DGUV Information 203-059 - Sicherheit beim Betreiben von Wasserkraftwerken

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Abschnitt 6.1 - Maschinenhäuser und Kavernen

6.1.1
Turbinen und zugehörige Einrichtungen (Pumpen und Regler)

Freilaufende Wellen können Personen erfassen und zu schweren Verletzungen führen. Diese Gefährdungen können durch trennende Schutzeinrichtungen (Verkleidungen) vermieden werden. Der Einsatz von Umwehrungen (z.B. Geländer) ist ebenfalls möglich, wenn keine Arbeiten im Bereich der Welle notwendig sind und die Umwehrung einen ausreichenden Abstand zur Welle aufweist.

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Abb. 6.1.1.1: Typische Gestaltung einer trennenden Schutzeinrichtung an einer Turbinenwelle

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Abb. 6.1.1.2: Die vertikale Welle einer Francisturbine besitzt teilweise keine Verkleidung. Der Schutz wird durch einen ausreichenden Abstand des Verkehrsweges zur Welle erreicht.

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Abb. 6.1.1.3: Einzugstellen an Riementrieben von Regeleinrichtungen werden durch Verkleidungen gesichert.

Bei einem Notschluss der Turbine werden der Regulierring und die Lenkarme unerwartet und schnell bewegt. Quetsch- und Scherstellen an den Lenkarmen der Leitschaufeln sind durch Abdeckungen gegen Hineintreten zu sichern. Die Abdeckungen sollten so gestaltet sein, dass kleinere Arbeiten ohne Entfernung der Abdeckungen möglich sind.

Es empfiehlt sich, z.B. Öl- und Fettschmierstellen in sichere Arbeitsbereiche zu verlegen.

Vor der Aufnahme von Arbeiten, die eine Entfernung der Abdeckungen erfordern, ist der Antrieb des Leitapparates freizuschalten und gegen Wiedereinschalten zu sichern. Darüber hinaus ist der Leitapparat gegen unbeabsichtigte Bewegungen mechanisch zu sichern.

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Abb. 6.1.1.4: Beispiel eines unverdeckten Leitapparates

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Abb. 6.1.1.5: Beispiel für eine Gitterrostabdeckung eines Leitapparates. Zur verbesserten Zugänglichkeit sind die einzelnen Segmente klappbar ausgeführt.

Beim und nach dem Ausbau von Anlageteilen können im Einzelfall Absturzgefahren entstehen. Absturzgefahren sind in erster Linie durch den Einsatz von baulichen Einrichtungen, wie z.B. Brüstungen, Geländern und Abdeckungen zu vermeiden.

Können Brüstungen, Geländern und Abdeckungen zum Schutz gegen Absturz nicht eingesetzt werden, kommen persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz zum Einsatz.

Zum Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen siehe Regel "Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz" (BGR/GUV-R 198) und Regel "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen zum Retten aus Höhen und Tiefen" (BGR/GUV-R 199).

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Abb. 6.1.1.6: Ist z.B. für Einweisarbeiten im Rahmen des Kraneinsatzes ein unmittelbarer Aufenthalt von Personen an Absturzkanten erforderlich, ist PSA gegen Absturz einzusetzen.

Um Arbeiten sicher ausführen zu können, ist im Einzelfall der Einsatz von Arbeitsbühnen und von Sondergerüsten erforderlich. Die Bühnen und Gerüste sind für den konkreten Einsatzort zu konzipieren. Ein statischer Nachweis ist erforderlich. Für den Einbau der Bühnen und Gerüste ist eine Aufbauanleitung zu erstellen und einzuhalten.

Der Ersteller der Bühnen und Gerüste ist für deren Ausführung, Änderungen, Prüfung und schriftlichen Freigabe vor Aufnahme der Arbeit verantwortlich. Der Ersteller muss hierzu die notwendige Fachkunde besitzen.

Bühnen und Gerüste sind so zu gestalten, dass die Belagflächen eben, gegen Verrutschen gesichert sind und keine Öffnungen aufweisen.

Arbeiten mit erhöhten elektrischen Gefährdungen im Bereich der in Abb. 6.1.1.7 gelb markierten Fläche sind entsprechend Abschnitt 7 auszuführen.

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Abb. 6.1.1.7: Querschnitt durch ein Maschinenhaus eines Laufwasserkraftwerkes

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Abb. 6.1.1.8: Arbeitsbereich auf Ebene A gemäß Abb. 6.1.1.7. Der Arbeitsbereich kann über eine Treppe sicher erreicht werden.

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Abb. 6.1.1.9: Beispiel für ein umlaufendes Konsolgerüst in der Ebene B gemäß Abb. 6.1.1.7

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Abb. 6.1.1.10: Beispiel für ein Sondergerüst auf Ebene B gemäß Abb. 6.1.1.7. Ebenfalls verbreitet ist der Einsatz von Hängegerüsten.

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Abb. 6.1.1.11: Sicht von der Turbinenwelle auf eine Sondergerüst in Ebene B gemäß Abb. 6.1.1.7

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Abb. 6.1.1.12: Speziell eingepasste Arbeitsplattform auf Ebene C gemäß Abb. 6.1.1.7

6.1.2
Krananlagen

Die Bedienung von Krananlagen darf nur durch hierzu ausgebildete Personen erfolgen. Es empfiehlt sich, die Kranführer schriftlich zu bestellen.

Zur Ausbildung von Personen siehe Grundsatz "Auswahl, Unterweisung und Befähigungsnachweis von Kranführern" (BGG 921).

Kranführer sind arbeitsmedizinisch nach dem Grundsatz der arbeitsmedizinischen Vorsorge (G 25) "Fahr- und Steuertätigkeiten" zu untersuchen.

Sollten Krananlagen abweichend vom ursprünglichen bestimmungsgemäßen Verwendungszweck eingesetzt werden, sind geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die eine Gefährdung von Personen ausschließen.

Zu den üblichen, vom ursprünglichen bestimmungsgemäßen Verwendungszweck abweichenden Kraneinsätzen in Wasserkraftwerken zählen z.B.: Transport von Personen mit Personenaufnahmemittel, Reinigungsarbeiten mit Kranunterstützung, Lampenwechsel.

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Abb. 6.1.2.1: Die zusätzlich am Brückenkran installierte Scherenhubarbeitsbühne ermöglicht ein einfaches Arbeiten an beliebigen Deckenpunkten. Ein Verfahren des Brückenkrans ist nur bei abgesenkter Bühne möglich.

Mit der Krananlage fest verbundene oder temporär eingesetzte Laufstege und Arbeitsbühnen sind in Abstimmung mit dem Kranhersteller/einem Kransachverständigen auszulegen und abzunehmen.

In der Vergangenheit waren wiederholt Unfälle durch den Einsatz von Leitern auf Kranbühnen zu beklagen. Die Laufstege und Arbeitsbühnen müssen daher eine unmittelbare Durchführung der Arbeiten (z.B. Arbeiten an der Maschinenhausdecke, Lampenwechsel) ohne zusätzliche Hilfsmittel ermöglichen.

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Abb. 6.1.2.2: Sonderkonstruktion zur sicheren Durchführung von Reinigungsarbeiten der Maschinenhausfenster

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Abb. 6.1.2.3: Personenaufnahmemittel beim Einsatz für Kontrollarbeiten an einer Ständerwicklung eines Generators

Personenaufnahmemittel gestatten die sichere Durchführung verschiedener Arbeiten im Maschinenhaus und mit mobilen Kranen auch an anderen Kraftwerksanlagen. Personenaufnahmemittel sind auf den vorgesehenen Verwendungszweck hin zu bauen. Vor dem erstmaligen Einsatz sind sie durch einen Sachverständigen abzunehmen und dem Unfallversicherungsträger anzuzeigen.

Zu Personenaufnahmemittel siehe auch Regel "Hochziehbare Personenaufnahmemittel" (BGR/GUV-R 159). Als Sachverständige im Sinne dieser Regel gelten neben den Sachverständigen der Technischen Überwachung nur die vom Unfallversicherungsträger ermächtigten Sachverständigen für die Prüfung von hochziehbaren Personenaufnahmemitteln.

6.1.3
Zusätzliche Einrichtungen zum Handhaben von Lasten

In der Vergangenheit mussten wiederholt Unfälle und Beschädigungen an Anlageteilen durch die Benutzung ungeeigneter Konstruktionsteile als Anschlagpunkte beklagt werden. Es ist daher sinnvoll, geeignete Anschlagpunkte auszuweisen oder Anlageteile mit zusätzlichen Anschlagpunkten auszustatten.

Beim Einsatz von Ringösen empfiehlt sich ein Ersatz durch "Wirbelböcke". Diese sind allseitig belastbar, um > 180° schwenkbar und um 360° drehbar.

Falls erforderlich, sind zusätzliche Bauteile, wie Stahlträger, zur Schaffung von Anschlagpunkten einzubauen.

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Abb. 6.1.3.1: Temporäre Anschlagpunkte durch den nachträglichen Einbau von Wirbelböcken.

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Abb. 6.1.3.2: Beispiel für den Einsatz eines Stahlträgers als Laufbahn für einen handbetätigten Hebezug in einem Pumpenraum

Der Transport von Bauteilen kann z.B. durch Rundschlingen, Schäkel und geprüfte Anschlagpunkte erleichtert werden. Die Platzierung der Anschlagpunkte bestimmt die Transportlage des Bauteils, sie sollte möglichst der späteren Einbaulage entsprechen.

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Abb. 6.1.3.3: Die Montage von Bauteilen kann durch den zusätzlichen Einbau von Anschlagpunkten erheblich erleichtert werden.

Können im Rahmen von Montagearbeiten Lasten nicht unter Zuhilfenahme von Kranen bewegt werden, können besondere Hebe- und Transporteinrichtungen hilfreich sein, um körperliche Belastungen und Gefährdungen zu vermeiden.

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Abb. 6.1.3.4: Fahrbahre Spezialvorrichtung zum Heben und Transportieren von Turbinenteilen

6.1.4
Lärm

In den Maschinenhäusern der Wasserkraftwerke sind Versicherte in der Regel durch Lärm gefährdet. Durch technische Maßnahmen ist für eine möglichst niedrige Lärmexposition zu sorgen. Kann durch technische Maßnahmen der Lärmpegel nicht auf Werte < 80 dB(A) gesenkt werden, sind den Mitarbeitern persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen. Ab einem Lärmpegel von 85 dB(A) haben die Versicherten die PSA zu benutzen. Durch organisatorische Maßnahmen sind die Häufigkeit und Dauer des Aufenthaltes in Lärmbereichen so weit wie möglich zu reduzieren.

Der Unternehmer hat darauf zu achten, dass alle Versicherten, auch die von Fremdfirmen, in Lärmbereichen Gehörschutz tragen. Die allgemeine Benutzung von Gehörschutz wird durch die Installation von Gehörschutzspendern gefördert.

Der Lärmpegel im Maschinenhaus schwankt in der Regel durch unterschiedliche Betriebszustände. Deshalb wird empfohlen, das gesamte Maschinenhaus als Lärmbereich zu kennzeichnen.

Je nach Turbinenart und Betriebsart können erhöhte Lärmpegel mit Frequenzen von ∼ 100 Hz bis zu 12 kHz auftreten. Bei der Auswahl des Gehörschutzes ist dies zu beachten.

Zur Auswahl von Gehörschutz siehe auch Software zur Auswahl von Gehörschützern des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (www.dguv.de).

Hinsichtlich staatlicher Vorschriften siehe auch Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Lärm und Vibrationen (LärmVibrationsArbSchV).