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 0,1 kg eingesetzt.

    • Ist für Gase, zum Beispiel Stickstoff, Argon, Wasserstoff oder Propan keine zentrale Gasversorgung vorhanden, wird die kleinste mögliche Gebindegröße (maximal 50-l-Druckgasflasche) benutzt.

    • Bei akut toxischen, krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gasen werden lecture bottles oder Kleinstahlflaschen eingesetzt. Maximal dürfen 10-l-Druckgasflaschen eingesetzt werden.

    • Chemikalienrechtlich nicht vollständig geprüfte Flüssigkeiten oder Feststoffe (z. B. Zwischenprodukte) werden in Mengen von jeweils nicht mehr als 0,5 l oder 0,5 kg eingesetzt (Anforderung an die Identifizierbarkeit der Stoffe siehe TRGS 201 Nr. 4.7.2)

  • Austretende Gase, Dämpfe, Aerosole oder Stäube sind nach Möglichkeit an der Austrittsstelle zu erfassen und z. B. durch Absorption zu beseitigen.

  • Apparaturen sind mit einem möglichst großen Abstand (mindestens jedoch 10 cm) zum Frontschieber aufzubauen; größere Aufbauten benötigen eine Bodenfreiheit von mindestens 5 cm, um die Luftströmungen im Abzug nicht zu beeinträchtigen.

  • Signalisiert die Alarmierung am Abzug eine Unterfunktion (optisch oder akustisch), sind alle Arbeiten, die zu einem Austritt von Gefahrstoffen in die Luft führen können, unverzüglich kontrolliert einzustellen. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Abzug keinen ausreichenden Schutz mehr bietet. Notwendige Arbeiten zur Absicherung der Experimente sind erforderlichenfalls mit Atemschutz auszuführen. Bei älteren Abzügen sind Windrädchen oder Wollfaden zur Strömungsanzeige funktionsfähig zu halten und zu beachten.

  • Im Fall einer Störung oder Alarmierung sind die Ursachen zu ermitteln und zu beseitigen.

  • Manipulationen an der Überwachungseinrichtung zur Beseitigung von Alarmierungen sind in jedem Fall verboten, gegebenenfalls sogar strafbar!

  • Siehe auch DGUV Information 213-850 "Sicheres Arbeiten in Laboratorien" (DGUV Information 213-851 "Working Safely in Laboratories"), Abschnitt 6.3

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Abb. 34
Geschlossener Frontschieber, Normalbetrieb

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Abb. 35
Vermeidung der Störung der Luftwalzen durch "Sperrige Aufbauten"

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Abb. 36
Störung der Luftwalze durch thermische Ablasten möglich. Deshalb Versuchsaufbauten im hinteren Bereich aufstellen.