DGUV Information 203-023 - Ergonomie an Näharbeitsplätzen <zeilenumbruch />Ratgeber für die Praxis

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Abschnitt 4 - 4 Arbeitsorganisation

Einseitige, überwiegend statische Haltungen sollten zeitlich auf ein Minimum reduziert werden. Dies ist Aufgabe der Arbeitsorganisation. Bewegungen, also dynamische Arbeit, sollten zugelassen und gefördert werden.

  • Haltungswechsel innerhalb einer Arbeitsaufgabe oder die

  • Ausführung verschiedener Tätigkeiten verringern deutlich die Nachteile einseitiger Körperhaltungen beim Nähen. Durch den Einsatz anderer Muskelgruppen und andersartige Bewegungen werden Ermüdung abgebaut, Anspannung reduziert und Erholung ermöglicht.

  • Wechselnde Tätigkeiten lassen am einfachsten Bewegungsvielfalt zu.

Beim Nähen überwiegend im Sitzen sollte ein Wechsel der Sitz- und Körperhaltung ermöglicht werden. Am besten wäre ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Durch Aktivieren der Muskelgruppen im Rumpf-/Beinbereich beim Aufstehen und Gehen werden Kreislauf und Durchblutung angeregt und negative Wirkungen einseitiger Belastungen reduziert. Arbeitsaufgaben, die auch in anderer als in sitzender Körperhaltung in der Nähe des Näharbeitsplatzes ausgeführt werden können, entlasten. Der Wechsel zu solchen belastungsverringern den Arbeitsinhalten ist schon dann sinnvoll, wenn dadurch nur kurz eine dauerhaft einseitige Körperhaltung unterbrochen wird.

Hierfür geeignet sind Aufgaben aus dem Bereichen Transport, Qualitätssicherung, Wartung und Reparatur, Lagerhaltung, Arbeitsvorbereitung und ähnliche vor- oder nachgelagerte Tätigkeiten. Ein zu häufiger Arbeitswechsel kann unter Umständen negative Auswirkungen auf Übungsgrad und Arbeitsleistung haben, was jedoch durch verringerte Ermüdung, höhere Leistungsbereitschaft und weniger Fehlleistungen kompensiert werden kann.

Für Näharbeit im Sitzen (bei kleinen bis mittleren Abmessungen des Nähgutes) sind die folgenden generellen Maßnahmen zu empfehlen:

  • verstellbare Arbeitstischhöhe (siehe Kapitel 2.2.1.1),

  • bei fester Arbeitstischhöhe höhenverstellbare Fußschalter (siehe Kapitel 2.2.3.1)

    und

  • ergonomisch geeigneter Arbeitsdrehstuhl (entsprechend 2.2.5).

Tabelle 2 gibt bei unterschiedlicher Arbeitsausführung entsprechend der ergonomischen Beurteilung zusätzliche Gestaltungshinweise wieder.

Für Näharbeit in stehender Körperhaltung sollten generell folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • höhenverstellbarer Arbeitstisch (siehe Kapitel 2.2.1.1)

  • Fußschalter möglichst flach, so dass Stehen ohne Anheben des Fußes möglich ist (siehe Kapitel 2.2.3.1).

Zusätzliche Hinweise gibt Tabelle 3.

Tabelle 2 Gestaltungshinweise bei sitzender Näharbeit

Tätigkeitsausführung im Sitzenergonomische Beurteilungzusätzliche Gestaltungshinweise
wechselnde Oberkörperhaltung und gelegentlich andere Körperhaltung wie Stehen, Gehenguter Kompromiss zwischen wirtschaftlichen und humanen Anforderungenentlastende Nebentätigkeiten möglichst gleichmäßig über den Arbeitstag verteilen
wechselnde Oberkörperhaltung ohne andere Körperhaltungenbelastende Körperhaltung in Folge fehlender Möglichkeit zum Haltungswechselentlastende Tätigkeitsabschnitte in den Arbeitsablauf integrieren
Oberkörper- und übrige Körperhaltung kann nicht gewechselt werdenauf Dauer einseitige Belastung mit Gefahr des Entstehens von Beschwerden und Erkrankungenmindestens die o.a. generellen technischen Arbeitsplatzgestaltungsmaßnahmen

Tabelle 3 Gestaltungshinweise bei stehender Näharbeit

Tätigkeitsausführung im Stehenergonomische Beurteilungzusätzliche Gestaltungshinweise
mit selbstwählbarem Wechsel zum Sitzen an einem kombinierten Sitz-/Steh-NäharbeitsplatzStehen in Verbindung mit Fußbedienung ist soweit akzeptabel,wie Entlastung durch Sitzen möglich istFußschalter auch im Sitzen bedienbar; Arbeitsstuhl mit Rollen; ausreichend Bein-/Fußraum; höhengerechte Materialzufuhr
gelegentlicher Wechsel mit Gehen bzw. Sitzeneinseitige Belastung der unteren Extremität; bei großem schwerem Nähgut und geringen Genauigkeitsanforderungen akzeptabelEinsatz einer Stehhilfe überprüfen
ohne Möglichkeit, die Körperhaltung zu wechseln oder gelegentlich zu gehenauf Dauer einseitige Belastung mit der Gefahr des Entstehens von Beschwerdenmindestens o.a. generelle Arbeitsplatzgestaltung; Einsatz einer Stehhilfe überprüfen.

Arbeitsplätze, mit hoher Arbeitsteilung und einseitiger körperlicher Belastung und geringen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen führen oft zu Monotonie, Anforderungsarmut und Isolation. Als Lösungen für diese Probleme eignen sich in vielen Betrieben Sonderformen der Arbeitsorganisation, z. B.

  • Teamarbeit,

  • Gruppenarbeit,

  • Fertigungsinseln,

  • Jobrotation (Arbeitsplatzwechsel),

  • Jobenrichment (Tätigkeitsbereicherung)

und

  • Jobenlargement (Arbeitserweiterung)

führen zu Arbeits- und Haltungswechsel, die sich für die Arbeitsperson und das Arbeitsergebnis positiv auswirken, die die Wirtschaftlichkeit verbessern und für die Beschäftigten abwechslungsreichere und interessantere Tätigkeiten mit sich bringen.

Unterweisung - Voraussetzung für erfolgreiche Arbeitsgestaltung

Jede ergonomische Maßnahme kann nur dann erfolgreich sein, wenn die davon betroffenen Menschen den Nutzen erkennen und ihr persönliches Verhaltung am neuen oder umgestalteten Arbeitsplatz ändern.

Daher ist es wichtig, den Beschäftigten zu erklären, welche Vorteile der neue oder umgestaltete Arbeitsplatz bietet und warum Änderungen vorgenommen wurden. Diese Hinweise sollten so exakt wie möglich - am besten konkret auf die jeweilige Person und den Arbeitsplatz abgestimmt - gegeben werden. Z. B. können die Verstellmöglichkeiten eines Arbeitsstuhls gezeigt und die Verwendung der dynamischen Rückenlehne am Arbeitsplatz erprobt werden. Bei Tischhöhenverstellung kann durch Anbringen der persönlichen Einstellwerte sichergestellt werden, dass jede Person, die diesen Arbeitstisch verwendet, ihre eigenen Arbeitshöhen schnell finden und einstellen kann. Wichtig ist, dass der Beschäftigte nach dieser ersten Einweisung im Umgewöhnungsprozess begleitet wird. Es muss jedem Einzelnen klar sein, wie er sich zukünftig verhalten soll. Nach ca. ein bis zwei Wochen sollten positive und negative Rückmeldungen aufgenommen und besprochen werden, um zu erkennen, ob die Beschäftigten den Lösungsvorschlag akzeptiert haben oder ob weitere Änderungen erforderlich sind.

Allgemeine betriebliche Gesundheitsförderung

Von großem Nutzen, insbesondere zur Erhöhung der Anwesenheitszeiten und der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten und Betrieb, sind

  • Gesundheitsberichte (Kranken-Fehlzeiten-Analyse)

  • Mitarbeiterbefragungen (siehe auch Checkliste für Näharbeitsplätze, Anhang III)

  • Gesundheitszirkel (mit Beteiligung der Beschäftigten als Experten an ihrem Arbeitsplatz)

  • Ermittlung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren (Gefährdungsanalyse durch den Betrieb)

  • Pausenregelung inkl. gesunder Ernährung und

  • innerbetriebliches Vorschlagswesen.

Nutzen Sie hierfür auch das Wissen und die Hilfestellungen von Unfallversicherungsträgern und Krankenkassen.