DGUV Information 213-011 - Bauschuttrecycling - Sicherheit und Gesundheitsschutz

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Abschnitt 4.4 - Arbeiten am Brechereinlauf

In vielen Recycling-Betrieben ist es üblich, daß sich ein Mitarbeiter ständig auf der Bühne neben dem Brechereinlauf aufhält, dort die Materialzuführung beobachtet und, je nach Ausgangsmaterial, Störstoffe wie Folien oder Holz aus dem Produktstrom entfernt. Die Beschäftigten werden dort durch eine Vielzahl von Faktoren belastet und gefährdet (Abb. 14). Sie sind dem Lärm und Staub, ausgehend von Brecher, Aufgabetrichter, Vibrationsrinne sowie u.U. den Abgasen des Dieselaggregates ausgesetzt. Die Arbeitsbühnen sind zumeist unmittelbar mit der Anlage verbunden. Dadurch werden Vibrationen und Schwingungen der Maschine auf die dort tätige Person übertragen. Darüber hinaus ist kein oder ein unzureichender Schutz vor Witterungseinflüssen durch Schutzwände, Schutzdächer und/oder Vorhänge vorhanden.

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Abb. 14: Sortierarbeiten am Brechereinlauf mit erhöhter Gefährdung und Gesundheitsbelastung

Zusätzlich zu den Belastungen treten Verletzungsgefahren durch zurückgeschleudertes Gestein oder Metallteile aus dem Brecher sowie durch das manuelle Entfernen von scharfkantigen Gegenständen und Bewehrungseisen auf. Bei der Beseitigung von Störungen, verursacht von zu großen Materialstücken, kommt es bei dieser Tätigkeit immer wieder zu schweren Absturzunfällen oder Quetschungen durch nachrutschendes Material, wenn sich die Beschäftigten auf das Material begeben.

Ein typisches Beispiel hierzu beschreibt die nachfolgende Schilderung:

Herr H. wollte eine 50 x 60 cm große Metallplatte aus dem Bereich der Vorsiebung der Brecheranlage entnehmen. Nach Abschaltung der Anlage begab er sich mit einem Vorschlaghammer in diesen Bereich und versuchte, die Metallplatte aus dem Recyclingmaterial herauszulösen. Am Ende des Kratzförderers lag über dem anderen Material eine ca. 50 x 80 cm große Betonplatte, von der Herr H. nicht annahm, daß sie verrutschen könne, und die er daher nicht beachtete. Während der Arbeit mit dem Vorschlaghammer mit Blickrichtung zum Brechereinlauf bemerkte Herr H., daß hinter ihm feines Material in Bewegung kam. Vorsichtshalber wollte er den Bereich der Vorabsiebung verlassen. Dabei traf ihn die nachrutschende Betonplatte am linken Unterschenkel.

Für den erforderlichen Schutz dieses Arbeitsplatzes vor Lärm, Staub, Vibrationen und Witterungseinflüssen ist eine klimatisierte Kabine, vergleichbar dem Führerstand von Erdbaumaschinen, notwendig. Dies läßt sich jedoch nur dann realisieren, wenn der Mitarbeiter von der Kabine aus bei geschlossener Tür den Brechereinlauf beobachten, die Zuführung steuern kann und nur in Ausnahmefällen ein störendes Stück Holz o.ä. entfernen muß. Dies setzt wiederum eine sorgfältige Vorbereitung bzw. Vorsortierung des Aufgabematerials voraus. Sämtliche Bedienungselemente wären in der Kabine unterzubringen. Neben dem Brechereinlauf darf dann lediglich ein Not-Aus-Schalter vorhanden sein. Bislang werden jedoch derartige Kabinen nur in Ausnahmefällen angeboten.

Für eine regelmäßige Lesetätigkeit ist der gesamte Brechereinlauf zum Schutz gegen die Witterung einzuhausen. Der entstehende Staub muß abgesaugt werden, die Übertragung von Schwingungen und Vibrationen lassen sich durch die Installation von Schwingungsdämpfern zwischen Einhausung und Anlage verhindern. Eine effektive Reduzierung der Lärmeinwirkung ist jedoch kaum möglich. Der Schutz vor herausgeschleuderten Teilen aus dem Brecher kann aufgrund der beengten Platzverhältnisse nur schwer gewährleistet werden. Eine kombinierte Lösung: Elektrisch verriegeltes Schutzgitter am Einlauf eines Backenbrechers mit Bedüsungseinrichtung (Abb. 15). Bei Prallbrechern ist zum Schutz gegen herausschleudernde Teile ein Kettenvorhang vorhanden (Abb. 16).

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Abb. 15: Elektrisch verriegeltes Schutzgitter am Einlauf eines Backenbrechers mit Bedüsungseinrichtung

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Abb. 16: Kettenvorhang zum Schutz gegen zurückschleudernde Teile

Welche Unfallgefahren hierdurch für die Beschäftigten entstehen, ist aus dem folgenden Unfall zu entnehmen:

Herr S. war im Begriff, den Backenbrecher leerzufahren und die Arbeiten zu beenden. Der Radladerfahrer hatte die Beschickung bereits seit einiger Zeit eingestellt und transportierte lediglich Fertigbrechgut an der Anlage vorbei zum Lagerplatz. Währenddessen bemerkte er plötzlich, daß Herr S. in einer unnatürlichen Körperhaltung leblos über dem Brecherrand hing. Herr S. hatte eine stark blutende Kopfwunde. Auf dem Gehäuse neben dem Brechereinlauf wurde ein Baggerzahn (ca. 42 cm lang, 17 cm breit) gefunden, der von keinem in dem Unternehmen betriebenen Bagger stammte. Es ist davon auszugehen, daß der Baggerzahn mit dem angelieferten Brechgut aufgegeben wurde und in dem Moment aus dem Brecher zurückgeschleudert wurde, als sich der Verletzte zu einer Sichtkontrolle über das Geländer beugte.

Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen gibt vor, daß Belastungen und Gefährdungen von Personen von vornherein zu verhindern sind.

Für den Schutz der Beschäftigten ist es wesentlich wirkungsvoller und darüber hinaus wirtschaftlicher, anstelle der beschriebenen aufwendigen Kabine oder Einhausung des Brechereinlaufes die Produktion so umzustellen, daß der ständige Aufenthalt auf der Anlage nicht mehr erforderlich ist. Folgende Vorgehensweise hat sich hierbei bewährt:

Das Material wird aus der Vorratshalde entnommen, ausgebreitet und dann mit Hilfe von Betonscheren oder Hydraulikhämmern so vorzerkleinert, daß die Stücke sich nicht im Brechereinlauf verklemmen können. Lose Eisen sowie besonders große Störstoffe werden aussortiert, die aus den Betonstücken herausragenden Bewehrungseisen abgetrennt. Die anschließende Aufgabe mit einem Bagger, dessen Löffelgröße auf die Abmessungen des Brechereinlaufs abgestimmt ist, hat gegenüber der Aufgabe mit dem Radlader den Vorteil einer gleichmäßigeren Beschickung der Anlage. Außerdem können hiermit keine übergroßen Stücke, die bei der Vorzerkleinerung evtl. übersehen wurden, aufgegeben werden. Beides bewirkt einen weitgehend störungsfreien Betrieb.

Die erhöhte Aufstellung des Baggers ermöglicht dem Geräteführer gleichzeitig die Beobachtung des Brechereinlaufs (Abb. 17). Außerdem ist die Steuerung der Materialzuführung per Fernbedienung möglich.

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Abb. 17: Beispil für die erhöhte Aufstellung des Baggers

Eine zusätzliche Möglichkeit für den kontinuierlichen Betrieb stellt die steuerungstechnische Koppelung der Vibrationsrinne an den Lastzustand des Brechers dar. Auf diese Weise werden Lärm- und Staubemissionen, Schwingungen und übermäßiger Verschleiß der Anlage sowie Unfallgefahren durch häufige Störungsbeseitigung vermieden.

Sofern für die Aufbereitung von störstoffdurchsetztem Material eine ständige umfangreiche Lesetätigkeit erforderlich ist, hat diese an einem separaten Leseband zu erfolgen. Dieser Arbeitsplatz muß gegen Witterungseinflüsse sowie Staub und Lärm geschützt und klimatisiert sein.

In der folgenden Übersicht sind die wesentlichen Anforderungen für Arbeiten an Bauschuttaufbereitungsanlagen noch einmal zusammengefaßt:

Anforderungen an einen Arbeitsplatz auf dem Brecher zur Beobachtung des Brechereinlaufs:

  • klimatisierte Kabine mit Schall- und Wärmeisolierung

  • keine Übertragung von Schwingungen auf die Kabine

  • Brechereinlauf von dort aus einsehbar

  • alle Stellteile in der Kabine

  • neben dem Brecher: Not-Aus-Schalter

Als Alternativen sind zu nennen:

  • Beobachtung des Brechers von einem erhöht aufgestellten Bagger aus

  • Bedienung der Zuführeinrichtung (z.B. Vibrationsrinne) per Funkfernsteuerung

  • Koppelung der Zuführeinrichtung an den Lastzustand das Brechers

Es ist folgendes zu beachten:

  • eine konsequente Vorbehandlung des Ausgangsmaterials ist unverzichtbar

  • ein betriebsmäßiges Auslesen von Störstoffen darf nur an einem separaten Leseplatz erfolgen.

Zur Ausstattung des Leseplatzes gehört:

  • Schutz gegen Witterung, Staub, Lärm

  • Klimatisierung,

  • Schutz vor Unfallgefahren, d.h. vollständige Verkleidung aller Einzugs-, Quetsch- und Scherstellen am Leseband und

  • Not-Aus-Schalter unmittelbar erreichbar.