DGUV Information 203-019 - Arbeiten an Fahrleitungsanlagen

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Abschnitt 9.2 - 9.2 Arbeiten im spannungsfreien Zustand

Soweit nicht Ausnahmen (siehe Abschnitt 9.3) zugelassen sind, sind die fünf Sicherheitsregeln anzuwenden:

  • Freischalten,

  • Gegen Wiedereinschalten sichern,

  • Spannungsfreiheit feststellen,

  • Erden und Kurzschließen,

  • Benachbarte unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken.

Abgrenzung der Arbeitsstelle

Bei Oberleitungsanlagen sind die Abgrenzungen der Arbeitsstellen in der Regel zu erkennen, da ein direkter Bezug zum Gleis besteht und Isolatoren sowie Streckentrenner als Anhaltspunkte für die Abgrenzungen dienen können.

Tabelle 1 Kennzeichnung der Arbeitsstelle

Besonderheiten und Unterschiede abhängig von der Nennspannung und Betrieb
bis AC 1000 V / DC 1500 Vüber AC 1 kV / DC 1,5 kV
Auf eine Kennzeichnung der Arbeitsstelle darf verzichtet werden. Die Kennzeichnung wird aber empfohlen. Die Abgrenzung der Arbeitsstelle in Längsrichtung darf allein durch die Erdungsstangen der Erdungsvorrichtungen sichergestellt werden. In Querrichtung muss die Abgrenzung der Arbeitsstelle klar erkennbar sein (z. B. Richtseilisolator). Bei unübersichtlichen Anlageteilen sollten an besonderen Gefahrenpunkten die Arbeitsgrenzen durch Schilder und/oder zusätzliche Erdungsvorrichtungen gekennzeichnet werden. Die Arbeitsgrenzen sind durch den Arbeitsverantwortlichen klar zu definieren, in Längsrichtung, Querrichtung und Höhe.

9.2.1
Freischalten

Der Speiseabschnitt der Fahrleitungsanlage bzw. einer Schaltgruppe ist von allen Einspeisungen freizuschalten, wenn an diesem Abschnitt gearbeitet werden soll.

Der Anlagenverantwortliche legt die Maßnahmen zum Freischalten fest. Wird das Freischalten nicht durch den Anlagenbetreiber durchgeführt, ist der Anlagenverantwortliche vorher zu verständigen (siehe auch Abschnitt 9.1).

9.2.2
Gegen Wiedereinschalten sichern

Alle Schaltgeräte, mit denen die Arbeitsstelle freigeschaltet worden ist, müssen möglichst durch Sperren der Betätigung, mindestens durch ein Verbotszeichen gegen Wiedereinschalten gesichert oder gekennzeichnet werden. Für die Sicherung gegen Wiedereinschalten ist der Schaltende verantwortlich.

Verbotszeichen

In Fahrleitungsanlagen bei handbetätigten Schaltern darf auf ein Verbotszeichen verzichtet werden, wenn durch technische Einrichtungen ein Wiedereinschalten verhindert ist.

Ferngesteuerte Schalter in Fahrleitungsanlagen, deren Antriebe unter Verschluss gehalten sind, werden Schaltern in abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätten gleichgestellt. Auf eine Anweisung, dass eine Schalthandlung bei ferngesteuerten Schaltern nur mit Zustimmung der Schaltstelle erlaubt ist, kann verzichtet werden, wenn die Schalter durch technische Maßnahmen vor Ort so gesichert sind, dass sie nur durch Befugte betätigt werden können.

Diese technischen Einrichtungen, die ein Wiedereinschalten verhindern sollen, können z. B. Vorhängeschlösser oder verschließbare Antriebe sein.

9.2.3
Spannungsfreiheit feststellen

Die Spannungsfreiheit muss direkt an oder so nah wie möglich an der Arbeitsstelle festgestellt werden.

Die Spannungsfreiheit darf nur durch eine Elektrofachkraft oder durch eine elektrotechnisch unterwiesene Person festgestellt werden.

Die Spannungsfreiheit freigeschalteter Abschnitte von Fahrleitungsanlagen ist immer festzustellen

  • mit geeigneten Spannungsprüfern,

  • durch Einlegen fest eingebauter Erdungseinrichtungen.

Bei Störungen und Unfällen darf ausnahmsweise in Bereichen von Kurzschlussströmen ≤ 25 kA die Spannungsfreiheit durch Tasten mit der Prüfspitze der Erdungsvorrichtung an festen Bauteilen der Oberleitungsanlagen festgestellt werden. Die isolierende Betätigungsstange muss technisch zugelassen und muss mindestens 4,0 m lang sein.

Zum Schutz der Anwender von Bahnerdungsvorrichtungen können durch die Infrastrukturbetreiber vor Einsatz der Bahnerdungsvorrichtung folgende zusätzliche Regelungen getroffen werden: Unmittelbar vor dem Einhängen der Bahnerdungsvorrichtung ist die Anzeige des Spannungsprüfers nochmals zu kontrollieren.

Kurze Spannungsprüfer die zum Einsatz an Bahnenergieleitungen und Schalterquerleitungen vorgesehen sind, dürfen nicht zur Feststellung der Spannungsfreiheit an Oberleitungen verwendet werden.

9.2.4
Erden und Kurzschließen

Durchführung der Erdungsmaßnahmen

An der Arbeitsstelle sind alle Teile der Fahrleitungsanlage, an denen gearbeitet werden soll, mit dem Rückleiter (Fahrschiene) zu verbinden (Bahnerden). Diese Verbindung muss von der Arbeitsstelle aus sichtbar sein. Ist dies nicht möglich, muss durch andere geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass diese Verbindung mit dem Rückleiter zuverlässig wirksam bleibt.

Solche Maßnahmen sind z. B. Bewachung der eingehängten Verbindung mit dem Rückleiter bzw. fest eingebaute Verbindungen. Als fest eingebaut gilt eine Verbindung mit der Rückleitung, wenn diese Verbindung nur für den Zeitraum der Arbeiten hergestellt ist und nur mit Werkzeugen zu lösen ist.

Abstimmung der Erdungsmaßnahmen

Alle zum Erden und Kurzschließen erforderlichen Maßnahmen sind mit dem Anlagenverantwortlichen vor Beginn der Arbeiten abzustimmen. Für das Erden und Kurzschließen kann z. B. die Sperrung von Gleisen erforderlich werden oder es kann die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes, z. B. mit Brennkrafttraktion oder im Schwungfahrbetrieb, gefordert werden. In diesem Fall muss die Verbindung mit der Rückleitung entsprechend profilfrei ohne Einschränkung des Regellichtraumes ausgeführt werden.

Bei betriebsfremden Unternehmen, die im Auftrag des Anlagenbetreibers tätig werden, ist für das sachgerechte Erden und Kurzschließen aufgrund von Arbeiten an Fahrleitungsanlagen der Arbeitsverantwortliche des betriebsfremden Unternehmens zuständig.

Stehen dem betriebsfremden Unternehmen für das Erden und Kurzschließen qualifizierte Arbeitskräfte nicht zur Verfügung, kann das Unternehmen auf den Anlagenverantwortlichen zurückgreifen. In diesem Fall muss der Auftraggeber oder die Auftraggeberin das sachgerechte Erden und Kurzschließen organisieren. Zwischen Auftraggeber oder Auftraggeberin und Auftragnehmer oder Auftragnehmerin ist vor Beginn der Arbeiten zu klären, wer diese Arbeiten durchführt.

Müssen betriebsbedingt Erdungs- und Kurzschlussvorrichtungen profilfrei montiert werden und sind diese gleichzeitig als Arbeitsgrenzen definiert, dann sind die Arbeitsgrenzen besonders zu kennzeichnen.

Ausführende Person

Um die richtige Reihenfolge der Einzelhandlungen beim Verbinden mit der Rückleitung sicherzustellen, dürfen diese nur von ein und derselben Person ausgeführt werden. Sie muss für diese Tätigkeit qualifiziert sein. Gleiches gilt für das Aufheben dieser Verbindung.

Für das Verbinden mit der Rückleitung muss folgende Reihenfolge eingehalten werden:

  1. 1.

    Kontaktstück an der Fahrschiene befestigen und auf festen Sitz prüfen.

  2. 2.

    Kontaktstück am Fahrdraht einhängen, befestigen und auf festen Sitz prüfen.

Tabelle 2 Verbindung mit der Rückleitung - Bahnerden und Kurzschließen

Besonderheiten und Unterschiede abhängig von der Nennspannung und Betrieb
bis AC 1000 V / DC 1500 Vüber AC 1 kV / DC 1,5 kV
Bei Nennspannungen bis AC 1000 V / DC 1500 V darf von einer Verbindung mit dem Rückleiter nur dann abgesehen werden, wenn
  • der spannungsfreie Zustand durch Freischalten, Gegen-Wiedereinschalten-Sichern und Spannungsfreiheit-Feststellen hergestellt ist und

  • Rückspeisungen, auch durch Fahrzeuge, z. B. aus Umformern, Kondensatoren, verhindert sind und

  • Verbindungen mit unter Spannung stehenden Fahrleitungen durch Überbrücken von Trennstellen durch Stromabnehmer ausgeschlossen sind und

  • gefährdende Berührungsspannungen durch beeinflussende Anlagen ausgeschlossen sind

Es muss vor und hinter der Arbeitsstelle eine Verbindung mit der Rückleitung hergestellt werden. Grenzen an einen Fahrleitungsabschnitt mehrere andere Fahrleitungsabschnitte, so können weitere Verbindungen erforderlich werden. Die Anzahl der erforderlichen Rückleitungsverbindungen ist nach den örtlichen Verhältnissen und dem jeweiligen Schaltzustand mit dem Bahnbetreiber festzulegen. Es müssen mindestens zwei Erdungs- und Kurzschlussvorrichtungen pro ausgeschaltete Schaltgruppe eingebaut sein.

Bei einschienig isolierten Gleisen muss die Rückleitungsverbindung an der nicht isolierten Fahrschiene hergestellt werden. Es sind ggf. weitere besonderen Anweisungen des Bahnbetreibers zu beachten.

Die Verbindung mit der Rückleitung darf außer mit den dafür bestimmten Einrichtungen der Anlage z. B. Erdungsschalter, nur mit freigeführten Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen vorgenommen werden.

Über einen geschlossenen Schalter, der zwei Schaltgruppen verbindet, darf nur geerdet werden, wenn er vor Ort gegen Öffnen gesichert ist. Ist dies nicht möglich, sind beide Schaltabschnitte separat zweifach zu erden.

Zur Verbindung von Stromschienenleitungen mit der Rückleitung, z. B. mit Erdungsgeräten, ist sinngemäß zu verfahren.

Bei der Aufhebung der Verbindung muss folgende Reihenfolge eingehalten werden:

  1. 1.

    Kontaktstück vom Fahrdraht lösen und Erdungsstange mit Kurzschließseil neben das Gleis legen.

  2. 2.

    Kontaktstück von der Fahrschiene lösen.

9.2.5
Benachbarte unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Können Fahrleitungsanlagen in der Nähe der Arbeitsstelle nicht freigeschaltet werden, müssen vor Arbeitsbeginn zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, wie beim Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile, getroffen werden. Werden die Abstände nach Abschnitt 9.4.2, Tabelle 3 nicht eingehalten, müssen Abdeckungen, z. B. isolierende Schläuche oder Hindernisse, z. B. Gitter, die unter Spannung stehenden Teile abdecken oder abschranken, so dass mindestens ein teilweiser Schutz gegen Berührung von unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitungsanlage gegeben ist. Die Abdeckungen oder Hindernisse müssen durch Elektrofachkräfte angebracht werden.